Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 17. Dez. 2015 - L 2 U 46/12
Gericht
Principles
Tenor
I.
Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München
II.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die HIV-Infektion des Klägers eine Berufskrankheit Nr. 3101 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) ist.
Der am ... geborene Kläger war seit
Im Vertrag mit A.
- eine unmittelbare Weiterbeschäftigung des Klägers nach fristgemäßer Beendigung und positiv verlaufendem Einsatz für B., wobei die Reintegrationszusage nach 5 Jahren ende,
- der Vorbehalt von A., den Kläger auch während der Laufzeit seines Vertrags mit B. - mit dessen Einvernehmen - zurückzurufen und
- die Anerkennung der Zugehörigkeit bei B. im Falle einer Weiterbeschäftigung bei A.
Über die Reintegration bzw. Einsatzverlängerung bei B. sollte sechs Monate nach Vertragsende entschieden werden. In den beigefügten Anlagen zum Entsendungsvertrag zu Vergütung und Zusatzleistungen wird ausgeführt, dass die Vergütungspolitik für den Auslandeseinsatz Bezug und Bindung zur Heimatgesellschaft aufrechterhalten solle und Sozialversicherungsbeiträge abgezogen würden, als ob weiterhin ein inländisches Beschäftigungsverhältnis bestehe. Für die Dauer des Auslandseinsatzes erfolge eine Rentenversicherungspflicht auf Antrag oder die Entrichtung freiwilliger Beiträge; der Mitarbeiter bleibe weiter in der Kollektivunfallversicherung mit Versicherungssummen von 100.000 DM bei Tod und 200.000 DM bei Invalidität versichert.
Während der Tätigkeit in D. blieben die Ehefrau und die beiden Kinder des Klägers in Deutschland. Wegen Unstimmigkeiten und familiärer Schwierigkeiten kündigte der Kläger den Vertrag mit B. mit Schreiben vom 30.05.1999. Mit Schreiben vom 01.07.1999 wies A. darauf hin, dass bei vorzeitigem Vertragsende mit B. die Beschäftigungszusage keine Geltung habe, und bat ggf. um schriftliche Bestätigung der Kündigung. Daraufhin bat der Kläger mit Schreiben vom 27.07.1999 B. um Entbindung von den Dienstpflichten; die Entscheidung beruhe auf Rückführung zur A. und habe definitiven Charakter.
Der Anspruch des Klägers auf Beschäftigung bei A. war Gegenstand eines arbeitsgerichtlichen Verfahrens. Mit Urteil des Arbeitsgerichts ... vom 25.11.1999 und des Landesarbeitsgerichts ... vom 15.11.2000 wurde entschieden, dass der Kläger keinen Anspruch auf Einstellung bzw. Weiterbeschäftigung bei A. habe, weil er den Vertrag mit B. vorzeitig ohne wichtigen Grund gekündigt habe.
Am
Im Arztbrief der Klinik S. zur Verlegung des Klägers in die HIV-Ambulanz der L. (L.) heißt es: „Sexualanamnestisch gab der Patient eine Promiskuitivität bei zahlreichen Auslandsaufenthalten, vor allem in D. an, zuletzt vor 2 Jahren. Hier hatte der Patient anschließend nach Rückkehr einen HIV-Test durchgeführt, der jedoch unauffällig war.“ Im Erfassungsbogen der L. vom 14.03.2003 wird insbesondere eine Pneumozystis carinii (Pneumonie bei HIV), Aids und ein Ulcus molle glaux penis aufgeführt. Im Anamnesebogen der L. vom 14.03.2013 wurde u. a. „Promiskuität bei verschiedenen Auslandsaufenthalten; letzter HIV-Test vor 2 a (= anni/Jahren) negativ“ vermerkt.
Die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) bewilligte dem Kläger mit Bescheid vom
Im Februar 2007 wandte sich der Kläger an die Regierung von ..., die sein Schreiben an die ...-Berufsgenossenschaft weiterleitete, deren Rechtsnachfolgerin die Beklagte ist (im Folgenden beide bezeichnet als Beklagte). Darin gab der Kläger an, er sei während seines Auslandseinsatzes für A. mit HIV infiziert worden. Im Dienstvertrag seien die erforderlichen Schutzimpfungen vereinbart gewesen. Während er die erste und zweite Impfung gegen Hepatitis A und B noch in Deutschland erhalten habe, habe er den Impfstoff für die dritte Impfung nach D. mitgenommen. Der Betriebsarzt der B. habe ihm am 10.11.1998 die dritte Impfung mit einer bereits gebrauchten, ausgewaschenen Spritze verabreicht und ihn dadurch mit HIV infiziert. Bei Untersuchungen in D. wegen Unwohlseins sei nur mitgeteilt worden, er habe eine Überimpfung erhalten. Ein weiterer Arbeitsunfall sei in D. eingetreten, als er einen von der Hallenoberkonstruktion gefallenen Mitarbeiter in die Seitenlage drehen wollte und sich an einem Gegenstand verletzt habe, den dieser in der Tasche trug. Er könne weder sagen, welcher Gegenstand es war, noch wie der Bauarbeiter geheißen habe. Sexuelle Kontakte seien „in diesem Zeitraum“ nicht zustande gekommen.
Auf Nachfragen der Beklagten legte der Kläger seinen Impfpass vor; danach heiße der Arzt L. Bei der Impfung seien nur er und der Arzt anwesend gewesen. Er habe seinen Vorgesetzten Herrn G. informiert. Dieser habe erklärt, es müsse als „Top Secret“ behandelt werden, und habe veranlasst, dass ein Kurier - Herr H. - neue Spritzen nach D. brachte. Nach Aussage von A. habe Herr G. auf entsprechende Anfragen nicht geantwortet. Beigefügt war ein Schreiben des Klägers an A. vom 08.07.2005 mit dem Betreff „Erwerbsunfähigkeit durch Betriebsarztfehler“. Darin schilderte der Kläger, er habe beim Verlassen des Arztzimmers Spritzen am Fensterbrett trocknen sehen. Auf Nachfrage sei ihm gesagt worden, es gebe zu wenig Spritzen. Deshalb würden die gebrauchten ausgewaschen, um sie noch einmal zu verwenden. Bei anschließenden Untersuchungen habe keine Infektion bei ihm festgestellt werden können. Erst später habe er erfahren, dass die Infektion frühestens nach drei bzw. sechs Monaten feststellbar sei und bis zu zehn Jahre schlummern könne. Da A. seine Versprechungen nicht eingelöst habe, sei er ausgeschieden. Nun sei er krank, habe seine Arbeit verloren, habe keine Aussicht auf eine Arbeitsstelle und könne allein von der Erwerbsunfähigkeitsrente nicht leben. Deshalb bitte er um finanzielle Unterstützung bzw. um wohlwollende Prüfung, ob ein Versicherungsfall eintrete bei Schadenszuführung und Leichtsinnigkeit eines Betriebsarztes oder ob eine Betriebsrente sowie Versorgungsaufwand zu gewähren seien.
Im beigelegten Schreiben vom
Der Dipl.-Ingenieur H. des Präventionsdienstes der Beklagten führte am
Dr. M. (Praxis Dr. J.) berichtete am
Mit Bescheid vom
Mit Widerspruch vom
Mit Widerspruchsbescheid vom
Zur Begründung der am 14.01.2008 beim Sozialgericht München (SG) erhobenen Klage (Az. S 9 U 26/08, später fortgeführt unter S 9 U 398/09) hat der Kläger im Wesentlichen dargelegt, dass es keine anderen Möglichkeiten der Infektion gegeben habe als den Unfall mit dem Bauarbeiter oder die Impfung. Seine damalige Lebensgefährtin sei nicht infiziert gewesen. Er habe mit Fax vom 20.06.2006 die Leitung Gesundheitswesen von A. in A-Stadt informiert und der leitende Werksarzt Dr. G. habe ihm die gewünschten Unterlagen zugesandt. Seine Krankheitserscheinungen nach der Spritze würden den Verdacht einer HIV-Infektion nahelegen. Herr G. habe ihn nur informiert, dass eine Überimpfung vorliege. Unterlagen dazu habe er nicht gesehen. Mittlerweile glaube er, dass man ihn wegen seiner Erkrankung nicht weiterbeschäftigen wollte. Auf das beigefügte Schreiben des Klägers vom 20.06.2006 an die Leitung Gesundheitswesen wird Bezug genommen.
Auf gerichtliche Anfrage teilten Dr. G. und Frau L., Leitung Gesundheitswesen von A., mit Schreiben vom
Nach Erörterung des Rechtsstreits am
Dazu gab der Kläger an, er könne keine Angaben zum Datum oder zur Identität des Bauarbeiters machen, der möglicherweise für eine Fremdfirma gearbeitet habe. Während seiner Einsatzzeit habe es acht oder neun Todesfälle gegeben. Unterlagen müssten die Behörden in D. haben. Er habe die eigene kleine Verletzung selbst durch Taschentücher abgedrückt und ein Pflaster angebracht. Eine Einordnung seines Virusstamms sei nicht erfolgt. Sein einziger Sexualkontakt (seine Lebensgefährtin) sei nicht infiziert. Er habe vor der Infektion keine Blutübertragung erhalten und nie Drogen konsumiert.
Auf das Vorerkrankungsverzeichnis der A. Krankenversicherung, ausgestellt vom
Der Präventionsdienst teilte am
Mit Bescheid vom
Zur Begründung der dagegen am
Das SG hat ein Gutachten von Prof. Dr. K., ehemaliger Direktor der Landeskinderklinik N.,
Telefonisch habe der Kläger folgende Angaben gemacht: Es hätten Spritzen und Kanülen in der Sonne getrocknet. Bei dem Vorfall mit dem Bauarbeiter habe er sich eine Schnittverletzung zugezogen und seine Hand habe geblutet. Ob er mit dem Blut des Verletzten in Berührung gekommen sei, wisse er nicht mehr. Er habe während seines Aufenthalts in D. nur mit seiner damaligen Freundin Geschlechtsverkehr gehabt, die er in Deutschland einige Male besucht habe. Nach seiner Rückkehr habe das Verhältnis zu seiner Freundin weiterbestanden; sie habe sich trotz ungeschützten Geschlechtsverkehrs nicht infiziert und ihn nach der Diagnose 2003 verlassen. Zu anderen Personen habe er keine Sexualkontakte gehabt. Anfang Dezember 1998 habe er etwa drei Wochen Fieber und ein starkes Krankheitsgefühl gehabt, wie bei schwerer Grippe mit Rachenentzündung und starker Schwellung der Lymphknoten des Halses; ihm sei von einem auffälligen Blutbild berichtet worden. Danach habe er sich noch gelegentlich fiebrig und unwohl gefühlt. Man habe ihm erklärt, es sei eine Überimpfung, und eine Wiederholung der Untersuchung nach einiger Zeit empfohlen bzw. angeboten. Dem sei er nicht nachgekommen, weil er sich wieder wohlgefühlt habe. Der Kläger glaube, dass damals auch ein HIV-Test durchgeführt worden sei. Zwischen 1999 bis 2002 habe er sich wohl gefühlt.
Dr. K. hat ausgeführt, dass die vom Kläger geschilderten Symptome im Dezember 1998 durchaus typisch für eine Akut-Reaktion nach HIV-Infektion seien. So trete bei etwa 90% der Infizierten etwa zwei bis drei Wochen ein akutes Krankheitsbild - oft mononukleoseartig - auf mit Dauer von mehreren Wochen; anschließend bestehe oft über Jahre Wohlbefinden. Falls der Arzt damals tatsächlich eine spätere Überprüfung nahegelegt habe, könne dies nur bedeuten, dass er an eine HIV-Infektion gedacht habe; bei Überimpfung sei dies sinnlos. Beim Kläger gebe es keinen Anhalt für eine vor Dienstantritt in D. bestehende HIV-Infektion. Allerdings sei zuvor kein HIV-Test durchgeführt worden. Der Immunstatus im März 2003 zeige, dass die Infektion mehrere Jahre zurückliegen müsse; eine weitergehende Bestimmung sei nach den vorliegenden Unterlagen nicht möglich. Insbesondere fehle der Nachweis einer Serokonversion. Ohne Behandlung betrage das Intervall zwischen HIV-Infektion und klinischer Manifestation von AIDS zwischen zwei und fünfzehn Jahren, im Mittel zehn Jahre.
Die Beklagte hat insbesondere beanstandet, dass der Sachverständige die Angaben des Klägers zugrunde gelegt und den Gutachtensauftrag selbstständig erweitert habe. Der Kläger hat sich auf das Gutachten gestützt.
Das SG hat die Klageverfahren zu beiden geltend gemachten Arbeitsunfällen mit Beschluss vom 17.11.2010
Die Beklagte hat mit Schreiben vom
Das SG hat ein Gutachten des Internisten und Neurologen Dr. S.
Der Kläger hat eingewandt, dass Dr. S. im Gutachten vom
Auf die Niederschrift des Erörterungstermins vom
Mit Schreiben vom
Das SG hat daraufhin Unterlagen der behandelnden Ärzte des Klägers, insbesondere der Klinik S., der L. und von Dr. L. eingeholt. Unterlagen des früheren Hausarztes Dr. W., der den Kläger bis 1996 behandelt hatte, und Unterlagen der A. Krankenversicherung für die Zeit bis 31.12.1998 haben nicht mehr vorgelegen.
Mit Schreiben vom
Der Kläger hat mit Schreiben vom
Mit Bescheid vom
Mit Widerspruch vom
Das SG hat mit Schreiben vom
Mit Gerichtsbescheid vom 31.10.2011 hat das SG die Klagen abgewiesen. Die 2003 festgestellte HIV-Infektion sei weder Folge eines Arbeitsunfalls noch eine BK Nr. 3101 der Anlage 1 zur BKV. Die Anerkennung einer Infektionskrankheit aufgrund eines Arbeitsunfalls setze nach BSG-Rechtsprechung die Übertragung der Infektionskrankheit durch die beim Unfall erfolgte Einwirkung voraus. Ob der Kläger mit einer gebrauchten und infizierten Spritze geimpft worden sei, könne dahinstehen. Denn angesichts konkurrierender Ursachen aus dem privaten Lebensbereich könne aus diesem Ereignis nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf eine HIV-Übertragung geschlossen werden. Die Angaben des Klägers, er habe bis 2000 nur mit seiner Ehefrau und danach nur mit seiner Lebensgefährtin Sexualkontakte gehabt, seien nicht glaubwürdig. Zum einen sei die 2003 diagnostizierte Erkrankung Ulcus molle eine Geschlechtskrankheit, die eher in tropischen Ländern wie S. verbreitet sei. Zum anderen habe der Kläger beim Klinikaufenthalt über promiskes Verhalten, insbesondere bei Auslandsaufenthalten, berichtet. Die Angaben zu Sexualkontakten mit Ehefrau bzw. Freundin gegenüber Dr. K. und gegenüber dem Gericht im Erörterungstermin seien widersprüchlich. Unglaubwürdig sei, dass ihm die Erkrankung Ulcus molle nicht bekannt gewesen sei. Denn bei Geschlechtskrankheiten erfolge regelmäßig intensive Aufklärung, um Gefährdung von Sexpartnern auszuschließen.
Dr. K. habe seine Beurteilung zum Kausalzusammenhang ausdrücklich unter den Vorbehalt gestellt, dass das SG sich von der Glaubhaftigkeit der Angaben des Klägers überzeuge. Den Angaben über nur zwei Sexualpartnerinnen vermöge das SG aus o.g. Gründen aber nicht zu folgen. Die HIV-Infektion könne ebenso gut durch Sexualkontakt erfolgt sein, einen im Vergleich zum Spritzengebrauch wesentlich gefährlicheren Übertragungsweg. Ob der Kläger im Zusammenhang mit seiner Auslandstätigkeit einer erhöhten Infektionsgefahr im Sinne der BK 3101 ausgesetzt gewesen sei, könne dahinstehen wegen der dem privaten Lebensbereich zuzuordnenden Infektionsrisiken. Eine Infektion aufgrund Erster-Hilfe-Leistung bei einem Bauarbeiter in D. scheide aus, weil sich der Kläger nicht an einen Kontakt mit dem Blut des Arbeiters erinnern könne. Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf den Gerichtsbescheid Bezug genommen.
Gegen den am
Das LSG hat die Verfahren hinsichtlich der beiden Arbeitsunfälle und der Berufskrankheit getrennt und das Verfahren hinsichtlich der BK Nr. 3101 zur Nachholung des Widerspruchsverfahrens ausgesetzt. Die Beklagte hat mit Widerspruchsbescheid vom 24.07.2012 den Widerspruch des Klägers zurückgewiesen.
Der Kläger hat mit Schreiben vom
Auf Nachfrage wurde von der Klinik S. mit Schreiben vom
Der Kläger hat mit Schreiben vom
A. teilte mit Schreiben vom
Anfragen des LSG vom
Auf Anregung des LSG hat die Beklagte eine Stellungnahme des Arbeitsmediziners Dr. L.
Nach Veröffentlichung des Arbeitskreises Blut des damaligen Bundesministeriums für Gesundheit und Soziale Sicherung aus dem Jahr 2004 werde die Stabilität von HIV wesentlich über die Lipidhülle geprägt. Gegenüber Hitzeeinwirkungen betrage die Halbwertszeit der Virusinaktivierung bei 56° etwa 30 Minuten, bei 60° etwa eine Minute und über 65° weniger als eine Sekunde. Bei niedrigeren Temperaturen sei HIV relativ stabil (bei 20° Halbwertszeit ca. 9 Stunden, bei 4° mehrere Monate). HIV sei gegenüber der Behandlung mit Desinfektionsmitteln empfindlich. Ein konkretes Risikoprofil könne nicht berechnet werden.
Der Kläger hat im Wesentlichen vorgetragen, dass er die Spritze im Werk erhalten habe. Dass keine Unterlagen mehr vorliegen sollen, erscheine merkwürdig. Er habe von Dr. G. noch Daten erhalten. Unklar sei, seit wann genau das Verbot der Wiederverwendung gebrauchter Spritzen mit Kanülen gegolten habe. Damals seien Impfungen nicht mit Einwegmaterial vorgenommen worden. Unverständlich sei, warum nur die derzeitigen Werksärzte bekannt seien. Er hat sich auf ein Urteil des BayLSG unter dem Az. L 3 U 262/12 berufen.
Mit Schreiben vom
Auf das Protokoll zur mündlichen Verhandlung vom
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf die beigezogenen Akten der Beklagten, des Sozialgerichts unter den Az. S 9 U 26/08, S 9 U 398/09 und S 9 U 349/09, des LSG unter den Az. L 2 U 550/11, L 2 U 45/12 und L 2 U 46/12, die beigezogenen ärztlichen Unterlagen des Klägers in der Akte der Klinik S. und der L. sowie auf die beigezogene Schwerbehindertenakte des Klägers Bezug genommen, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Gründe
A) Die zulässige Berufung erweist sich als unbegründet, denn der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung einer BK Nr. 3101 der Anlage 1 zur BKV.
Entgegen der vom SG vertretenen Auffassung ist der Bescheid der Beklagten vom 12.09.2011 über das Vorliegen einer Berufskrankheit Nr. 3101 der Anlage 1 zur BKV einschließlich daraus folgender Leistungsansprüche nicht kraft Gesetzes gemäß § 96 SGG Gegenstand der Klageverfahren wegen Anerkennung zweier Ereignisse aus dem Jahr 1998 als Arbeitsunfälle geworden. Denn der Bescheid vom 12.09.2011 hat die Bescheide über das Vorliegen von Arbeitsunfällen weder abgeändert noch ersetzt. Nach ständiger Rechtsprechung des BSG bildet jede Listen-Berufskrankheit, jede Wie-Berufskrankheit und jeder Arbeitsunfall jeweils einen eigenständigen Gegenstand des Verwaltungsverfahrens, über den der Unfallversicherungsträger einen feststellenden Verwaltungsakt (positiver oder negativer Art) zu erlassen hat (vgl. hierzu BSG
Der Kläger hat seine Klagen mit Schreiben vom 05.08.2011, beim SG eingegangen am 08.08.2011, auf die Feststellung einer BK Nr. 3101 erweitert im Sinne einer Klageänderung nach § 99 Abs. 1 SGG. Die Beklagte hat sich sodann mit der Einbeziehung des Bescheides vom 12.09.2011 in die Entscheidung durch Gerichtsbescheid einverstanden erklärt und somit ihre Einwilligung zur Klageänderung gemäß § 99 Abs. 1 SGG erteilt. Erst durch Nachholung des Widerspruchsverfahrens im Berufungsverfahren ist aber die zunächst unzulässige Klage zulässig geworden.
Die statthafte kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage ist aber unbegründet, weil der Kläger keinen Anspruch auf die Feststellung hat, dass seine HIV-Erkrankung eine Berufskrankheit ist. Der Anspruch richtet sich nach den Vorschriften des Siebten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB VII) sowie des auf seiner Grundlage erlassenen Rechts, weil die HIV-Infektion im März 2003 festgestellt worden ist und der geltend gemachte Versicherungsfall nach dem Inkrafttreten des SGB VII am 1.1.1997 eingetreten sein soll (vgl. Art. 36 Unfallversicherungs-Einordnungsgesetz, § 212 SGB VII).
Nach ständiger BSG-Rechtsprechung ist für die Feststellung einer Listen-BK danach im Regelfall erforderlich, dass die Verrichtung einer - grundsätzlich - nach dem SGB VII versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen o.ä. auf den Körper geführt hat (Einwirkungskausalität) und die Einwirkungen eine Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität) (vgl. hierzu BSG
1. Die Beklagte hat die Verrichtungen des Klägers während seines Einsatzes in D. in innerem bzw. sachlichen Zusammenhang mit einer Beschäftigung des Klägers bei A. (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII) wegen erfolgter Entsendung gesehen, obwohl der Kläger im Werk C. in D. tätig war und mit B., einem rechtlich von A. unabhängigen Unternehmen, einen Arbeitsvertrag abgeschlossen hatte.
Gemäß § 3 Nr. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) gelten die Vorschriften über die Versicherungsberechtigung, soweit sie eine Beschäftigung voraussetzen, für alle Personen, die im Geltungsbereich dieses Gesetzbuchs beschäftigt sind. In Erweiterung dieser Regelung bestimmt § 4 Abs. 1 SGB IV („Ausstrahlung“), dass - soweit die Vorschriften über die Versicherungspflicht und Versicherungsberechtigung eine Beschäftigung voraussetzen - diese auch für Personen gelten, die im Rahmen eines im Geltungsbereich dieses Gesetzbuchs bestehenden Beschäftigungsverhältnisses in ein Gebiet außerhalb dieses Geltungsbereichs entsandt werden, wenn die Entsendung infolge der Eigenart der Beschäftigung oder vertraglich im Voraus zeitlich begrenzt ist.
Nach Wortlaut sowie Sinn und Zweck (vgl. zur Gesetzesbegründung BT-Drucks 7/4122 S. 30) setzt ein fortbestehendes Versicherungspflichtverhältnis voraus, dass vor Beginn der Entsendung ein Beschäftigungsverhältnis mit dem entsendenden Arbeitgeber in Deutschland bestanden hat, dass es während der Zeit der Entsendung fortbesteht und dass es nach Beendigung der Entsendung weiter geführt werden soll, weshalb § 4 Abs. 1 SGB IV eine „im Voraus“ feststehende zeitliche Begrenzung fordert (vgl. BSG
- der im Ausland beschäftigte Arbeitnehmer organisatorisch in den Betrieb des inländischen Arbeitgebers eingegliedert bleibt und wesentliche Elemente eines Beschäftigungsverhältnisses (vgl. § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV) erfüllt werden und
- sich der Anspruch auf Arbeitsentgelt gegen den inländischen Arbeitgeber richtet (vgl. BSG
Ist ein Betrieb im Ausland nicht nur wirtschaftlich, sondern auch rechtlich in der Weise verselbstständigt, dass er als juristische Person besteht, so ist bei der Arbeit in diesem Betrieb regelmäßig von einer Eingliederung auszugehen (vgl. BSG
Bereits vor Entsendung nach D. bestand ein Beschäftigungsverhältnis des Klägers in Deutschland mit A. und dieses Beschäftigungsverhältnis sollte nach dem bereits im Vertrag vom 20.04.1998 zeitlich befristeten Einsatz in D. in Deutschland weitergeführt werden. Unter Punkt 2 dieser Vereinbarung war nämlich ein Anspruch des Klägers auf unmittelbare Weiterbeschäftigung nach fristgemäßer Beendigung eines positiv verlaufenden Auslandseinsatzes in der Konzern-F. von A. vereinbart. Die Beklagte hat für das Fortbestehen des Beschäftigungsverhältnisses insbesondere auf das jederzeitige Rückrufsrecht aus dem mit B. bestehenden Arbeitsvertrag und die Einflussmöglichkeiten hinsichtlich Fort- und Weiterbildung als Ausfluss eines fortbestehenden Weisungsrechts verwiesen. Auch die Zahlungsmodalitäten würden für eine Ausstrahlung sprechen. Allerdings ist unklar, ob der Kläger neben dem Entgeltanspruch gegen B. während des Aufenthalts in D. weitergehende Zahlungsansprüche gegen A. hatte. Soweit ersichtlich hatte A. eine Bescheinigung über gezahlten Arbeitslohn nur bis 31.08.1998 ausgestellt. B. ist eine rechtlich selbstständige juristische Person.
Letztlich kann der Senat hier aber offenlassen, ob eine Entsendung i. S.v. § 4 SGB IV vorgelegen hat und damit ein Beschäftigungsverhältnis in D., das dem Versicherungsschutz nach dem SGB VII unterlag (sog. Ausstrahlung).
2. Denn die Voraussetzungen für die Anerkennung einer BK Nr. 3101 sind nach Überzeugung des Senats hier nicht erfüllt.
Der Verordnungsgeber hat die BK Nr. 3101 wie folgt bezeichnet: „Infektionskrankheiten, wenn der Versicherte im Gesundheitsdienst, in der Wohlfahrtspflege oder in einem Laboratorium tätig oder durch eine andere Tätigkeit der Infektionsgefahr in ähnlichem Maße besonders ausgesetzt war“. Da sich bei dieser BK der Ansteckungsvorgang im Nachhinein häufig nicht mehr feststellen lässt, tritt an die Stelle der „Einwirkungen“ im Sinne von § 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VII eine erhöhte Infektionsgefahr, die im Vollbeweis vorliegen muss (vgl. BSG in Urteilen vom 02.04.2009, u. a. B 2 U 33/07 R - Juris RdNr. 12).
Der Verordnungsgeber geht bei der BK Nr. 3101 typisierend davon aus, dass gerade im Gesundheitsdienst, in der Wohlfahrtspflege und in einem Laboratorium eine abstrakte Gefahrenlage und für die betroffenen Beschäftigten ein generell erhöhtes Infektionsrisiko besteht (generelle /abstrakte Gefahrenlage). Durch die mit der 7. BKVO vom 20.06.1968 (BGBl. I S. 721) beabsichtigte Erweiterung des Versicherungsschutzes auf außerhalb der bezeichneten Gefährdungsbereiche tätige Versicherte, die „der Infektionsgefahr in ähnlichem Maße besonders ausgesetzt“ sind, wird deutlich, dass die besondere Gefahrenlage im Sinne der 4. Regelungsalternative derjenigen entsprechen muss, die im Fall der anderen drei Regelungsalternativen (Gesundheitsdienst, Wohlfahrtspflege und Laboratorium) angenommen wird. Voraussetzung ist daher, dass die versicherte Tätigkeit eine abstrakte Gefahrenlage in sich birgt (vgl. BSG
Ob der Versicherte einer der versicherten Tätigkeit innewohnenden „Infektionsgefahr in besonderem Maße“ ausgesetzt war, hängt einerseits von der Durchseuchung des Umfelds der versicherten Tätigkeit ab, d. h. der kontaktierten Personen sowie der Objekte, mit oder an denen zu arbeiten ist, und andererseits von der Übertragungsgefahr der ausgeübten Verrichtungen, die sich nach dem Übertragungsmodus der jeweiligen Infektionskrankheit sowie der Art, Häufigkeit und Dauer der vom Versicherten verrichteten gefährdenden Handlungen bestimmt (vgl. BSG
Der Kläger war ausweislich seines Zeugnisses als ...-Abteilungsleiter im Werk C. in D. mit Leitung und Aufbau einer F.-Abteilung einschließlich Einstellung, Training und Überwachen von Mitarbeitern sowie mit der Erstellung eines Qualitätssicherungssystems betraut. Der Kläger war zweifellos nicht im Gesundheitsdienst, in der Wohlfahrtspflege oder in einem Laboratorium tätig.
Der Senat vermag sich nicht davon zu überzeugen, dass die vom Kläger verrichteten Arbeiten ihrer Art nach unter Berücksichtigung der Beschaffenheit des Arbeitsumfeldes mit einer besonderen abstrakten Gefahrenlage hinsichtlich einer HIV-Infektion einhergingen.
Dass der Kläger in D. beschäftigt war, begründet keine besondere Infektionsgefahr. Zwar war der Anteil HIV-infizierter Personen in D. mit durchschnittlich ca. 0,6% bis 0,7% höher als der Durchseuchungsgrad in Deutschland von durchschnittlich knapp 0,1% (vgl. jeweils zu den Prävalenz-Zahlen von Personen zwischen 15 und 49 Jahren für D. Dourado et alii, Aids epidemic trends after the introduction of antiretroviral therapy in D., Revista Saùde Publica 2006 S. 6 m. w. N. 1998 0,61%, 2000 0,65%, 2004 0,61%; vgl. das D. Gesundheitsministerium im Country Progress Report 2005/2007 S. 11: stabile Rate zwischen 2000 und 2004 mit zuletzt 0,61%; UNAIDS Epidemical Fact Sheets on HIV/AIDS and sexually transmitted infections 2004 - D. - S. 2: Ende 2003 0,7% adult rate; vgl. UNAIDS Report 2000 Rate unter Erwachsenen Ende 1999 für Deutschland 0,1% Bl. 128, für D. 0,57% Bl.131). Zu den Hochprävalenzgebieten für HIV gehörte D. damit auch im streitgegenständlichen Zeitraum nicht. Denn Voraussetzung dafür ist, dass eine HIV-Prävalenz von mehr als 1% in der allgemeinen Bevölkerung zwischen 15 und 49 Jahren besteht bei überwiegend heterosexueller Übertragung (vgl. hierzu Robert-Koch-Institut www. rki.de/DE/Content /InfAZ/H/HIVAIDS/Epidemiologie/Surveillance/HI. V. M.eldungHPL.html).
Wie von Dr. K. in seinem Gutachten dargelegt erfolgt die Infektion mit dem Retrovirus HIV durch Geschlechtsverkehr, Blut-Blut-Kontakt (z. B. bei Mehrfachgebrauch von Spritzen, Transfusionen, Verletzungen) sowie vertikal von Mutter auf Kind. Ergänzend wird im Merkblatt für die ärztliche Untersuchung zur BK Nr. 3101 (Bekanntmachung des BMA vom 01.12.2000, BArbBl. 1/2001, S. 35 f D., Anhang) eine Übertragung über die Schleimhaut des Auges erwähnt. Die Infektion mit HIV erfolgt durch Blut und andere infektiöse Körperflüssigkeiten, im Wesentlichen Sperma, Vaginalsekret und den Flüssigkeitsfilm auf der Darmschleimhaut. Häufigster Übertragungsweg sind ungeschützte Sexualkontakte (vgl. dazu und zu den Ausführungen im Folgenden Ratgeber des Robert-Koch-Instituts
Kein Infektionsrisiko stellen dagegen Körperkontakte im alltäglichen sozialen Miteinander, die gemeinsame Benutzung von Geschirr, Besteck u.ä. sowie die gemeinsame Benutzung sanitärer Einrichtungen dar. HIV wird nach gegenwärtigem Wissensstand nicht über Speichel, Tränenflüssigkeit, Tröpfcheninfektion, durch Insektenstiche oder über Nahrungsmittel oder Trinkwasser übertragen. Die Kontamination von intakter Haut mit virushaltiger (Körper-)Flüssigkeit führt nicht zu einer Übertragung (vgl. RKI-Ratgeber s.o.). Die Übertragung von HIV durch orale Aufnahme virushaltiger Körperflüssigkeiten (Muttermilch, Samenflüssigkeit) ist möglich, während ansonsten orale Kontakte (Küssen, Beißen, Zahnbehandlungen) oder Aerosole (Husten) kein erkennbares Übertragungsrisiko darstellen. Dieses Phänomen wird auf virusinaktivierende Eigenschaften des Speichels zurückgeführt, die aber durch isotone Flüssigkeiten wie Muttermilch oder Samenflüssigkeit weitgehend neutralisiert werden können (vgl. RKI unter Hinweis auf Baron u. a. „Oral transmission of human immunodeficiency virus by infected seminal fluid and milk: a novel mechanism“ 2000, JID 181, Bl. 498-504; www.rki.de/SharedDocs/FAQ/HIVAids/FAQ-Liste.html).
Vor diesem Hintergrund unterliegt die Arbeit als Leiter der Abteilung für F. selbst bei gegenüber Deutschland erhöhtem Durchseuchungsgrad unter den (arbeitsfähigen) Beschäftigten mit Blick auf die Infektionswege nach Überzeugung des Senats keiner besonders erhöhten Infektionsgefahr für HIV. Dass der Kläger während seiner beruflichen Verrichtungen regelmäßig mit (virushaltiger) Körperflüssigkeit in Kontakt gekommen wäre, ist weder vorgetragen noch ersichtlich.
Der Kläger selbst führt die besondere Infektionsgefahr auf zwei Ereignisse während seiner Arbeit in D. zurück, nämlich zum einen auf die Versorgung eines verunglückten Arbeiters und zum anderen auf die Durchführung der dritten Schutzimpfung. Daraus lässt sich aber keine besondere abstrakte Gefahrenlage ableiten, die mit einer Beschäftigung im Gesundheitsdienst, in der Wohlfahrtspflege oder in Laboratorien vergleichbar wäre.
a) Das gilt auch unter Berücksichtigung der einmaligen Erste-Hilfe-Leistung gegenüber einem verletzten Mitarbeiter. Es ist weder nachgewiesen noch ermittelbar, dass und ggf. an welchem Tag der Kläger bei einem verunglückten Arbeiter erste Hilfe geleistet hat, dass dieser mit HIV infiziert war und dass sich der Kläger dabei eine Schnittverletzung an der Hand zugezogen hat. Der Kläger selbst hat nach eigenen Angaben diesen Vorfall damals nicht dem Arbeitgeber gemeldet. Weitergehende Ermittlungen sind dem Senat schon deswegen nicht möglich, weil laut Kläger eine Vielzahl von Personen im Werk im Zeitraum seiner Tätigkeit tödlich verunglückt sein sollen und dem Kläger nicht mehr erinnerlich ist, an welchem Tag sich der Vorfall ereignete, wer der Verunglückte war und ob dieser überhaupt für B. oder für eine Drittfirma tätig war. Ob der Versorgte mit HIV infiziert war und damit als mögliche Infektionsquelle in Betracht kommt, lässt sich daher nicht klären. Selbst wenn aber eine erhöhte Durchseuchung der arbeitsfähigen Mitarbeiter mit HIV im Werk C. unterstellt wird, lässt sich nach Art und Ausmaß des geschilderten Vorgangs daraus keine erhöhte Infektionsgefahr ableiten. Der Kläger hat geschildert, er habe versucht, den Verletzten in eine stabile Seitenlage zubringen, der aus dem Mund geblutet habe; die Versorgung von blutenden Wunden hat er nicht vorgenommen. An Kontakt mit Blut des Verletzten konnte sich der Kläger nicht erinnern. Dass es zu einem Eindringen einer für die Infektion ausreichenden Menge fremden Blutes z. B. in eine blutende Wunde des Klägers an einem seiner Finger gekommen ist, erscheint unwahrscheinlich, zumal sich der Kläger nach eigenen Angaben rasch zurückgezogen hatte wegen des Ansturms erzürnter Mitarbeiter. Ferner beträgt das statistische Ansteckungsrisiko selbst bei - hier nicht erfolgter Wundversorgung - nur 0,03% (vgl. Mehrtens /Brandenburg, Kommentar zu BKV, zu BK 3101, Anmerkung 22.2.1.2). Eine regelmäßige oder häufigere Versorgung verletzter Mitarbeiter hat der Kläger im Rahmen seiner Beschäftigung nicht vorgenommen. Daher liegt weder ein für die Infektion geeigneter Kontakt mit einer nachweislichen HIV-Infektionsquelle vor noch traten bei Beschäftigung des Klägers Situationen mit erhöhter Infektionsgefahr für HIV mit einer gewissen Regelmäßigkeit bzw. Häufigkeit auf, vergleichbar den Tätigkeiten im Gesundheitsdienst, in der Wohlfahrtspflege oder in einem Laboratorium (vgl. zur Regelmäßigkeit bzw. Häufigkeit auch Mehrtens/Brandenburg, Kommentar zur BKV, zu BK Nr. 3101 Anmerkung 22.3).
b) Soweit der Kläger eine besonders erhöhte Infektionsgefahr bei seiner Beschäftigung mit HIV auf die Entgegennahme der dritten Impfdosis zurückführt, ist darauf hinzuweisen, dass auch insoweit eine mit einer Tätigkeit im Gesundheitswesen vergleichbare Häufigkeit oder gar Regelmäßigkeit infektionsgefährdender Situationen nicht ersichtlich ist.
Außerdem ist weder im Vollbeweis nachgewiesen noch durch weitere Ermittlungen aufklärbar, ob die Behauptungen des Klägers zutreffen, dass der Arzt Spritzen nach Auswaschen und Trocknen für Impfungen wiederverwendet hat bzw. dass der Arzt für die konkrete Impfung des Klägers eine ausgewaschene Spritze wiederverwendet hat. Sogenannte Fertigspritzen mit bereits enthaltenem Impfstoff gegen Hepatitis gab es 1998 noch nicht, wie Dr. K. bestätigt hat.
Der Arbeitgeber hat erklärt, ihm seien solche Vorgänge mit Wiederverwendung von Spritzen nicht bekannt. Der vollständige Name oder die Anschrift des damals die Impfung durchführenden Arztes sind nicht bekannt. Es handelte sich nicht um einen Arzt von B. oder A., sondern um einen Mitarbeiter im d. Gesundheitswesens in U. oder C. Eigene Ärzte hat B. erst ab Januar 1999 beschäftigt. Zeugen, die die Wahrnehmungen zu trocknender Spritzen und /oder Kanülen oder das Gespräch zwischen dem Kläger und dem Arzt mitteilen könnten, konnte der Kläger nicht benennen, da er mit dem Arzt allein gewesen sei. Andere Kollegen, die ähnliche Entdeckungen gemacht hätten, sind nicht bekannt. Die Nachforschungen des Präventionsdienstes der Beklagten bei der Abteilung Arbeits- und Gesundheitsschutz von A. unter Einbeziehung des Betriebsrates im Jahr 2007 brachten keine weitergehenden Erkenntnisse oder Ermittlungsansätze. Der damalige Vorgesetzte, Herr G., hat auf die gerichtlichen Anschreiben nicht reagiert. Er könnte im Übrigen allenfalls als Zeuge vom Hörensagen Auskunft über das Gespräch mit dem Kläger und seine damaligen Schilderungen geben. Selbst wenn ein Kurier Spritzen nach D. gebracht hat, lässt sich daraus nicht ein vorangegangenes Fehlverhalten des Arztes schließen. Unterlagen zu ärztlichen Behandlungen des Klägers aus dem Jahr 1998 lagen beim Arbeitgeber nicht mehr vor; Ansprechpartner aus der damaligen Zeit konnte er nicht benennen.
c) Eine Beweislastumkehr bzw. Beweiserleichterungen wegen behaupteter Beweisvereitelungen des ehemaligen Arbeitgebers, wie der Kläger geltend macht, sind nach Überzeugung des Senats nicht veranlasst. Der Verordnungsgeber hat den Beweisschwierigkeiten bei Infektionskrankheiten dadurch Rechnung getragen, dass er die BK Nr. 3101 der Anlage 1 zur BKV geschaffen hat und dafür nicht den Vollbeweis der Einwirkungen verlangt, sondern nur den Vollbeweis einer besonders erhöhten beruflichen Infektionsgefahr. Die Beweisschwierigkeiten des Klägers rechtfertigen hier nach Überzeugung des Senats weder eine Beweislastumkehr noch die Annahme eines Beweisnotstandes mit daraus abzuleitender Notwendigkeit von Beweiserleichterungen (vgl. BSG
Soweit Beweisschwierigkeiten aus der fehlenden Möglichkeit zeitnaher Ermittlungen (z. B. Sicherung der Unterlagen der 1998 in D. erfolgten Untersuchungen, Feststellung der Identität des verunglückten Arbeiters) resultieren bzw. auf die fehlende Durchführung von HIV-Tests in entsprechenden zeitlichen Abständen, vermag der Senat daraus keine Beweiserleichterungen für den Kläger abzuleiten. Der Kläger selbst hat 1998 A. als entsendende Firma nicht über die Vorfälle informiert und sich selbst nach Diagnose seiner Erkrankung - soweit aus den Unterlagen ersichtlich - erstmals Mitte 2005 an A. gewandt. Die Beklagte wurde über Umwege erst 2007 auf die Möglichkeit einer berufsbedingte Infektion hingewiesen.
Der Fall ist insbesondere nicht mit demjenigen im Verfahren L 3 U 262/12 (Urteil BayLSG
d) Ferner ist darauf hinzuweisen, dass auch nach Darstellung des Klägers benutzte Spritzen nicht unmittelbar bei mehreren Patienten wiederverwendet wurden, sondern nach Auswaschen und Trocknen. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass nach den überzeugenden Ausführungen von Dr. L. ein Auskochen und Trocknen von Spritzen eine HIV-Übertragung zwar nicht sicher ausschließen kann, dass aber bei Studien selbst mit unnatürlich hochkonzentrierten HIV-belasteten Proben bereits bei Antrocknen innerhalb weniger Stunden die Anzahl ansteckender Viren um 90-99% verringert wurde. Da die in den Laborversuchen eingesetzte Viruslast viel höher war als die im Blut oder anderen Proben tatsächlich vorhandene, ist das theoretische Risiko einer Übertragung durch Umwelteinwirkungen im Falle von angetrocknetem HIV-infizierten menschlichen Blut gering. Das deckt sich mit Ausführungen in der unfallmedizinischen Literatur, wonach Verletzungen durch Spritzen, deren Gebrauch bereits einige Zeit zurückliegt und bei denen das Blut bereits angetrocknet ist, als weniger riskant angesehen werden als Verletzungen durch frisch verwendete Instrumente (vgl. Mehrtens /Brandenburg, Kommentar zu BKV zu BK 3101 Anmerkung 22.2.1.2). Dr. L. hat dargelegt, dass nach Veröffentlichung des Arbeitskreises Blut des Bundesministeriums für Gesundheit und Soziale Sicherung aus dem Jahr 2004 die Stabilität von HIV wesentlich über die Lipidhülle geprägt wird. Gegenüber Hitzeeinwirkungen beträgt danach die Halbwertszeit der Virusinaktivierung bei 56° etwa 30 Minuten, bei 60° etwa 1 Minute und über 65° weniger als eine Sekunde. Bei niedrigeren Temperaturen ist HIV dagegen relativ stabil. Bei 20° beträgt die Halbwertszeit etwa 9 Stunden, bei 4° hingegen mehrere Monate. Ferner ist HIV gegenüber der Behandlung mit Desinfektionsmitteln empfindlich. Bereits 20% Ethanol verringert langsam den Infektionstiter und hochprozentiger Alkohol inaktiviert das Virus schnell. Vor diesem Hintergrund lässt sich angesichts der Schilderungen mit Auswaschen und Trocknung der Spritzen vor Wiederverwendung das Expositionsrisiko bei Bluttransfusionen oder bei frischen Stichverletzungen mit Skalpellen oder Nadeln im Gesundheitswesen nicht auf den vorliegenden Fall übertragen.
Nach Überzeugung des Senats scheitert ein Anspruch des Klägers auf Feststellung der BK Nr. 3101 der Anlage 1 zur BKV daher schon am fehlenden Nachweis einer besonders erhöhten Infektionsgefahr für HIV im Rahmen seiner Beschäftigung in D..
3. Darüber hinaus ist der Senat ebenso wie das SG der Überzeugung, dass der Kläger - insbesondere während seines Aufenthaltes in D. - mehrfach ungeschützt sexuelle Kontakte außerhalb seiner Ehe hatte. Im Arztbrief der Klinik S. zur Verlegung des Klägers in die HIV-Ambulanz der L. heißt es: „Sexualanamnestisch gab der Patient eine Promiskuitivität bei zahlreichen Auslandsaufenthalten, vor allem in D. an, zuletzt vor zwei Jahren. Hier hatte der Patient anschließend nach Rückkehr einen HIV-Test durchgeführt, der jedoch unauffällig war.“ Der Senat hält es für ausgeschlossen, dass der Begriff Pomiskuitivität von dem damaligen Arzt gewählt worden wäre, wenn der Kläger - wie im Gerichtsverfahren vorgetragen - lediglich von einem einzigen außerehelichen Kontakt - nämlich mit seiner damaligen Lebensgefährtin - gesprochen hätte. Soweit der Kläger mittlerweile behauptet, er habe seine Lebensgefährtin, mit der er bis 2003 zusammen gewesen sei, erst nach seinem Aufenthalt in D. - nämlich Ende 2001 /Anfang 2002 - kennengelernt und damit bis Ende 2001 ausschließlich mit seiner damaligen Ehefrau sexuellen Kontakt gehabt, lassen sich die Angaben im Arztbrief nicht einmal ansatzweise mehr mit vom Kläger behaupteten „Missverständnissen“ des Arztes erklären. Die Angaben zu zahlreichen Auslandsaufenthalten, vor allem in D., sind so konkret und stimmig mit der Vorgeschichte des Klägers, dass der Senat im Übrigen eine Verwechslung mit anderen Personen für ausgeschlossen hält.
Der Senat misst diesen dokumentierten Erstangaben zu einer möglichen Genese gegenüber dem behandelnden Arzt, die noch unbeeinflusst von Überlegungen zu möglichen Entschädigungen erfolgt sind, hier besondere Bedeutung im Rahmen der Beweiswürdigung zu. Das gilt um so mehr, als der Kläger selbst einräumt, dass sein Gedächtnis mittlerweile krankheitsbedingt eingeschränkt ist. Der Neurologe und Psychiater Dr. S. spricht in seinem nach Untersuchung am 25.06.2004 für die BfA erstellten Gutachten von mittelgradiger Reduzierung von Aufmerksamkeit, Konzentrationsfähigkeit, Merkfähigkeit und Gedächtnisfähigkeit.
Gegenüber Dr. K. hatte der Kläger angegeben, er habe während seiner Zeit in D. Geschlechtsverkehr nur mit seiner Freundin gehabt, die er öfter in Deutschland besucht habe und das Verhältnis habe nach seiner Rückkehr aus D. weiter bestanden; die Freundin habe sich trotz ungeschützten Geschlechtsverkehrs nicht angesteckt, ihn aber nach der Diagnose 2003 verlassen. Auch bei Untersuchung durch Dr. S. hat der Kläger die außereheliche Beziehung mit seiner Freundin bereits ab 1998 bis 2003, also schon während der Zeit seines Aufenthalts in D., bestätigt. In Widerspruch dazu hat er im Erörterungstermin vor dem SG am 03.08.2011 auf ausdrückliche Befragung erklärt, bereits vor Geburt der Tochter 1978 bis zum Jahr 2000 ausschließlich mit seiner Ehefrau sexuellen Kontakt gehabt zu haben. Im Berufungsverfahren wurde nun der Beginn der Beziehung mit der Freundin /Lebensgefährtin auf Ende 2001 /Anfang 2002 datiert. Angesichts dieser Widersprüchlichkeiten vermag der Senat den seinen Erstangaben widersprechenden Behauptungen des Klägers nicht zu folgen, dass er seit 1978 bis 2003 nur mit zwei nachweislich nicht infizierten Personen Sexualkontakte hatte, nämlich mit seiner Ehefrau und mit derjenigen Freundin, die sich 2003 von ihm getrennt hat. Damit weicht der Senat nicht von den gutachterlichen Ausführungen von Dr. K. ab. Zutreffend hat das SG bereits ausgeführt, dass Dr. K. letztlich seine Beurteilung der Ursachenzusammenhänge ausdrücklich unter den Vorbehalt gestellt hatte, dass die ihm gegenüber gemachten Angaben des Klägers zu seinem Sexualleben - dass er also nur mit zwei nachweislich nicht infizierten Personen Geschlechtsverkehr hatte - vom Gericht für glaubhaft gehalten werden. Außerdem lagen Dr. K. die Unterlagen der Klinik S. und der L. nicht vor und damit nicht die Erstangaben des Klägers zu einer möglichen Genese.
Der Senat kann offenlassen, ob beim Kläger tatsächlich 2003 neben HIV auch die Geschlechtskrankheit eines Ulcus molle bestand, nachdem letztlich angesichts Klinikwechsels und vorrangig zu behandelnder HIV-Erkrankung eine Sicherung dieser Diagnose unterblieben ist. Allerdings vermögen die Erklärungen des Klägers zu Hautveränderungen am Penis - von den Händen auf die Eichel übertragene Zementreste - weder den Einsatz von Antibiotika zu erklären noch die - nach Verabreichung der Antibiotika auch tatsächlich zurückgehenden - Schwellungen der Lymphknoten in der Leistengegend.
Angesichts dieser konkreten besonders erhöhten privat veranlassten Infektionsgefahr - Promiskuität u. a. in D. - reicht die bloße Möglichkeit einer beruflich bedingten Infektion hier keinesfalls aus, um eine BK Nr. 3101 der Anlage 1 zur BKV festzustellen. Liegen - anders als hier (vgl. oben die Ausführungen unter 2.) - eine durch die versicherte Tätigkeit bedingte besonders erhöhte Infektionsgefahr und die Infektionskrankheit vor, nimmt der Verordnungsgeber zwar typisierend an, dass die Infektion während und wegen der Gefahrenlage erfolgte und die Krankheit wesentlich verursacht hat (vgl. BSG
Der Inkubationszeitraum des Klägers lässt sich ausweislich des Gutachtens von Prof. Dr. K. nicht sicher ermitteln. Angesichts der bei Erstdiagnose von HIV im Jahr 2003 festgestellten Werte lag die Infektion bereits mehrere Jahre zurück. Prof. Dr. K. hat ausgeführt, dass die vom Kläger geschilderten Beschwerden im Dezember 1998 mit einer HIV-Infektion im November 1998 übereinstimmen könnten. Zumindest liegt der Aufenthalt des Klägers in D. innerhalb der möglichen Inkubationszeit. Weitergehende Einschränkungen des möglichen Infektionszeitraums durch HIV-Testungen sind nicht möglich. Vor der Ausreise nach D. ist kein HIV-Test durchgeführt worden. Der Kläger hat ferner erklärt, entgegen seinen Angaben gegenüber der Klinik S. sei nach seiner Rückkehr aus D. kein HIV-Test durchgeführt worden. Ob im Dezember 1998 ein Bluttest, insbesondere ein HIV-Test oder ein anderer Test durchgeführt worden war, ist nicht aufklärbar. Unterlagen des damaligen Arztes in D. sind nicht mehr zu erlangen. Der Kläger selbst hat nach eigenen Angaben keine Unterlagen und hatte die Untersuchungsergebnisse in D. auch nicht eingesehen. Er hat erklärt, dass ihm mündlich als Diagnose eine „Überimpfung“ mitgeteilt worden war. Bei Behandlungen im Dezember 1998 bzw. Anfang 1999 bei Dr. L. ist kein HIV-Test durchgeführt worden.
Selbst wenn der Senat also als wahr unterstellen würde, dass bei der Impfung am 10.11.1998 wiederverwendete, ausgewaschene und getrocknete Spritzen benutzt wurden, steht diesem - wie dargelegt - relativ geringem einmaligen beruflich veranlassten Infektionsrisiko das erhebliche Ansteckungsrisiko durch Geschlechtsverkehr mit verschiedenen Personen gegenüber, so dass selbst dann dem beruflichen Risikofaktor kein deutliches Übergewicht zugemessen werden kann.
4. Die Vermutungsregelung von § 9 Abs. 3 SGB VII greift hier nicht, da zum einen keine erhöhte berufliche Infektionsgefahr gesichert werden kann und zum anderen, wie dargelegt, Anhaltspunkte für eine Verursachung außerhalb der versicherten Tätigkeit angesichts der Erstangaben des Klägers nach Überzeugung des Senats vorgelegen haben. Ferner war D. auch kein Hochprävalenzgebiet für HIV (s.o.).
B) Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
C) Gründe gemäß § 160 Abs. 2 SGG, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor. Entscheidend ist die Beweiswürdigung im Einzelfall.
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(1) Soweit die Vorschriften über die Versicherungspflicht und die Versicherungsberechtigung eine Beschäftigung voraussetzen, gelten sie auch für Personen, die im Rahmen eines im Geltungsbereich dieses Gesetzbuchs bestehenden Beschäftigungsverhältnisses in ein Gebiet außerhalb dieses Geltungsbereichs entsandt werden, wenn die Entsendung infolge der Eigenart der Beschäftigung oder vertraglich im Voraus zeitlich begrenzt ist.
(2) Für Personen, die eine selbständige Tätigkeit ausüben, gilt Absatz 1 entsprechend.
(1) Nach Klageerhebung wird ein neuer Verwaltungsakt nur dann Gegenstand des Klageverfahrens, wenn er nach Erlass des Widerspruchsbescheides ergangen ist und den angefochtenen Verwaltungsakt abändert oder ersetzt.
(2) Eine Abschrift des neuen Verwaltungsakts ist dem Gericht mitzuteilen, bei dem das Verfahren anhängig ist.
(1) Eine Änderung der Klage ist nur zulässig, wenn die übrigen Beteiligten einwilligen oder das Gericht die Änderung für sachdienlich hält.
(2) Die Einwilligung der Beteiligten in die Änderung der Klage ist anzunehmen, wenn sie sich, ohne der Änderung zu widersprechen, in einem Schriftsatz oder in einer mündlichen Verhandlung auf die abgeänderte Klage eingelassen haben.
(3) Als eine Änderung der Klage ist es nicht anzusehen, wenn ohne Änderung des Klagegrunds
- 1.
die tatsächlichen oder rechtlichen Ausführungen ergänzt oder berichtigt werden, - 2.
der Klageantrag in der Hauptsache oder in bezug auf Nebenforderungen erweitert oder beschränkt wird, - 3.
statt der ursprünglich geforderten Leistung wegen einer später eingetretenen Veränderung eine andere Leistung verlangt wird.
(4) Die Entscheidung, daß eine Änderung der Klage nicht vorliege oder zuzulassen sei, ist unanfechtbar.
Die Vorschriften des Ersten bis Neunten Kapitels gelten für Versicherungsfälle, die nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes eintreten, soweit in den folgenden Vorschriften nicht etwas anderes bestimmt ist.
(1) Kraft Gesetzes sind versichert
- 1.
Beschäftigte, - 2.
Lernende während der beruflichen Aus- und Fortbildung in Betriebsstätten, Lehrwerkstätten, Schulungskursen und ähnlichen Einrichtungen, - 3.
Personen, die sich Untersuchungen, Prüfungen oder ähnlichen Maßnahmen unterziehen, die aufgrund von Rechtsvorschriften zur Aufnahme einer versicherten Tätigkeit oder infolge einer abgeschlossenen versicherten Tätigkeit erforderlich sind, soweit diese Maßnahmen vom Unternehmen oder einer Behörde veranlaßt worden sind, - 4.
behinderte Menschen, die in anerkannten Werkstätten für behinderte Menschen, bei einem anderen Leistungsanbieter nach § 60 des Neunten Buches oder in Blindenwerkstätten im Sinne des § 226 des Neunten Buches oder für diese Einrichtungen in Heimarbeit tätig sind, - 5.
Personen, die - a)
Unternehmer eines landwirtschaftlichen Unternehmens sind und ihre im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner, - b)
im landwirtschaftlichen Unternehmen nicht nur vorübergehend mitarbeitende Familienangehörige sind, - c)
in landwirtschaftlichen Unternehmen in der Rechtsform von Kapital- oder Personenhandelsgesellschaften regelmäßig wie Unternehmer selbständig tätig sind, - d)
ehrenamtlich in Unternehmen tätig sind, die unmittelbar der Sicherung, Überwachung oder Förderung der Landwirtschaft überwiegend dienen, - e)
ehrenamtlich in den Berufsverbänden der Landwirtschaft tätig sind,
- 6.
Hausgewerbetreibende und Zwischenmeister sowie ihre mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner, - 7.
selbständig tätige Küstenschiffer und Küstenfischer, die zur Besatzung ihres Fahrzeugs gehören oder als Küstenfischer ohne Fahrzeug fischen und regelmäßig nicht mehr als vier Arbeitnehmer beschäftigen, sowie ihre mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner, - 8.
- a)
Kinder während des Besuchs von Tageseinrichtungen, deren Träger für den Betrieb der Einrichtungen der Erlaubnis nach § 45 des Achten Buches oder einer Erlaubnis aufgrund einer entsprechenden landesrechtlichen Regelung bedürfen, während der Betreuung durch geeignete Tagespflegepersonen im Sinne von § 23 des Achten Buches sowie während der Teilnahme an vorschulischen Sprachförderungskursen, wenn die Teilnahme auf Grund landesrechtlicher Regelungen erfolgt, - b)
Schüler während des Besuchs von allgemein- oder berufsbildenden Schulen und während der Teilnahme an unmittelbar vor oder nach dem Unterricht von der Schule oder im Zusammenwirken mit ihr durchgeführten Betreuungsmaßnahmen, - c)
Studierende während der Aus- und Fortbildung an Hochschulen,
- 9.
Personen, die selbständig oder unentgeltlich, insbesondere ehrenamtlich im Gesundheitswesen oder in der Wohlfahrtspflege tätig sind, - 10.
Personen, die - a)
für Körperschaften, Anstalten oder Stiftungen des öffentlichen Rechts oder deren Verbände oder Arbeitsgemeinschaften, für die in den Nummern 2 und 8 genannten Einrichtungen oder für privatrechtliche Organisationen im Auftrag oder mit ausdrücklicher Einwilligung, in besonderen Fällen mit schriftlicher Genehmigung von Gebietskörperschaften ehrenamtlich tätig sind oder an Ausbildungsveranstaltungen für diese Tätigkeit teilnehmen, - b)
für öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaften und deren Einrichtungen oder für privatrechtliche Organisationen im Auftrag oder mit ausdrücklicher Einwilligung, in besonderen Fällen mit schriftlicher Genehmigung von öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften ehrenamtlich tätig sind oder an Ausbildungsveranstaltungen für diese Tätigkeit teilnehmen,
- 11.
Personen, die - a)
von einer Körperschaft, Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts zur Unterstützung einer Diensthandlung herangezogen werden, - b)
von einer dazu berechtigten öffentlichen Stelle als Zeugen zur Beweiserhebung herangezogen werden,
- 12.
Personen, die in Unternehmen zur Hilfe bei Unglücksfällen oder im Zivilschutz unentgeltlich, insbesondere ehrenamtlich tätig sind oder an Ausbildungsveranstaltungen dieser Unternehmen einschließlich der satzungsmäßigen Veranstaltungen, die der Nachwuchsförderung dienen, teilnehmen, - 13.
Personen, die - a)
bei Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr oder Not Hilfe leisten oder einen anderen aus erheblicher gegenwärtiger Gefahr für seine Gesundheit retten, - b)
Blut oder körpereigene Organe, Organteile oder Gewebe spenden oder bei denen Voruntersuchungen oder Nachsorgemaßnahmen anlässlich der Spende vorgenommen werden, - c)
sich bei der Verfolgung oder Festnahme einer Person, die einer Straftat verdächtig ist oder zum Schutz eines widerrechtlich Angegriffenen persönlich einsetzen, - d)
Tätigkeiten als Notärztin oder Notarzt im Rettungsdienst ausüben, wenn diese Tätigkeiten neben - aa)
einer Beschäftigung mit einem Umfang von regelmäßig mindestens 15 Stunden wöchentlich außerhalb des Rettungsdienstes oder - bb)
einer Tätigkeit als zugelassener Vertragsarzt oder als Arzt in privater Niederlassung
- 14.
Personen, die - a)
nach den Vorschriften des Zweiten oder des Dritten Buches der Meldepflicht unterliegen, wenn sie einer besonderen, an sie im Einzelfall gerichteten Aufforderung der Bundesagentur für Arbeit, des nach § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 des Zweiten Buches zuständigen Trägers oder eines nach § 6a des Zweiten Buches zugelassenen kommunalen Trägers nachkommen, diese oder eine andere Stelle aufzusuchen, - b)
an einer Maßnahme teilnehmen, wenn die Person selbst oder die Maßnahme über die Bundesagentur für Arbeit, einen nach § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 des Zweiten Buches zuständigen Träger oder einen nach § 6a des Zweiten Buches zugelassenen kommunalen Träger gefördert wird,
- 15.
Personen, die - a)
auf Kosten einer Krankenkasse oder eines Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung oder der landwirtschaftlichen Alterskasse stationäre oder teilstationäre Behandlung oder stationäre, teilstationäre oder ambulante Leistungen zur medizinischen Rehabilitation erhalten, - b)
zur Vorbereitung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben auf Aufforderung eines Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung oder der Bundesagentur für Arbeit einen dieser Träger oder eine andere Stelle aufsuchen, - c)
auf Kosten eines Unfallversicherungsträgers an vorbeugenden Maßnahmen nach § 3 der Berufskrankheiten-Verordnung teilnehmen, - d)
auf Kosten eines Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung, der landwirtschaftlichen Alterskasse oder eines Trägers der gesetzlichen Unfallversicherung an Präventionsmaßnahmen teilnehmen,
- 16.
Personen, die bei der Schaffung öffentlich geförderten Wohnraums im Sinne des Zweiten Wohnungsbaugesetzes oder im Rahmen der sozialen Wohnraumförderung bei der Schaffung von Wohnraum im Sinne des § 16 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 des Wohnraumförderungsgesetzes oder entsprechender landesrechtlicher Regelungen im Rahmen der Selbsthilfe tätig sind, - 17.
Pflegepersonen im Sinne des § 19 Satz 1 und 2 des Elften Buches bei der Pflege eines Pflegebedürftigen mit mindestens Pflegegrad 2 im Sinne der §§ 14 und 15 Absatz 3 des Elften Buches; die versicherte Tätigkeit umfasst pflegerische Maßnahmen in den in § 14 Absatz 2 des Elften Buches genannten Bereichen sowie Hilfen bei der Haushaltsführung nach § 18 Absatz 5a Satz 3 Nummer 2 des Elften Buches.
(1a) Versichert sind auch Personen, die nach Erfüllung der Schulpflicht auf der Grundlage einer schriftlichen Vereinbarung im Dienst eines geeigneten Trägers im Umfang von durchschnittlich mindestens acht Wochenstunden und für die Dauer von mindestens sechs Monaten als Freiwillige einen Freiwilligendienst aller Generationen unentgeltlich leisten. Als Träger des Freiwilligendienstes aller Generationen geeignet sind inländische juristische Personen des öffentlichen Rechts oder unter § 5 Abs. 1 Nr. 9 des Körperschaftsteuergesetzes fallende Einrichtungen zur Förderung gemeinnütziger, mildtätiger oder kirchlicher Zwecke (§§ 52 bis 54 der Abgabenordnung), wenn sie die Haftpflichtversicherung und eine kontinuierliche Begleitung der Freiwilligen und deren Fort- und Weiterbildung im Umfang von mindestens durchschnittlich 60 Stunden je Jahr sicherstellen. Die Träger haben fortlaufende Aufzeichnungen zu führen über die bei ihnen nach Satz 1 tätigen Personen, die Art und den Umfang der Tätigkeiten und die Einsatzorte. Die Aufzeichnungen sind mindestens fünf Jahre lang aufzubewahren.
(2) Ferner sind Personen versichert, die wie nach Absatz 1 Nr. 1 Versicherte tätig werden. Satz 1 gilt auch für Personen, die während einer aufgrund eines Gesetzes angeordneten Freiheitsentziehung oder aufgrund einer strafrichterlichen, staatsanwaltlichen oder jugendbehördlichen Anordnung wie Beschäftigte tätig werden.
(3) Absatz 1 Nr. 1 gilt auch für
- 1.
Personen, die im Ausland bei einer amtlichen Vertretung des Bundes oder der Länder oder bei deren Leitern, Mitgliedern oder Bediensteten beschäftigt und in der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 4 Absatz 1 Satz 2 des Sechsten Buches pflichtversichert sind, - 2.
Personen, die - a)
im Sinne des Entwicklungshelfer-Gesetzes Entwicklungsdienst oder Vorbereitungsdienst leisten, - b)
einen entwicklungspolitischen Freiwilligendienst „weltwärts” im Sinne der Richtlinie des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung vom 1. August 2007 (BAnz. 2008 S. 1297) leisten, - c)
einen Internationalen Jugendfreiwilligendienst im Sinne der Richtlinie Internationaler Jugendfreiwilligendienst des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 20. Dezember 2010 (GMBl S. 1778) leisten,
- 3.
Personen, die - a)
eine Tätigkeit bei einer zwischenstaatlichen oder überstaatlichen Organisation ausüben und deren Beschäftigungsverhältnis im öffentlichen Dienst während dieser Zeit ruht, - b)
als Lehrkräfte vom Auswärtigen Amt durch das Bundesverwaltungsamt an Schulen im Ausland vermittelt worden sind oder - c)
für ihre Tätigkeit bei internationalen Einsätzen zur zivilen Krisenprävention als Sekundierte nach dem Sekundierungsgesetz abgesichert werden.
(4) Familienangehörige im Sinne des Absatzes 1 Nr. 5 Buchstabe b sind
- 1.
Verwandte bis zum dritten Grade, - 2.
Verschwägerte bis zum zweiten Grade, - 3.
Pflegekinder (§ 56 Abs. 2 Nr. 2 des Ersten Buches)
Die Vorschriften über die Versicherungspflicht und die Versicherungsberechtigung gelten,
- 1.
soweit sie eine Beschäftigung oder eine selbständige Tätigkeit voraussetzen, für alle Personen, die im Geltungsbereich dieses Gesetzbuchs beschäftigt oder selbständig tätig sind, - 2.
soweit sie eine Beschäftigung oder eine selbständige Tätigkeit nicht voraussetzen, für alle Personen, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich dieses Gesetzbuchs haben.
(1) Soweit die Vorschriften über die Versicherungspflicht und die Versicherungsberechtigung eine Beschäftigung voraussetzen, gelten sie auch für Personen, die im Rahmen eines im Geltungsbereich dieses Gesetzbuchs bestehenden Beschäftigungsverhältnisses in ein Gebiet außerhalb dieses Geltungsbereichs entsandt werden, wenn die Entsendung infolge der Eigenart der Beschäftigung oder vertraglich im Voraus zeitlich begrenzt ist.
(2) Für Personen, die eine selbständige Tätigkeit ausüben, gilt Absatz 1 entsprechend.
(1) Beschäftigung ist die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.
(1a) Eine Beschäftigung besteht auch in Zeiten der Freistellung von der Arbeitsleistung von mehr als einem Monat, wenn
- 1.
während der Freistellung Arbeitsentgelt aus einem Wertguthaben nach § 7b fällig ist und - 2.
das monatlich fällige Arbeitsentgelt in der Zeit der Freistellung nicht unangemessen von dem für die vorausgegangenen zwölf Kalendermonate abweicht, in denen Arbeitsentgelt bezogen wurde.
(1b) Die Möglichkeit eines Arbeitnehmers zur Vereinbarung flexibler Arbeitszeiten gilt nicht als eine die Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber begründende Tatsache im Sinne des § 1 Absatz 2 Satz 1 des Kündigungsschutzgesetzes.
(2) Als Beschäftigung gilt auch der Erwerb beruflicher Kenntnisse, Fertigkeiten oder Erfahrungen im Rahmen betrieblicher Berufsbildung.
(3) Eine Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt gilt als fortbestehend, solange das Beschäftigungsverhältnis ohne Anspruch auf Arbeitsentgelt fortdauert, jedoch nicht länger als einen Monat. Eine Beschäftigung gilt auch als fortbestehend, wenn Arbeitsentgelt aus einem der Deutschen Rentenversicherung Bund übertragenen Wertguthaben bezogen wird. Satz 1 gilt nicht, wenn Krankengeld, Krankentagegeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld, Übergangsgeld, Pflegeunterstützungsgeld oder Mutterschaftsgeld oder nach gesetzlichen Vorschriften Erziehungsgeld oder Elterngeld bezogen oder Elternzeit in Anspruch genommen oder Wehrdienst oder Zivildienst geleistet wird. Satz 1 gilt auch nicht für die Freistellung nach § 3 des Pflegezeitgesetzes.
(4) Beschäftigt ein Arbeitgeber einen Ausländer ohne die nach § 284 Absatz 1 des Dritten Buches erforderliche Genehmigung oder ohne die nach § 4a Absatz 5 des Aufenthaltsgesetzes erforderliche Berechtigung zur Erwerbstätigkeit, wird vermutet, dass ein Beschäftigungsverhältnis gegen Arbeitsentgelt für den Zeitraum von drei Monaten bestanden hat.
(1) Soweit die Vorschriften über die Versicherungspflicht und die Versicherungsberechtigung eine Beschäftigung voraussetzen, gelten sie auch für Personen, die im Rahmen eines im Geltungsbereich dieses Gesetzbuchs bestehenden Beschäftigungsverhältnisses in ein Gebiet außerhalb dieses Geltungsbereichs entsandt werden, wenn die Entsendung infolge der Eigenart der Beschäftigung oder vertraglich im Voraus zeitlich begrenzt ist.
(2) Für Personen, die eine selbständige Tätigkeit ausüben, gilt Absatz 1 entsprechend.
(1) Berufskrankheiten sind Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit erleiden. Die Bundesregierung wird ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als Berufskrankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind; sie kann dabei bestimmen, daß die Krankheiten nur dann Berufskrankheiten sind, wenn sie durch Tätigkeiten in bestimmten Gefährdungsbereichen verursacht worden sind. In der Rechtsverordnung kann ferner bestimmt werden, inwieweit Versicherte in Unternehmen der Seefahrt auch in der Zeit gegen Berufskrankheiten versichert sind, in der sie an Land beurlaubt sind.
(1a) Beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird ein Ärztlicher Sachverständigenbeirat Berufskrankheiten gebildet. Der Sachverständigenbeirat ist ein wissenschaftliches Gremium, das das Bundesministerium bei der Prüfung der medizinischen Erkenntnisse zur Bezeichnung neuer und zur Erarbeitung wissenschaftlicher Stellungnahmen zu bestehenden Berufskrankheiten unterstützt. Bei der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin wird eine Geschäftsstelle eingerichtet, die den Sachverständigenbeirat bei der Erfüllung seiner Arbeit organisatorisch und wissenschaftlich, insbesondere durch die Erstellung systematischer Reviews, unterstützt. Das Nähere über die Stellung und die Organisation des Sachverständigenbeirats und der Geschäftsstelle regelt die Bundesregierung in der Rechtsverordnung nach Absatz 1.
(2) Die Unfallversicherungsträger haben eine Krankheit, die nicht in der Rechtsverordnung bezeichnet ist oder bei der die dort bestimmten Voraussetzungen nicht vorliegen, wie eine Berufskrankheit als Versicherungsfall anzuerkennen, sofern im Zeitpunkt der Entscheidung nach neuen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft die Voraussetzungen für eine Bezeichnung nach Absatz 1 Satz 2 erfüllt sind.
(2a) Krankheiten, die bei Versicherten vor der Bezeichnung als Berufskrankheiten bereits entstanden waren, sind rückwirkend frühestens anzuerkennen
- 1.
in den Fällen des Absatzes 1 als Berufskrankheit zu dem Zeitpunkt, in dem die Bezeichnung in Kraft getreten ist, - 2.
in den Fällen des Absatzes 2 wie eine Berufskrankheit zu dem Zeitpunkt, in dem die neuen Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft vorgelegen haben; hat der Ärztliche Sachverständigenbeirat Berufskrankheiten eine Empfehlung für die Bezeichnung einer neuen Berufskrankheit beschlossen, ist für die Anerkennung maßgebend der Tag der Beschlussfassung.
(3) Erkranken Versicherte, die infolge der besonderen Bedingungen ihrer versicherten Tätigkeit in erhöhtem Maße der Gefahr der Erkrankung an einer in der Rechtsverordnung nach Absatz 1 genannten Berufskrankheit ausgesetzt waren, an einer solchen Krankheit und können Anhaltspunkte für eine Verursachung außerhalb der versicherten Tätigkeit nicht festgestellt werden, wird vermutet, daß diese infolge der versicherten Tätigkeit verursacht worden ist.
(3a) Der Unfallversicherungsträger erhebt alle Beweise, die zur Ermittlung des Sachverhalts erforderlich sind. Dabei hat er neben den in § 21 Absatz 1 Satz 1 des Zehnten Buches genannten Beweismitteln auch Erkenntnisse zu berücksichtigen, die er oder ein anderer Unfallversicherungsträger an vergleichbaren Arbeitsplätzen oder zu vergleichbaren Tätigkeiten gewonnen hat. Dies gilt insbesondere in den Fällen, in denen die Ermittlungen zu den Einwirkungen während der versicherten Tätigkeit dadurch erschwert sind, dass der Arbeitsplatz des Versicherten nicht mehr oder nur in veränderter Gestaltung vorhanden ist. Die Unfallversicherungsträger sollen zur Erfüllung der Aufgaben nach den Sätzen 2 und 3 einzeln oder gemeinsam tätigkeitsbezogene Expositionskataster erstellen. Grundlage für diese Kataster können die Ergebnisse aus systematischen Erhebungen, aus Ermittlungen in Einzelfällen sowie aus Forschungsvorhaben sein. Die Unfallversicherungsträger können außerdem Erhebungen an vergleichbaren Arbeitsplätzen durchführen.
(4) Besteht für Versicherte, bei denen eine Berufskrankheit anerkannt wurde, die Gefahr, dass bei der Fortsetzung der versicherten Tätigkeit die Krankheit wiederauflebt oder sich verschlimmert und lässt sich diese Gefahr nicht durch andere geeignete Mittel beseitigen, haben die Unfallversicherungsträger darauf hinzuwirken, dass die Versicherten die gefährdende Tätigkeit unterlassen. Die Versicherten sind von den Unfallversicherungsträgern über die mit der Tätigkeit verbundenen Gefahren und mögliche Schutzmaßnahmen umfassend aufzuklären. Zur Verhütung einer Gefahr nach Satz 1 sind die Versicherten verpflichtet, an individualpräventiven Maßnahmen der Unfallversicherungsträger teilzunehmen und an Maßnahmen zur Verhaltensprävention mitzuwirken; die §§ 60 bis 65a des Ersten Buches gelten entsprechend. Pflichten der Unternehmer und Versicherten nach dem Zweiten Kapitel und nach arbeitsschutzrechtlichen Vorschriften bleiben hiervon unberührt. Kommen Versicherte ihrer Teilnahme- oder Mitwirkungspflicht nach Satz 3 nicht nach, können die Unfallversicherungsträger Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben oder die Leistung einer danach erstmals festzusetzenden Rente wegen Minderung der Erwerbsfähigkeit oder den Anteil einer Rente, der auf eine danach eingetretene wesentliche Änderung im Sinne des § 73 Absatz 3 zurückgeht, bis zur Nachholung der Teilnahme oder Mitwirkung ganz oder teilweise versagen. Dies setzt voraus, dass infolge der fehlenden Teilnahme oder Mitwirkung der Versicherten die Teilhabeleistungen erforderlich geworden sind oder die Erwerbsminderung oder die wesentliche Änderung eingetreten ist; § 66 Absatz 3 und § 67 des Ersten Buches gelten entsprechend.
(5) Soweit Vorschriften über Leistungen auf den Zeitpunkt des Versicherungsfalls abstellen, ist bei Berufskrankheiten auf den Beginn der Arbeitsunfähigkeit oder der Behandlungsbedürftigkeit oder, wenn dies für den Versicherten günstiger ist, auf den Beginn der rentenberechtigenden Minderung der Erwerbsfähigkeit abzustellen.
(6) Die Bundesregierung regelt durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates
- 1.
Voraussetzungen, Art und Umfang von Leistungen zur Verhütung des Entstehens, der Verschlimmerung oder des Wiederauflebens von Berufskrankheiten, - 2.
die Mitwirkung der für den medizinischen Arbeitsschutz zuständigen Stellen bei der Feststellung von Berufskrankheiten sowie von Krankheiten, die nach Absatz 2 wie Berufskrankheiten zu entschädigen sind; dabei kann bestimmt werden, daß die für den medizinischen Arbeitsschutz zuständigen Stellen berechtigt sind, Zusammenhangsgutachten zu erstellen sowie zur Vorbereitung ihrer Gutachten Versicherte zu untersuchen oder auf Kosten der Unfallversicherungsträger andere Ärzte mit der Vornahme der Untersuchungen zu beauftragen, - 3.
die von den Unfallversicherungsträgern für die Tätigkeit der Stellen nach Nummer 2 zu entrichtenden Gebühren; diese Gebühren richten sich nach dem für die Begutachtung erforderlichen Aufwand und den dadurch entstehenden Kosten.
(7) Die Unfallversicherungsträger haben die für den medizinischen Arbeitsschutz zuständige Stelle über den Ausgang des Berufskrankheitenverfahrens zu unterrichten, soweit ihre Entscheidung von der gutachterlichen Stellungnahme der zuständigen Stelle abweicht.
(8) Die Unfallversicherungsträger wirken bei der Gewinnung neuer medizinisch-wissenschaftlicher Erkenntnisse insbesondere zur Fortentwicklung des Berufskrankheitenrechts mit; sie sollen durch eigene Forschung oder durch Beteiligung an fremden Forschungsvorhaben dazu beitragen, den Ursachenzusammenhang zwischen Erkrankungshäufigkeiten in einer bestimmten Personengruppe und gesundheitsschädlichen Einwirkungen im Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit aufzuklären. Die Verbände der Unfallversicherungsträger veröffentlichen jährlich einen gemeinsamen Bericht über ihre Forschungsaktivitäten und die Forschungsaktivitäten der Träger der gesetzlichen Unfallversicherung. Der Bericht erstreckt sich auf die Themen der Forschungsvorhaben, die Höhe der aufgewendeten Mittel sowie die Zuwendungsempfänger und Forschungsnehmer externer Projekte.
(9) Die für den medizinischen Arbeitsschutz zuständigen Stellen dürfen zur Feststellung von Berufskrankheiten sowie von Krankheiten, die nach Absatz 2 wie Berufskrankheiten zu entschädigen sind, Daten verarbeiten sowie zur Vorbereitung von Gutachten Versicherte untersuchen, soweit dies im Rahmen ihrer Mitwirkung nach Absatz 6 Nr. 2 erforderlich ist; sie dürfen diese Daten insbesondere an den zuständigen Unfallversicherungsträger übermitteln. Die erhobenen Daten dürfen auch zur Verhütung von Arbeitsunfällen, Berufskrankheiten und arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren gespeichert, verändert, genutzt, übermittelt oder in der Verarbeitung eingeschränkt werden. Soweit die in Satz 1 genannten Stellen andere Ärzte mit der Vornahme von Untersuchungen beauftragen, ist die Übermittlung von Daten zwischen diesen Stellen und den beauftragten Ärzten zulässig, soweit dies im Rahmen des Untersuchungsauftrages erforderlich ist.
(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.
(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.
(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.
(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.
(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.
(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder - 3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.
(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.