Bayerisches Landessozialgericht Beschluss, 26. Jan. 2017 - L 11 AS 812/16 B PKH

published on 26/01/2017 00:00
Bayerisches Landessozialgericht Beschluss, 26. Jan. 2017 - L 11 AS 812/16 B PKH
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Tenor

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Nürnberg vom 12.10.2016 wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Streitig ist die Überprüfung mehrerer bestandskräftiger Änderungsbescheide.

Mit vier Bescheiden vom 10.11.2014 änderte der Beklagte den Anspruch der Klägerin und ihrer mit ihr in Bedarfsgemeinschaft lebenden Tochter zu ihren Gunsten ab. Ein Mehrbedarf für Warmwasser werde für die Zeit ab Januar 2013 zusätzlich berücksichtigt.

Am 04.03.2015 beantragten die von einem Bevollmächtigten vertretenen Klägerinnen eine Überprüfung der Bescheide vom 10.11.2014 ohne jede Differenzierung. Mit Bescheid vom 10.03.2015 lehnte der Beklagte eine Überprüfung ab. Der Überprüfungsantrag sei ohne Angabe von Gründen gestellt worden. Den ebenfalls - trotz Nachfrage - nicht begründeten Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 18.12.2015 zurück.

Dagegen haben die Klägerinnen Klage zum Sozialgericht Nürnberg (SG) erhoben und auf das in Parallelverfahren dem Beklagten bereits bekannte Begehren nach höheren Heizkosten hingewiesen. Zugleich haben die Klägerinnen die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) begehrt. Mit Beschluss vom 12.10.2016 hat das SG den Antrag auf Bewilligung von PKH mangels hinreichender Erfolgsaussicht unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) abgelehnt. Werde ohne nähere Differenzierung ein Verwaltungshandeln insgesamt zur Überprüfung gestellt, löse ein solcher Antrag keine inhaltliche Prüfpflicht aus. Vorliegend habe der Beklagte auch bei objektiver Betrachtung nicht ermitteln können, welche Gesichtspunkte zur Überprüfung gestellt worden seien. Erst im Rahmen des Klageverfahrens hätten die Klägerinnen die Prüfung höherer Heizkosten begehrt.

Dagegen haben die Klägerinnen Beschwerde zum Bayer. Landessozialgericht (LSG) erhoben. Die Problematik der Heizkosten sei dem Beklagten aus parallel laufenden Verfahren bekannt gewesen. Er hätte daher bei objektiver Betrachtungsweise den Prüfungsumfang ermitteln können.

Zur Ergänzung des Sachverhaltes wird auf die beigezogenen Akten des Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde (§§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz -SGG-) ist nicht begründet. Nach § 73a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz iVm § 114 Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

Aus verfassungsrechtlichen Gründen dürfen die Anforderungen an die Erfolgsaussicht nicht überspannt werden. Es reicht für die Prüfung der Erfolgsaussicht aus, dass der Erfolg eine gewisse Wahrscheinlichkeit für sich hat (vgl. BSG, Urteil vom 17.02.1998 - B 13 RJ 83/97 R (Rn. 26) - SozR 3-1500 § 62 Nr.19). Diese gewisse Wahrscheinlichkeit ist in aller Regel dann anzunehmen, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt des Beteiligten aufgrund der Sachverhaltsschilderung und der vorgelegten Unterlagen für zutreffend oder zumindest für vertretbar hält und in tatsächlicher Hinsicht die Möglichkeit des Obsiegens des PKH- Beantragenden ebenso wahrscheinlich ist wie sein Unterliegen (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. § 73a Rn. 7ff.).

Vorliegend bestehen keine solchen hinreichenden Erfolgsaussichten. Dabei ist auf den Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung (hier: Widerspruchsbescheid vom 18.12.2015) abzustellen (vgl dazu: BSG, Urteil vom 13.02.2014 - B 4 AS 22/13 - veröffentl. in juris). Zu diesem Zeitpunkt haben die von einem Bevollmächtigten vertretenen Klägerinnen ohne jede Differenzierung einen Antrag auf Überprüfung gemäß § 44 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) gestellt, also keine Prüfung im Einzelfall begehrt. Damit aber war der Beklagte nicht gehalten, eine inhaltliche Prüfung vorzunehmen.

