Bayerisches Landessozialgericht Beschluss, 26. Mai 2014 - L 17 U 170/14 B

bei uns veröffentlicht am26.05.2014

Gericht

Bayerisches Landessozialgericht

Gründe

I.

Im zugrundeliegenden Hauptsacheverfahren (Verfahren am Sozialgericht Würzburg - SG -, S 5 U 370/12) war die Anerkennung einer Rotatorenmanschettenläsion rechts bei der Klägerin als Folge eines Unfalls vom 16.12.2011 und die Gewährung einer Verletztenrente strittig. Im vorliegenden Verfahren geht es um die Übernahme der Kosten eines auf Antrag der Klägerin eingeholten Gutachtens auf die Staatskasse.

Das SG holte von Amts wegen gemäß § 106 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ein Gutachten des Unfallchirurgen und Sozialmediziners Dr. G. vom 26.06.2013 ein. Auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 SGG wurde zudem der Orthopäde und Unfallchirurg Dr. L. am 21.10.2013 gutachtlich gehört. In der öffentlichen Sitzung vom 24.02.2014 nahm die Klägerin die Klage zurück.

Am 26.02.2014 hat die Klägerin beim SG beantragt, die Kosten des Gutachtens nach § 109 SGG auf die Staatskasse zu übernehmen.

Mit Beschluss vom 03.03.2014 hat das SG den Antrag auf Übernahme der Kosten für das Gutachten des Dr. L. auf die Staatskasse abgelehnt. Das Gutachten habe gegenüber dem Vorgutachten Dr. G. keine neuen Erkenntnisse erbracht, auch nicht dadurch, dass dieser neben der Bewertung nach Professor Dr. B., die bereits Dr. G. verwandt habe, auch auf die Checkliste nach Loew und Rompe hingewiesen habe. Dies sei kein relevanter neuer Aspekt gewesen. Das Gutachten habe letztlich die im Vorgutachten erhobenen Befunde und Bewertungen bestätigt und die dortige Argumentation wiederholt. Es hätte seiner für die Entscheidungsfindung des Gerichts nicht bedurft. Insbesondere habe es auch nicht die Entscheidungsfindung des Gerichts auf eine breitere und überschaubarere und überzeugendere Grundlage gestellt.

Dagegen hat die Klägerin Beschwerde zum Bayerischen Landessozialgericht (LSG) eingelegt. Sie führt aus, durch den Hinweis auf die Checklisten nach Loew und Rompe sei die gutachterliche Beurteilung auf eine breitere Grundlage gestellt worden. Es könne im Einzelfall nicht ausgeschlossen werden, dass die Bewertung nach Professor Dr. B. zu einem anderen Ergebnis führe als die Einschätzung auf Grundlage der Checkliste nach Loew und Rompe. Die Klage sei auch erst im Hinblick auf das Gutachten von Dr. L. zurückgenommen werden. Die Klägerin nimmt Bezug auf den Beschluss des LSG vom 07.03.2012, L 2 U 48/12.

Wegen weiterer Einzelheiten wird zur Ergänzung des Sachverhalts auf den Inhalt der Gerichtsakten beide Instanzen Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Das SG hat zu Recht entschieden, dass die Kosten des Gutachtens des Dr. L. nicht auf die Staatskasse zu übernehmen, sondern von der Klägerin endgültig zu tragen sind. Nach § 109 Abs. 1 SGG hat ein Kläger, auf dessen Antrag im sozialgerichtlichen Verfahren ein von ihm benannter Arzt als Gutachter seines Vertrauens gehört wird, auf Verlangen des Gerichts die Kosten vorzuschießen und vorbehaltlich einer anderen Entscheidung des Gerichts endgültig zu tragen. Über die endgültige Kostentragungspflicht entscheidet das Gericht nach Ermessen durch Beschluss. Die Entscheidung des Gerichts ist im Beschwerdeverfahren voll und nicht nur auf Ermessensfehler überprüfbar (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl. 2012, § 109 Rn. 22 m. w. N.; Roller in Lüdtke, SGG, Handkommentar, 4. Aufl. 2012, § 109 Rn. 34). Im Rahmen der Entscheidung über die endgültige Kostentragungspflicht ist insbesondere und vor allem zu berücksichtigen, ob das Gutachten die Sachaufklärung wesentlich gefördert hat (Keller a. a. O., Rn. 16 a; Roller a. a. O., Rn. 29). Es ist zu prüfen, ob das Gutachten zusätzliche, für die Sachaufklärung bedeutsame Gesichtspunkte erbracht hat. Dabei kann aber nicht in jedem neuen Gesichtspunkt ein Beitrag zur Aufklärung des Sachverhalts gesehen werden. Es muss sich vielmehr um einen wesentlichen Beitrag gehandelt haben, und zwar orientiert am Prozessziel des Antragstellers (vgl. u. a. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 06.11.2013, L 13 SB 216/13 B; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 28.02.2013, L 10 R 946/10). Die Wesentlichkeit des Beitrags kann sich ggf. daraus ergeben, dass das Gutachten für die gerichtliche Entscheidung Bedeutung erlangt hat oder deswegen ein Vergleich abgeschlossen oder ein Anerkenntnis abgegeben wurde (siehe dazu Keller a. a. O., Rn. 16a).

Nach den dargelegten Grundsätzen ist es somit ohne Bedeutung, dass die Klägerin angibt, dass sie die Klage aufgrund des Gutachtens des Dr. L. zurückgenommen habe (vgl. Keller a. a. O.; LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss v. 04.01.1999, L 7 U 110/98). Denn die auf Antrag der Klägerin erfolgte Anhörung des Dr. L. hatte nicht zur Zielsetzung, die Klage zurücknehmen zu können. Das Gutachten des Dr. L. hat aber auch die Sachaufklärung nicht wesentlich gefördert. Denn bei der Auswertung der erhobenen Befunde und vorliegenden Unterlagen nach der Checkliste von Loew und Rompe handelt es sich nicht um die Darstellung neuer medizinischer Gesichtspunkte. Insofern ist der Hinweis der Klägerin auf den Beschluss des LSG Bayern vom 07.03.2012, L 2 U 48/12 nicht zutreffend. Vielmehr hat Dr. L. die bereits bekannten medizinischen Gesichtspunkte lediglich zusätzlich nach einem anderen Schema bewertet. Dabei hat er sogar ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die von Dr. G. bereits vorgenommene Bewertung genauso zutreffend sei. Im Ergebnis kommt es auch nicht entscheidend darauf an, welches Schema ein Sachverständiger zur Beurteilung eines Unfallzusammenhangs heranzieht. Entscheidend ist allein, dass aus medizinischer Sicht deutlich mehr Gesichtspunkte für einen solchen Zusammenhang sprechen müssen als dagegen.

Nach alledem war die Beschwerde zurückzuweisen.

Dieser Beschluss ergeht kostenfrei, § 183 SGG. Er ist nicht anfechtbar, § 177 SGG.

Urteilsbesprechung zu Bayerisches Landessozialgericht Beschluss, 26. Mai 2014 - L 17 U 170/14 B

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Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 177


Entscheidungen des Landessozialgerichts, seines Vorsitzenden oder des Berichterstatters können vorbehaltlich des § 160a Abs. 1 dieses Gesetzes und des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialger

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 183


Das Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist für Versicherte, Leistungsempfänger einschließlich Hinterbliebenenleistungsempfänger, behinderte Menschen oder deren Sonderrechtsnachfolger nach § 56 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch kos

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 109


(1) Auf Antrag des Versicherten, des behinderten Menschen, des Versorgungsberechtigten oder Hinterbliebenen muß ein bestimmter Arzt gutachtlich gehört werden. Die Anhörung kann davon abhängig gemacht werden, daß der Antragsteller die Kosten vorschieß
Bayerisches Landessozialgericht Beschluss, 26. Mai 2014 - L 17 U 170/14 B zitiert 5 §§.

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 177


Entscheidungen des Landessozialgerichts, seines Vorsitzenden oder des Berichterstatters können vorbehaltlich des § 160a Abs. 1 dieses Gesetzes und des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialger

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 183


Das Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist für Versicherte, Leistungsempfänger einschließlich Hinterbliebenenleistungsempfänger, behinderte Menschen oder deren Sonderrechtsnachfolger nach § 56 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch kos

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Landessozialgericht Baden-Württemberg Beschluss, 28. Feb. 2013 - L 10 R 946/10

bei uns veröffentlicht am 28.02.2013

Tenor Der Antrag auf Übernahme der Kosten für das nach § 109 SGG eingeholte Gutachten des Dr. H. auf die Staatskasse wird abgelehnt. Gründe  1 Nach § 109 SGG muss auf Antrag des Versicherten ein bestimmter Arzt gutachtlich gehört werden, wobei die

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(1) Auf Antrag des Versicherten, des behinderten Menschen, des Versorgungsberechtigten oder Hinterbliebenen muß ein bestimmter Arzt gutachtlich gehört werden. Die Anhörung kann davon abhängig gemacht werden, daß der Antragsteller die Kosten vorschießt und vorbehaltlich einer anderen Entscheidung des Gerichts endgültig trägt.

(2) Das Gericht kann einen Antrag ablehnen, wenn durch die Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits verzögert werden würde und der Antrag nach der freien Überzeugung des Gerichts in der Absicht, das Verfahren zu verschleppen, oder aus grober Nachlässigkeit nicht früher vorgebracht worden ist.

Tenor

Der Antrag auf Übernahme der Kosten für das nach § 109 SGG eingeholte Gutachten des Dr. H. auf die Staatskasse wird abgelehnt.

Gründe

 
Nach § 109 SGG muss auf Antrag des Versicherten ein bestimmter Arzt gutachtlich gehört werden, wobei die Anhörung davon abhängig gemacht werden kann, dass der Antragsteller die Kosten vorschießt und vorbehaltlich einer anderen Entscheidung des Gerichts endgültig trägt. Über diese endgültige Kostentragungspflicht entscheidet das Gericht nach Ermessen. Dabei berücksichtigt der Senat, ob das Gutachten für die verfahrensbeendende gerichtliche Entscheidung bzw. - erging keine solche Entscheidung - im Falle eines Klageerfolges für die verfahrensbeendenden Erklärungen wesentliche Bedeutung gewann. Dabei kann nicht in jedem neuen Gesichtspunkt ein Beitrag zur Sachaufklärung gesehen werden. Es muss sich vielmehr, gemessen am Prozessziel und angesichts des Verfahrensausgangs, um einen wesentlichen Beitrag gehandelt haben.
Hier verneint der Senat eine derartige, zur Übernahme der Gutachtenskosten führende Relevanz des Gutachtens für die gerichtliche Sachaufklärung und Entscheidung. In seinem, die Berufung der Klägerin zurückweisenden Urteil vom 24.01.2013 hat der Senat dargelegt, dass und aus welchen Gründen das Gutachten von Dr. H. nicht zur Begründung des von der Klägerin geltend gemachten Rentenanspruches dienen kann. Dabei hat der Senat auch darauf hingewiesen, dass Dr. H. selbst ausdrücklich keine Unterschiede zu dem bereits vorliegenden, von Amts wegen eingeholten Gutachten des Dr. S. hinsichtlich der Diagnoseebene gesehen hat. Damit hat das Gutachten des Dr. H. für den Ausgang des Rechtsstreits keine wesentliche Bedeutung erlangt.
Auch der Hilfsantrag der Klägerin, das den Kostenvorschuss übersteigende Honorar des Sachverständigen auf die Staatskasse zu übernehmen, hat keinen Erfolg. Richtig ist zwar, dass Dr. H. mit seinem geltend gemachten Honoraranspruch (2.531,62 EUR), der nach Prüfung durch die Kostenbeamtin und den Bezirksrevisor in der geltend gemachten Höhe vergütet worden ist, den von der Klägerin geleisteten Kostenvorschuss in Höhe von 1.500,00 EUR nicht unerheblich überschritten hat. Indessen stellt die von der Klägerin insoweit geltend gemachte unrichtige Sachbehandlung keine im Rahmen der Entscheidung über die endgültige Kostentragung relevante Erwägung dar.
Wie eingangs dargestellt ist für die Entscheidung über die endgültige Kostentragung - und damit über die Frage, ob Kosten für das nach § 109 SGG eingeholte Gutachten auf die Staatskasse übernommen werden - allein maßgebend, ob das Gutachten zur Sachaufklärung beigetragen hat. Dem gegenüber macht die Klägerin eine unrichtige Honorierung des Sachverständigen geltend, weil keine Begrenzung des Honoraranspruches auf den eingeholten Kostenvorschuss erfolgt ist (vgl. zur Frage der Begrenzung auf den Vorschuss Beschluss des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 18.02.2003, L 12 U 2047/03 KO-A, in juris). Der Sache nach handelt es sich um Einwendungen (vgl. 21 Abs. 1 Gerichtskostengesetz) gegen die von der Kostenbeamtin gegenüber der Klägerin erhobene Nachforderung, die mit dem Gutachten selbst und seiner Relevanz für den Rechtsstreit nichts zu tun haben und über die der Senat als Prozessgericht im Rahmen des § 109 SGG somit auch inhaltlich nicht zu entscheiden hat. Inwiefern die Klägerin ihre Einwendungen im kostenrechtlichen Verfahren noch anbringt, bleibt ihr überlassen.
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).

Das Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist für Versicherte, Leistungsempfänger einschließlich Hinterbliebenenleistungsempfänger, behinderte Menschen oder deren Sonderrechtsnachfolger nach § 56 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch kostenfrei, soweit sie in dieser jeweiligen Eigenschaft als Kläger oder Beklagte beteiligt sind. Nimmt ein sonstiger Rechtsnachfolger das Verfahren auf, bleibt das Verfahren in dem Rechtszug kostenfrei. Den in Satz 1 und 2 genannten Personen steht gleich, wer im Falle des Obsiegens zu diesen Personen gehören würde. Leistungsempfängern nach Satz 1 stehen Antragsteller nach § 55a Absatz 2 Satz 1 zweite Alternative gleich. § 93 Satz 3, § 109 Abs. 1 Satz 2, § 120 Absatz 1 Satz 2 und § 192 bleiben unberührt. Die Kostenfreiheit nach dieser Vorschrift gilt nicht in einem Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2).

Entscheidungen des Landessozialgerichts, seines Vorsitzenden oder des Berichterstatters können vorbehaltlich des § 160a Abs. 1 dieses Gesetzes und des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden.