Bayerisches Landessozialgericht Beschluss, 02. Mai 2014 - L 15 SF 346/13

bei uns veröffentlicht am02.05.2014

Gericht

Bayerisches Landessozialgericht

Gründe

I.

Mit Beschluss vom 16.09.2013, Az.: L 15 SF 211/13, vom Gericht abgesendet am 19.09.2013, beim Bevollmächtigten des Antragstellers nach dessen Angaben am 26.09.2013 eingegangen, lehnte der Senat eine Entschädigung wegen des Erscheinens des Antragstellers beim Begutachtungstermin am 02.07.2013 bei der Sachverständigen Dr. K. ab.

Der Senat begründete die Ablehnung damit, dass es der Antragsteller schuldhaft, und zwar vorsätzlich, vereitelt habe, dass der Termin zu dem vom Gericht bezweckten Erfolg, nämlich es der Sachverständigen zu ermöglichen, ein Gutachten anzufertigen, wie es vom Gericht in Auftrag gegeben worden sei, geführt habe. Es sei dem Antragsteller zumutbar gewesen, bis zum Erscheinen der Sachverständigen zu warten. Wer Aufwendungen für eine Begutachtung geltend machen wolle, die er selbst schuldhaft vereitelt habe, verhalte sich unter dem Gesichtspunkt des venire contra factum proprium rechtsmissbräuchlich. Der Vollständigkeit halber wies der Senat darauf hin, dass auch eine nur teilweise Berücksichtigung der dem Antragsteller entstandenen Kosten nicht in Betracht komme. Daran wäre zu denken, wenn ein Antragsteller zwar einen Begutachtungstermin abbreche, gleichwohl aber ein Teil der bei dem Termin gewonnenen medizinischen Erkenntnisse verwertet werden könne. Da der Bevollmächtigte des Antragstellers im Schreiben vom 01.08.2013 aber einer Erstellung des Gutachtens durch die beauftragte Sachverständige widersprochen und durch den ausdrücklichen Widerspruch gegen die Weitergabe der medizinischen Unterlagen des Antragstellers an die Sachverständige eine Anfertigung des Gutachtens definitiv verhindert habe, sei auch eine Entschädigung für den kurzen Zeitraum der vom Antragsteller zugelassenen Untersuchungen und Verfahren ausgeschlossen.

Dagegen hat der Bevollmächtigte des Antragstellers am 07.10.2013 Anhörungsrüge erhoben. Nicht gehört worden sei - so der Bevollmächtigte - der Vortrag des Antragstellers, dass dieser bereits Schwierigkeiten gehabt habe, den Termin zu akzeptieren, da er ihm einen ganzen Arbeitstag genommen habe. Das fruchtlose lange Warten sei absolut unzumutbar gewesen. Zudem habe der Antragsteller die erklärte Ablehnung der Sachverständigen bereits mit Schriftsatz vom 18.09.2013 zurückgenommen. All dies sei abgelaufen vor Zustellung des Gerichtsbeschlusses vom 16.09.2009, die erst am 26.09.2013 erfolgt sei.

Der Senat hat die Akten des Hauptsacheverfahrens mit dem Aktenzeichen samt dem darin enthaltenen Gutachten der Dr. K. vom 09.08.2013 beigezogen. Daraus ergibt sich u. a., dass der Schriftsatz vom 18.09.2013 beim Hauptsachesenat am 20.09.2013 eingegangen ist; dem Kostensenat ist dieses Schreiben vom Bevollmächtigten des Antragstellers erstmals mit Schreiben vom 25.02.2014 übermittel worden.

II.

Die Anhörungsrüge ist, soweit sie nicht bereits gemäß § 4 a Abs. 4 Satz 2 Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (JVEG) als unzulässig zu verwerfen ist (siehe 1.), unbegründet (siehe 2.).

1. Sofern der Antragsteller die Anhörungsrüge darauf stützt, dass das Warten auf die Sachverständige unzumutbar gewesen wäre, zumal er bereits Schwierigkeiten gehabt habe, überhaupt den Begutachtungstermin zu akzeptieren, ist die Anhörungsrüge unzulässig. Denn der Antragsteller hat das ihm obliegende Darlegungserfordernis damit nicht erfüllt.

Gemäß § 4 a Abs. 2 Satz 5 JVEG muss die Anhörungsrüge die angegriffene Entscheidung bezeichnen und das Vorliegen der in § 4 a Abs. 1 Nr. 2 JVEG genannten Voraussetzungen (wenn „das Gericht den Anspruch dieses Beteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat“) darlegen. Diesen Darlegungsanforderungen des § 4 a Abs. 2 Satz 5 JVEG wird die Anhörungsrüge des Antragstellers nicht gerecht.

Die Erfüllung des Darlegungserfordernisses ist - wie auch bei der Anhörungsrüge gemäß § 178 a Abs. 1 SGG - gemäß § 4 a Abs. 4 Satz 2 JVEG Zulässigkeitsvoraussetzung (vgl. Bundessozialgericht - BSG -, Beschluss vom 07.04.2005, Az.: B 7a AL 38/05 B; Beschluss des Bayer. LSG vom 24.07.2012, Az.: L 15 SF 150/12 AB RG, L 15 SF 151/12 AB RG). Eine Anhörungsrüge ist daher nur dann zulässig, wenn sich dem Vorbringen zweierlei entnehmen lässt, nämlich zum einen, dass das Gericht den Anspruch auf das rechtliche Gehör mit der gerügten Entscheidung neu und eigenständig verletzt hat (vgl. Hartmann, Kostengesetze, 423 Aufl. 2013, § 4 a JVEG, Rdnr. 29 - m. w. N.; Bundesverfassungsgericht - BVerfG -, Beschluss vom 05.05.2008, Az.: 1 BvR 562/08), und zum anderen, dass die Verletzung entscheidungserheblich ist (vgl. Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/ders., SGG, 10. Aufl. 2012, § 178 a, Rdnr. 6a). Sinn und Zweck der Anhörungsrüge ist es allein, einen Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 Grundgesetz - aber auch nur diesen - zu heilen (vgl. Hartmann, a. a. O., § 4 a JVEG, Rdnr. 2 - m. w. N.; BVerfG, Beschluss vom 22.06.2011, Az.: 1 BvR 2553/10).

An einem solchen Vortrag fehlt es hier.

Der Antragsteller hat mit seinem Vortrag zum Warten auf die Sachverständige und zu seinen Schwierigkeit, den Termin zu akzeptieren, nichts gerügt, was einem Zustandekommen der Entscheidung vom 16.09.2013 unter Verletzung des Gebots des rechtlichen Gehörs entsprechen würde. Denn der Vortrag des Klägers ist bei der gerügten Entscheidung umfassend in die Erwägungen des Gerichts eingeflossen. Wenn der Antragsteller ein „fruchtlos erscheinendes langes Warten“ als absolut unzumutbar bezeichnet, verkennt er völlig, dass die Ursachen für ein Warten allein auf sein eigenes Verhalten zurückzuführen sind. Dies hat der Senat mehr als ausführlich im gerügten Beschluss dargelegt. Der Vortrag des Antragstellers beinhaltet nichts, was bei der gerügten Entscheidung unter Missachtung des Gebots des rechtlichen Gehörs nicht berücksichtigt worden wäre.

2. Im Übrigen, sofern der Antragsteller vortragen lässt, er habe die erklärte Ablehnung der Sachverständigen zwar nach Erlass des gerügten Beschlusses, aber noch vor dessen Zustellung zurückgenommen und damit eine Verwertbarkeit des Gutachtens bewirkt, so dass sich damit die Frage der Entschädigung neu stelle, ist die Anhörungsrüge unbegründet.

Zwar erscheint dem Senat der zeitliche Ablauf (Absendung des Beschlusses durch das Gericht am 19.09.2013, Eingangsbestätigung des Bevollmächtigten des Klägers erst am 26.09.2013) ungewöhnlich. Gleichwohl geht der Senat davon aus, dass das auf den 18.09.2013 datierte anwaltliche Schreiben tatsächlich vor Zugang des Beschlusses vom 16.09.2013 beim Hauptsachesenat eingegangen ist. Der Senat geht weiter davon aus, dass sich aus diesem Schreiben - grundsätzlich - Anlass und Inhalt für eine zulässige Anhörungsrüge ergeben können. Dabei lässt er es dahin gestellt, was der maßgebliche Zeitpunkt ist, bis zu dem ein nicht berücksichtiger und damit der Anhörungsrüge zugänglicher Gesichtspunkt - im Gegensatz zu einem späteren, die Anhörungsrüge nicht eröffnenden neuen Sachvortrag (vgl. Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Beschluss vom 26.08.2011, Az.: 54/10; Bayer. Landessozialgericht, Beschlüsse vom 07.11.2008, Az.: L 7 B 795/08 AS ER C, und vom 12.02.2009, Az.: L 7 B 863/08 AS ER C) - eingebracht werden kann. Dahin gestellt lässt es der Senat auch, ob der entscheidungserhebliche Vortrag dem für die Kostenentscheidung zuständigen Senat vor dem maßgeblichen Zeitpunkt bekannt geworden sein muss oder ob es ausreicht, wenn dies rechtzeitig bei dem Hauptsachesenat (und damit dem Gericht in seiner Gesamtheit) erfolgt ist. Denn auch aus dem Schreiben des Bevollmächtigten des Antragstellers vom 18.09.2013 ergibt sich nichts, was an der vom Senat getroffenen Entscheidung vom 16.09.2013 etwas ändern würde.

Auch wenn der Schriftsatz des Bevollmächtigten des Antragstellers vom 18.09.2013 dem Senat vor der Entscheidung über die Entschädigung für die Wahrnehmung des Begutachtungstermins bekannt gewesen wäre, hätte die Entschädigung abgelehnt werden müssen. Es ist zwar richtig, dass - wie dies der Senat in seinem Beschluss vom 16.09.2013 ausgeführt und erläutert hat - eine (teilweise) Berücksichtigung der dem Kläger entstandenen Kosten in Betracht kommen würde, wenn trotz Abbruchs des Begutachtungstermins „gleichwohl aber ein Teil der bei dem Termin gewonnenen medizinischen Erkenntnisse verwertet werden kann.“ Davon kann vorliegend aber nicht die Rede sein. Das Gutachten der Sachverständigen Dr. K. vom 09.08.2013 basiert weitestgehend auf dem Akteninhalt, nicht aber auf Erkenntnissen, die bei der Untersuchung, für die eine Entschädigung begehrt wird, gewonnen worden wären. So hat die Sachverständige, was die Begutachtung am 02.07.2013 angeht, im Wesentlichen lediglich darauf hingewiesen, dass der Antragsteller im Schmerzfragebogen nicht alle Untertests vollständig beantwortet habe und daher die Frage der Beurteilung psychosozialer Auswirkungen chronischer Schmerzen „nicht mit letzter Sicherheit zu beantworten“ sei sowie dass der Antragsteller nach wie vor die selben Schmerzmittel wie früher einnehme. Dass sich beim Begutachtungstermin am 02.07.2013 irgendwelche beurteilungsrelevanten Erkenntnisse ergeben hätten, ist dem Gutachten nicht zu entnehmen. Das Gutachten vom 09.08.2013 ist damit letztlich im Ergebnis nichts anderes als ein nach Aktenlage erstelltes Gutachten. Dafür steht dem Antragsteller keine Entschädigung zu.

Dieser Beschluss ergeht kostenfrei (§ 4 a Abs. 6 JVEG) und ist unanfechtbar (§ 4 a Abs. 4 Satz 4 JVEG).

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