1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger zu 1) 190,30 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5% Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 04.09.2015 zu bezahlen.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Kläger gesamtschuldnerisch 89% und die Beklagte 11%.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien können die Vollstreckung durch den jeweiligen Vollstreckungsgläubiger durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 1.790,30 € festgesetzt.
Die Parteien streiten um Ansprüche nach der Fluggastverordnung und Schadensersatz.
Die Kläger und die Ehefrau des Klägers zu 1), die ihre Ansprüche an den Kläger abgetreten hat, buchten für den 29.3.2015 einen Flug von Nürnberg nach Paris, Charles de Gaule und einen Weiterflug am selben Tag von Paris/Orly nach Pointe-a-Pitre in der Karibik. Dabei waren die planmäßigen Flugdaten für den Hinflug von Nürnberg nach Paris von 10.35 Uhr (Abflug) bis 12.00 Uhr (Ankunft). Der Weiterflug sollte planmäßig um 15.25 Uhr Ortszeit starten und um 17.55 Uhr Ortszeit landen. Tatsächlich landete die Maschine auf den Flug von Nürnberg nach Paris Charles de Gaule mit einer Verspätung von 3 Minuten und erreichte das Gate um 12.14 Uhr. Ausführendes Luftfahrtunternehmen war jeweils die Beklagte. Beim Einchecken in Nürnberg wurden die Kläger für beide Flüge durchgecheckt. Sie erhielten auch eine Bordkarte für beide Flüge. Das Gepäck wurde allerdings nicht durchgecheckt und die Kläger darauf hingewiesen, dass dieses in Paris Charles des Gaule entgegenzunehmen sei und in Paris Orly neu aufzugeben sei. Dabei sind die beiden Flughäfen mit einem Shuttle-Bus der Beklagten miteinander verbunden. Eine kostenlose Nutzung der Shuttel-Bus für die Kläger war aber nur gegen Vorlage bestimmter Gutscheine möglich. Diese Gutscheine waren weder den Reiseunterlagen beigefügt noch konnten diese in Nürnberg von den dortigen Bodenpersonal den Klägern ausgehändigt werden. Bei Ankunft am Terminal 2 G in Paris Carles de Gaule erhielten die Kläger am dortigen Schalter ebenfalls keine Voucher für den Shuttle. Sie wurden an das Terminal 2 F verwiesen. Auch am dortigen Schalter waren Voucher nicht verfügbar, woraufhin sie in ein Büro in der ersten Etage geschickt wurden. Im Rahmen der Buchung wurden die Kläger bereits auf den notwendigen Flughafenwechsel hingewiesen. Außerdem wurden sie darauf hingewiesen, dass sie sich zum Transitschalter der Beklagten begeben müssen, um die erforderlichen Bus-Voucher zu erhalten. Auf die Anlagen B2 und B3 wird Bezug genommen. Nach einer komplizierten Suche fanden die Kläger schließlich das genannte Büro und mussten dort zunächst 15 Minuten warten. In der Folge mussten sie in der Schlange an der Shuttle-Bus-Haltestelle warten, da dort viel Verkehr war. Ein ausreichend leeres Shuttle war erst um 13.55 Uhr vorhanden. Dadurch erreichten sie den Flughafen Paris Orly erst um 14.55 Uhr. Der planmäßige Weiterflug sollte um 15.25 Uhr starten. Aufgrund einer 20-minütigen Verspätung erfolgte dieser tatsächlich um 15.44 Uhr. Den Klägern wurde allerdings die Beförderung im Weiterflug verweigert, da insbesondere ihr Gepäck nicht mehr angenommen wurde. Ein Nachsenden des Gepäcks als „unbegleitet“ wurde verweigert. Daraufhin buchten die Kläger eine Übernachtung in Paris. Ihr Weiterflug wurde dann am 30.3.2015 um 12.05 Uhr durchgeführt.
Aufgrund der Übernachtung in Paris entstanden den Klägern Hotelkosten in Höhe von 190,30 EUR.
Die Kläger behaupten, am Flughafen Paris ... sei ihnen das Gepäck am Terminal 2 G verzögert ausgehändigt worden. Sie vertreten darüber hinaus die Auffassung, dass eine planmäßige Umsteigezeit von 3 Stunden und 25 Minuten zu kurz bemessen gewesen sei. Insoweit liege ein Organisationsverschulden bereits im Zeitpunkt der Buchung der Tickets auf Seiten der Beklagten vor. Dieses sei darüber hinaus auch darauf zurückzuführen, dass die notwendigen Shuttle-Bus-Voucher erst vor Ort abgeholt werden mussten, das genannte Büro nur schwer erreichbar gewesen sei, die jeweiligen Mitarbeiter an den Check-in-Schaltern schlecht geschult gewesen seien, an der Schlange an der Bushaltestelle kein Personal zur Überprüfung eiliger Passagiere vorhanden gewesen sei. Darüber hinaus hätte eine Weiterbeförderung nicht verweigert werden dürfen. Das Gepäck hätte gegebenenfalls unbegleitet nachgesendet werden müssen.
Die Kläger beantragen daher:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger zu 1) 990,30 EUR und an die Kläger zu 2 und zu 3) jeweils 400,00 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5% Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
Die Klage wurde der Beklagten am 3.9.2015 zugestellt.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Ein Anspruch nach der Fluggastrechteverordnung sei nicht begründet, da eine Verspätung nicht gegeben sei. Die Mindestumsteigezeit zwischen den genannten Flughäfen beträge bei einem Weiterflug außerhalb Afrikas 3 Stunden.
Das Gericht hat keinen Beweis erhoben. Auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 9.12.2015 wird Bezug genommen. Im Übrigen wird zur Vervollständigung des Tatbestandes auf die wechselseitigen Schriftsätze samt Anlagen Bezug genommen.
Die zulässige Klage ist nur teilweise begründet.
I.
Die Klage ist zulässig. Das Amtsgericht Nürnberg ist insbesondere örtlich und international zustädig. Da es sich um einen einheitlichen Flug von Nürnberg über Paris nach Pointe-a-Pitre handelte und die Beklagte in beiden Flugstrecken ausführendes Luftfahrtunternehmen war, liegt der Erfüllungsort für die behaupteten Ansprüche nach der Fluggastverordnung gemäß § 29 Abs. 1 ZPO bzw. Art. 7 Nr. 1 lit a, lit b Spiegelstrich 2 der Verordnung (EG) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates (Brüssel-I-a Verordnung) vom 12.12.2012 auch in Nürnberg als Abflughafen. Insoweit wird auf die Entscheidung des EuGH vom 9.7.2009, EuZW 2009, Seite 569 ff verwiesen.
II.
Die Klage ist nur teilweise begründet. Ein Anspruch nach der Fluggastrechteverordnung besteht nicht. Ein Anspruch auf Schadensersatz hinsichtlich der Unterbringungskosten besteht dagegen.
II.
Ein Anspruch gemäß Art. 5 Abs. 1, 7 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11.2.2004 (nachfolgend Fluggastrechteverordnung) besteht nicht. Auch wenn in ständiger Rechtsprechung eine Annullierung i.S.v. Art. 5 Abs. 1 a Fluggastrechteverordnung eine Verspätung von drei Stunden gleichgestellt wird, liegt im vorliegenden Fall eine solche Verspätung nicht vor. Der Umstand, dass die Kläger nicht planmäßig am 29.3.2015 sondern erst am Folgetag weiterbefördert wurden, war nicht auf eine Verspätung eines Fluges zurückzuführen. Die hier relevanten Verspätungen hinsichtlich des Hinfluges von 3 Minuten bzw. des Weiterfluges von ca. 20 Minuten spielten dabei keine Rolle. Das Nichterreichen des Anschlussfluges war auch insoweit nicht kausal auf die lediglich 3-minütige Landeverzögerung des Zubringerfluges zurückzuführen. Davon gingen auch die Kläger selbst nicht aus.
Ein Anspruch würde allenfalls aus Art. 4 Abs. 3 i.V.m. Art. 7 Fluggastrechteverordnung folgen. Gemäß Art. 4 Abs. 3 Fluggastrechteverordnung erbringt das ausführende Luftfahrtunternehmen unverzüglich insbesondere Ausgleichsleistungen gemäß Art. 7, wenn Fluggästen gegen ihren Willen die Beförderung verweigert wird. Notwendig dafür ist aber, dass die Verweigerung unberechtigt erfolgte. Eine berechtigte Verweigerung liegt insbesondere dann vor, wenn der jeweilige Fluggast sich nicht rechtzeitig vor dem Abflug zur Abfertigung eingefunden hat. Gemäß Art. 3 Abs. 2 lit a, Spiegelstrich 1 Fluggastrechteverordnung kommt es dabei zunächst auf die von dem ausführenden Luftfahrtunternehmen und dem Reiseunternehmen mitgeteilte Zeit an. Gemäß Art. 3 Abs. 2 a Spiegelstrich 2 ist in den sonstigen Fällen der jeweilige Fluggast verpflichtet, sich 45 Minuten vor der veröffentlichten Abflugszeit zur Abfertigung einzufinden. Ausweislich der von den Klägern vorgelegten Buchungsbestätigung (Anlage K3) betrug die sogenannte Meldeschlusszeit (Latest-Checkin Time Limit) für den Weiterflug von Paris Orly nach Pointe-a-Pitre 14.25 Uhr. Insoweit war bereits nach dem Vortrag der Kläger von einer berechtigten Weigerung des Weiterfluges auszugehen, da diese erst am Flughafen Paris Orly um 14.55 Uhr ankamen. Aber auch unter Zugrundelegung der gesetzlichen Zeit von 45 Minuten war diese durch die Kläger nicht eingehalten worden, wobei es nicht darauf ankommt, dass die Maschine erst um 15.44 Uhr tatsächlich weiterflog. Maßgeblich ist der planmäßige Abflugszeitpunkt um 15.25 Uhr.
Insoweit war die Beklagte auch nicht verpflichtet, die Kläger ohne deren Gepäck weiter zu befördern. Zwar verfügten die Kläger bereits über entsprechende Bordkarten für den Weiterflug. Da ihr Gepäck aber nicht aufgegeben war, war die Weigerung zum Weiterflug berechtigt. Nichts anderes ergibt sich aus der Entscheidung des BGH vom 28.8.2012, AZ: 10 ZR 128/11 zitiert nach Juris. In dem dort zugrundeliegenden Fall musste der Passagier befördert werden, weil er 20 Minuten vor Abflug am Gate erschien. Etwaiges Gepäck, welches zu diesem Zeitpunkt in die Maschine für den Weiterflug noch nicht umgeladen war, musste das jeweilige Luftfahrtunternehmen unbegleitet nachsenden. Voraussetzung war dafür aber, dass das genannte Gepäck bereits durchgecheckt war und daher insbesondere vom Fluggast nicht neu aufgegeben werden musste. Wenn aber, wie im vorliegenden Fall, ein Fluggast unter Nichteinhaltung der in Art. 3 Abs. 2 a Fluggastrechteverordnung genannten Zeiten am Flughafen ankommt und sein Gepäck zu diesem Zeitpunkt noch nicht aufgegeben ist, kann eine Weiterbeförderung durch das ausführende Luftfahrtunternehmen berechtigt verweigert werden.
Dass die hier eingetretene Verspätung bzw. Nichteinhaltung der Zeiten in Art. 3 Abs. 2 a Fluggastsrechteverordnung unter Umständen auf ein Organisationsverschulden der Beklagten zurückzuführen ist, ändert daran nichts. Die Voraussetzungen der Ansprüche nach der Fluggastverordnung sind abschließend und eindeutig geregelt. Insoweit stellen die Ausgleichszahlungen nach Art. 7 letztlich eine Art pauschalierten Schadensersatz dar, der eben (nur) dann eintreten soll, wenn die Voraussetzungen von Art. 4 bzw. 5 Fluggastrechteverordnung gegeben sind. In den Genuss des pauschalierten Schadensersatzes soll daher nur der gelangen, der die objektiven Voraussetzungen erfüllt. Dass bei Vorliegen eines Verschuldens der Beklagten mit der Konsequenz, dass die Voraussetzungen für einen Ausgleichszahlungsanspruch nicht eintreten können, der Beklagten zuzurechnen ist, führt insoweit auch nicht dazu, dass die jeweiligen Fluggäste anspruchslos gestellt werden. Vielmehr steht ihnen insoweit ein normaler Schadensersatz außerhalb der Pauschalsätze von Art. 7 Fluggastrechteverordnung zu, Art. 12 Abs. 1 FluggastrechtVO. Dem jeweiligen Fluggast bleibt es daher offen, einen konkret eingetretenen Schaden darzulegen und geltend zu machen.
