Bayerisches Landessozialgericht Beschluss, 14. Feb. 2017 - L 7 AS 113/17 B ER

published on 14/02/2017 00:00
Bayerisches Landessozialgericht Beschluss, 14. Feb. 2017 - L 7 AS 113/17 B ER
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Tenor

I. Die Beschwerde gegen Ziffer I und II des Beschlusses des Sozialgerichts München vom 13.01.2017 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwalt P. für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.

Gründe

I.

Der Antragsteller und Beschwerdeführer (Bf) wendet sich im Rahmen des Eilverfahrens gegen den Eingliederungsverwaltungsakt des Antragsgegners und Beschwerdegegners (Bg) vom 18.11.2016.

Der Bf steht beim Bg im Leistungsbezug nach dem SGB II. Nachdem im Rahmen einer persönlichen Vorsprache des Bf beim Bg am 18.11.2016 der Abschluss einer Eingliederungsvereinbarung gescheitert war, erließ der Bg noch am selben Tag einen Eingliederungsverwaltungsakt für den Zeitraum vom 18.11.2016 bis 11.05.2017.

Als Förderungsleistungen waren in dem Eingliederungsverwaltungsakt u. a. vorgesehen - Teilnahme des Bf an den ersten beiden Modulen der Maßnahme „5M, Wiedereinstieg in den Beruf“ mit Beginn am 21.11.2016 und Ende am 28.02.2017, wobei die Übernahme des Bf in Modul 3 erst in Absprache zwischen dem Träger und dem beim Bg für den Bf zuständigen Arbeitsvermittler erfolgen sollte,

– Unterbreitung von Vermittlungsvorschlägen,

– Übernahme von Bewerbungs- und Fahrtkosten,

– Möglichkeit der Gewährung von Einstiegsgeld,

– individuelle Beratungstermine,

– Erstellung eines ärztlichen Gutachtens.

Im Gegenzug erlegte der Eingliederungsverwaltungsakt dem Bf u. a. folgende Pflichten auf

– Teilnahme an der Maßnahme „5 M, Wiedereinstieg in den Beruf“,

– Nachweis von monatlich drei Bewerbungsbemühungen,

– Bewerbung auf Vermittlungsvorschläge des Bg spätestens nach drei Tagen.

Über den vom Bf gegen diesen Eingliederungsverwaltungsakt eingelegten Widerspruch vom 01.12.2016 ist nach Aktenlage bislang noch nicht entschieden.

Am 02.12.2016 beantragte der Bf einstweiligen Rechtsschutz gegen den Eingliederungsverwaltungsakt vom 18.11.2016, den das Sozialgericht München mit Beschluss vom 13.01.2017 in Ziffer I und II des Beschlusses ablehnte. Mit Ziffer III des Beschlusses wurde der für das Eilverfahren vor dem Sozialgericht gestellte Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe mangels hinreichender Erfolgsaussichten abgelehnt.

Der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gegen den Eingliederungsverwaltungsakt sei unzulässig. Ein Rechtsschutzbedürfnis sei nicht gegeben. Zwar sei der Bf mit verschiedenen Regelungen des Eingliederungsverwaltungsaktes nicht einverstanden. Der Maßnahme, gegen die er sich in erster Linie wende, habe er jedoch zugestimmt. Die Art, wie der Bf zur Maßnahme vermittelt worden sei, sei jedoch nicht anfechtbar, sondern das Ergebnis der Vermittlung und der Teilnahme an der Maßnahme, was vom Bf nicht infrage gestellt worden sei. Letztlich sei Ziel des Bf, eine allgemeine rechtliche Prüfung der Rechtmäßigkeit des Eingliederungsverwaltungsaktes zu erreichen, wofür kein Rechtsschutzbedürfnis im einsteiligen Rechtsschutz bestünde (Ziffer I und II des Beschlusses).

Prozesskostenhilfe sei für das Verfahren vor dem Sozialgericht mangels hinreichender Erfolgsaussichten nicht zu bewilligen (Ziffer III des Beschlusses).

Sowohl gegen Ziffer I und II des Beschlusses des Sozialgerichts hat der Bf Beschwerde zum Bayer. Landessozialgericht am 27.01.2017 eingelegt (Az.: L 7 AS 113/17 B ER) als auch gegen Ziffer III des Beschlusses, worin der Antrag auf Prozesskostenhilfe abgelehnt wurde (L 7 AS 131/17 B PKH).

Der Eingliederungsverwaltungsakt beruhe nur auf einem fünfminütigem Gespräch am 18.11.2016 mit der Sachbearbeiterin. Es sei keine Potentialanalyse durchgeführt worden; der Bg habe im Vorfeld nie versucht, die nötigen Feststellungen hierzu zu ermitteln. Der Eingliederungsverwaltungsakt basiere auf der alten Rechtsgrundlage. Es liege ein Ermessensausfall vor. Dem Bestimmtheitserfordernis sei nicht hinreichend genüge getan.

Im Gespräch am 18.11.2016 habe er erfahren, dass er im Rahmen der vom Bg zugesagten Maßnahme am folgenden Montag zu einem Einzelcoaching solle. Erst zuhause aus den Unterlagen habe er entnehmen können, dass es sich um kein Einzelcoaching handle. Da die Maßnahme schon am Montag begann, habe er bei dem Gespräch am Freitag keine Möglichkeit mehr gehabt, die Maßnahme abzuwenden, die sich letztlich nur als Bewerbungstraining herausgestellt habe. Er habe nunmehr Angst, dass Sanktionen durch das Jobcenter durch den Bg erfolgen könnten.

Der Bg hält den Beschluss des Sozialgerichts für zutreffend.

II.

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Im Ergebnis zu Recht hat das Sozialgericht entschieden, dass der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach § 86 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) betreffend den Eingliederungsverwaltungsakt abzulehnen ist.

Der Bf begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den Eingliederungsverwaltungsakt vom 18.11.2016 gemäß § 86 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG. Dieser Antrag ist statthaft, weil der Widerspruch gegen den Eingliederungsverwaltungsakt gemäß § 39 Nr. 1 SGB II keine aufschiebende Wirkung hat (vgl. BayLSG Beschluss vom 01.08.2016, L 7 AS 415/16 B ER Rdz. 24).

Dieser Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz ist auch - anders als das Sozialgericht meint - zulässig.

Denn der Bf wendet sich nicht nur gegen eine mögliche drohende Sanktion, was das Begehren vorbeugenden Rechtsschutzes darstellen würde, für den ein qualifiziertes Rechtsschutzinteresse erforderlich ist, das insbesondere beinhaltet, dass der Betroffene nicht auf den nachträglichen Rechtsschutz verwiesen werden kann (BayLSG, Beschluss vom 01.08.2016, L 7 AS 415/16 B ER Rdz. 28). Wenn - wie hier - ein Betroffener nicht nur eine mögliche drohende Sanktion abwenden möchte, sondern sich auch im Übrigen - wie hier - gegen den Eingliederungsverwaltungsakt insgesamt wenden möchte, ist grundsätzlich von einem Rechtsschutzinteresse auszugehen (BayLSG a.a.O. Rdz. 29 unter Bezug auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, Beschluss vom 09.11.2015, 1 BvR 3460/13).

In der Sache ist der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gegen den Eingliederungsverwaltungsakt jedoch unbegründet.

Denn im Eilverfahren sind Eingliederungsverwaltungsakte nur summarisch zu prüfen. Rechtsschutz ist dann nur zu gewähren, wenn die summarische Prüfung nicht nur Zweifel, sondern erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit ergibt (BayLSG, Beschluss vom 12.01.2017, L 7 AS 913/16 B ER). Dieser Prüfungsmaßstab ergibt sich aus den gesetzlichen Regelungen der §§ 86 b SGG, 39 SGB II (BayLSG a.a.O., Rdz. 38).

Im Rahmen eines Eilverfahrens gegen einen Eingliederungsverwaltungsakt ist daher nur summarisch zu prüfen, dass eine Eingliederungsvereinbarung gescheitert ist, und dann im Eingliederungsverwaltungsakt entsprechend der Urteile des Bundessozialgerichts vom 23.06.2016, B 16 AS 30/15 R und B 14 AS 42/15 R ein ausgewogenes Verhältnis der wechselseitigen Verpflichtungen erkennbar und die Eignung der Lebenssituation des Leistungsberechtigten berücksichtigt worden ist.

