Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 30. Apr. 2015 - L 7 AS 806/14

published on 30/04/2015 00:00
Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 30. Apr. 2015 - L 7 AS 806/14
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Tenor

I.

Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 19. November 2014 wird zurückgewiesen.

II.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Streitig ist die Rechtmäßigkeit des Eingliederungsverwaltungsaktes vom 18.07.2014.

Der Kläger ist seit dem Jahr 1999 nicht sozialversicherungspflichtig beschäftigt und lebt mit seiner im Jahre 2003 geborenen Tochter in einer Bedarfsgemeinschaft. Die Mutter zahlt Unterhalt für die Tochter.

Zwischen dem Kläger und dem Beklagten wurden regelmäßig Verhandlungen über Eingliederungsvereinbarungen geführt mit dem Ergebnis, dass jedes Mal ein Eingliederungsverwaltungsakt erlassen wurde, nachdem der Kläger sich regelmäßig geweigert hatte, eine Eingliederungsvereinbarung zu unterschreiben.

Am 17.07.2014 erschien der Kläger beim Beklagten wieder zu einem Meldetermin, der dazu führen sollte, dass eine Eingliederungsvereinbarung zustande kommt. Nach dem erneuten Scheitern der Verhandlungen, erließ der Beklagte am darauffolgenden Tag einen Eingliederungsverwaltungsakt durch Bescheid vom 18.07.2014 für die Zeitdauer von sechs Monaten, also vom 18.07.2014 bis 17.01.2015.

Ziel des Eingliederungsverwaltungsaktes sei die Vermittlung des Klägers in eine sozialversicherungspflichtige Vollzeitbeschäftigung. Hierzu wurden Bemühungen des Klägers zur Eingliederung im Einzelnen festgelegt. U. a. enthielt der Eingliederungsverwaltungsakt vom 18.07.2014 folgende Pflichten:

- Anmeldung der Tochter zum Besuch der offenen Ganztagesklasse an der Mittelschule A-Stadt.

- mindestens acht Bewerbungen im Monat, wobei sämtliche Stellenangebote (befristet, unbefristet, Teilzeit, Vollzeit) zu berücksichtigen sind; Nachweis durch entsprechende Liste.

- Benutzung von Medien zur Stellensuche, u. a. Internet, Gelbe Seiten, lokale Printmedien.

- Verpflichtung zu Bewerbung auf Vermittlungsvorschläge des Jobcenters (ohne Anrechnung auf die vorgegebenen acht Bewerbungen aus Eigeninitiative) innerhalb von drei Tagen.

Im Gegenzug sicherte der Beklagte dem Kläger die Erstattung angemessener Bewerbungskosten zu, wobei unabhängig von einem Nachweis höherer Bewerbungskosten dem Kläger pro Bewerbung 5,- € bei schriftlicher Bewerbung und 50 Cent bei einer Onlinebewerbung pauschal erstattet werden sollten, höchstens jedoch 260,- € im Jahr.

In der Rechtsfolgenbelehrung wurde dem Kläger die gesetzliche Lage dargestellt, wonach prozentuale Minderungen bei Verstößen (30%, 60% des Regelbedarfs usw.) gegen die im Eingliederungsverwaltungsakt auferlegten Pflichten möglich seien.

Auf den Widerspruch des Klägers, mit dem er u. a. geltend machte, er sei unzureichend zum Erlass des Eingliederungsverwaltungsaktes gehört worden, hob der Beklagte den Eingliederungsverwaltungsakt mit Widerspruchsbescheid vom 30.07.2014 insoweit auf, als die Pflicht zur Anmeldung der Tochter des Klägers zum Besuch der offenen Ganztagesklasse aus dem Eingliederungsverwaltungsakt gestrichten wurde.

Die hiergegen erhobene Klage wies das Sozialgericht München (SG) mit Gerichtsbescheid vom 19. November 2014 als unbegründet ab. Die zulässige Anfechtungsklage sei unbegründet.

Mit dem Kläger seien Verhandlungen über das Zustandekommen einer Eingliederungsvereinbarung geführt worden, die jedoch gescheitert seien, so dass der Weg über den Eingliederungsverwaltungsakt für den Beklagten frei gewesen sei.

Ein Anhörungsmangel sei nicht erkennbar, zumindest aber im Widerspruchsverfahren gemäß § 41 Abs. 1 Nr. 3 SGB X geheilt worden, nachdem der Kläger hier sämtliche Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit des Eingliederungsverwaltungsaktes habe vortragen können.

Inhaltlich bestünden keine Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit des Eingliederungsverwaltungsaktes, nachdem im Widerspruchsverfahren insoweit abgeholfen worden war, als die Verpflichtung der Anmeldung der Tochter des Klägers zur Mittelschule zur Ganztagesklasse aufgehoben worden ist. Eine solche Aufhebung im Rahmen des Widerspruchsverfahrens einzelner Pflichten führe nicht dazu, dass der Eingliederungsverwaltungsakt wie der Kläger meint - in seiner Gesamtheit rechtswidrig wäre und demgemäß aufzuheben sei.

Acht Bewerbungen seien dem Kläger zumutbar.

Auch Vollzeitstellen seien dem Kläger grundsätzlich zumutbar. Bei jedem Stellenangebot sei lediglich im Hinblick auf die Konsequenzen der Ablehnung einer solchen Stelle durch den Kläger zu prüfen, inwieweit die konkrete Stelle mit der Erziehung der minderjährigen Tochter des Klägers in Einklang zu bringen gewesen wäre und ob Möglichkeiten der Betreuung des Kindes zur Verfügung gestanden hätten. Im Eingliederungsverwaltungsakt habe der Beklagte im Übrigen auch seine Hilfe bei der Suche nach Betreuungsmöglichkeiten angeboten.

Gegen die pauschale Erstattung von 5,- € für schriftliche Bewerbungen und 50 Cent für Onlinebewerbungen bestünden keine rechtlichen Bedenken.

Auch die Verpflichtung zur Nutzung verschiedener Medien bei der Stellensuche sei nicht anzugreifen, da die Medien dort nur beispielhaft aufgeführt seien.

Auch könne keine unzumutbare Belastung des Klägers darin erkannt werden, dass er sich auf Vermittlungsvorschläge des Beklagten binnen drei Tagen zu bewerben habe.

Die Rechtsfolgenbelehrung sei hinreichend konkret und verständlich. Aus der Belehrung ginge hervor, welche Rechtsfolgen den Antragsteller bei Verstoß gegen den Eingliederungsverwaltungsakt erwarten.

Eine falsche Wortwahl zwischen Eingliederungsvereinbarung und Eingliederungsverwaltungsakt könne die Rechtsfolgenbelehrung nicht unverständlich machen, insbesondere da der Eingliederungsverwaltungsakt die Eingliederungsvereinbarung ersetze und mithin dieselben Rechtsfolgen bei Pflichtverstößen hervorrufe. Auch dass die Sanktionen nicht der Höhe nach in Euro beziffert seien, sondern lediglich prozentual angegeben werden, mache die Rechtsfolgenbelehrung nicht rechtsfehlerhaft. Bei einer Pflichtverletzung werde der Leistungsempfänger nochmals getrennt angehört und in diesem Anhörungsschreiben regelmäßig durch das Jobcenter die Sanktion konkret in Euro aufgeführt.

Gegen die Entscheidung des SG legte der Kläger zunächst per E-Mail ohne qualifiziertes Zertifikat Berufung zum Bayer. Landessozialgericht (LSG) ein. Auf gerichtlichen Hinweis, dass es an einer qualifizierten elektronischen Signatur fehle, legte der Kläger mit unterschriebenem Fax vom 29.11.2014 nochmals Berufung gegen die Entscheidung des SG ein.

In seiner Berufungsbegründung trägt der Kläger die gleichen Punkte wie auch schon im Widerspruchsverfahren, im erstinstanzlichen Verfahren und auch im Eilverfahren (Eilantrag gegen den Eingliederungsverwaltungsakt durch Beschluss des SG, abgelehnt am 11.08.2014; die hiergegen zum LSG erhobene Beschwerde wurde zurückgewiesen, Az.: L 8 AS 596/14 B ER) vor.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 19. November 2014 aufzuheben und festzustellen, dass der Eingliederungsverwaltungsakt vom 18.07.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.07.2014 rechtswidrig war.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Schon im Widerspruchsverfahren sei auf sämtliche Punkte des Klägers ausführlich eingegangen worden, Die Verpflichtung des Klägers, seine minderjährige Tochter in der Ganztagesklasse in der Mittelschule anzumelden, sei im Widerspruchsverfahren aufgehoben worden. Sanktionen auf der Grundlage des Eingliederungsverwaltungsaktes seien im Geltungszeitraum des Eingliederungsverwaltungsaktes nicht erfolgt.

Gründe

Die Berufung ist zulässig.

Die Berufung ist insbesondere nicht verfristet. Zwar wurde die Berufung vom Kläger mangels qualifizierter elektronischer Signatur zunächst formunwirksam eingelegt (vgl. BayLSG, Beschluss vom 10.07.2014, Az.: 7 AS 410/14 B ER). Der Kläger hat jedoch innerhalb der laufenden Berufungsfrist nochmals form- und fristgerecht durch ein unterschriebenes Fax Berufung eingelegt.

Die ursprünglich zulässige Anfechtungsklage, wie sie noch vor dem SG zulässig war, ist im Berufungsverfahren nicht mehr statthaft, da sich der Eingliederungsverwaltungsakt in Gestalt des Widerspruchsbescheides durch Zeitablauf gemäß § 39 Abs. 2 SGB X erledigt hat. Insoweit ist das Rechtsschutzbegehren des Klägers aber als Fortsetzungsfeststellungsklage gemäß § 131 Abs. 1 S. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft.

Ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse ist zu bejahen, nachdem der Kläger weiterhin im Leistungsbezug beim Beklagten ist und dieser weiterhin über Eingliederungsvereinbarungen bzw. Eingliederungsverwaltungsakte versuchen wird, den Kläger in ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis zu vermitteln.

Die Feststellungsklage ist jedoch unbegründet. Der Eingliederungsverwaltungsakt vom 10.07.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.06.2014 war rechtmäßig. Der Inhalt der Rechtsfolgenbelehrung ist keine Frage der Rechtsmäßigkeit des Eingliederungsverwaltungsakts, sondern betrifft nur Sanktionen, die hier nicht Streitgegenstand waren. Nachdem der Kläger im Berufungsverfahren im Übrigen keine neuen Aspekte vorgetragen hat, wird insoweit auf die Gründe in der Entscheidung des SG verwiesen und von einer weiteren Darstellung gemäß § 153 Abs. 2 SGG abgesehen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und der Erwägung, dass der Kläger mit seinem Begehren erfolglos blieb.

Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich.

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(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha
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Annotations

(1) Eine Verletzung von Verfahrens- oder Formvorschriften, die nicht den Verwaltungsakt nach § 40 nichtig macht, ist unbeachtlich, wenn

1.
der für den Erlass des Verwaltungsaktes erforderliche Antrag nachträglich gestellt wird,
2.
die erforderliche Begründung nachträglich gegeben wird,
3.
die erforderliche Anhörung eines Beteiligten nachgeholt wird,
4.
der Beschluss eines Ausschusses, dessen Mitwirkung für den Erlass des Verwaltungsaktes erforderlich ist, nachträglich gefasst wird,
5.
die erforderliche Mitwirkung einer anderen Behörde nachgeholt wird,
6.
die erforderliche Hinzuziehung eines Beteiligten nachgeholt wird.

(2) Handlungen nach Absatz 1 Nr. 2 bis 6 können bis zur letzten Tatsacheninstanz eines sozial- oder verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nachgeholt werden.

(3) Fehlt einem Verwaltungsakt die erforderliche Begründung oder ist die erforderliche Anhörung eines Beteiligten vor Erlass des Verwaltungsaktes unterblieben und ist dadurch die rechtzeitige Anfechtung des Verwaltungsaktes versäumt worden, gilt die Versäumung der Rechtsbehelfsfrist als nicht verschuldet. Das für die Wiedereinsetzungsfrist maßgebende Ereignis tritt im Zeitpunkt der Nachholung der unterlassenen Verfahrenshandlung ein.

(1) Ein Verwaltungsakt wird gegenüber demjenigen, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in dem er ihm bekannt gegeben wird. Der Verwaltungsakt wird mit dem Inhalt wirksam, mit dem er bekannt gegeben wird.

(2) Ein Verwaltungsakt bleibt wirksam, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist.

(3) Ein nichtiger Verwaltungsakt ist unwirksam.

(1) Für das Verfahren vor den Landessozialgerichten gelten die Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug mit Ausnahme der §§ 91, 105 entsprechend, soweit sich aus diesem Unterabschnitt nichts anderes ergibt.

(2) Das Landessozialgericht kann in dem Urteil über die Berufung von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist.

(3) Das Urteil ist von den Mitgliedern des Senats zu unterschreiben. Ist ein Mitglied verhindert, so vermerkt der Vorsitzende, bei dessen Verhinderung der dienstälteste beisitzende Berufsrichter, dies unter dem Urteil mit Angabe des Hinderungsgrunds.

(4) Das Landessozialgericht kann, außer in den Fällen des § 105 Abs. 2 Satz 1, die Berufung durch Beschluß zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind vorher zu hören. § 158 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5) Der Senat kann in den Fällen des § 105 Abs. 2 Satz 1 durch Beschluss die Berufung dem Berichterstatter übertragen, der zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entscheidet.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.