Eine Entbindung von der inhaltlichen Prüfung setzt voraus, dass der Sozialleistungsträger „den Einzelfall“, also die konkreten Inhalte eines bestimmten Bescheides, die zur Überprüfung gestellt werden sollen, bei objektiver Betrachtung nicht ermitteln kann. Ein Prüfanliegen „im Einzelfall“ ist daher zu bejahen, wenn entweder eine bestimmte Fragestellung tatsächlicher oder rechtlicher Natur oder eine konkrete Verwaltungsentscheidung benannt wird. Auch bei einem Antrag nach § 44 SGB X hat die Verwaltung den Untersuchungsgrundsatz des § 20 SGB X zu beachten. Insofern kann es - je nach den konkreten Umständen der Antragstellung - erforderlich sein, dass der Träger auf eine Konkretisierung des Überprüfungsbegehrens durch den Leistungsberechtigten im Sinne des § 21 Abs. 2 Satz 1 SGB X hinwirkt. In welchem Umfang der Leistungsträger seiner Amtsermittlung nachzukommen hat, beurteilt sich jedoch nach Lage des Einzelfalls. Als Kriterium für den Umfang der Amtsermittlungspflicht des SGB II-Trägers ist beispielsweise zu berücksichtigen, ob der Leistungsberechtigte (mit juristischem Sachverstand) vertreten oder unvertreten ist oder ob sich aus vorangegangenen Kontakten zwischen ihm und der Verwaltung Anhaltspunkte für das Begehren des Antragstellers stellen. Auch kann von Bedeutung sein, in welchem Gesamtkontext ein Überprüfungsantrag gestellt wird. Wenn - jedoch wie im vorliegenden Fall - auch auf Nachfrage des SGB II-Trägers bei dem Rechtsanwalt der Antragstellerinnen keine Angaben gemacht werden, die eine Konkretisierung für den Einzelfall ermöglichen, sondern weiter pauschal auf die Überprüfung sämtlicher Bescheide verwiesen wird, ist der Sozialleistungsträger objektiv nicht in der Lage, seinen Prüfauftrag zu bestimmen (so BSG, Urteil vom 13.02.2014 aaO). Aufgrund oder aus Anlass des Antrags muss sich der Verwaltung im Einzelfall objektiv erschließen, aus welchem Grund - Rechtsfehler und/oder falsche Sachverhaltsgrundlage - nach Auffassung des Leistungsberechtigten eine Überprüfung erfolgen soll. Dazu muss der Antrag konkretisierbar sein, d. h. entweder aus dem Antrag selbst - ggf. nach Auslegung - oder aus einer Antwort des Leistungsberechtigten aufgrund konkreter Nachfrage des Sozialleistungsträgers muss der Umfang des Prüfauftrages für die Verwaltung bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens erkennbar sein (vgl. BSG, aaO, sowie Beschluss vom 04.06.2014 - B 14 AS 335/13 B - veröffentlicht in juris).

Somit genügt es - anders als die Klägerinnen meinen - vorliegend nicht, dass der Leistungsträger ggf. aus dem Vorbringen der Klägerinnen in parallel laufenden Verfahren den Gegenstand der Prüfung des vorliegenden „Einzelfalles“ vermuten kann. Vielmehr hätten die von einem Bevollmächtigten vertretenen Klägerinnen auf Nachfrage des Beklagten Angaben machen müssen. Dies haben sie erkennbar nicht getan.

Unabhängig davon lässt sich aus dem parallel laufenden Verfahren wegen höherer Heizkosten für die Zeit vom 01.10.2014 bis 31.03.2015 bzw. Heizkostenabrechnung der Fa. N. (einmaliger Bedarf im Fälligkeitsmonat September 2014) nicht eindeutig entnehmen, dass die wegen der Berücksichtigung eines Mehrbedarfes für Warmwasser zu Gunsten der Klägerinnen erlassenen Bescheide auch diesbezüglich noch einmal überprüft werden sollten, wobei einer der Bescheide vom 10.11.2014 bereits Gegenstand des Widerspruchsverfahrens gegen den Bescheid vom 18.09.2014 war (Widerspruchsbescheid vom 26.06.2015).

Nach alledem war die Beschwerde zurückzuweisen.

Dieser Beschluss ergeht kostenfrei und ist unanfechtbar (§ 177 SGG).

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(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Re
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(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Re
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published on 04/06/2014 00:00

Tenor Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 17. Juni 2013 wird zurückgewiesen.
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Annotations

(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Für die grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe innerhalb der Europäischen Union gelten ergänzend die §§ 1076 bis 1078.

(2) Mutwillig ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht.

(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.

(2) Im Übrigen ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(3) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(4) Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag.

(1) Die Behörde ermittelt den Sachverhalt von Amts wegen. Sie bestimmt Art und Umfang der Ermittlungen; an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten ist sie nicht gebunden.

(2) Die Behörde hat alle für den Einzelfall bedeutsamen, auch die für die Beteiligten günstigen Umstände zu berücksichtigen.

(3) Die Behörde darf die Entgegennahme von Erklärungen oder Anträgen, die in ihren Zuständigkeitsbereich fallen, nicht deshalb verweigern, weil sie die Erklärung oder den Antrag in der Sache für unzulässig oder unbegründet hält.

(1) Die Behörde bedient sich der Beweismittel, die sie nach pflichtgemäßem Ermessen zur Ermittlung des Sachverhalts für erforderlich hält. Sie kann insbesondere

1.
Auskünfte jeder Art, auch elektronisch und als elektronisches Dokument, einholen,
2.
Beteiligte anhören, Zeugen und Sachverständige vernehmen oder die schriftliche oder elektronische Äußerung von Beteiligten, Sachverständigen und Zeugen einholen,
3.
Urkunden und Akten beiziehen,
4.
den Augenschein einnehmen.
Urkunden und Akten können auch in elektronischer Form beigezogen werden, es sei denn, durch Rechtsvorschrift ist etwas anderes bestimmt.

(2) Die Beteiligten sollen bei der Ermittlung des Sachverhalts mitwirken. Sie sollen insbesondere ihnen bekannte Tatsachen und Beweismittel angeben. Eine weitergehende Pflicht, bei der Ermittlung des Sachverhalts mitzuwirken, insbesondere eine Pflicht zum persönlichen Erscheinen oder zur Aussage, besteht nur, soweit sie durch Rechtsvorschrift besonders vorgesehen ist.

(3) Für Zeugen und Sachverständige besteht eine Pflicht zur Aussage oder zur Erstattung von Gutachten, wenn sie durch Rechtsvorschrift vorgesehen ist. Eine solche Pflicht besteht auch dann, wenn die Aussage oder die Erstattung von Gutachten im Rahmen von § 407 der Zivilprozessordnung zur Entscheidung über die Entstehung, Erbringung, Fortsetzung, das Ruhen, die Entziehung oder den Wegfall einer Sozialleistung sowie deren Höhe unabweisbar ist. Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das Recht, ein Zeugnis oder ein Gutachten zu verweigern, über die Ablehnung von Sachverständigen sowie über die Vernehmung von Angehörigen des öffentlichen Dienstes als Zeugen oder Sachverständige gelten entsprechend. Falls die Behörde Zeugen, Sachverständige und Dritte herangezogen hat, erhalten sie auf Antrag in entsprechender Anwendung des Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetzes eine Entschädigung oder Vergütung; mit Sachverständigen kann die Behörde eine Vergütung vereinbaren.

(4) Die Finanzbehörden haben, soweit es im Verfahren nach diesem Gesetzbuch erforderlich ist, Auskunft über die ihnen bekannten Einkommens- oder Vermögensverhältnisse des Antragstellers, Leistungsempfängers, Erstattungspflichtigen, Unterhaltsverpflichteten, Unterhaltsberechtigten oder der zum Haushalt rechnenden Familienmitglieder zu erteilen.

Entscheidungen des Landessozialgerichts, seines Vorsitzenden oder des Berichterstatters können vorbehaltlich des § 160a Abs. 1 dieses Gesetzes und des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden.