Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 28. Juni 2018 - L 17 U 378/16

published on 28/06/2018 00:00
Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 28. Juni 2018 - L 17 U 378/16
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Sozialgericht Nürnberg, S 15 U 26/16, 06/10/2016

Gericht

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Tenor

I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 06.10.2016 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten - nunmehr im Berufungsverfahren - um die Anerkennung einer Berufskrankheit nach der Nr. 4101 (im Folgenden: BK 4101) und nach der Nr. 4107 (im Folgenden: BK 4107) der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV).

Der 1975 geborene Kläger arbeitet seit 01.03.1993 in der Gießerei H. (Fa. H). Vom 01.03.1993 bis ca. 15.10.1996 bestand seine Aufgabe im Arbeitsbereich Putzerei und Kontrolle im Entgraten der Gussteile mit einer großen Flex. Vom 16.10.1996 bis 01.09.2012 arbeitete er im Bereich des Kupolofens und die letzten 3-4 Jahre am Vergießofen. Zu seinen Aufgaben gehörte dort der Transport des flüssigen Eisens mit dem Kran zum Warmhaltehofen bzw. Vergießofen. Ab dem 01.09.2012 arbeitete der Kläger in der Abteilung Kernmacherei. Bis Ende Dezember 2013 wurde er für das Tauchen von Kernen in eine Alkoholschlichte eingesetzt. Seit 01.01.2014 ist er aufgrund seiner Atemwegsbeschwerden für den Transport der Kerne zu einem Zwischenlager zuständig. Der Transport erfolgt mit einer Ameise (Mitgängerflurförderzeug).

Im Mai 2014 zeigte die Lungenfachärztin Dr. G. bei der Beklagten den Verdacht an, bei dem Kläger könne eine BK 4101 (Quarzstaublungenerkrankung - Silikose) oder eine BK 4107 (Erkrankungen an Lungenfibrose durch Metallstäube bei der Herstellung oder Verarbeitung von Hartmetallen) vorliegen.

Der Präventionsdienst der Beklagten (PD) nahm aufgrund einer Arbeitsplatzbesichtigung, bei der auch der Kläger anwesend war, mit Schreiben vom 17.11.2014 unter anderem dahingehend Stellung, dass dieser bei seiner Arbeit in der Gießerei die meiste Zeit in quarzstaubexponierten Bereichen tätig gewesen sei; Hinweise auf eine Exposition gegenüber Hartmetallstäuben fänden sich jedoch nicht. Die Stellungnahme mit der genauen Arbeitsplatzbeschreibung erhielt der Kläger zur Kenntnis. Er führte danach, und zwar am 20.11.2014 und am 24.11.2014, zwei Gespräche mit einem Sachbearbeiter der Beklagten.

Die Beklagte holte ein Gutachten des Lungenfacharzts Dr. K. (K) ein. Dieser kam in seinem Gutachten vom 03.03.2015 zu dem Ergebnis, dass bei dem Kläger eine Mischstaubpneumokoniose vorliege, die beruflich bedingt sei. Die Beklagte holte ferner eine fachpathologische Stellungnahme der Professorin Dr. T., Institut für Pathologie, R.-Universität B., und ein radiologisches Zusatzgutachten der Dr. H.-P. ein.

Mit Bescheid vom 04.09.2015 (Widerspruchsbescheid vom 03.02.2016) lehnte die Beklagte die Anerkennung einer BK 4101 und einer BK 4107 ab. Zur BK 4101 führte sie aus, keine der radiologischen Aufnahmen zeige charakteristische Veränderungen, die für eine Silikose sprechen würden. Auch das pathologisch untersuchte Lungengewebe des Klägers sei nicht geeignet, eine Silikose im Vollbeweis zu sichern. Auch eine BK 4107 sei nicht anzuerkennen, da sich keine Hinweise dafür ergeben hätten, dass der Kläger beruflich gegenüber Hartmetallstäuben exponiert gewesen sei.

Dagegen hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Nürnberg (SG) erhoben.

Das SG hat ein Gutachten des Dr. S. (S), Lungenfacharzt und Arbeitsmediziner, vom 16.05.2016 eingeholt. Dieser kam zu dem Ergebnis, es bestehe kein Zweifel an der vorliegenden Lungenerkrankung mit Lungenfunktionseinschränkung, die sich subjektiv in deutlicher Luftnot bei körperlicher Belastung zeige. Es habe auch eine Exposition gegenüber Quarzstaub bestanden. Es fänden sich aber keine gesicherten quarzstaubbedingten Veränderungen in den entnommenen Lungenproben. Anhand der umfangreichen Untersuchungsbefunde einschließlich Histologie und Röntgenverlauf könnten die Beweisfragen dahingehend beantwortet werden, dass eine BK 4101 oder 4107 nicht vorliege. Die Gesundheitsstörungen seien nicht mit Wahrscheinlichkeit wesentlich (mit) ursächlich auf die berufliche Tätigkeit des Klägers zurückzuführen.

Mit Urteil vom 06.10.2016 hat das SG die Klage abgewiesen und ausgeführt, die Anerkennung einer BK 4107 (Erkrankungen an Lungenfibrose durch Metallstäube bei der Herstellung oder Verarbeitung von Hartmetallen) scheitere bereits daran, dass keine Anhaltspunkte dafür bestünden, dass der Kläger an seinem Arbeitsplatz gegenüber Hartmetallstäuben exponiert gewesen sei. Dies hätten die Ermittlungen des PD ergeben, und das Gericht sehe keine Anhaltspunkte, an deren Richtigkeit zu zweifeln. Hingegen sei unbestritten, dass der Kläger während seiner Berufstätigkeit in der Gießerei viele Jahre gegenüber Quarzstaub exponiert gewesen sei. Dennoch liege beim Kläger keine Quarzstaublungenerkrankung im Sinne der BK 4101 vor. Trotz der Exposition des Klägers gegenüber Quarzstaub sei medizinischerseits die Diagnose einer Quarzstaublungenerkrankung nicht zu stellen. Diese Schlussfolgerung begründe sich aus der Auswertung der zahlreichen Röntgen- und CT-Bilder der Lunge des Klägers. Keine dieser radiologischen Untersuchungen weise Befunde im Sinne einer Quarzstaublungenerkrankung auf. Auf den Aufnahmen ließen sich keine silikotischen Knötchen oder Schwielen erkennen. Auch die im Verwaltungsverfahren auf pathologisch-anatomischem Gebiet durchgeführte Untersuchung des bei dem Kläger entnommenen Lungengewebes habe keine silikotischen Knötchen oder Schwielen zur Darstellung gebracht. Damit liege bei dem Kläger keine gesicherte Silikose vor. Bei dem Krankheitsbild des Klägers handele es sich vielmehr um eine rezidivierende Alveolitis ungeklärter Ursache mit mittelschwergradiger restriktiver Lungenfunktionseinschränkung.

Dagegen hat der Kläger Berufung zum Bayerischen Landessozialgerichts (LSG) eingelegt.

Das LSG hat auf Antrag des Klägers auf der Grundlage des § 109 Sozialgerichtsgesetz - SGG - ein Gutachten des Dr. F. (F) eingeholt. Dieser hat eine Mischstaubpneumokoniose (Metallose und Silikose), eine Sensibilisierung gegenüber Aspergillus fumigatus und Penicillinummischung, Hypertriglyzeridämie, einen Zustand nach Nikotinabusus bis 2012, vorher mehr als 20 pack years, diagnostiziert. F führt aus, bei dem Kläger liege eine mittelschwere restriktive Ventilationsstörung und Diffusionsstörung vor, zusätzlich eine erhöhte Last der Atempumpe. Die körperliche Belastbarkeit sei aufgrund einer ausgeprägten, bereits in Ruhe vorhandenen Transferstörung eingeschränkt. In Bezug auf die BK 4101 legt F dar, eine Quarzstaublungenerkrankung habe bislang weder histologisch noch radiologisch gesichert werden können. Zur BK 4107 vertritt F die Auffassung, das radiologische und histologische Bild spreche für das Vorliegen einer Metallose. Die Befunde seien mit einer Metallose vereinbar. Der Kläger sei von 1993 bis 1996 Hartmetallstäubenexponiert gewesen, er habe in dieser Zeit die Grate der frisch gegossenen Metallteile begradigt bzw. geflext. Dies sei unter unzureichender Absaugung und lediglich mit einfachem Mundschutz ohne Filter erfolgt. Die Messung der Arbeitsplatzexposition sei erst im Jahr 2014 unter völlig anderen arbeitsplatztechnischen Bedingungen als in den Jahren 1993 bis 1996 erfolgt. Eine BK 4107 liege deshalb vor. Einschränkungen im Sinne einer Minderung der Erwerbsfähigkeit bestünden bereits seit dem Jahr 2014. Die beschriebenen Gesundheitsstörungen seien mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf die berufliche Tätigkeit des Klägers, insbesondere in den Jahren 1993 bis 1996 zurückzuführen. Prinzipiell kämen auch außerberufliche Hartmetallstaubexpositionen als Ursachen für die Gesundheitsstörungen in Betracht, solche ließen sich jedoch glaubhaft nicht eruieren.

Am 30.05.2017 hat ein Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage stattgefunden.

Mit Schreiben vom 21.06.2017 hat der PD nochmals Stellung genommen. Er hat dargelegt, was unter Hartmetallen im Sinne der BK 4107 zu verstehen sei, dass Hartmetalle in den Arbeitsbereichen des Klägers nicht be- und verarbeitet worden seien und dass deshalb eine Exposition nicht vorgelegen haben könne.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 06.10.2016 und den Bescheid vom 04.09.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 03.02.2016 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, beim Kläger eine Silikose als Berufskrankheit nach Nr. 4101 und eine Erkrankung an Lungenfibrose als Berufskrankheit nach Nr. 4107 festzustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird zur Ergänzung des Sachverhaltes auf den Inhalt der beigezogenen Beklagtenakten (2 Bände) und der Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.

Gründe

Die form- und fristgerecht eingelegte und auch ansonsten zulässige (§§ 143, 144, 151 SGG) Berufung des Klägers ist unbegründet.

Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid der Beklagten vom 04.09.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 03.02.2016 (§ 95 SGG), mit dem die Beklagte die Feststellung einer BK 4101 und 4107 abgelehnt hat. Nicht gemäß § 96 SGG Gegenstand des vorliegenden Verfahrens geworden ist der Bescheid vom 12.06.2017, mit dem die Beklagte die Anerkennung einer BK 4201 (exogen-allergische Alveolitis) abgelehnt hat, weil dieser Bescheid die o.g. Bescheide weder abändert noch ersetzt. Streitgegenständlich sind die Anerkennung einer BK 4101 (Quarzstaublungenerkrankung - Silikose) und die Anerkennung einer BK 4107 (Erkrankungen an Lungenfibrose durch Metallstäube bei der Herstellung oder Verarbeitung von Hartmetallen). Ausweislich des zuletzt gestellten Antrags des Klägers nicht mehr streitgegenständlich sind die Zuerkennung einer Rente oder sonstiger Leistungen; insofern wäre die Klage mangels entsprechender Verwaltungsentscheidung auch unzulässig gewesen. Die entsprechenden Ausführungen im verfahrensgegenständlichen Bescheid vom 04.09.2015 (siehe ebendort Entscheidungssatz Punkt 2) enthalten keine Regelungen im Sinne des § 31 SGB X; eine Prüfung der Leistungsvoraussetzungen hat mit Blick auf die von der Beklagten abgelehnte Anerkennung der BKen nicht stattgefunden.

Zu Recht hat das SG die Klagen auf Verurteilung zur Anerkennung einer BK 4101 und 4107 abgewiesen. Die Klagen waren zulässig, insbesondere als Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen (§ 54 Abs. 1 SGG) statthaft. Der Kläger begehrt die Aufhebung eines seine geltend gemachten Ansprüche verneinenden Verwaltungsakts und ausdrücklich eine Verurteilung der Beklagten zum Erlass eines begünstigenden Verwaltungsakts, nämlich zur Anerkennung der BKen 4101 und 4107 (zur Zulässigkeit eines Antrags auf Verurteilung zur behördlichen Feststellung des Versicherungsfalles und nicht unmittelbar auf gerichtliche Feststellung vgl. BSG vom 27.04.2010, B 2 U 23/09 R, juris Rn 9; vom 05.07.2011, B 2 U 17/10 R, juris Rn 12 m.w.N.).

Die Klagen waren aber unbegründet. Denn die BKen 4101 und 4107 liegen beim Kläger nicht vor.

Als Versicherungsfall gilt nach § 7 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) auch eine BK. BKen sind die Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates bezeichnet und die ein Versicherter bei einer versicherten Tätigkeit erleidet (§ 9 Abs. 1 SGB VII). Die Bundesregierung ist ermächtigt, in der Rechtsverordnung Krankheiten als Berufskrankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grad als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind (§ 9 Abs. 1 Satz 2 1. Halbsatz SGB VII). Aufgrund der Ermächtigung in § 9 Abs. 1 SGB VII hat die Bundesregierung die Berufskrankheitenverordnung (BKV) vom 31.10.1997 (BGBl. I, 2623) erlassen, in der die derzeit als Berufskrankheiten anerkannten Krankheiten aufgeführt sind. Der Verordnungsgeber hat die BK 4101 bezeichnet als „Quarzstaublungenerkrankung (Silikose)“, die BK 4107 als „Erkrankungen an Lungenfibrose durch Metallstäube bei der Herstellung oder Verarbeitung von Hartmetallen“.

Für die Bewertung der Krankheit und des Ursachenzusammenhangs zwischen beruflichen Belastungen und BK ist der aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisstand zu berücksichtigen. Daher sind neben der Begründung des Verordnungsgebers insbesondere auch die Merkblätter des zuständigen Bundesministeriums zu beachten, die den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand wiedergeben.

Die genannten Maßgaben zugrunde legend lassen sich bei einer Listen-BK im Regelfall und auch für die hier zu prüfenden BKen folgende Tatbestandsmerkmale ableiten: Die Verrichtung einer - grundsätzlich - versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) muss zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder Ähnlichem auf den Körper geführt (Einwirkungskausalität) und die Einwirkungen müssen eine Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität). Dass die berufsbedingte Erkrankung ggf. den Leistungsfall auslösende Folgen nach sich zieht (haftungsausfüllende Kausalität), ist keine Bedingung für die Feststellung einer Listen-BK (vgl. u.a. BSG vom 02.04.2009, B 2 U 30/07 R, B 2 U 33/07 R, B 2 U 7/08 R, B 2 U 9/08 R m.w.N.; BSG vom 29.11.2011, B 2 U 26/10 R m.w.N.).

Dabei müssen die Krankheit, die versicherte Tätigkeit und die durch sie bedingten schädigenden Einwirkungen einschließlich deren Art und Ausmaß i.d. „Vollbeweises“, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, nachgewiesen sein, während für den ursächlichen Zusammenhang zwischen diesen Tatbestandsmerkmalen, der nach der auch sonst im Sozialrecht geltenden Lehre von der wesentlichen Bedingung zu bestimmen ist, grundsätzlich die hinreichende Wahrscheinlichkeit - nicht allerdings die bloße Möglichkeit - ausreicht (BSG, Urteil vom 27.06.2006 - B 2 U 20/04 R; Urteil vom 22.08.2000 - B 2 U 34/99 R m.w.N.). Für den Vollbeweis ist keine absolute, jeden möglichen Zweifel und jede Möglichkeit des Gegenteils ausschließende Gewissheit zu fordern, vielmehr genügt für die entsprechende richterliche Überzeugung ein der Gewissheit nahekommender Grad von Wahrscheinlichkeit (BSG, Urteil vom 27.03.1958 - 8 RV 387/55, juris Rn. 16). Die volle Überzeugung wird als gegeben angesehen, wenn eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit, d.h. eine Wahrscheinlichkeit besteht, die nach der Lebenserfahrung praktisch der Gewissheit gleichkommt, weil sie bei jedem vernünftigen, die Lebensverhältnisse klar überschauenden Menschen keine Zweifel mehr bestehen lässt (BSG, Urteil vom 27.04.1972 - 2 RU 147/71, juris Rn. 30; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Schmidt, SGG, 12. Aufl. 2017, § 128 Rn. 3b m.w.N.). Um eine hinreichende Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhanges zu bejahen, muss absolut mehr für als gegen die jeweilige Tatsache sprechen. Es muss sich unter Würdigung des Beweisergebnisses ein solcher Grad von Wahrscheinlichkeit ergeben, dass ernste Zweifel hinsichtlich einer anderen Möglichkeit ausscheiden und nach der geltenden ärztlichen wissenschaftlichen Lehrmeinung deutlich mehr für als gegen einen ursächlichen Zusammenhang spricht (BSG, Beschluss vom 08.08.2001 - B 9 V 23/01 B, juris Rn. 4 m.w.N.; BSG, Urteil vom 02.02.1978 - 8 RU 66/77, juris Rn. 13). Die Beweisanforderungen bei der hinreichenden Wahrscheinlichkeit sind höher als bei der überwiegenden Wahrscheinlichkeit (Glaubhaftmachung im Sinne eines Beweismaßes, vgl. dazu BSG, Beschluss vom 08.08.2001 - B 9 V 23/01 B, juris Rn. 5). Überwiegende Wahrscheinlichkeit bedeutet die gute Möglichkeit, dass der Vorgang sich so zugetragen hat, wobei durchaus gewisse Zweifel bestehen bleiben können; dieser Beweismaßstab ist durch seine Relativität gekennzeichnet (vgl. BSG vom 08.08.2001 - B 9 V 23/01 B, juris Rn. 5 und Orientierungssatz; vom 14.12.2006 - B 4 R 29/06, juris Rn. 116; vom 17.04.2013 - B 9 V 3/12 R, juris Rn. 36; Keller, a.a.O., Rn. 3d m.w.N.; zum Zivilrecht BGH vom 11.09.2003 - IX ZB 37/03, juris Rn. 8; vom 15.06.1994 - IV ZB 6/94).

Die oben dargestellten Grundsätze zugrunde legend steht nicht mit der zu fordernden an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit fest, dass der Kläger an einer Quarzstaublungenerkrankung (Silikose) im Sinne der BK 4101 erkrankt war bzw. ist. Umgekehrt steht fest, dass der Kläger eine solche Krankheit nicht hat (dazu unter 1.). Ferner steht nicht mit der zu fordernden an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit fest, dass eine Exposition gegenüber Hartmetallstäuben im Sinne der BK 4107 vorgelegen hat. Insofern fehlt es bereits an den sogenannten arbeitstechnischen Voraussetzungen (dazu unter 2.).

1. Zur Überzeugung, dass der Kläger nicht an einer Quarzstaublungenerkrankung (Silikose) im Sinne der BK 4101 erkrankt war bzw. ist, gelangt der Senat unter Würdigung der Gutachten des S und des F, insbesondere aufgrund der von diesen getroffenen medizinischen Feststellungen und gestellten Diagnosen, sowie unter Würdigung der weiteren aktenkundigen ärztlichen Stellungnahmen und Berichte. Die eingeholten Gutachten, die vorliegenden Untersuchungsbefunde einschließlich Histologie und Röntgenverlauf sowie der Verlauf der Erkrankung sprechen dafür, dass keine Silikose vorliegt. Dies legt insbesondere S in seinem Gutachten in überzeugender Weise dar. S kommt zu dem Ergebnis, es bestehe kein Zweifel an der vorliegenden Lungenerkrankung mit Lungenfunktionseinschränkung, die sich subjektiv in deutlicher Luftnot bei körperlicher Belastung zeige und es habe auch eine Exposition gegenüber Quarzstaub bestanden. Es fänden sich aber keine gesicherten quarzstaubbedingten Veränderungen in den entnommenen Lungenproben. Anhand der umfangreichen Untersuchungsbefunde einschließlich Histologie und Röntgenverlauf sei die Beweisfrage dahingehend zu beantworten, dass eine BK 4101 nicht vorliege. S weist insbesondere darauf hin, dass die Pathologie zum Schluss komme, dass das vorliegende Untersuchungsgut auf pathologisch-anatomischem Gebiet nicht geeignet sei, den versicherungsmedizinischen Vollbeweis einer Silikose mit ausreichend qualitativer und quantitativer Beherdung zu erlauben. In der histologischen Begutachtung im Institut für Pathologie der R. Universität B., das aufgrund der örtlichen Nähe zum Bergbau besondere Erfahrung in der Begutachtung von Silikosen besitze, werde eine geringgradige paraseptale Anthrakofibrose und eine mäßiggradige Siderose beschrieben; auch würden Makrophagen mit Anreicherung von Mischstaub gesehen. Es werde aber betont, dass voll entwickelte silikotische Knötchen und Schwielen nicht zur Darstellung gelangen, auch nicht das Bild einer voll entwickelten dissiminierten interstitiellen oder mikronodulären Silikose. Besondere Bedeutung für die Diagnostik der Silikose komme den Röntgenbefunden zu. Es liege eine CT-Aufnahme vom 04.07.2012 aus der Radiologie F-Stadt vor. Hier sehe man zum einen deutliche Lagerungseffekte durch Hypostase von Flüssigkeit in dorsalen Lungenanteilen. Darüber hinaus seien aber milchglasartige Verschattungen zu sehen, teils mosaikartig angeordnet in den basalen Oberlappen- und Unterlappensegmenten beidseits. Die Durchsicht der Aufnahmen zeige aber keine retikulären Strukturveränderungen, auch keine Knötchenbildungen mit Ausnahme eines kleinen Knötchens im rechten Unterlappen, lateral gelegen. Letztlich fänden sich in der CT-Aufnahme keine silikotischen Granulome, auch keine silikotischen Schwielenbildungen. Diese milchglasartigen Veränderungen seien typisch für eine akute Lungenbläschenentzündung. Die Folgeaufnahmen vom 11.04.2013, ebenfalls aus der Radiologie in F-Stadt, würden keine wesentlichen Befundänderungen anzeigen. Auch hier fänden sich keine silikotischen Knötchen. Die CT-Aufnahme vom 06.03.2014 zeige eine deutliche Teilrückbildung der milchglasartigen Veränderungen. Weiterhin seien keine silikotischen Knötchen und keine Schwielen erkennbar. Auch die neueren CT-Aufnahmen vom 18.06.2015 aus der Radiologie F-Stadt zeigten keine silikotischen Knötchen und keine Lungengerüstveränderungen. Dieser Befund bestätige sich auch auf der aktuellsten Aufnahme vom 26.11.2015 aus der Röntgenpraxis in F-Stadt, auf der weiterhin die leicht vergrößerten Lymphknoten erkennbar seien.

Nach alledem ist festzustellen, dass in der histologischen feingeweblichen Untersuchung einer Lungenprobe keine silikotischen Knötchen nachgewiesen werden konnten und sich kein röntgenmorphologisches Korrelat einer Quarzstaublungenerkrankung, einer Silikose ergeben hat, was den Vollbeweis einer Silikose ausschließt. Hinzu kommt, dass, wie S ebenfalls in nachvollziehbarer Weise darlegt, der Verlauf der Erkrankung mit vorübergehender Besserung der Lungenfunktion und erneuter Verschlechterung der Lungenfunktion gegen eine Quarzstaublungenerkrankung spricht. Das Ergebnis, dass keine Silikose vorliegt, wird letztlich auch durch das Gutachten des F bestätigt, auch wenn insofern die von diesem gestellte und mit der des K übereinstimmende Diagnose „Mischstaubpneumokoniose (Metallose und Silikose)“ irritiert. Die sonstigen Ausführungen des F zeigen jedoch in nachvollziehbarer Weise, dass auch er eine Silikose nicht für gegeben hält. So führt F unzweideutig aus, eine Quarzstaublungenerkrankung habe bislang weder histologisch noch radiologisch gesichert werden können. Er kommt dann auch zu dem Ergebnis, eine BK 4101 läge nicht vor. Aus alledem ergibt sich die Überzeugung des Senats, dass beim Kläger eine Quarzstaublungenerkrankung (Silikose) nicht vorliegt.

Die vom Senat bezüglich der BK 4101 gewonnene Überzeugung wird auch nicht durch das im Verwaltungsverfahren eingeholte Gutachten des K erschüttert. Es ist schon gar nicht dazu geeignet, eine volle Überzeugung des Senats vom Vorliegen einer Silikose herbeizuführen. K diagnostiziert - wie F - eine Mischstaubpneumokoniose (Metallose und Silikose). Eine überzeugende Begründung für die Diagnose „Silikose“ liefert K jedoch nicht. Seine diesbezügliche Diagnose stützt K lediglich auf die nachgewiesene Staubexposition und den histologischen Befund aus der Missionsärztlichen Klinik, in dem der Befund mit einer Metallose und Silikose vereinbar gehalten wurde. Die Ausführungen des K überzeugen, worauf S nachvollziehbar hinweist, schon deshalb nicht, weil in der Röntgenthoraxaufnahme eine nur minimale feinfleckige interstitielle Zeichnungsvermehrung beidseits beschrieben worden war, die eben nicht dem typischen Befund einer Silikose entspricht. K weist im Übrigen in seinem Gutachten (Seite 7 f. ebendort) selbst auf die nur geringfügigen interstitiellen Lungenveränderungen und die allenfalls minimalen Röntgenveränderungen hin.

In der Gesamtschau bestehen - auch und gerade unter Berücksichtigung der Gutachten des F und des K - jedenfalls erhebliche, den zu fordernden Überzeugungsgrad ausschließende Zweifel daran, dass bei dem Kläger eine Krankheit gegeben ist, die eine Quarzstaublungenerkrankung (Silikose) im Sinne der BK 4101 darstellt.

2. Die Anerkennung der BK 4107 (Erkrankungen an Lungenfibrose durch Metallstäube bei der Herstellung oder Verarbeitung von Hartmetallen) scheitert bereits am Fehlen der sogenannten arbeitstechnischen Voraussetzungen. Es steht zur vollen Überzeugung des Senats fest, dass eine Exposition gegenüber Hartmetallstäuben im Sinne der BK 4107 nicht vorgelegen hat. Es gibt keine Hinweise auf eine solche Exposition. Dabei steht zur vollen Überzeugung des Senats fest, dass sich der Arbeitsplatz des Klägers bei der Fa. H so darstellte wie oben im Tatbestand beschrieben. Die entsprechende volle Überzeugung des Senats gründet sich auf die Arbeitsplatzbeschreibung des PD. Bei den Ermittlungen des PD im Betrieb der Fa. H war der Kläger anwesend, die im Bericht des PD enthaltene Arbeitsplatzbeschreibung hat er ausweislich zweier aktenkundiger Gesprächsnotizen erhalten und unwidersprochen hingenommen. Die protokollierten Ausführungen des Klägers im Erörterungstermin vom 30.05.2017 und seine Ausführungen in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat haben im Übrigen die Arbeitsplatzbeschreibung des PD bestätigt.

Dass eine Exposition gegenüber Hartmetallstäuben im Sinne der BK 4107 nicht vorgelegen hat, ergibt sich in überzeugender Weise aus den Stellungnahmen des PD, insbesondere aus der zuletzt auf Anforderung des Senats (vergleiche dazu Protokoll des Erörterungstermins vom 30.05.2017) vorgelegten Stellungnahme. In dieser ergänzenden Stellungnahme bestätigt der PD nochmals die bereits zuvor abgegebene Einschätzung, dass eine Exposition gegenüber Hartmetallstäuben in den Arbeitsbereichen des Klägers nicht vorgelegen hat. Im Einzelnen hat der PD mitgeteilt, unter Hartmetallen verstehe man Verbundwerkstoffe mit Hartstoffphasen, meist Wolframcarbid, aber auch Titancarbid, Niobcarbid, Tantalarbid. Diese Einschätzung des PD steht in Übereinstimmung mit den einschlägigen Hinweisen des Merkblatts zur BK 4107 (vgl. die Erläuterungen ebendort vor Punkt I). Hartmetalle seien in den Arbeitsbereichen des Versicherten nicht be- und verarbeitet worden. Dies wird vom Kläger auch nicht substantiiert bestritten. Insbesondere wird nicht substantiiert behauptet, der Kläger habe mit Verbundwerkstoffen mit Hartstoffphasen wie Wolframcarbid, Titancarbid, Niobcarbid oder Tantalarbid zu tun gehabt. Für die in seinem Gutachten aufgestellte pauschale Behauptung des F, der Kläger sei von 1993 bis 1996 gegenüber Hartmetallstäuben exponiert gewesen, fehlt jeder sachliche Anknüpfungspunkt. Seine Annahme, der Kläger sei in diesen Jahren Hartmetallstäuben ausgesetzt gewesen, beruht offenbar auf den gegenüber F gemachten Angaben des Klägers, er habe in dieser Zeit die Grate der frisch gegossenen Metallteile begradigt bzw. geflext (vgl. die Berufsanamnese im Gutachten des F Seite 5). Dies überzeugt jedoch nicht. Denn die BK 4107 bezieht sich nicht auf irgendwelche Metalle, sondern wie oben ausgeführt auf die Exposition gegenüber bestimmten Hartmetallen. Dafür, dass solche Hartmetalle bei der Fa. H zum Einsatz kamen, liefert auch das Gutachten des F keinen Anhaltspunkt. Die Annahme einer BKrelevanten Exposition steht, auch für den Zeitraum März 1993 bis Oktober 1996, vielmehr im Widerspruch zu den Ermittlungen des PD im Betrieb der Fa. H, bei denen, wie bereits ausgeführt, auch der Kläger anwesend war. Insofern ist nochmals hervorzuheben, dass der Kläger den Bericht des PD samt Arbeitsplatzbeschreibung und zusammenfassenden Ergebnissen erhalten hat. Wie die aktenkundigen Gesprächsnotizen vom 20.11.2014 und 24.11.2014 zeigen, hat der Kläger den vom PD getroffenen Feststellungen zunächst nicht widersprochen und später auch nur in unsubsantiierter Weise eine entsprechende Exposition behauptet. Auch im beim LSG durchgeführten Erörterungstermin vom 30.05.2017 hat der Kläger mit Bezug zu der hier relevanten BK 4107 nur angegeben, „Guss“ geschliffen zu haben. Insgesamt bestehen nach alledem den zu fordernden Überzeugungsgrad ausschließende Zweifel bezüglich einer BK 4107-relevanten Exposition. Da mithin eine Exposition gegenüber Hartmetallstäuben nicht mit der zu fordernden an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit (Vollbeweis) vorgelegen hat, liegt keine BK 4107 vor.

Weitere Ermittlungen waren nicht geboten. Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger gegenüber Hartmetallstäuben exponiert war, sind nicht gegeben. Für die entsprechenden Behauptungen des Klägers fehlt jede tatsächliche Grundlage. Umgekehrt liegen bereits Erhebungen zur Arbeitsplatzsituation des Klägers vor, die eine Beurteilung der beruflichen Exposition des Klägers gegenüber Hartmetallstäuben zulassen. Von der Durchführung weiterer Erhebungen zur Arbeitsplatzsituation sind ferner schon aufgrund des Zeitablaufs und der seit der entsprechenden Beschäftigung des Klägers veränderten Arbeitsumstände keine weiteren Erkenntnisse zu erwarten. Diesbezügliche weitere Beweiserhebungen würden daher ohne tatsächliche Grundlage „ins Blaue hinein“ erfolgen. Auch das Gebot zur Erforschung der materiellen Wahrheit (§ 103 Halbsatz 1 SGG) verpflichtet die Sozialgerichte nicht dazu, Beweise „ins Blaue hinein“ zu erheben (BSG vom 14.05.1996 - 4 RA 60/94, juris Rn. 37). Ein entsprechender Beweisantrag ist ausweislich des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 28.06.2018 vom Kläger auch nicht gestellt worden.

Ein Dolmetscher in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat war nicht erforderlich. Wie der Erörterungstermin gezeigt und die Verhandlung vor dem Senat bestätigt hat, ist der Kläger der deutschen Sprache mächtig.

Im Übrigen weist der Senat die Berufung auch aus den Gründen des erstinstanzlichen Urteils zurück und sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 153 Abs. 2 SGG).

Die Kostenentscheidung trägt dem Umstand Rechnung, dass Klage und Berufung erfolglos geblieben sind.

Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG).

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Annotations

Gegen die Urteile der Sozialgerichte findet die Berufung an das Landessozialgericht statt, soweit sich aus den Vorschriften dieses Unterabschnitts nichts anderes ergibt.

(1) Die Berufung bedarf der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluß des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes

1.
bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 Euro oder
2.
bei einer Erstattungsstreitigkeit zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder Behörden 10.000 Euro
nicht übersteigt. Das gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft.

(2) Die Berufung ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Landessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Die Berufung ist ausgeschlossen, wenn es sich um die Kosten des Verfahrens handelt.

(1) Die Berufung ist bei dem Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.

(2) Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist bei dem Sozialgericht schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird. In diesem Fall legt das Sozialgericht die Berufungsschrift oder das Protokoll mit seinen Akten unverzüglich dem Landessozialgericht vor.

(3) Die Berufungsschrift soll das angefochtene Urteil bezeichnen, einen bestimmten Antrag enthalten und die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben.

Hat ein Vorverfahren stattgefunden, so ist Gegenstand der Klage der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat.

(1) Nach Klageerhebung wird ein neuer Verwaltungsakt nur dann Gegenstand des Klageverfahrens, wenn er nach Erlass des Widerspruchsbescheides ergangen ist und den angefochtenen Verwaltungsakt abändert oder ersetzt.

(2) Eine Abschrift des neuen Verwaltungsakts ist dem Gericht mitzuteilen, bei dem das Verfahren anhängig ist.

Verwaltungsakt ist jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Allgemeinverfügung ist ein Verwaltungsakt, der sich an einen nach allgemeinen Merkmalen bestimmten oder bestimmbaren Personenkreis richtet oder die öffentlich-rechtliche Eigenschaft einer Sache oder ihre Benutzung durch die Allgemeinheit betrifft.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig, wenn der Kläger behauptet, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts beschwert zu sein.

(2) Der Kläger ist beschwert, wenn der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts rechtswidrig ist. Soweit die Behörde, Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, ist Rechtswidrigkeit auch gegeben, wenn die gesetzlichen Grenzen dieses Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.

(3) Eine Körperschaft oder eine Anstalt des öffentlichen Rechts kann mit der Klage die Aufhebung einer Anordnung der Aufsichtsbehörde begehren, wenn sie behauptet, daß die Anordnung das Aufsichtsrecht überschreite.

(4) Betrifft der angefochtene Verwaltungsakt eine Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, so kann mit der Klage neben der Aufhebung des Verwaltungsakts gleichzeitig die Leistung verlangt werden.

(5) Mit der Klage kann die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte.

(1) Versicherungsfälle sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten.

(2) Verbotswidriges Handeln schließt einen Versicherungsfall nicht aus.

(1) Berufskrankheiten sind Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit erleiden. Die Bundesregierung wird ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als Berufskrankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind; sie kann dabei bestimmen, daß die Krankheiten nur dann Berufskrankheiten sind, wenn sie durch Tätigkeiten in bestimmten Gefährdungsbereichen verursacht worden sind. In der Rechtsverordnung kann ferner bestimmt werden, inwieweit Versicherte in Unternehmen der Seefahrt auch in der Zeit gegen Berufskrankheiten versichert sind, in der sie an Land beurlaubt sind.

(1a) Beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird ein Ärztlicher Sachverständigenbeirat Berufskrankheiten gebildet. Der Sachverständigenbeirat ist ein wissenschaftliches Gremium, das das Bundesministerium bei der Prüfung der medizinischen Erkenntnisse zur Bezeichnung neuer und zur Erarbeitung wissenschaftlicher Stellungnahmen zu bestehenden Berufskrankheiten unterstützt. Bei der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin wird eine Geschäftsstelle eingerichtet, die den Sachverständigenbeirat bei der Erfüllung seiner Arbeit organisatorisch und wissenschaftlich, insbesondere durch die Erstellung systematischer Reviews, unterstützt. Das Nähere über die Stellung und die Organisation des Sachverständigenbeirats und der Geschäftsstelle regelt die Bundesregierung in der Rechtsverordnung nach Absatz 1.

(2) Die Unfallversicherungsträger haben eine Krankheit, die nicht in der Rechtsverordnung bezeichnet ist oder bei der die dort bestimmten Voraussetzungen nicht vorliegen, wie eine Berufskrankheit als Versicherungsfall anzuerkennen, sofern im Zeitpunkt der Entscheidung nach neuen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft die Voraussetzungen für eine Bezeichnung nach Absatz 1 Satz 2 erfüllt sind.

(2a) Krankheiten, die bei Versicherten vor der Bezeichnung als Berufskrankheiten bereits entstanden waren, sind rückwirkend frühestens anzuerkennen

1.
in den Fällen des Absatzes 1 als Berufskrankheit zu dem Zeitpunkt, in dem die Bezeichnung in Kraft getreten ist,
2.
in den Fällen des Absatzes 2 wie eine Berufskrankheit zu dem Zeitpunkt, in dem die neuen Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft vorgelegen haben; hat der Ärztliche Sachverständigenbeirat Berufskrankheiten eine Empfehlung für die Bezeichnung einer neuen Berufskrankheit beschlossen, ist für die Anerkennung maßgebend der Tag der Beschlussfassung.

(3) Erkranken Versicherte, die infolge der besonderen Bedingungen ihrer versicherten Tätigkeit in erhöhtem Maße der Gefahr der Erkrankung an einer in der Rechtsverordnung nach Absatz 1 genannten Berufskrankheit ausgesetzt waren, an einer solchen Krankheit und können Anhaltspunkte für eine Verursachung außerhalb der versicherten Tätigkeit nicht festgestellt werden, wird vermutet, daß diese infolge der versicherten Tätigkeit verursacht worden ist.

(3a) Der Unfallversicherungsträger erhebt alle Beweise, die zur Ermittlung des Sachverhalts erforderlich sind. Dabei hat er neben den in § 21 Absatz 1 Satz 1 des Zehnten Buches genannten Beweismitteln auch Erkenntnisse zu berücksichtigen, die er oder ein anderer Unfallversicherungsträger an vergleichbaren Arbeitsplätzen oder zu vergleichbaren Tätigkeiten gewonnen hat. Dies gilt insbesondere in den Fällen, in denen die Ermittlungen zu den Einwirkungen während der versicherten Tätigkeit dadurch erschwert sind, dass der Arbeitsplatz des Versicherten nicht mehr oder nur in veränderter Gestaltung vorhanden ist. Die Unfallversicherungsträger sollen zur Erfüllung der Aufgaben nach den Sätzen 2 und 3 einzeln oder gemeinsam tätigkeitsbezogene Expositionskataster erstellen. Grundlage für diese Kataster können die Ergebnisse aus systematischen Erhebungen, aus Ermittlungen in Einzelfällen sowie aus Forschungsvorhaben sein. Die Unfallversicherungsträger können außerdem Erhebungen an vergleichbaren Arbeitsplätzen durchführen.

(4) Besteht für Versicherte, bei denen eine Berufskrankheit anerkannt wurde, die Gefahr, dass bei der Fortsetzung der versicherten Tätigkeit die Krankheit wiederauflebt oder sich verschlimmert und lässt sich diese Gefahr nicht durch andere geeignete Mittel beseitigen, haben die Unfallversicherungsträger darauf hinzuwirken, dass die Versicherten die gefährdende Tätigkeit unterlassen. Die Versicherten sind von den Unfallversicherungsträgern über die mit der Tätigkeit verbundenen Gefahren und mögliche Schutzmaßnahmen umfassend aufzuklären. Zur Verhütung einer Gefahr nach Satz 1 sind die Versicherten verpflichtet, an individualpräventiven Maßnahmen der Unfallversicherungsträger teilzunehmen und an Maßnahmen zur Verhaltensprävention mitzuwirken; die §§ 60 bis 65a des Ersten Buches gelten entsprechend. Pflichten der Unternehmer und Versicherten nach dem Zweiten Kapitel und nach arbeitsschutzrechtlichen Vorschriften bleiben hiervon unberührt. Kommen Versicherte ihrer Teilnahme- oder Mitwirkungspflicht nach Satz 3 nicht nach, können die Unfallversicherungsträger Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben oder die Leistung einer danach erstmals festzusetzenden Rente wegen Minderung der Erwerbsfähigkeit oder den Anteil einer Rente, der auf eine danach eingetretene wesentliche Änderung im Sinne des § 73 Absatz 3 zurückgeht, bis zur Nachholung der Teilnahme oder Mitwirkung ganz oder teilweise versagen. Dies setzt voraus, dass infolge der fehlenden Teilnahme oder Mitwirkung der Versicherten die Teilhabeleistungen erforderlich geworden sind oder die Erwerbsminderung oder die wesentliche Änderung eingetreten ist; § 66 Absatz 3 und § 67 des Ersten Buches gelten entsprechend.

(5) Soweit Vorschriften über Leistungen auf den Zeitpunkt des Versicherungsfalls abstellen, ist bei Berufskrankheiten auf den Beginn der Arbeitsunfähigkeit oder der Behandlungsbedürftigkeit oder, wenn dies für den Versicherten günstiger ist, auf den Beginn der rentenberechtigenden Minderung der Erwerbsfähigkeit abzustellen.

(6) Die Bundesregierung regelt durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates

1.
Voraussetzungen, Art und Umfang von Leistungen zur Verhütung des Entstehens, der Verschlimmerung oder des Wiederauflebens von Berufskrankheiten,
2.
die Mitwirkung der für den medizinischen Arbeitsschutz zuständigen Stellen bei der Feststellung von Berufskrankheiten sowie von Krankheiten, die nach Absatz 2 wie Berufskrankheiten zu entschädigen sind; dabei kann bestimmt werden, daß die für den medizinischen Arbeitsschutz zuständigen Stellen berechtigt sind, Zusammenhangsgutachten zu erstellen sowie zur Vorbereitung ihrer Gutachten Versicherte zu untersuchen oder auf Kosten der Unfallversicherungsträger andere Ärzte mit der Vornahme der Untersuchungen zu beauftragen,
3.
die von den Unfallversicherungsträgern für die Tätigkeit der Stellen nach Nummer 2 zu entrichtenden Gebühren; diese Gebühren richten sich nach dem für die Begutachtung erforderlichen Aufwand und den dadurch entstehenden Kosten.

(7) Die Unfallversicherungsträger haben die für den medizinischen Arbeitsschutz zuständige Stelle über den Ausgang des Berufskrankheitenverfahrens zu unterrichten, soweit ihre Entscheidung von der gutachterlichen Stellungnahme der zuständigen Stelle abweicht.

(8) Die Unfallversicherungsträger wirken bei der Gewinnung neuer medizinisch-wissenschaftlicher Erkenntnisse insbesondere zur Fortentwicklung des Berufskrankheitenrechts mit; sie sollen durch eigene Forschung oder durch Beteiligung an fremden Forschungsvorhaben dazu beitragen, den Ursachenzusammenhang zwischen Erkrankungshäufigkeiten in einer bestimmten Personengruppe und gesundheitsschädlichen Einwirkungen im Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit aufzuklären. Die Verbände der Unfallversicherungsträger veröffentlichen jährlich einen gemeinsamen Bericht über ihre Forschungsaktivitäten und die Forschungsaktivitäten der Träger der gesetzlichen Unfallversicherung. Der Bericht erstreckt sich auf die Themen der Forschungsvorhaben, die Höhe der aufgewendeten Mittel sowie die Zuwendungsempfänger und Forschungsnehmer externer Projekte.

(9) Die für den medizinischen Arbeitsschutz zuständigen Stellen dürfen zur Feststellung von Berufskrankheiten sowie von Krankheiten, die nach Absatz 2 wie Berufskrankheiten zu entschädigen sind, Daten verarbeiten sowie zur Vorbereitung von Gutachten Versicherte untersuchen, soweit dies im Rahmen ihrer Mitwirkung nach Absatz 6 Nr. 2 erforderlich ist; sie dürfen diese Daten insbesondere an den zuständigen Unfallversicherungsträger übermitteln. Die erhobenen Daten dürfen auch zur Verhütung von Arbeitsunfällen, Berufskrankheiten und arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren gespeichert, verändert, genutzt, übermittelt oder in der Verarbeitung eingeschränkt werden. Soweit die in Satz 1 genannten Stellen andere Ärzte mit der Vornahme von Untersuchungen beauftragen, ist die Übermittlung von Daten zwischen diesen Stellen und den beauftragten Ärzten zulässig, soweit dies im Rahmen des Untersuchungsauftrages erforderlich ist.

(1) Für das Verfahren vor den Landessozialgerichten gelten die Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug mit Ausnahme der §§ 91, 105 entsprechend, soweit sich aus diesem Unterabschnitt nichts anderes ergibt.

(2) Das Landessozialgericht kann in dem Urteil über die Berufung von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist.

(3) Das Urteil ist von den Mitgliedern des Senats zu unterschreiben. Ist ein Mitglied verhindert, so vermerkt der Vorsitzende, bei dessen Verhinderung der dienstälteste beisitzende Berufsrichter, dies unter dem Urteil mit Angabe des Hinderungsgrunds.

(4) Das Landessozialgericht kann, außer in den Fällen des § 105 Abs. 2 Satz 1, die Berufung durch Beschluß zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind vorher zu hören. § 158 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5) Der Senat kann in den Fällen des § 105 Abs. 2 Satz 1 durch Beschluss die Berufung dem Berichterstatter übertragen, der zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entscheidet.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.