Für den Fall, dass ein solches ausgewogenes Verhältnis erkennbar ist, muss der Eingliederungsverwaltungsakt nicht einmal eine Ermessensausübung enthalten (BayLSG a.a.O., Rdz. 39).

Gemessen hieran ist der Inhalt des Eingliederungsverwaltungsaktes jedenfalls nicht offensichtlich rechtswidrig.

Die Eingliederungsvereinbarung ist nicht zustande gekommen (BayLSG, a.a.O.) Rdz. 41).

Es lässt sich keine Unausgewogenheit der wechselseitigen Verpflichtungen im Rahmen der summarischen Prüfung erkennen, wie sich anhand des Inhalts des Eingliederungsverwaltungsaktes und der diesem zugrundliegenden Leistungsakten des Bg ergibt.

– Die angebotene Maßnahme, die aus drei Modulen besteht, die aufeinander aufbauen, erscheint im Hinblick auf das sich aus den Leistungsakten des Bg ergebende Profils des Bf angemessen. Insbesondere soweit das Modul 1 zunächst nur ein Bewerbungstraining enthält, erscheint das angesichts bisheriger erfolgloser Bewerbungen des Bf zielführend.

– Die Maßnahme ist hinreichend bestimmt (BayLSG, a.a.O., Rdz. 44), nachdem der Bg beschrieben hat, um welche Maßnahme es sich handelt, und Einzelheiten mit dem zuständigen Träger vom Bf ohne Weiteres hätten geklärt werden können.

– Anhaltspunkte dafür, dass die angeforderte Anzahl der Bewerbungen vorliegend unzumutbar sein könnte, finden sich nicht (BayLSG, a.a.O., Rdz. 45). Gleiches gilt für die Verpflichtung, sich auf Vermittlungsvorschläge innerhalb von drei Tagen zu bewerben. Die vom Bg hierfür zugesagte Kostenerstattung lässt keine Unausgewogenheit der wechselseitigen Verpflichtung erkennen (BayLSG, a.a.O., Rdz. 45).

Nachdem die gegenseitigen Verpflichtungen im Eingliederungsverwaltungsakt schon ausgewogen erscheinen, bedurfte es auch keiner weiteren Ermessensausübung des Bg im Eingliederungsverwaltungsakt (BayLSG, a.a.O., Rdz. 46).

Die summarische Prüfung ergibt letztlich keine erheblichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Eingliederungsverwaltungsaktes, so dass dem Antrag auf Eilrechtsschutz vom Sozialgericht im Ergebnis zu Recht nicht entsprochen wurde.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und der Erwägung, dass der Bf mit seiner Beschwerde erfolglos blieb.

Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren ist gemäß § 73 a SGG i.V.m. § 114 ff. Zivilprozessordnung nicht zu bewilligen, nachdem zum Zeitpunkt der Einlegung der Beschwerde im Hinblick auf den vom Bayer. Landessozialgericht im Beschluss vom 12.01.2017, L 7 AS 913/16 B ER dargestellten Maßstab keine hinreichenden Erfolgsaussichten bestanden.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 177 SGG.

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(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha
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(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha
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published on 23/06/2016 00:00

Tenor Auf die Revision des Klägers wird unter Änderung der Urteile des Bayerischen Landessozialgerichts vom 26. Februar 2015 und des Sozialgerichts Augsburg vom 30. Oktober 2014 festgestellt, dass
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Annotations

Keine aufschiebende Wirkung haben Widerspruch und Anfechtungsklage gegen einen Verwaltungsakt,

1.
der Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende aufhebt, zurücknimmt, widerruft, entzieht, die Pflichtverletzung und die Minderung des Auszahlungsanspruchs feststellt oder Leistungen zur Eingliederung in Arbeit oder Pflichten erwerbsfähiger Leistungsberechtigter bei der Eingliederung in Arbeit regelt,
2.
mit dem zur Beantragung einer vorrangigen Leistung aufgefordert wird oder
3.
mit dem nach § 59 in Verbindung mit § 309 des Dritten Buches zur persönlichen Meldung bei der Agentur für Arbeit aufgefordert wird.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.

Entscheidungen des Landessozialgerichts, seines Vorsitzenden oder des Berichterstatters können vorbehaltlich des § 160a Abs. 1 dieses Gesetzes und des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden.