Streitig ist, ob beim Kläger eine Berufskrankheit nach der Nr. 1317 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) bzw. eine Wie-Berufskrankheit festzustellen ist.
Der 1941 geborene Kläger war vom 1. August 1955 bis 2. August 1963 als Auszubildender und Maschinenschlosser bei der Firma S. in A-Stadt, anschließend vom 19. August 1963 bis 30. Juni 1965 und vom 1. Januar 1967 bis 30. September 1987 als kaufmännischer Angestellter - unterbrochen durch die Wehrdienstzeit vom 1. Juli 1965 bis 31. Dezember 1966 - und ab 1. Oktober 1987 als Lagerist tätig. Am 8. Januar 1996 zeigte der Hautarzt Dr. K. M. gegenüber der damaligen Berufsgenossenschaft der Gas- und Wasserwerke (BGFW) eine toxische Enzephalopathie mit Perfusionsstörung des Gehirns als Berufskrankheit an, verursacht durch den Umgang mit Lösungsmitteln und Schmierstoffen. Der Kläger gab Beschwerden seit 1986 an, die er auf seinen beruflich bedingten Kontakt mit Lösungsmitteln, Nitro-Waschbenzin, Nitrofarbe, Schmier- und Kühlmittel, Elektroschweißdämpfe und Dieselabgase zurückführte. Inzwischen bestehe ein `multiple chemical sensitivity Symptom´ (MCS) mit Perfusionsstörungen des Gehirns und einem Mangel an IgG bei Reduzierung der Subklassen IgG 1 und IgG 4, diagnostiziert durch Dr. M. (Befundbericht vom 29. Dezember 1995). Als Beschäftigungszeiten, während der er einer gesundheitlichen Schädigung ausgesetzt war, die zu der jetzigen Erkrankung geführt haben könnte, gab er in einem Fragebogen am 22. Januar 1997 die Zeit vom 1. August 1955 bis 2. August 1963 als Maschinenschlosser bei der Fa. S. GmbH an. Die Berufsgenossenschaft gab den Vorgang mit Schreiben vom 29. Januar 1997 an die Beklagte ab.
Die Beklagte zog verschiedene ärztliche Berichte bei, so den Entlassungsbericht des Krankenhauses A-Stadt über einen stationären Aufenthalt vom 9. November bis 4. Dezember 1992. Das Klinikum der Universität U. stellte am 8. August 1994 hinsichtlich einer Behandlung vom 14. Juli bis 2. August 1994 als Diagnose den Verdacht auf eine habituelle frühzeitige Alterung der Haut nach häufiger Sonnenexposition. Nach dem Bericht des Röntgenologen und Nuklearmediziners Dr. L. bestand eine deutliche Perfusionsstörung in beiden Temporalregionen mit linksseitiger Betonung sowie in der rechten Occiptialregion. Der Internist Dr. S. berichtete am 24. Mai 1998 u. a. von einer Amalgamintoxikation, einer ausgeprägten psychophysischen Erschöpfung sowie einer deutlichen Perfusionsstörung.
Der MDK in Bayern bescheinigte in einem Gutachten zur Arbeitsunfähigkeit vom 19. Dezember 1996 u. a. einen ausgeprägten psychovegetativen Erschöpfungszustand bei Verdacht auf neurotische Fixierung (DD: Perfusionsstörung des Gehirns). Ferner liegt ein Leistungsauszug der Krankenkasse (DAK) vor.
Der Technische Aufsichtsdienst (TAD) der Beklagten bescheinigte am 19. November 1997 für die Tätigkeit als Maschinenschlosser von August 1955 bis August 1963 je nach Art der ausgeführten Tätigkeit einen Umgang mit Reinigungsmitteln (Waschbenzin, Nitroverdünnung und „TRI“) sowie mit lösemittelhaltigen Lacken. Der durchschnittliche Zeitbedarf sei auf 30 Minuten/Tag zu veranschlagen. Während eines halben Jahres im Getriebebau während der Ausbildung habe bei Reinigungsarbeiten (durchschnittlich drei bis maximal fünf Stunden pro Tag) eine erhöhte Exposition gegenüber Lösemitteln aus Reinigern bestanden. Für die Tätigkeit als Lagerist bei den Stadtwerken wurde eine Exposition gegenüber lösungsmittelhaltigen Stoffen, Nitrofarben etc. verneint (Stellungnahme des Technischen Aufsichtsdienstes der Berufsgenossenschaft der Gas-, Fernwärme- und Wasserwirtschaft vom 7. Mai 1997 sowie Stellungnahme des Techn. Aufsichtsbeamten vom 7. Mai 1997 für die Tätigkeit als Lagerist seit 1. Oktober 1987). In dieser Zeit sei keine Verarbeitung von lösungsmittelhaltigen Stoffen, Nitrofarben etc. durch den Kläger erfolgt.
Der Gewerbearzt Dr. K. empfahl mit Stellungnahme vom 6. Juli 1998, das Vorliegen einer Berufskrankheit nach Nr. 1317 der Anlage 1 zur BKV nicht anzuerkennen. Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen den Erkrankungen des Versicherten und der angeschuldigten beruflichen Exposition in den Jahren 1955 bis 1963 sei nicht hinreichend wahrscheinlich. Das Expositionsende liege mittlerweile 35 Jahre zurück, dennoch sei die Erkrankung vor allem in den neunziger Jahren fortgeschritten, weshalb ein Ursachenzusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit nicht mit der vom Gesetzgeber geforderten Wahrscheinlichkeit bestehe.
Mit Bescheid vom 12. August 1998 lehnte die Beklagte einen „Anspruch auf Entschädigung“ aus Anlass der angegebenen Gesundheitsbeschwerden ab. Es liege weder eine Berufskrankheit nach Nr. 1317 der Anlage 1 zur BKV vor; die weit zurückliegende Exposition stehe nicht in enger zeitlicher Beziehung mit den vor allem in den neunziger Jahren fortschreitenden Gesundheitsbeschwerden. Zum anderen liege auch keine Wie-Berufskrankheit nach § 9 Abs. des Siebten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB VII) vor, weil die Erkrankungen nicht beruflich verursacht seien.
Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 25. November 1998 zurück.
Dagegen hat der Kläger Klage beim Sozialgericht Augsburg erhoben (Az.: S 3 U 464/98). Das Sozialgericht hat aktuelle Befundberichte des Allgemeinarztes F. vom 11. November 1999, des Dr. M. vom 20. Januar 2000, des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. P. vom 22. Februar 2000, wonach auf neurologischem Gebiet kein krankhafter Befund bestehe, des Internisten Dr. B. vom 14. März 2000 sowie der Betriebsärztin der Stadt A-Stadt, Dr. S., vom 3. März 2000 eingeholt.
Der mit einem Gutachten beauftragte Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. H. ist in seinem Gutachten vom 5. April 2000 zu dem Ergebnis gelangt, dass beim Kläger keine Erkrankungen an Polyneuropathie oder Enzephalopathie im Sinne der Berufskrankheit nach Nr. 1317 der Anlage 1 zur BKV vorliegt. Es lägen Befindlichkeitsstörungen vor, die nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit durch den beruflichen Kontakt mit Lösungsmitteln verursacht würden. Die Befindlichkeitsstörungen hätten in den letzten Jahren, also mehrere Jahrzehnte nach Expositionsende, eine zunehmende Progredienz erfahren. Sie seien im Sinne einer chronifizierten somatoformen bzw. hypochondrischen Störung (ICD-10: F 45.2) zu werten und damit „ganz eindeutig nicht einer Berufskrankheit zuzuordnen.“ (Gutachten S. 26).
Das Sozialgericht hat ferner auf klägerischen Antrag nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) den Dermatologen und Umweltmediziner Dr. K. M. mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt und im Einvernehmen mit den Parteien mit Beschluss vom 1. September 2000 das Ruhen des Verfahrens angeordnet. Am 26. März 2009 hat der Kläger die Fortführung des Verfahrens beantragt (neues Az.: S 5 U 82/09). Dr. M. hat in seinem umweltmedizinischen Gutachten vom 24. Dezember 2009 ausgeführt, dass beim Kläger eine Enzephalopathie Grad II b mit Schädigung der Basalganglien sowie eine Polyneuropathie infolge beruflicher Einwirkung von Lösemitteln vorlägen. Die Erkrankungen seien mit hinreichender Wahrscheinlichkeit durch den beruflichen Kontakt mit Lösemitteln verursacht. Ihre Entwicklung würde durch einen genetischen Polymorphismus der Glutation-S-Transferase M1 sowie die resorptive Belastung mit Quecksilber begünstigt. Es sei nach neuesten Studien unschädlich, dass die Erkrankungen nach Expositionsende fortgeschritten seien, denn der Kläger sei durch Autoabgase und polychlorierte aromatische Kohlenwasserstoffe auch nach seiner beruflichen Tätigkeit als Maschinenschlosser exponiert gewesen. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) werde auf 50 v. H. geschätzt. Die Beschäftigungsdauer habe ausgereicht, um die Krankheiten auszulösen.
Die Beklagte hat eingewandt, der Sachverständige Dr. M. lege eine Expositionszeit von 7,5 Jahren zugrunde, obwohl der TAD nur für 1 1/2 Jahre eine erhöhte Exposition gegenüber Lösungsmitteln festgestellt habe. Bei den von Dr. M. erhobenen Befunden eines vermehrten Vibrationsempfindens im Bereich der Daumenballen und Innenknöchel sowie dem demonstrierten Kraftverlust beider Hände handele es sich nicht um polyneuropathische Befunde. Derartige Befunde habe im Übrigen Dr. H. nicht erhoben. Gegen eine Enzephalopathie spräche der Untersuchungsbefund des Dr. H., der Hirnnervenausfälle, neurogene Ausfälle, formale und inhaltliche Denkstörungen, Sinnestäuschungen, Wahnwahrnehmungen, gestörte Denkabläufe, Konzentrations- und Merkfähigkeitseinschränkungen bzw. kognitive Leistungseinbußen nicht festgestellt habe. Außerdem spreche der zeitliche Verlauf der Erkrankung gegen eine berufliche Verursachung.
Im Klageverfahren hat der Kläger neben der Feststellung, dass eine Enzephalopathie und eine Polyneuropathie Folgen der Berufskrankheit nach Nr. 1317 der Anlage 1 zur BKV sind, auch beantragt, „die Beklagte zu verurteilen, ihm infolgedessen eine Verletztenrente nach einer MdE von mindestens 50 v. H. zu gewähren.“
Das Sozialgericht hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 16. März 2010 abgewiesen. Eine Berufskrankheit nach § 551 Abs. 1 S. 2 Reichsversicherungsordnung (RVO) in Verbindung mit Nr. 1317 der Anlage 1 zur BKV liege nicht vor. Das Sozialgericht hat sich dem Gutachten des Dr. H. angeschlossen. Es stünde zur Überzeugung des Gerichts nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit fest, dass der Kläger an einer (toxischen) Polyneuropathie oder an einer Enzephalopathie leide. Selbst wenn eine dieser Erkrankungen vorlägen, könnten diese nicht der beruflichen Tätigkeit als Maschinenschlosser zugerechnet werden. Die von Dr. M. erstmals in seinem Gutachten behauptete Polyneuropathie sei nicht im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit der Lösungsmittelexposition aufgetreten; vielmehr seien die vermeintlich beruflich verursachten Beschwerden erst nach mehreren Jahren aufgetreten. Ein Ursachenzusammenhang im Rechtssinn könne somit auch unter Heranziehung des Merkblatts des Bundesministeriums für Gesundheit und Soziale Sicherung - BMGS - zur BK Nr. 1317 (BArbl. 2005 H 3 S. 49) und einschlägiger Fachliteratur nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit hergestellt werden.
Hinsichtlich einer Enzephalopathie, deren klinische Diagnose auch mehrere Jahre nach Unterlassung der gefährdenden Tätigkeit erstmals gestellt werden kann, spreche die kurze Expositionsdauer und der fehlende zeitliche Zusammenhang aufgrund der langen Latenzzeit zwischen dem Ende der Exposition und Beginn der Erkrankung eindeutig gegen eine berufliche Verursachung.
Mit der hiergegen eingelegten Berufung hat der Kläger weiterhin die Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr. 1317 der Anlage 1 zur BKV und eine Verletztenrente nach einer MdE von mindestens 50 v. H. begehrt. Er sei nicht nur während seiner Ausbildungszeit gegenüber organischen Lösemitteln exponiert gewesen, sondern auch während seiner gesamten weiteren beruflichen Tätigkeit, wenn auch dort in möglicherweise geringeren Mengen. Sehr früh gesetzte Bedingungen könnten, auch nach langen Latenzzeiten oder bei nur geringen zusätzlichen neurotoxischen Belastungen, später zu einer manifesten Enzephalopathie führen. Es könnte eine Wie-Berufskrankheit gemäß § 9 Abs. 2 SGB VII angenommen werden.
Der Senat hat medizinische Akten der DRV Bund beigezogen, die u. a. folgende Gutachten enthält:
Nach dem Gutachten des Arztes für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. B. vom 25. Juni 1996 bestehen beim Kläger eine massive hypochondrische Depression mit hirnorganischem Psychosyndrom, eine möglicherweise hirnorganische Depression bei vorzeitigem Hirnabbau und eine Empfindlichkeit gegenüber zahlreichen chemischen Substanzen.
Dr. H. hat in einem nervenärztlichen Gutachten im sozialgerichtlichen Rentenverfahren (Az.: S 13 RA 47/97) vom 15. Juli 1998 eine chronifizierte somatoforme bzw. hypochondrische Störung von erheblichem Krankheitswert, eine arterielle Hypertonie, ein Hautekzem mit unklaren Hautblutungen und die Notwendigkeit einer Marcumar-Behandlung nach tiefer Beinvenenthrombose links und Lungenembolie diagnostiziert. Tätigkeiten aus dem Berufskreis Lagerist, kaufmännischer Angestellter, Pförtner und allgemeiner Arbeitsmarkt könnten nur mehr weniger als zwei Stunden täglich zugemutet werden.
Nach dem internistischen Gutachten des Dr. R. vom 17. April 1998, ergangen für das Sozialgericht in demselben Verfahren, sind als internistische Gesundheitsstörungen festgehalten: tiefe Beinvenenthrombose links mit mehreren Lungenembolien 1996, Bluthochdruck, grenzwertige Blutzuckerstoffwechselstörung, Fettstoffwechselstörung.
Der Senat hat ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten des Prof. Dr. Dr. C. vom 12. Januar 2015 eingeholt. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit lägen beim Kläger ein hirnorganisches Psychosyndrom, Angst und Depression gemischt sowie auch eine Polyneuropathie vor. Im Gegensatz zu dem hirnorganischen Psychosyndrom sei eine zumindest leichtgradige Polyneuropathie bereits im Zeitraum 2000 bis 2005 nachweisbar gewesen. Der Begriff der Enzephalopathie sei lediglich eine etwas allgemeine Umschreibung des im ICD 10-Katalog verankerten hirnorganischen Psychosyndroms. Er könne aber nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit erkennen, dass die bestehende Enzephalopathie und Polyneuropathie durch Einwirkungen von organischen Lösungsmitteln Ende der 50er Jahre verursacht wurden.
Auch liege keine Wie-Berufskrankheit vor. Nach dem Studium der vorliegenden Literatur könne nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit belegt werden, dass das Antiphospholipid-Syndrom (APS) durch eine Lösemittelbelastung ausgelöst wurde, zumal das APS zu den häufigen Autoimmunerkrankungen in der Allgemeinbevölkerung gehöre. Die geltend gemachte MCS-Erkrankung stehe ebenfalls nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit im Zusammenhang mit der beruflichen Lösemittelexposition in den 1950er Jahren. Ein vermehrtes Auftreten von MCS-Syndromen viele Jahre nach einer Lösemittelexposition sei beim derzeitigen Stand der medizinischen Wissenschaft nicht beweisbar.
Der Kläger hat ausgeführt, dass der Sachverständige eine fortbestehende Enzephalopathie - wohl Schweregrad mindestens IIb - bestätigt habe. Die insoweit bezüglich der Frage der überwiegenden Wahrscheinlichkeit der Verursachung durch Arbeitsplatzbelastungen zugrunde gelegte ältere wissenschaftliche Lehrmeinung (2009) entspreche nicht mehr dem jetzigen Wissensstand, insbesondere nicht dem angepassten Merkblatt zur BK Nr. 1317. Danach sei es durchaus möglich, dass eine durch Lösemittel verursachte Enzephalopathie sich auch nach Beendigung der Exposition verschlechtere.
Die Beklagte hat darauf verwiesen, dass es sich bei den Merkblättern um unverbindliche Hinweise für die Beurteilung im Einzelfall aus arbeitsmedizinischer Sicht handele. Letztlich käme aber selbst in den Merkblättern zur Enzephalopathie und zur Polyneuropathie zum Ausdruck, dass regelmäßig ein zeitlicher Zusammenhang zwischen der Gefahrstoffexposition und dem Beginn einer Erkrankung vorliegen müsse. Ausnahmen seien nur selten beschrieben und wenn, dann auch nicht mit einer zeitlichen Latenz von zig-Jahren. Die zeitliche Lücke wie im vorliegenden Fall (frühester Beginn der Erkrankung 1980) sei auch nach dem Merkblatt ein deutliches Argument gegen einen ursächlichen Zusammenhang der Erkrankungen mit der beruflichen Exposition gegenüber Lösemitteln. Gegen den ursächlichen Zusammenhang spreche auch die ausgeprägte Verschlechterung der Erkrankungen seit dem Jahr 2000. Der Kläger könne nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit den rechtlich wesentlichen Ursachenzusammenhang zwischen der betrieblichen Gefahrstoffexposition und den Erkrankungen positiv nachweisen; es gelte keine Beweislastumkehr.
Der Kläger hat zuletzt ausgeführt, dass laut Gutachten des Prof. Dr. Dr. C. eine leichtgradige Polyneuropathie und eine Enzephalopathie bestünden. Die Versuche der Beklagten, diese für die haftungsausfüllende Kausalität wichtigen Feststellungen zu relativieren, seien nicht überzeugend. Außerberufliche Ursachen für die von dem Sachverständigen festgestellten Erkrankungen seien nicht einmal im Ansatz erkennbar.
Im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 18. September 2015 hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers nochmals auf die Arbeitsbedingungen in dem Betrieb bis 1963 hingewiesen, die man sich nach heutigem Verständnis gar nicht mehr vorstellen könne. Auch habe der Kläger bereits damals geschildert, dass es ihm beim Heimfahren von der Arbeit mit dem Fahrrad immer schwindlig geworden sei. Auf die Niederschrift der Sitzung wird verwiesen.
Der Kläger beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 16. März 2010 sowie den Bescheid der Beklagten vom 12. August 1998 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. November 1998 aufzuheben und festzustellen, dass bei ihm eine Berufskrankheit nach Nr. 1317 der Anlage 1 zur BKV bzw. eine Wie-Berufskrank- heit wegen bestehender Enzephalopathie und Polyneuropathie sowie wegen eines Antiphospholipid-Syndroms vorliegt.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Im Übrigen wird gemäß § 136 Abs. 2 SGG auf den Inhalt der Akte der Beklagten, der Schwerbehindertenakten, die beigezogen wurden, der Gerichtsakten des Sozialgerichts sowie der Klage- und Berufungsakte Bezug genommen.
Die Berufung des Klägers ist zulässig (§§ 143, 151 SGG), jedoch unbegründet. Es ist weder eine Berufskrankheit nach Nr. 1317 der Anlage 1 zur BKV noch eine Wie-Berufskrankheit anzuerkennen.
Streitgegenstand ist der Bescheid der Beklagten vom 12. August 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. November 1998, mit dem die Beklagte gemäß dem Tenor der Entscheidung einen Entschädigungsanspruch ablehnte. Allerdings hat die Beklagte hierbei inhaltlich nur darüber entschieden, ob eine Berufskrankheit nach Nr. 1317 der Anlage 1 zur BKV bzw. eine Wie-Berufskrankheit vorlag und dies im Ergebnis verneint. Der Bescheid ist dahingehend auslegungsbedürftig, dass die Beklagte nicht in die Prüfung der einzelnen Leistungsansprüche wie einer Verletztenrente eingestiegen ist, sondern nur eine negative Feststellung hinsichtlich des Vorliegens der Berufskrankheit stellen wollte. Zulässige Klageart ist insoweit die kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage nach § 54 Abs. 1, 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG (BSG, Az.: B 2 U 30/07).
Soweit das Vorliegen einer Wie-Berufskrankheit im sozialgerichtlichen Verfahren nicht ausdrücklich beantragt und thematisiert wurde, liegt im Berufungsverfahren jedenfalls eine zulässige Klageerweiterung vor, die als sachdienlich angesehen wird (§ 99 Abs. 1 SGG). Die streitgegenständlichen Bescheide bezogen sich ausdrücklich auch auf die Ablehnung von Leistungen aufgrund einer Wie-Berufskrankheit.
Die Entscheidung richtet sich nach den bis 31. Dezember 1996 geltenden Vorschriften der RVO, da der streitige Versicherungsfall vor dem 1. Januar 1997 eingetreten ist und über einen daraus resultierenden Leistungsanspruch vor dem 1. Januar 1997 zu entscheiden war (§§ 212, 214 Abs. 3 SGB VII in Verbindung mit § 580 RVO). Die ärztliche Anzeige über eine Berufskrankheit ging am 8. Januar 1996 bei einem Versicherungsträger ein.
Nach § 551 Abs. 1 RVO gilt als Arbeitsunfall auch eine Berufskrankheit, d. h. eine Krankheit, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates bezeichnete und die der Kläger bei seiner beruflichen Tätigkeit erlitten hat. Maßgeblich ist seit 1. Dezember 1997 die BKV vom 31. Oktober 1997 (BGBl I S. 2623). Vorliegend betrifft der Rechtsstreit Nr. 1317 der Anlage 1 zur BKV - Polyneuropathie oder Enzephalopathie durch organische Lösungsmittel oder deren Gemische.
Nach ständiger BSG-Rechtsprechung ist für die Feststellung einer Listen-Berufskrankheit danach im Regelfall erforderlich, dass die Verrichtung einer - grundsätzlich - versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen o. ä. auf den Körper geführt hat (Einwirkungskausalität) und die Einwirkungen eine Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität). Dass die berufsbedingte Erkrankung ggf. den Leistungsfall auslösende Folgen nach sich zieht (haftungsausfüllende Kausalität), ist keine Voraussetzung einer Listen-BK (vgl. z. B. BSG vom 15.09.2011 - B 2 U 25/10 R - Juris RdNr. 14). Dabei müssen die „versicherte Tätigkeit“, die „Verrichtung“, die „Einwirkungen“ und die „Krankheit“ im Sinne des Vollbeweises - also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit - vorliegen. Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge genügt indes die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit (vgl. BSG vom 15.09.2011 - B 2 U 25/10 R - Juris RdNr. 24 m. w. N.). Die Beweislast trifft insoweit den Versicherten.
Die Berufskrankheit nach Nr. 1317 der Anlage 1 zur BKV wurde durch die BKV aus dem Jahre 1997 (BGBl I 1997, 2625 f), in Kraft getreten am 1. Dezember 1997, eingeführt. Gemäß § 6 Abs. 4 S. 1 BKV ist, wenn ein Versicherter am 1. Dezember 1997 an einer Krankheit nach Nr. 1317 der Anlage 1 leidet, auf Antrag als Berufskrankheit anzuerkennen, wenn der Versicherungsfall nach dem 31. Dezember 1992 eingetreten ist. Lagen wie hier diese Erkrankungszeichen und somit der Eintritt des Versicherungsfalls bereits seit 1980 vor, ist eine Anerkennung dieser Krankheit als Berufskrankheit nach Nr. 1317 der Anlage 1 zur BKV wegen der Rückwirkungsklausel des § 6 Abs. 4 BKV 1997 ausgeschlossen, wenn der Versicherungsfall vor dem 1. Januar 1993 eingetreten ist. Eine Rückwirkungsklausel ist wirksam (BSG, Urt. v. 24. Februar 2000, SozR 3-2200 § 551 Nr. 14). Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat zuletzt - soweit ersichtlich - in seinem Nichtannahmebeschluss vom 30. März 2007 (BVerfG, Az.: 1 BvR 3144/06 - juris) die Vereinbarkeit solcher Stichtagsregelungen mit dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) grundsätzlich unter Bezugnahme auf die frühere Rechtsprechung bestätigt. Aus seinem Beschluss vom 23. Juni 2005 (BVerfG, SozR 4-1100 Art. 3 Nr. 32) ergibt sich hierzu nichts anderes. Das BSG hat in seiner Entscheidung vom 27. Juni 2006 (BSGE 96, 297 - 303; juris Rn. 21) hieran festgehalten.
Der Senat kann vorliegend offen lassen, ob der Versicherungsfall beim Kläger erst nach dem 31. Dezember 1992 eingetreten ist, da dann jedenfalls eine Wie-Berufskrankheit zu prüfen wäre. Die BKV 1997 bewirkt nur, dass ab ihrem Inkrafttreten am 1. Dezember 1997 eintretende, mit dem vorliegenden Sachverhalt ansonsten vergleichbare Fälle nicht mehr als Wie-BK anerkannt werden können, zumal das Nichtvorliegen einer Listen-Berufskrankheit ein (negatives) Tatbestandsmerkmal für eine Wie-Berufskrankheit ist. Die mit „Rückwirkung“ überschriebene Übergangsregelung in § 6 BKV 1997 regelt ebenso lediglich ab ihrem Inkrafttreten am 1. Dezember 1997 eine Erweiterung des sachlichen Anwendungsbereichs der BKV 1997 auf Sachverhalte, die vor ihrem Inkrafttreten eingetreten sind und am 1. Dezember 1997 noch andauern (BSGE 102, 121 ff). Vorliegend ist das Vorliegen einer entsprechenden Berufskrankheit zu prüfen, da die Erkrankung vor dem Stichtag eingetreten ist und das Verwaltungsverfahren, das auch auf Anerkennung einer Wie-Berufskrankheit gerichtet war, bereits 1996 und somit vor Inkrafttreten der BKV-Änderung 1997 in Gang gesetzt war. Aus dem streitgegenständlichen Bescheid vom 12. August 1998 ergibt sich bereits, dass die Beklagte auch das Vorliegen einer Wie-Berufskrankheit ablehnte. Auch ist das Berufungsverfahren antragsgemäß nicht auf die Feststellung einer Listen-Berufskrankheit beschränkt (vgl. hierzu z. B. BSG, SozR 4-2700 § 9 Nr. 13).
Die vom Kläger als Wie-Berufskrankheit geltend gemachte Polyneuropathie bzw. Enzephalopathie ist auch nicht als Wie-Berufskrankheit gemäß § 551 Abs. 2 RVO anzuerkennen, da die Voraussetzungen des § 551 Abs. 2 RVO objektiv nicht gegeben sind.
Nach den Feststellungen des TAD sind die arbeitstechnischen Voraussetzungen für das Vorliegen der BK 1317 bzw. einer Wie-Berufskrankheit wegen bestehender Polyneuropathie und Enzephalopathie nur in der Zeit von August 1955 bis August 1963, als der Kläger als Maschinenschlosser bei der Fa. S. GmbH tätig war, erfüllt. Der Kläger war, verstärkt in der Ausbildungszeit, je nach Art der ausgeführten Tätigkeit (Getriebebau, „Automischer“) einem Umgang mit Reinigungsmitteln (Waschbenzin, Nitroverdünnung und „TRI“) sowie mit lösemittelhaltigen Lacken ausgesetzt. Den durchschnittlichen Zeitbedarf veranschlagte der TAD auf 30 Minuten/Tag. Während eines halben Jahres im Getriebebau im Rahmen der Ausbildung hat bei Reinigungsarbeiten (durchschnittlich drei bis maximal fünf Stunden pro Tag) eine erhöhte Exposition gegenüber Lösemitteln aus Reinigern bestanden. Mangels vorliegender Angaben zu den Mengenverhältnissen der verwendeten Lösungsmittel ist eine konkrete Expositionsabschätzung im Bezug auf Grenzwerte aber nicht möglich. Der TAD gelangte somit zu einer erhöhten Belastung nur während des halben Jahres im Getriebebau. Soweit vom Kläger auf die heute kaum mehr vorstellbaren Arbeitsbedingungen in dem damaligen Betrieb hingewiesen wird, deckt sich dies mit der grundsätzlichen Einschätzung des TAD, dass in den Jahren von August 1955 bis August 1963 eine Expositionsbelastung vorhanden war - auch wenn der TAD die erhöhte, relevante Expositionsdauer auf die ersten 1 1/2 bzw. das ein halbes Jahr beschränkt. Der Senat kann diese zeitliche Einschränkung offen lassen, da vorliegend aber jedenfalls die medizinischen Voraussetzungen für das Vorliegen einer Berufskrankheit nicht gegeben sind.
Für die Tätigkeit als Lagerist bei den Stadtwerken A-Stadt wurde allerdings vom TAD eine Exposition gegenüber lösungsmittelhaltigen Stoffen, Nitrofarben etc. verneint. Hiergegen hat der Kläger substantiiert nichts vorgebracht; auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat er sich nur auf die Tätigkeit bei der Fa. S. GmbH bezogen. Nach den Ermittlungen des TAD bei den Stadtwerken A-Stadt arbeitete der Kläger dort seit 1. Oktober 1987 als Lagerist. Sein Umgang mit Farben, Lacken, Schmierstoffen etc. beschränkte sich darauf, diese in handelsüblichen, verschlossenen Gebinden in Empfang zu nehmen, zu verstauen und bei Bedarf auszugeben. Eine Verarbeitung dieser Stoffe durch ihn erfolgt nicht.
Eine Exposition gegenüber organischen Lösungsmitteln und deren Gemische bei der Tätigkeit als kaufmännischer Angestellter ist nicht ersichtlich und ebenfalls vorgetragen. Der Kläger selber gab in dem Fragebogen vom 22. Januar 1997 als belastungsrelevante Tätigkeit nur die Zeit vom 1. August 1955 bis 2. August 1963 als Maschinenschlosser bei der Fa. S. GmbH an.
Entgegen den Ausführungen des Sozialgerichts steht aufgrund des vom Senat eingeholten Gutachtens des Prof. Dr. Dr. C. zur Überzeugung des Senats fest, dass beim Kläger sowohl eine Polyneuropathie als auch eine Enzephalopathie als Erkrankungen vorliegen. Der Sachverständige stellte in neurologischer Hinsicht, unterstützt durch eine elektrophysische Untersuchung, eine seit 2005 bestehende ausgeprägt progrediente Polyneuropathie der Beine fest, darüber hinaus einen Mischtremor. Noch im Jahre 2000 schloss Dr. H. als Gutachter eine Polyneuropathie sowie eine Enzephalopathie aus, er diagnostizierte jedoch eine chronifizierte somatoforme bzw. hypochondrische Störung, wie sie sich auch in der rentenrechtlichen Begutachtung der Jahre 1996 und 1998 ergab. Dr. M. gab den Schweregrad der Polyneuropathie in seinem Gutachten vom 24. Dezember 2009 mit Grad IIb (mittlere Form) an.
Eine Enzephalopathie bzw. ein hirnorganisches Psychosyndrom wird von Prof. Dr. Dr. C. ebenfalls bestätigt. Der Kläger zeigte im Rahmen der Untersuchung hierauf deutliche Hinweise mit neurokognitiven Defiziten und auch einer Wesensveränderung.
Soweit für den Kläger in der mündlichen Verhandlung vorgebracht wurde, dass ihm während der Arbeit bei der Fa. S. GmbH häufig nach der Arbeit schwindlig gewesen sei, ist dies auch von Prof. Dr. Dr. C. in der Anamnese erfasst und gewürdigt worden. Gegenüber dem Sachverständigen gab er auf Nachfrage an, dies sei etwa drei bis viermal in der Woche beim Reinigen von Getriebeteilen der Fall gewesen. Dennoch bewertete der Sachverständige im Hinblick auf die vorliegenden Befunde, dass die für eine Polyneuropathie bzw. Enzephalopathie maßgebliche Symptomatik „frühestens Anfang der 1980er Jahre“ (Seite 33 des Gutachtens) begonnen hat - zunächst nur im Rahmen vor allem subjektiv bestehender Beschwerden. Ein Beginn der Erkrankung bereits in den 50-er Jahren ist somit nach Überzeugung des Senats nicht belegt.
Für die Feststellung einer Berufskrankheit ist darüber hinaus die o.g. Einwirkungskausalität erforderlich, die vom Senat im Ergebnis verneint wird. Die ersten Beschwerdesymptome traten nach dem Gutachten auch des Prof. Dr. Dr. C. beim Kläger wie dargelegt (frühestens) Anfang der 1980er-Jahre auf, also ca. 17 Jahre nach Beendigung der Tätigkeit bei der Fa. S. GmbH im Jahre 1963. Vermehrt Erkrankungszeichen und Behandlungen finden sich nach Aktenlage sogar erst ab dem Jahre 1992. Eine ausgeprägte Verschlechterung des Beschwerdebildes einer Enzephalopathie und Polyneuropathie ist seit dem Jahre 2000 und insbesondere seit 2005 zu verzeichnen. Wenn Prof. Dr. Dr. C. von einer erst seit 2005 bestehenden ausgeprägt progredienten Polyneuropathie der Beine spricht, liegen mehrere Jahrzehnte zwischen einem Expositionsende und diesem Zeitpunkt.
Eine von 1955 bis 1963 beruflich bedingte Einwirkung mit der Folge einer toxischen Schädigung wäre über Jahrzehnte still verlaufen, mindestens 17 Jahre (1963 - 1980) bzw. fast 25 Jahre, bezogen auf die vom TAD feststellte erhöhte Expositionsbelastung zu Beginn der Tätigkeit, und hätte sich erst dann nach rund 40 Jahre (1963 - 2000) exponentiell verschlechtert.
Angesichts der Flüchtigkeit von Lösemitteln nach Ende der Exposition ist häufig eine Rückbildung von Symptomen zu erwarten, so dass eine Beschwerdezunahme nach Expositionsende gegen einen Ursachenzusammenhang mit der Lösemittelexposition spricht. Nach der Fachliteratur zeichnen sich eine Polyneuropathie und eine Enzephalopathie durch unterschiedliche Krankheitsverläufe aus (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin (S/M/V), Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl., S. 241). Jeweils gilt aber, dass grundsätzlich ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen der krankmachenden Exposition und dem Krankheitsbeginn besteht. Ein längeres Intervall zwischen letzter Exposition und Krankheitsbeginn sei aufgrund der kurzen biologischen Halbwertzeiten der neurotoxischen Lösungsmittel toxikologisch nicht plausibel. Allerdings kann eine toxische Polyneuropathie nach Expositionsende zeitlich begrenzt über wenige Monate eine Verschlechterung der Symptomatik zeigen. Jedoch ist eine langfristige weitere Verschlechterung nicht belegt, vielmehr kommt es zu Rückbildungen der Symptomatik (so z. B. auch Mehrtens/Brandenburg, Die Berufskrankheitenverordnung, M 1317, Anm. 2.1). Bei einer Enzephalopathie wird am häufigsten ein Fortbestehen oder nur leichte Minderungen des Symptomerlebens bzw. psychischer Leistungsdefizite nach Expositionsende beschrieben. Eine Progression wurde bei Studien deutlich überwiegend nicht festgestellt, mit Ausnahme bei sehr hoher und langer Lösungsmittelexposition, wie sie beim Kläger aufgrund der o.g. Feststellungen des TAD aber nicht der Fall war (zitiert aus S/M/V, a. a. O. bzw. Mehrtens/Brandenburg, a. a. O. Anm. 2.2; so auch LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 13. Dezember 2007, Az.: L 6 U 2016/03: LS: „Die Persistenz oder Verschlechterung einer Polyneuropathie nach Unterlassung der gefährdenden Tätigkeit schließt eine Verursachung durch Lösungsmittel entgegen der im Merkblatt zur Berufskrankheit gem. BKV Anl.
Nr. 1317 in der Fassung der Bekanntmachung des BMGS im BABl. 2005, Heft 3, Seite 49 vertretenen Auffassung in aller Regel aus“).
Allerdings bestehen unter Fachkreisen Diskrepanzen zur Prognoseeinschätzung (s. a. BSGE 96, 297 ff, juris Rn. 18; LSG Baden-Württemberg, a. a. O.). Entgegen den Darlegungen des Klägers ist aber Prof. Dr. Dr. C. hierauf in seinem Gutachten eingegangen (siehe S. 34) und ist nicht bei dieser grundsätzlichen Feststellung verharrt. Nach dem überarbeiteten Merkblatt zur BK Nr. 1317 aus dem Jahr 2005 (BArbBl. 3/2005 S. 49 ff.) wird unter Punkt III dargelegt, dass sich lösungsmittelbedingte Polyneuropathien häufig nach Unterlassung der Exposition verbessern. Ferner wird ausgeführt, dass sie sich in der Regel in engem zeitlichen Zusammenhang mit der beruflichen Lösungsmittelexposition entwickeln, wobei die klinische Diagnose der Polyneuropathie auch noch zwei bis drei Monate nach Unterlassung der gefährdenden Tätigkeit erstmals gestellt werden kann. Die Studien werden hier unterschiedlich bewertet mit dem Ergebnis, dass eine Persistenz oder eine Verschlechterung der Erkrankung nach Unterlassung der gefährdenden Tätigkeit eine Verursachung durch Lösungsmittel nicht ausschließt (Merkblatt, a. a. O., bezüglich Polyneuropathie). Auch hinsichtlich der Enzephalopathie wird in dem Merkblatt ausgeführt, dass eine Persistenz oder eine Verschlechterung der Erkrankung nach Unterlassung der gefährdenden Tätigkeit eine Verursachung durch Lösungsmittel nicht ausschließt. Allerdings wird auch festgestellt, dass für die Differentialdiagnose von Bedeutung ist, dass eine Progredienz der Erkrankung nach Expositionskarenz gegen die Annahme eines Ursachenzusammenhangs spricht.
Zum einen ist darauf hinzuweisen, dass die Merkblätter den Senat nicht binden. Es handelt sich hierbei lediglich um rechtlich unverbindliche Hinweise für die Beurteilung im Einzelfall aus arbeitsmedizinischer Sicht. Als antizipierte Sachverständigengutachten oder als Dokumentation des Standes der einschlägigen Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft können sie nicht verwendet werden, zumal sie häufig nicht auf aktuellem Stand sind; sie stellen lediglich eine wichtige, nicht aber unbedingt ausreichende Informationsquelle für die Praxis dar (BSG SozR 3-5670 Anlage 1 Nr. 2108 Nr. 2).
Zum anderen erläuterte der Sachverständige Prof. Dr. Dr. C. unter Heranziehung einer Metaanalyse aus dem Jahre 2009 (van Valen et al., Neurotoxicology 2009, 30: 1172-1186), dass es sich um non-progressive Erkrankungen handelt. Eine Literaturrecherche des Sachverständigen über Veröffentlichungen der letzten fünf Jahre ergab keine neuen Ergebnisse bezüglich des Langzeitverlaufs. Aber selbst wenn eine ausnahmsweise mögliche Progression angenommen wird, ist in dem hier zu entscheidenden Fall eine erhebliche zeitliche Lücke von 17 Jahren von 1963 bis 1980 bzw. von 25 Jahren von 1955 bis 1980, also bis zum Auftreten der ersten Beschwerden, vorhanden. Eine lange Latenzzeit zwischen Ende der Exposition und Beginn der Krankheit spricht - wie z. B. auch eine relativ geringe Exposition und eine kurze Expositionsdauer - gegen das Vorliegen einer Berufskrankheit (vgl. Mehrtens/Brandenurg, a. a. O., Anm. 3). Eine Progredienz erfuhren die Erkrankungen in den 90er-Jahren sowie verstärkt nach dem Jahr 2000. Ein medizinisch-wissenschaftlicher Beleg für den dennoch bestehenden Ursachenzusammenhang mit der ursprünglichen Tätigkeit existiert bei dieser Sachlage nicht.
Hinzu kommt, dass vom Sachverständigen Konkurrenzursachen für das Entstehen einer Polyneuropathie und Enzephalopathie wie vor allem stark erhöhter Blutdruck (seit 1989, bestätigt bei der aktuellen Untersuchung durch Prof. Dr. Dr. C. mit einem Wert von 195/110 mmHg) sowie das internistisch diagnostizierte APS benannt werden. Beides geht mit mikroangiopathischen Veränderungen, d. h. Schädigungen im Bereich der kleinsten Gefäße, einher. Diese können Ursache sowohl für eine Enzephalopathie als auch für eine Polyneuropathie sein.
Weitere Recherchen beim medizinischen Sachverständigenrat, wie vom Kläger zuletzt angeregt, erscheinen vor diesem Hintergrund entbehrlich. Bei Prof. Dr. Dr. C., der hierzu Literaturrecherchen vorgenommen hat, handelt es sich um einen ausgewiesenen neurologischen Experten des BKH C-Stadt und zertifizierten Gutachter der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN).
Das Vorliegen einer Wie-Berufskrankheit bzgl. eines APS wird vom Sachverständigen Prof. Dr. Dr. C. ebenfalls abgelehnt, der dies eher als Konkurrenzursache für eine Polyneuropathie und Enzephalopathie wertet. Auch hierzu hat der Sachverständige die vorliegende Literatur gesichtet und ist überzeugend zu dem Ergebnis gelangt, dass jedenfalls nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit belegt werden kann, dass ein APS durch eine Lösemittelbelastung ausgelöst wurde. Das APS gehört zu den häufigen Autoimmunerkrankungen in der Allgemeinbevölkerung. Selbst wenn organische Lösemittel als Risikofaktor für die Entstehung von Autoimmunerkrankungen gelten, kann hierauf eine Einwirkungskausalität nicht mit der notwendigen hinreichenden Wahrscheinlichkeit belegt werden, zumal die Risikoerhöhung nach der Darstellungen des Sachverständigen als lediglich geringfügig angesehen wird. Soweit der Kläger darauf hinweist, dass ihn die Lösemittelbelastung während seiner Adoleszenz traf, ist der Sachverständige auch dieser Argumentation nachgegangen und hat - auch unter Vergleich mit der Gruppe von jugendlichen Lösemittelschnüfflern - keine verwertbaren Angaben in der Fachliteratur gefunden, die sich mit dem diesbezüglichen Langzeitverlauf beschäftigen. Dass der Sachverständige zu dem Ergebnis gelangt, ein derartiger Kausalzusammenhang sei nicht auszuschließen, erfüllt dies nicht die notwendigen Anforderungen einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit für einen Ursachenzusammenhang.
Eine Wie-Berufskrankheit wegen eines MCS-Syndroms hat der Kläger zuletzt nicht mehr geltend gemacht.
Die Berufung war daher vom Senat zurückzuweisen.
Die Kostenfolge stützt sich auf § 193 SGG.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil Gründe nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG nicht vorliegen.