II.
Den Klägern steht allerdings hinsichtlich der geltend gemachten Übernachtungskosten ein Schadensersatzanspruch zu. Nach dem weitestgehend unbestrittenen Vortrag der Kläger ist davon auszugehen, dass im konkreten Fall ein Organisationsverschulden der Beklagten vorlag. Insoweit kann der Kläger zu 1), der Übernachtungskosten bezahlte, gemäß § 280 Abs. 1 BGB i.V.m. dem Beförderungsvertrag einen Schadensersatz verlangen. Unstreitig bestand insoweit zwischen den Parteien ein Beförderungsvertrag. Die Beklagte hat insoweit eine Nebenpflicht dieses Vertrages verletzt. Dabei kann ausdrücklich offen bleiben, ob eine Umsteigezeit von 3 Stunden bzw. im vorliegenden Fall planmäßig 3 Stunden und 25 Minuten als sogenannte Minimum-Connection-Time für die Verbindung zwischen den Flughäfen Paris Charles de Gaule und Paris Orly ausreichend ist. Denn selbst wenn man den Vortrag der Beklagten unterstellt, eine Mindestumsteigezeit sei mit 3 Stunden ausreichend gegeben, führt dies im vorliegenden Fall jedenfalls zu einer Pflichtverletzung. Denn im vorliegenden Fall kamen noch zusätzliche Umstände hinzu. So waren an den jeweiligen Schaltern der Beklagten keine Gutscheine bzw. Voucher für den Shuttle-Transfer vorhanden. Die Kläger mussten erst umständlich ein Büro suchen, welches nicht besonders gut ausgewiesen und erkennbar war. Nach einer gewissen Wartezeit mussten sie dann an der Shuttle-Bus-Haltestelle mehrere Busse passieren lassen, weil diese jeweils überfüllt waren. Insoweit hätte die Beklagte zur Verstärkung weitere Busse einsetzen müssen, da für sie erkennbar war, dass eine Vielzahl von Passagieren den Shuttle-Transfer nutzte. Dies hätte ihr jedenfalls aufgrund der Vielzahl der erteilten Gutscheine bewusst sein müssen. Jedenfalls wäre die Beklagte verpflichtet gewesen, an der Haltestelle durch Mitarbeiter überprüfen zu lassen, ob dort besonders eilige Passagiere warten (vgl. Amtsgericht Erding, Urteil vom 5.7.2006, AZ: 4 C 309/06, RRa. 2007, Seite 41 ff, zitiert nach Juris).
Gerade wenn, wie im vorliegenden Fall, die von der Beklagten behauptete Minimum-Connection-Time von 3 Stunden gerade einmal um 25 Minuten überschritten wird, ist eine besondere Sorgfaltspflicht zur Überzeugung des Gerichts auf Seiten der Beklagten zu fordern, da die Einhaltung der Minimum-Connection-Time eben voraussetzt, dass ein reibungsloser Transfer erfolgt. Angesichts der unstreitigen Komplikationen, denen die Kläger ausgesetzt waren, war ein solcher reibungsloser Transfer aber nicht gegeben. Die Beklagte hätte bei dieser nur geringfügigen Überschreitung der Minimum-Connection-Time geeignete Maßnahmen ergreifen müssen, die einen reibungslosen Transfer gewährleisten. Insbesondere hätte sie den Klägern beispielsweise bei Übersendung der Reiseunterlagen bereits die Gutscheine für den Shuttle-Transfer übermitteln müssen. Sie hätte darüber hinaus an der Warteschlange der Shuttle-Bus-Haltestelle geeignete Mitarbeiter einsetzen können, um eilige Passagiere zu finden. Weiterhin hätte sie zusätzliche Busse für den Transfer einsetzen müssen.
Insoweit liegt im konkreten Fall aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalles ein Verschulden der Beklagten gemäß § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB vor. Einen solchen Exkulpationbeweis kann nach dem Vortrag der Beklagten und dem unstreitigen Vortrag der Kläger nicht nachgegangen werden. Die von der Beklagten angebotene Zeugin kann insoweit keine weiteren Ausführungen machen.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.