Bayerisches Landessozialgericht Beschluss, 11. Apr. 2018 - L 11 AS 221/18 NZB

published on 11/04/2018 00:00
Bayerisches Landessozialgericht Beschluss, 11. Apr. 2018 - L 11 AS 221/18 NZB
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Tenor

I. Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 31.01.2018 - S 10 AS 445/16 - wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe

I.

Streitig ist die Übernahme höherer Kosten der Unterkunft und Heizung durch den Beklagten im Rahmen der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (Arbeitslosengeld II -Alg II-) gemäß dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 01.11.2015 bis 31.10.2016.

Auf Antrag hin bewilligte der Beklagte mit Bescheid vom 27.10.2015 und 29.11.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.12.2016 Alg II unter Berücksichtigung von Kosten der Unterkunft in Höhe von 109,16 € monatlich.

Mit Bescheid vom 22.02.2016 zuletzt in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.09.2016 änderte der Beklagte diese Bewilligung ab, wobei er u.a. die Übernahme einer höheren Kaltmiete als 109,16 € monatlich - der Kläger hatte 150,00 € monatlich gefordert - ablehnte.

Mit der dagegen zum Sozialgericht Würzburg (SG) erhobenen Klage hat der Kläger die Übernahme von Unterkunftskosten von 150,00 € - zumindest aber 141,91 € - monatlich geltend gemacht. Auf eine Stellungnahme des Beklagten hin hat der Kläger mit Schreiben vom 25.01.2018 - Eingang beim SG am 26.01.2018 - und vom 29.01.2018 geantwortet, die Übernahme der Reisekosten zur mündlichen Verhandlung gefordert und am 29.01.2018 einen Antrag auf Verlegung des Termins vom 31.01.2018 begehrt, da er dem Gericht viele Schreiben und Dokumente am 26.01.2018 habe zukommen lassen, die erst geprüft werden müssten. In der mündlichen Verhandlung am 31.01.2018 ist niemand erschienen. Das SG hat die Klage mit Urteil vom 31.01.2018 abgewiesen. Es handle sich um ein Überprüfungsverfahren gemäß § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Der Kläger sei jedoch keiner ernsthaften höheren Mietforderung seiner Schwester als 109,16 € monatlich ausgesetzt. Die Angaben des Klägers - die Schwester als Vermieterin habe von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht - ließen das Gericht nicht zu der Überzeugung kommen, dass der Kläger der erhöhten Mietforderung - allein um diese geht es - ernsthaft ausgesetzt sei. Ob es sich bei dem Mietverlangen insgesamt um ein Scheingeschäft handle, könne daher offen bleiben. Die Berufung hat das SG nicht zugelassen.

Dagegen hat der Kläger Nichtzulassungsbeschwerde zum Bayer. Landessozialgericht (LSG) erhoben. Die Ausführungen des SG zur Begründung des Urteils seien unzutreffend. Unter anderem sei es eine nicht bewiesene Unterstellung, dass die Erhöhung der Miete nicht ernst gemeint gewesen sei. Er habe das SG auch darauf hingewiesen, dass er die Nichtübernahme der Reisekosten zum Termin beim LSG monieren werde, wenn das SG diese nicht übernehme. Darauf habe das SG nicht reagiert, vielmehr das Urteil lediglich auf den Schriftsatz des Beklagten vom 22.01.2018 gestützt, so dass die Besorgnis der Befangenheit bezüglich des erstinstanzlichen Richters bestehe.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogenen Akten des Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

II.

Die fristgerecht eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde ist gemäß § 145 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig, sachlich aber nicht begründet. Es gibt keinen Grund, die gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG wegen des Wertes des Beschwerdegegenstandes ausgeschlossene Berufung zuzulassen. Der Beschwerdewert wird nicht erreicht. Auch sind nicht wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betroffen (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG). Nachdem im vorliegenden Verfahren allein streitig die Mieterhöhung um höchstens 40,86 € für die Zeit vom 01.11.2015 bis 31.10.2016 ist, wird der Wert des Beschwerdegegenstandes von 750,00 € nicht überstiegen.

Nach § 144 Abs. 2 SGG ist die Berufung zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr. 1), das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr. 2) oder ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann (Nr. 3).

Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache oder ein Abweichen des SG von der obergerichtlichen Rechtsprechung ist für den Senat nicht ersichtlich und wird vom Kläger auch nicht geltend gemacht.

Vielmehr führt er - seine weiteren Ausführungen haben für die Zulassung der Berufung keine Bedeutung - aus, es bestehe gegen den erstinstanzlichen Richter wegen der Unterlassung der Anordnung des persönlichen Erscheinens und der damit abgelehnten Übernahme der Reisekosten die Besorgnis der Befangenheit, zumal dieser sich dann lediglich auf die Ausführungen des Beklagten im Schriftsatz vom 22.01.2018 gestützt habe. Ein Ablehnungsgesuch gegen den erstinstanzlichen Richter kann jedoch nur bis zur Beendigung der Instanz gestellt werden (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Auflage, § 60 Rn. 11). Hatte der Beteiligte in der Vorinstanz kein Gesuch gestellt, weil er von dem Ablehnungsgrund erst nach Schluss der Instanz erfahren hatte, kann er die Nichtzulassungsbeschwerde oder Revision nicht auf das Vorliegen eines Ablehnungsgrundes stützen (vgl. Keller aaO Rn. 14b). Im übrigen hat das SG sich gerade nicht inhaltlich auf den Schriftsatz des Beklagten vom 22.01.2018 gestützt, vielmehr tatsächlich sein Urteil anderweitig begründet.

Sein weiteres Vorbringen, das SG hätte die Reisekosten zum Termin übernehmen müssen, kann als Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs (§ 62 SGG) interpretiert werden. Dieser Verfahrensmangel wird aber vom Kläger nicht in der erforderlichen Form geltend gemacht. Hierzu muss er die Tatsachen, die den Mangel ergeben, genau angeben und aus den vorgetragenen Tatsachen muss sich schlüssig ergeben, welcher Mangel gerügt werden soll und sinngemäß auch, welche Verfahrensvorschrift als verletzt angesehen wird (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/ Leitherer/Schmidt aaO § 144 Rn. 36). Unabhängig davon, dass der Kläger die verletzte Verfahrensvorschrift nicht angibt, führt er lediglich aus, er habe ausdrücklich die fehlende Übernahme der Reisekosten beim SG moniert, um die Möglichkeit zu erhalten, zum Schriftsatz des Beklagten vom 22.01.2018 Stellung zu nehmen. Diese Ausführungen sind aber insoweit nicht schlüssig, als er mit Schriftsatz vom 25.01.2018 und auch noch mit Schriftsatz vom 29.01.2018 zum Schriftsatz des Beklagten vom 22.01.2018 tatsächlich Stellung genommen hat. Damit aber hat er den Verfahrensfehler nicht nur nicht schlüssig geltend gemacht, sondern auch tatsächlich rechtliches Gehör erhalten und sich dieses mit seinem Schreiben vom 25.01.2018 und 29.01.2018 auch verschafft, so dass der - vermeintlich gerügte - Verfahrensfehler auch tatsächlich nicht vorliegt.

Die Nichtentscheidung des SG über sein Begehren nach einer Verlegung des Termins zur mündlichen Verhandlung, das auch tatsächlich jeglicher sinnvollen Begründung entbehrt, hat der Kläger hingegen im Rahmen der Nichtzulassungsbeschwerde nicht gerügt.

Nach alledem war die Beschwerde zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).

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(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha
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(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha
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published on 31/01/2018 00:00

Tenor I. Die Klage wird abgewiesen. II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Tatbestand Die Beteiligten streiten um die Verpflichtung des Beklagten zur Übernahme vom Kläger geltend gemachter h
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Annotations

(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.

(2) Im Übrigen ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(3) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(4) Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag.

(1) Die Berufung bedarf der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluß des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes

1.
bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 Euro oder
2.
bei einer Erstattungsstreitigkeit zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder Behörden 10.000 Euro
nicht übersteigt. Das gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft.

(2) Die Berufung ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Landessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Die Berufung ist ausgeschlossen, wenn es sich um die Kosten des Verfahrens handelt.

Vor jeder Entscheidung ist den Beteiligten rechtliches Gehör zu gewähren; die Anhörung kann schriftlich oder elektronisch geschehen.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.

Entscheidungen des Landessozialgerichts, seines Vorsitzenden oder des Berichterstatters können vorbehaltlich des § 160a Abs. 1 dieses Gesetzes und des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden.