Urteils-Kommentar zu Verwaltungsgericht Koblenz Urteil, 10. Mai 2021 - 3 K 107/21.KO von Dirk Streifler - Partner
Verwaltungsgericht Koblenz Urteil, 10. Mai 2021 - 3 K 107/21.KO
3 K 107/21.KO
VERWALTUNGSGERICHT
KOBLENZ
URTEIL
IM NAMEN DES VOLKES
In dem Verwaltungsrechtsstreit
***
w e g e n Gesundheitsrechts
hat die 3. Kammer des Verwaltungsgerichts Koblenz aufgrund der Beratung vom
10. Mai 2021, an der teilgenommen haben
Richterin am Verwaltungsgericht
Richter am Verwaltungsgericht
Richter
ehrenamtlicher Richter selbständiger Unternehmer
ehrenamtliche Richterin Hausfrau
für Recht erkannt:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt von dem Beklagten die Erstattung von Entschädigungszahlungen und Sozialversicherungsbeiträgen nach dem Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz
– IfSG –).
Die Klägerin betreibt unter dem Namen „A***“ eine Bäckereikette mit ca. *** Bäckereifilialen in [***] sowie etwa *** Mitarbeitern. Ausweislich der Lohn- und Gehaltsabrechnung vom 03. April 2020 ist bei der Klägerin seit dem 15. August 2017 Frau
B*** als Arbeitnehmerin beschäftigt.
Aufgrund einer infektionsschutzrechtlichen Anordnung nach § 30 IfSG im Bescheid
der Kreisverwaltung des Rhein-Hunsrück-Kreises vom 18. März 2020 befand sich
die als ansteckungsverdächtig eingestufte Frau B*** vom 15. bis zum 29. März 2020
in häuslicher Absonderung.
Unter dem 09. April 2020 beantragte die Klägerin beim Beklagten gemäß § 56 IfSG
die Erstattung von Entschädigungszahlungen in Höhe von 542,43 € brutto, die sie
an Frau B*** während der Absonderungszeit für deren Verdienstausfall geleistet
habe.
Mit Bescheid vom 05. Januar 2021 bewilligte der Beklagte der Klägerin für die Zeit
vom 20. bis zum 29. März 2020 eine Erstattung der an Frau B*** geleisteten Entschädigungszahlungen gemäß § 56 Abs. 1 i. V. m. Abs. 5 IfSG in Höhe von 254,65
€ und von Sozialversicherungsbeiträgen nach § 57 IfSG in Höhe von 152,18 €, mithin eine Erstattung von insgesamt 406,83 €. Im Übrigen wurde der Antrag abgelehnt. Zur Begründung führte der Beklagte aus: Der Anspruch auf Entschädigung
gemäß § 56 Abs. 1 IfSG bestehe erst ab dem sechsten Tag der Absonderung des
Arbeitnehmers. Für die ersten fünf Tage, d. h. vorliegend vom 15. bis zum 19. März
2020, bestehe der Anspruch demgegenüber nicht. Denn gemäß § 616 Bürgerliches
Gesetzbuch (BGB) habe der Arbeitnehmer gegenüber dem Arbeitgeber für diesen
Zeitraum einen Anspruch auf Lohnfortzahlung, da es sich bei einer fünf Tage andauernden Absonderung um eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit handele.
Dieser Anspruch gehe dem Entschädigungsanspruch nach § 56 Abs. 1 IfSG vor,
weil § 616 BGB arbeitsvertraglich nicht abbedungen worden sei.
Dagegen erhob die Klägerin mit Schreiben vom 19. Januar 2021 Widerspruch und
machte geltend, dass die Voraussetzungen für den Erstattungsanspruch vorlägen.
Der Anspruch nach § 616 BGB sei im Verhältnis zu § 56 Abs. 1 IfSG nicht vorrangig,
sondern stelle vielmehr einen Auffangtatbestand dar.
Mit Widerspruchsbescheid vom 28. Januar 2021 wies der Beklagte den Widerspruch mit folgender Begründung zurück: Ein Entschädigungsanspruch setze gemäß § 56 Abs. 1 IfSG einen Verdienstausfall des Arbeitnehmers voraus, der aber
dann nicht gegeben sei, wenn der Arbeitnehmer einen Anspruch gegen seinen Arbeitgeber auf Lohnfortzahlung nach § 616 BGB habe. Die angeordnete Absonderung eines Arbeitnehmers stelle ein subjektives Leistungshindernis dar, welches
nach § 616 BGB den Lohnfortzahlungsanspruch begründe. Aber selbst wenn aufgrund der Vielzahl der während der Corona-Pandemie ergangenen Absonderungsanordnungen ein Vergleich mit einer Naturkatastrophe zu ziehen sei und daher bloß
ein objektives Leistungshindernis angenommen werden könne, müsse hier ausnahmsweise zugunsten der Arbeitnehmer ein Anspruch nach § 616 BGB bestehen.
Daher sei der vorgenommene Abzug des aufgrund des Lohnfortzahlungsanspruchs
vom Arbeitgeber vorrangig zu gewährenden Verdienstes gerechtfertigt. Die Entschädigungsregelung des § 56 IfSG stelle eine reine Billigkeitsentschädigung dar,
die nicht geschaffen worden sei, um die Arbeitgeber zu entlasten.
Mit ihrer am 06. Februar 2021 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren
weiter. Zur Begründung trägt sie ergänzend zu ihrem Vorbringen im Widerspruchsverfahren vor, es habe während der gesamten Dauer der angeordneten vierzehntägigen Absonderung von Frau B*** ein Verdienstausfall im Sinne des § 56 Abs. 1
IfSG vorgelegen. Denn diese habe keinen Anspruch auf Lohnfortzahlung nach §
616 Satz 1 BGB, weil eine Verhinderung von verhältnismäßig nicht erheblicher Zeit
nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sowie der überwiegend im
Schrifttum vertreten Auffassung nur für wenige Tage, nicht mehr aber bei einer Quarantänedauer von zehn bis vierzehn Tagen angenommen werden könne. Da die
Verhinderung ihrer Arbeitnehmerin während der Quarantänedauer somit eine nicht
mehr verhältnismäßig unerhebliche Zeit im Sinne des § 616 Satz 1 BGB darstelle,
entfalle der Anspruch aus dieser Rechtsgrundlage vollständig, sodass der Anwendungsbereich des § 56 Abs. 1 IfSG eröffnet sei. Im Übrigen habe der Beklagte in
Bezug auf eine andere Arbeitnehmerin auf die Anwendung von § 616 BGB verzichtet und dem Erstattungsantrag ohne Abzüge entsprochen, sodass er seine Rechtsauffassung geändert habe.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 05. Januar 2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. Januar 2021 zu verpflichten, ihr
eine weitere Erstattung von 135,60 € zu bewilligen sowie Zinsen hieraus in
Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung wiederholt und vertieft er die Ausführungen im Ausgangs- und Widerspruchsbescheid. Ergänzend weist er darauf hin, dass mit der Entschädigungsregelung kein Schadensersatz zugunsten der Arbeitgeber bezweckt sei, sondern
der Schutz Betroffener vor materieller Not. Der Arbeitgeber trage das allgemeine
Betriebsrisiko. Davon umfasst seien neben Fehlzeiten aufgrund von Krankheit der
Arbeitnehmer auch solche aufgrund von Absonderungsanordnungen während einer
Pandemie. Dass in Bezug auf eine andere Arbeitnehmerin der Klägerin die Erstat-
tung in voller Höhe gewährt worden sei, sei allein dem Umstand geschuldet, dass
die Klägerin bei der Antragstellung im dortigen Fall angegeben habe, bezüglich dieser Mitarbeitern die Lohnfortzahlung nach § 616 BGB arbeitsvertraglich abbedungen zu haben. Dies sei hier jedoch nicht geschehen.
Mit Schreiben vom 17. und 22. März 2021 haben die Beteiligten ihr Einverständnis
mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der
Schriftsätze der Beteiligten sowie der vorgelegten Verwaltungsvorgänge des Be-
klagten verwiesen. Sämtliche Unterlagen sind Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage, über die aufgrund des Einverständnisses der Beteiligten gemäß § 101
Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ohne mündliche Verhandlung entschieden werden kann, hat keinen Erfolg.
Der Verwaltungsrechtsweg ist nach § 68 Abs. 1 Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz – IfSG –)
eröffnet und das angerufene Gericht ist gemäß § 52 Nr. 3 Satz 2 1. Variante und
Satz 5 VwGO örtlich zuständig.
Die auch im Übrigen zulässige Klage ist als Verpflichtungsklage gemäß § 42 Abs. 1
Alt. 2 VwGO statthaft. Denn bei einer verständigen Würdigung des Begehrens der
Klägerin gemäß § 88 VwGO zielt ihr Antrag in Bezug auf die begehrten Erstattungszahlungen auf den Erlass eines konkret bezifferten Leistungsbescheids ab
(vgl. auch Kümper, in: Kießling, Infektionsschutzgesetz, 1. Auflage 2020, § 68 Rn. 4
m. w. N.). Darüber hinaus ist hinsichtlich der von der Klägerin in entsprechender
Anwendung von § 291 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) außerdem begehrten
Prozesszinsen in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt,
dass die Rechtshängigkeit einer Geldschuld im Sinne von § 291 Satz 1 BGB im
öffentlichen Recht nicht nur bei Klagen auf Verurteilung zur Zahlung einer bezifferten Geldforderung eintritt, sondern auch bei Klagen, die auf Verpflichtung der Behörde zum Erlass eines die Zahlung einer bestimmten Geldforderung unmittelbar
auslösenden Verwaltungsakts gerichtet sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Juni 1995
– 11 C 22.94 –, juris, Rn. 10 m. w. N.). Von daher ist der hier angekündigte, auf
Zahlung gerichtete Leistungsantrag entsprechend als Verpflichtungsantrag auszulegen.
Die Klage ist jedoch unbegründet.
Der Bescheid des Beklagten vom 05. Januar 2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. Januar 2021 verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten; sie hat
gegen den Beklagten keinen Anspruch auf weitere Erstattung von Entschädigungszahlungen und von Sozialversicherungsbeiträgen in Höhe von insgesamt 135,60 €
(vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
Als Rechtsgrundlage für die von der Klägerin begehrten Erstattungszahlungen infolge einer behördlich angeordneten Absonderung ihrer als ansteckungsverdächtig
eingestuften Arbeitnehmerin, Frau B***, kommen im vorliegenden verwaltungsgerichtlichen Verfahren allein die § 56 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 5 Satz 3, § 57 Abs. 1
Satz 3 2. Halbsatz IfSG in Betracht. Nach § 56 Abs. 1 Satz 2 IfSG erhält eine Entschädigung in Geld unter anderem, wer auf Grund des Infektionsschutzgesetzes als
Ansteckungsverdächtiger nach § 30 IfSG abgesondert wird oder sich auf Grund einer nach § 36 Abs. 8 Satz 1 Nummer 1 IfSG erlassenen Rechtsverordnung absondert. Diese Entschädigung hat der Arbeitgeber dem abgesonderten Arbeitnehmer
für die Dauer des Arbeitsverhältnisses, längstens für sechs Wochen, für die zuständige Behörde auszuzahlen, § 56 Abs. 5 Satz 1 IfSG. Die ausgezahlten Beträge werden dem Arbeitgeber gemäß § 56 Abs. 5 Satz 3 IfSG auf Antrag von dem Land
erstattet, in dem das Absonderungsgebot angeordnet oder erlassen wurde oder in
dem die Absonderung auf Grund einer nach § 36 Abs. 8 Satz 1 Nr. 1 IfSG erlassenen Rechtsverordnung vorgenommen wurde, § 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 IfSG. Da für
abgesonderte Personen gemäß § 57 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 IfSG die Sozialversicherungspflicht fortbesteht, hat das Land dem Arbeitgeber auf Antrag auch
die Sozialversicherungsbeiträge zu erstatten, sofern dieser für das Land gemäß §
56 Abs. 5 Satz 1 IfSG die Entschädigung ausgezahlt hat, § 57 Abs. 1 Satz 4 2.
Halbsatz und Abs. 2 Satz 2 IfSG.
Die Voraussetzungen dieser Rechtsgrundlagen liegen indes nicht vor. Diese verlangen für einen Anspruch des Arbeitgebers auf Erstattung von geleisteten Entschädigungszahlungen und von Sozialversicherungsbeiträgen ausweislich des gesetzlichen Wortlauts einen Verdienstausfall des abgesonderten Arbeitnehmers. Die in
der Zeit vom 15. bis 29. März 2020 abgesonderte Arbeitnehmerin der Klägerin, Frau
B***, hat während ihrer Absonderung jedoch keinen Verdienstausfall erlitten.
Unter welchen Voraussetzungen ein Verdienstausfall dem Grunde nach anzunehmen ist, hat der Gesetzgeber im Infektionsschutzgesetz nicht näher definiert. Ein
Verdienstausfall liegt aber jedenfalls nicht vor, wenn dem Arbeitnehmer trotz seiner
Verhinderung an der Ausübung seiner Tätigkeit gegen seinen Arbeitgeber ein Lohnfortzahlungsanspruch zusteht. Ein solcher Lohnfortzahlungsanspruch kann sich
grundsätzlich unter anderem aus § 616 Satz 1 BGB ergeben (vgl. BGH, Urteile vom
30. November 1978 – III ZR 43/77 – und vom 01. Februar 1979 – III ZR 88/77 –,
jeweils zitiert nach juris zur Vorgängervorschrift des § 56 Abs. 1 IfSG im Bundesseuchengesetz, das zum 01. Januar 2001 durch das IfSG ersetzt wurde; LG Münster, Urteil vom 15. April 2021 – 8 O 345/20 –, juris). Dies ist vorliegend der Fall. Der
Arbeitnehmerin der Klägerin, Frau B***, stand während der Zeit ihrer Absonderung
vom 15. bis zum 29. März 2020 gegen die Klägerin ein Lohnfortzahlungsanspruch
aus § 616 Satz 1 BGB zu.
Zunächst ergibt sich weder aus den vorgelegten Unterlagen noch aus dem Vorbringen der Klägerin, dass in dem mit Frau B*** geschlossenen Arbeitsvertrag der Lohnfortzahlungsanspruch aus § 616 Satz 1 BGB abbedungen wurde. Von daher ist die
Anwendbarkeit von § 616 Satz 1 BGB mangels sonstiger entgegenstehender Anhaltspunkte im vorliegenden Fall nicht von vornherein ausgeschlossen. Auch liegen
die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Regelung vor.
Danach wird der zur Dienstleistung Verpflichtete des Anspruchs auf die Vergütung
nicht dadurch verlustig, dass er für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit durch
einen in seiner Person liegenden Grund ohne sein Verschulden an der Dienstleistung verhindert wird. Erfasst werden angesichts des Wortlauts „einen in seiner Person liegenden Grund“ nur subjektive Leistungshindernisse. Sie brauchen nicht auf
den persönlichen Eigenschaften des Arbeitnehmers beruhen. Ausreichend ist,
wenn sie sich aus seinen persönlichen Verhältnissen bzw. Lebensumständen ergeben (Henssler, in: Münchener Kommentar zum BGB, 8. Auflage 2020, § 616,
Rn. 19). Nicht erfasst sind demgegenüber objektive Leistungshindernisse, die betriebsbezogen sind und sich auf einen größeren Kreis von Arbeitnehmern beziehen
(vgl. BGH, Urteil vom 30. November 1978, a. a. O.).
Gemessen daran handelt es sich bei der behördlichen Absonderungsanordnung,
die aufgrund eines Ansteckungsverdachts der Arbeitnehmerin der Klägerin ergangen ist, um ein subjektives Leistungshindernis. Zwar besteht während einer Pandemie die nicht fernliegende Wahrscheinlichkeit, „Corona-ansteckungsverdächtig“ und
in der Folge abgesondert zu werden, für eine Vielzahl von Personen. Zudem zielt
die Absonderung auf den Schutz der Allgemeinheit ab. Dies allein genügt für die
Annahme eines objektiven Leistungshindernisses jedoch nicht. Andernfalls bstünde während einer Pandemie, die schwankende Infektionszahlen und unterschiedlich stark durchseuchte Gebiete mit sich bringen kann, erhebliche Rechtsunsicherheit, in welchem Gebiet und bei welchen Infektionszahlen wegen hoher Wahrscheinlichkeit, als ansteckungsverdächtig eingestuft zu werden, die Arbeitsverhinderung infolge einer Absonderung von einem subjektiven zu einem objektiven Leistungshindernis wird. Für die Abgrenzung zwischen subjektivem und objektivem
Leistungshindernis kommt es daher nicht auf den Grund für die Absonderung, sondern den Grund für das Arbeitshindernis an. Letzteres ist im Falle einer Absonderungsanordnung in der Person des abgesonderten Arbeitnehmers begründet. Allein
aufgrund der in seiner Person bestehenden Gefahr, wegen des vorherigen Kontakts
zu einer nachgewiesenermaßen infizierten Person ansteckungsverdächtig zu sein,
besteht das Arbeitshindernis (so auch BGH, Urteil vom 30. November 1978,
a. a. O.; LG Hannover, Urteil vom 05. Mai 1976 – 11 S 370/75 –, NJW 1976, 2306
ff.; Hohenstatt/Krois, NZA 2020, 413 (414 f.), m. w. N.; Henssler, a. a. O., Rn. 25;
Eufinger, DB 2020, 1121 (1123); Stöß/Putzer, NJW 2020, 1465 (1467 f.);
Eckart/Kruse, in: Beck’scher Online-Kommentar, Infektionsschutzrecht, Stand: 01.
Mai 2021, § 56, Rn. 36 ff.; a. A. Weller/Lieberknecht/Habrich, NJW 2020, 1017
(1019) und Kraayvanger/Schrader, NZA-RR 2020, 623 (626)).
Darüber hinaus stellt die aufgrund der Absonderung eingetretene Dauer der Arbeitsverhinderung der Arbeitnehmerin der Klägerin von vierzehn Tagen noch eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit im Sinne des § 616 Satz 1 BGB dar.
Wie der unbestimmte Rechtsbegriff der „verhältnismäßig nicht erhebliche[n] Zeit“ zu
konkretisieren ist, ist umstritten. Aus dem Wortlaut des § 616 Satz 1 BGB „verhältnismäßig“ folgt zunächst, dass eine Festlegung auf eine feste Tageszahl wegen der
Verschiedenartigkeit der in Betracht kommenden Sachverhalte nicht möglich ist
(vgl. Motive, Band II, § 562 BGB, Seite 464). Im Schrifttum wird zur Bestimmung der
nicht erheblichen Zeit überwiegend vertreten, dass die Dauer des Arbeits- bzw.
Dienstverhältnisses zur Dauer der Arbeitsverhinderung ins Verhältnis zu setzen ist
(vgl. Henssler, a. a. O., Rn. 66, m. w. N.). Daher werden bei langjährigen Arbeits bzw. Dienstverhältnissen selbst größere Zeiträume noch als unerheblich angesehen. Andererseits wird eine ereignisbezogene Festlegung der Erheblichkeit der Verhinderungszeit anhand der Art des Leistungshindernisses für vorzugswürdig erachtet (so Henssler, a. a. O., Rn. 68 m. w. N.; Rieble, in: Staudinger/Oetker, BGB,
Neubearbeitung 2019, § 616 Rn. 101, m. w. N.). Bei dieser ereignisbezogenen
Betrachtung wird die Erheblichkeit der Verhinderungszeit allein nach dem zur Arbeitsverhinderung führenden Grund sowie danach beurteilt, ob der Arbeitgeber erfahrungsgemäß mit einer derartigen Nichtleistung über einen bestimmten Zeitraum
rechnen konnte. Danach sei § 616 Satz 1 BGB auf Anlässe zu begrenzen, die lediglich wenige Tage andauerten, wobei die nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz für
erkrankte Arbeitnehmer geltende Sechs-Wochen-Frist grundsätzlich nicht als Maßstab herangezogen werden könne (Rieble, a. a. O., Rn. 102).
Eine absolute Höchstgrenze sah demgegenüber § 616 BGB in der Fassung vom
28. August 1975 für bestimmte Fälle vor. Nach der Regelung im damaligen Absatz 2
Satz 2, die nunmehr ihren Niederschlag im Entgeltfortzahlungsgesetz gefunden hat,
galt bei Angestellten für den Krankheitsfall sowie für die Fälle der Sterilisation und
des Abbruchs der Schwangerschaft durch einen Arzt eine Zeit von sechs Wochen
als verhältnismäßig nicht erheblich, wenn nicht durch Tarifvertrag eine andere
Dauer bestimmt war. Vor diesem Hintergrund hat der Bundesgerichtshof im Jahr
1978 im Falle eines sechs Wochen andauernden Tätigkeitsverbots nach dem seinerzeit geltenden Bundesseuchengesetz entschieden, dass als nicht erhebliche
Zeitspanne zwar nur wenige Tage in Betracht kämen, das der Entscheidung zugrunde liegende sechswöchige Tätigkeitsverbot in Anlehnung an die für Erkrankungen geltende Sechs-Wochen-Frist aber jedenfalls bei einem länger andauernden
unbefristeten und ungekündigten Arbeitsverhältnis grundsätzlich als Grenze einer
verhältnismäßig nicht erheblichen Zeit anzusehen sei (Urteil vom 30. November
1978, a. a. O.). Dies hat der Bundesgerichtshof damit begründet, dass die Arbeitsverhinderung eines von einem seuchenrechtlichen Tätigkeitsverbot betroffenen
Ausscheiders ihrem Wesen nach einer Verhinderung durch Krankheit nahekomme.
Neben einer maximalen Verhinderungsdauer von sechs Wochen berücksichtigt der
Bundesgerichtshof für die Beurteilung, ob die Verhinderung nicht erheblich ist, zudem die Eigenart der Verhinderung sowie die Eigenart und Dauer des Arbeits- bzw.
Dienstverhältnisses. Auch das Bundesarbeitsgericht hält eine Lohnfortzahlungspflicht des Arbeitgebers für nur wenige Tage für gegeben und zieht die absolute
Höchstgrenze einer als nicht erheblich geltenden Verhinderung bei sechs Wochen
(BAG, Urteil vom 20. Juli 1977 – 5 AZR 325/76 –, juris, Rn. 12).
Unter Berücksichtigung aller vorgenannten Erwägungen gelangt die Kammer zu
dem Ergebnis, dass bei der Beurteilung, ob es sich bei einer vierzehntägigen Arbeitsverhinderung infolge der Absonderung um eine nicht verhältnismäßige Zeit
handelt, angesichts des gesetzlichen Wortlauts „verhältnismäßig“ in erster Linie das
Verhältnis zwischen Dauer des Arbeits- bzw. Dienstverhältnisses und Dauer der
Arbeitsverhinderung maßgeblich ist. Dabei erachtet die Kammer jedenfalls bei einer
Beschäftigungsdauer von mindestens einem Jahr grundsätzlich eine höchstens
vierzehn Tage andauernde Arbeitsverhinderung infolge einer Absonderung noch als
nicht erhebliche Zeit im Sinne des § 616 Satz 1 BGB (so auch Klappstein, in: Dauner-Lieb/Langen, BGB Schuldrecht, 4. Auflage 2021, § 616, Rn. 17 m. w. N.; Riesenhuber, in: Ermann, BGB Kommentar, 16. Auflage 2020, § 616, Rn. 51 m. w. N.;
Oetker, a. a. O., Rn. 106 m. w. N.; BGH, Urteil vom 30. November 1978, a. a. O.;
LG Hannover, Urteil vom 05. Mai 1976, a. a. O.; wohl auch Eufinger, DB 2020,
1121 ff.; a. A. LG Münster, Urteil vom 15. April 2021 – 8 O 345/20 –, juris, Rn. 26
zu § 56 IfSG; Preis, in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 21. Auflage 2021,
§ 616 BGB, Rn. 10 ff.; Hohenstatt/Krois, a. a. O.; Stöß/Putzer, NJW 2020, 1465 ff.;
Preis/Mazurek/Schmid, NZA 2020, 1137 ff.). In einem zweiten Schritt ist sodann zu
prüfen, ob die aus dem Verhältnis zwischen der Dauer des Arbeits- bzw. Dienstverhältnisses und der Dauer der Arbeitsverhinderung ermittelte verhältnismäßig unehebliche Verhinderungszeit aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalls wie der
Eigenart der Verhinderung oder des Arbeits- bzw. Dienstverhältnisses rechtlich anders zu beurteilen ist, etwa weil die arbeitnehmerseitige Verhinderung aufgrund ihrer Eigenart für den Arbeitgeber unvorhersehbar war.
Ausweislich der von der Klägerin beim Beklagten im Rahmen der Antragstellung
vorgelegten Lohn- und Gehaltsabrechnung vom 03. April 2020 ist die Arbeitnehmerin, Frau B***, bei der Klägerin bereits seit dem 15. August 2017 und damit deutlich
länger als ein Jahr beschäftigt. Von daher überschreitet ihre zweiwöchige Verhinderung die Erheblichkeitsschwelle des § 616 Satz 1 BGB nicht.
Dieses Ergebnis bedarf vorliegend auch nicht aufgrund der Eigenart der Verhinderung und des Arbeits- bzw. Dienstverhältnisses einer Korrektur. Aus dem Arbeitsverhältnis zwischen der Klägerin und ihrer Mitarbeiterin sind keine Besonderheiten
ersichtlich. Aber auch die Eigenart der Arbeitsverhinderung, die hier in der Absonderung aufgrund festgestellten Ansteckungsverdachts besteht, rechtfertigt keine adere rechtliche Beurteilung. Bereits der Bundesgerichtshof stellte, wie dargelegt, in
Bezug auf Ausscheider – dies sind Personen, die Krankheitserreger ausscheiden
und dadurch eine Ansteckungsquelle für die Allgemeinheit sein können, ohne krank
oder krankheitsverdächtig zu sein – fest, dass eine Arbeitsverhinderung solcher
Personen einer Verhinderung von erkrankten Arbeitnehmern nahekommt. Nichts
anderes gilt für Ansteckungsverdächtige, die infektionsschutzrechtlich mit Ausscheidern weitestgehend gleichgestellt werden. Der Gesetzgeber des Infektionsschutzgesetzes, welcher die Entschädigungsregelungen des davor geltenden Bundesseuchengesetzes im Wesentlichen übernommen hat (vgl. BT-Drucksache 14/2530,
Seite 88), bezweckt mit der Entschädigung der von Tätigkeitsverboten oder Absonderungen betroffenen Ausscheidern, Ansteckungsverdächtigen, Krankheitsverdächtigen oder sonstigen Trägern von Krankheitserregern, diese Personen in finanzieller Hinsicht mit Kranken gleichzustellen (vgl. BT-Drucksache III/1888, Seite 27
zum Bundesseuchengesetz). Muss der Arbeitgeber bzw. Dienstberechtigte somit
damit rechnen, im Falle der Krankheit seiner Arbeitnehmer bzw. Dienstverpflichteten mehrere Wochen Lohnfortzahlung gewähren zu müssen, ist für ihn das Risiko,
auch im Falle eines Ansteckungsverdachts seiner Arbeitnehmer bzw. Dienstverpflichteten die Vergütung bei einem mindestens ein Jahr andauernden Beschäftigungsverhältnis für zwei Wochen weiterzahlen zu müssen, grundsätzlich kalkulierbar. Denn es kann vom bloßen Zufall abhängen, ob eine mit Krankheitserregern
infizierte Person Symptome entwickelt und dadurch arbeitsunfähig erkrankt oder ob
die Infektion symptomfrei verläuft und die Ausübung der Tätigkeit tatsächlich möglich bleibt. Eine Absonderungszeit von zwei Wochen erscheint auch nicht atypisch
lang. Diese richtet sich regelmäßig nach der jeweiligen Inkubationszeit, die bei einigen Krankheitserregern nicht selten zwei Wochen bzw. beispielsweise bei einem
grippalen Infekt zwei bis vierzehn Tage betragen kann. Zudem hat der Arbeitgeber
bzw. Dienstberechtigte die Möglichkeit, § 616 Satz 1 BGB arbeitsvertraglich abzubedingen, um das Risiko einer Lohnfortzahlung im Falle von Absonderungen ausschließen zu können.
Gegen dieses Ergebnis sprechen auch nicht etwa teleologische Erwägungen. So
wird der Anwendung von § 616 Satz 1 BGB auf zweiwöchige Absonderungen teilweise entgegengehalten, dass § 56 IfSG keinen eigenen Anwendungsbereich hätte,
würde im Falle von regelmäßig zwei Wochen andauernden Absonderungen stets
ein Lohnfortzahlungsanspruch gemäß § 616 Satz 1 BGB bestehen (so etwa Preis,
a. a. O.). Dies überzeugt jedoch nicht. Denn es verbleibt ein eigenständiger Anwendungsbereich für von vornherein auf unter ein Jahr befristete Arbeitsbzw. Dienstverhältnisse bzw. für unbefristete Beschäftigungsverhältnisse, die erst
kürzer als ein Jahr andauern, sowie für Fälle, in denen der Lohnfortzahlungsanspruch gemäß § 616 Satz 1 arbeits- bzw. tarifvertraglich abbedungen worden ist.
Darüber hinaus kommt § 56 Absätze 1 und 5 IfSG dann zum Tragen, wenn ein
Lohnfortzahlungsanspruch nach § 616 Satz 1 BGB nicht besteht, etwa weil die Absonderungszeit erheblich länger als zwei Wochen beträgt und das Beschäftigungsverhältnis im Verhältnis dazu nicht so lange andauert, dass die Verhinderungszeit
noch als verhältnismäßig unerheblich angesehen werden kann. Teilweise wird die
Anwendung von § 616 Satz 1 BGB während einer Pandemie zulasten des Arbeitgebers bzw. Dienstberechtigten zudem als unbillig empfunden (so etwa Eufinger,
a. a. O.). Dieser Auffassung vermag sich die Kammer ebenfalls nicht anzuschließen. Hintergrund für die Gewährung der infektionsschutzrechtlichen Billigkeitsentschädigung zugunsten von Arbeitnehmern und Dienstberechtigten ist die Tatsache,
dass Ausscheider bzw. Abgesonderte ohne Verschulden eine Gefährdung der Allgemeinheit darstellen und dass zur Abwendung dieser Gefahr ein schwerwiegender
Eingriff in ihre persönliche Freiheitssphäre erforderlich ist (Sitzungsprotokoll des
Deutschen Bundesrats 1960, 215. Sitzung zur Vorgängerregelung des § 56 IfSG im
Bundesseuchengesetz). In dieser Lage will der Staat den Betroffenen eine gewisse
Sicherung vor materieller Not bieten (BT‑Drucksache III/2662 zum Bundesseuchengesetz). Es war mit dieser Regelung aber nicht bezweckt, den Arbeitgebern
bzw. Dienstberechtigten einen Schadensausgleich zu gewähren. Vielmehr werden
diese hinreichend über die Tatbestandsvoraussetzung der „verhältnismäßig nicht
erhebliche[n] Zeit“ in § 616 Satz 1 BGB sowie der Möglichkeit zum arbeits- bzw.
tarifvertraglichen Ausschluss von § 616 Satz 1 BGB geschützt.
Hat die Klägerin gegen den Beklagten somit keinen Anspruch auf Erstattung von
Entschädigungszahlungen und Sozialversicherungsbeiträgen, steht ihr auch der außerdem geltend gemachte Zinsanspruch entsprechend § 291 Satz 1 BGB nicht zu.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten beruht auf § 167 VwGO.
Die Berufung war nach § 124a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO wegen
grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen, da die Frage, ob § 616 Satz 1 BGB im Falle
von zwei Wochen andauernden Absonderungen von Arbeitnehmern Anwendung
findet und demnach einer Entschädigung nach § 56 Abs. 1 IfSG entgegensteht, in
der obergerichtlichen Rechtsprechung noch nicht geklärt ist.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diese Entscheidung steht den Beteiligten die Berufung an das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz zu.
Die Berufung ist bei dem Verwaltungsgericht Koblenz, Deinhardpassage 1, 56068
Koblenz, innerhalb eines Monats nach Zustellung dieser Entscheidung schriftlich
oder nach Maßgabe des § 55a VwGO als elektronisches Dokument einzulegen. Die
Berufung muss die angefochtene Entscheidung bezeichnen.
Die Berufung ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung der Entscheidung
zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der
Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz, Deinhardpassage 1, 56068 Koblenz, schriftlich oder nach Maßgabe des § 55a VwGO als
elektronisches Dokument einzureichen.
Die Berufungsbegründung muss einen bestimmten Antrag sowie die im Einzelnen
anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe) enthalten.
Die Einlegung und die Begründung der Berufung müssen durch einen Rechtsanwalt oder eine sonstige nach Maßgabe des § 67 VwGO vertretungsbefugte
Person oder Organisation erfolgen.
gez. gez. gez.
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Beschluss
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 135,60 € festgesetzt (§§ 52, 63 Abs. 2
GKG).
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diese Entscheidung steht den Beteiligten und den sonst von der Entscheidung Betroffenen die Beschwerde an das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz
zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200,00 € übersteigt.
Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung zur Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich
anderweitig erledigt hat, eingelegt wird.
Die Beschwerde ist bei dem Verwaltungsgericht Koblenz, Deinhardpassage 1,
56068 Koblenz, schriftlich, nach Maßgabe des § 55a VwGO als elektronisches Dokument oder zu Protokoll der Geschäftsstelle einzulegen.
gez. *** gez. *** gez. ***
Arbeitnehmer und Arbeitgeber werden in der Coronakriese vor viele arbeitsrechtliche Fragen gestellt. Den Gerichten kommt die Aufgabe zu diese zu beantworten. So musste sich das Verwaltungsgericht (VG) Koblenz im Mai 2021 mit der Frage auseinandersetzen, ob ein Arbeitgeber Erstattung seiner Entgeltfortzahlung für einen Arbeitnehmer verlangen kann, wenn dieser sich infolge einer behördlichen Anordnung, zwei Wochen in häuslicher Quarantäne befand.
Streifler&Kollegen - Rechtsanwälte Berlin
Was war streitgegenständlich?
Die Klägerin ist Betreiberin einer Bäckereikette. Da ihre ansteckungsverdächtige Angestellte für zwei Wochen in häusliche Quarantäne geschickt wurde, verlangte sie die Erstattung von Entschädigungszahlungen i.H.v. 542, 43 Euro brutto, die sie während des Verdienstausfalls an ihre Angestellte leistete. Das Land Rheinland-Pfalz erstattete auf ihren Antrag hin jedoch lediglich die Kosten für 9 Tage der 14-tätigen Quarantäne. Zur Begründung führte das Land aus, dass der Arbeitgeber in den ersten 5 Tagen zur Lohnfortzahlung nach § 616 BGB verpflichtet sei. Hiergegen reichte die Klägerin zunächst Widerspruch und anschließend Klage ein.
Kein Verdienstausfall, da § 616 S. 1 BGB einschlägig ist
Das Verwaltungsgericht Koblenz wies die Klage als unbegründet ab. Die Angestellte habe auch nach Ansicht der Richter keinen Verdienstausfall erlitten. Zwar habe der Gesetzgeber im Infektionsschutzgesetz nicht näher definiert, unter welchen Voraussetzungen ein Verdienstausfall anzunehmen ist, dieser sei jedenfalls dann zu verneinen, wenn dem Arbeitnehmer ein Lohnfortzahlungsanspruch zusteht. Dieser ergebe sich – wie das Land Rheinland-Pfalz bereits festgestellt hat – aus § 616 BGB.
Ausschluss des § 616 BGB im Arbeitsvertrag möglich
Wenn Arbeitnehmer für eine verhältnismäßig unerhebliche Zeit an der Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit, aus einen in ihrer Person liegenden Grund verhindert sind, müssen Arbeitgeber nach § 616 BGB deren Arbeitslohn weiterzahlen. Zwar kann der Arbeitgeber die Anwendung des § 616 BGB in dem Arbeitsvertrag ausschließen. Vorliegend ist Ausschluss jedoch nicht vereinbart worden.
Quarantäne stellt einen subjektiven Leistungshindernis i.S.v. § 616 BGB dar
Die Richter führen aus, dass ausschließlich subjektive Leistungshindernisse erfasst werden und diese sich nicht aus den persönlichen Eigenschaften des Arbeitnehmers ergeben müssen. Vielmehr sei ausreichend, wenn sie sich aus den persönlichen Lebensumständen ergeben. Für eine Abgrenzung zwischen einem objektiven und einem subjektiven Leistungshindernis ist nicht der Grund für die Quarantäne, sondern der Grund für das Arbeitshindernis entscheidend. Der Grund für das Arbeitshindernis sei, so die Richter, in der Person des Arbeitnehmers begründet. Das Arbeitshindernis besteht nämlich aufgrund der in der Person des Arbeitnehmers liegenden Gefahr „wegen des vorherigen Kontakts zu einer nachgewiesenermaßen infizierten Person ansteckungsverdächtig zu sein“.
14 Tage sind eine „verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit“
Schließlich macht das VG Koblenz Ausführungen zu dem unbestimmten Rechtsbegriff der „verhältnismäßig nicht erheblichen Zeit“ i.S.v. § 616 S. 1 BGB. Hier suggeriere das Wort „verhältnismäßig“, dass es immer auf die Umstände des Einzelfalles ankommt. Eine Festlegung auf eine bestimmte Tagesanzahl sei aufgrund der unterschiedlichen in Betracht kommenden Sachverhalte nicht möglich. Zur Beurteilung der Frage der Verhältnismäßigkeit sei das Verhältnis zwischen Dauer des Arbeits- bzw. Dienstverhältnisses und Dauer der Arbeitsverhinderung maßgeblich.
Vorliegend kommt das Gericht zu dem Schluss, dass bei einem Beschäftigungsverhältnis, das mindestens ein Jahr andauert, eine 14 Tage andauernde Absonderung (Quarantäne) noch keine verhältnismäßig erhebliche Zeit i.S.d. § 616 BGB darstellt. Im Ergebnis sprach das VG Koblenz der Klägerin auch den Entschädigungsanspruch für die, eigentlich vom Land Rheinland-Pfalz bewilligten 9 Tage, ab.
Anders entschied das VG Bayreuth (Urt. v. 05.05.21, Az.: B 7 K 21.210). Das Gericht versteht unter einer "verhältnismäßig nicht erheblichen Zeit", lediglich wenige Tage, so dass der Klägerin eine Entschädigung in Höhe der vollen 14 Tage zusprach. Lesen Sie hier das Urteil.
Fazit
Es besteht weiterhin Unsicherheit im Umgang mit arbeitsrechtlichen Fragen. Die Entscheidung des VG Koblenz ist insofern hilfreich, als dass sie auf die Möglichkeit eines Ausschlusses des § 616 BGB im Arbeitsvertrag hinweist. Nur wenn ein solcher Ausschluss besteht, ist die Durchsetzung der Entschädigungsansprüche aus § 56 IfSG weitgehend unproblematisch.
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Rechtsanwalt
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Tenor
1. Der Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin eine weitere Verdienstausfallentschädigung nebst Sozialabgaben in Höhe von insgesamt 280,16 EUR zu erstatten.
Der Bescheid der Regierung von Oberfranken vom 29.01.2021 wird aufgehoben, soweit er dem entgegensteht.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 v. H. des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 v. H. des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Verpflichtung des Beklagten, ihr eine weitere Entschädigung für den Verdienstausfall ihrer Angestellten Frau …S … infolge behördlich angeordneter Quarantäne zu gewähr
Die Klägerin ist Arbeitgeberin von Frau …S … Frau S … blieb vom 12.04.2020 bis einschließlich 26.04.2020 der Arbeit fern, weil das Landratsamt … zunächst mündlich am 12.04.2020 und nochmals mit Bescheid vom 14.04.2020 für diesen Zeitraum auf Grund von § 28 Abs. 1 und § 30 Abs. 1 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) die Quarantäne aufgrund eines vorangegangenen engen Kontakts mit einer Covid-19-positiven Person angeordnet hatte.
Mit Antrag vom 18.06.2020 beantragte die Klägerin bei der Regierung von Oberfranken eine Verdienstausfallentschädigung nach § 56 IfSG für den Zeitraum der quarantänebedingten Abwesenheit von Frau S … vom 12.04.2020 bis 26.04.2020. Unter Ziffer 3 „Lohnfortzahlung“ wurden keine Angaben zu einem Anspruch auf Lohnfortzahlung durch den Arbeitgeber gemacht; bei der Angabe „Die/Der Betroffene hat einen Lohnfortzahlungsanspruch nach § 616 BGB“ wurde weder „Ja“ noch „Nein“ angekreuzt.
Mit Bescheid vom 29.01.2021 kam die Regierung von Oberfranken dem Antrag insoweit nach, als dass sie der Klägerin eine Verdienstausfallentschädigung in Höhe von 770,43 EUR erstattete.
Zur Begründung führte die Behörde im Wesentlichen aus, dass ein Verdienstausfall vorliege, wenn für die Dauer der Quarantäne kein Anspruch auf Lohnfortzahlung aufgrund einer anderen gesetzlichen oder tariflichen Bestimmung bestehe.
Anspruch auf Entschädigung bestehe für die Zeit vom 16.04.2020 bis 26.04.2020. Gemäß den Angaben im Antrag der Klägerin bestehe seitens der Arbeitnehmerin ein Anspruch auf Lohnfortzahlung gemäß § 616 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB). Für die Berechnung der Entschädigung sei die in § 616 BGB genannte „nicht erhebliche Zeit“ mit vier Tagen festgesetzt worden, so dass die Entschädigung ab dem fünften Tag der Absonderung gewährt werde.
Der Verdienstausfall betrage 491,49 EUR. Die Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteile der Sozialversicherungsbeiträge würden in Höhe von 278,94 EUR erstattet.
Der Bescheid wurde der Klägerin per E-Mail am 29.01.2021 übersandt.
Mit am 24.02.2021 beim Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth eingegangenem Schreiben erhob die Klägerin hiergegen „Einspruch“.
Ihre Mitarbeiterin Frau …S … sei vom örtlichen Gesundheitsamt in der Zeit vom 13.04.2020 bis 26.04.2020 in Quarantäne beordert worden. Es bestehe keine Lohnfortzahlung nach § 616 BGB. Die Klägerin bitte, den Verdienstausfall in beantragter Höhe zu erstatten.
Unter dem 24.03.2021 beantragte die Regierung von Oberfranken für den Beklagten,
die Klage abzuweisen.
Mit der Klage richte sich die Klägerin nach Vermutung des Beklagten dagegen, dass bei der Berechnung der Entschädigung nicht der volle Zeitraum der Absonderung berücksichtigt worden sei. Tatsächlich sei aufgrund der Anwendung des § 616 Satz 1 BGB für die Berechnung lediglich der Zeitraum 20. (gemeint wohl: 16.)04.2020 - 26.04.2020 berücksichtigt worden. Es sei damit ein Abzug von vier Tagen erfolgt.
Die Klage sei unbegründet. Frau S … habe sich ausweislich des vorgelegten Quarantänebescheids vom 16. (gemeint wohl: 12.)04.2020 bis zum 26.04.2020 als Ansteckungsverdächtige in häuslicher Quarantäne befunden. Sie sei damit gem. § 56 Abs. 1 Satz 2 IfSG grundsätzlich anspruchsberechtigt, soweit sie durch die Absonderung einen Verdienstausfall erlitten habe. Die Arbeitnehmerin der Klägerin habe einen Verdienstausfall nur im Zeitraum 20. (gemeint wohl: 16.)04.2020 bis 26.04.2020 erlitten. Nach dem aus § 614 BGB ableitbaren Grundsatz „ohne Arbeit kein Lohn“ bestehe ein Anspruch auf Vergütung dann nicht, wenn der Arbeitnehmer die von ihm geschuldete Leistung nicht erbringe. Insoweit liege ein Verdienstausfall auf Seiten des Arbeitnehmers vor.
Die Vorschrift des § 616 Satz 1 BGB bestimme indes, dass der zur Dienstleistung Verpflichtete des Anspruchs auf die Vergütung nicht dadurch verlustig wird, dass er für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit durch einen in seiner Person liegenden Grund ohne sein Verschulden an der Dienstleistung verhindert wird. Nach Auffassung des Beklagten handele es sich bei einer gegenüber einer bestimmten Person ausgesprochenen infektionsschutzrechtlich begründeten Absonderung gem. § 28 Abs. 1 i.V.m. § 30 Abs. 1 IfSG um einen in der Person des Betroffenen liegenden Grund. Aufgrund der Absonderung sei der Betroffene regelmäßig daran gehindert, seine Arbeitsleistung zu erbringen. Ein Verschulden eines von einer solchen infektionsschutzrechtlichen Maßnahme Betroffenen könne in einer pandemischen Lage wie der aktuell aufgrund der Verbreitung des SARS-CoV-2-Virus bestehenden nicht angenommen werden. Regelmäßig könnten Kontaktpersonen eines Infizierten nicht einmal wissen, dass dieser infiziert sei. Die Absonderung der Arbeitnehmerin der Klägerin stelle für diese mithin einen von ihr unverschuldeten, in ihrer Person liegenden Grund für die Hinderung an der Arbeitsleistung dar. Aus § 616 Satz 1 BGB folge damit aus Sicht des Beklagten, dass der Vergütungsanspruch der Arbeitnehmerin für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit fortbestehe. Der Beklagte habe diese Auffassung den Regierungen in Form ministerieller Vollzugshinweise als Richtschnur für die Bearbeitung von Anträgen nach § 56 IfSG an die Hand gegeben (vgl. StMGP, Vollzugshinweise für die Regierungen zu § 56 ff. IfSG - Problem und Lösung - Stand 02.06.2020):
„Das für das Arbeitsrecht federführende StMAS legt die Gesetzespassage „verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit“ nicht als Anspruchsvoraussetzung, sondern als Grenze für die Leistungsdauer aus. Vor diesem Hintergrund wird die Entschädigung nicht für den noch als nicht erheblich anzusehenden Zeitraum gewährt, sondern erst für die Zeit danach. Das bedeutet hier: Die Entschädigung kann sowohl bei Absatz 1 als auch bei Absatz 1a grundsätzlich erst mit dem fünften Tag anlaufen, wenn man die nicht erhebliche Zeit auf vier Tage taxiert. Dieses Procedere ist zwischen Bundessozialminister Heil und Arbeitgebervertretern abgestimmt.“
Entsprechend dieser Vorgaben sei bei der Berechnung der Verdienstausfallentschädigung davon auszugehen, dass der grundsätzlich entschädigungsfähige Quarantäne- und Entschädigungszeitraum um vier Tage zu kürzen sei, da insoweit ein Lohnfortzahlungsanspruch der Arbeitnehmerin gegenüber der Klägerin und mithin kein Verdienstausfall der Arbeitnehmerin bestehe.
Die Berechnung des Verdienstausfalls sei nach den Vorgaben des § 56 Abs. 2 und 3 IfSG erfolgt und ergebe sich aus der vorgelegten Behördenakte. Unter Zugrundelegung eines monatlichen Brutto-Entgelts in Höhe von 1.890,00 EUR ergebe sich ein monatliches Netto-Arbeitsentgelt in Höhe von 1.340,44 EUR. Bezogen auf einen Entschädigungszeitraum von elf Tagen (unter Abzug von vier Tagen) folge daraus ein Verdienstausfall in Höhe von 491,49 EUR. Da ein Antrag nach § 57 Abs. 1 Satz 4 IfSG als konkludent gestellt betrachtet worden sei, seien neben der Verdienstausfallentschädigung Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von 278,94 EUR gem. § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 i.V.m. Abs. 2 IfSG für den Entschädigungszeitraum erstattet worden.
Unter dem 15.04.2021 hörte das Gericht die Beteiligten zu einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid an. Die Beteiligten äußerten sich binnen gesetzter Frist nicht dazu.
Zu den weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtssowie die elektronisch übersandte Behördenakte verwiesen (§ 117 Abs. 3 Satz 2 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO).
Entscheidungsgründe
1. Über die Sache konnte gem. § 84 VwGO ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid, der als Urteil wirkt, entschieden werden. Die Beteiligten wurden dazu mit Schreiben des Gerichts vom 15.04.2021 gehört, haben sich hierzu jedoch nicht geäußert.
2. Die Klage ist sachgerecht gem. § 88 VwGO nach dem erkennbaren Ziel der Klägerin dahingehend auszulegen, dass die Klägerin die Verpflichtung des Beklagten zur Erstattung einer weiteren Verdienstausfallentschädigung einschließlich Sozialversicherungsbeiträgen in Höhe von 280,16 EUR begehrt sowie die Aufhebung des Bescheids des Beklagten vom 29.01.2021, soweit er dem entgegensteht.
Denn die anwaltlich nicht vertretene Klägerin hat in ihrem „Einspruchs“-Schreiben durch die Bezugnahme auf § 616 BGB deutlich gemacht, dass sie sich inhaltlich gegen die Kürzung des von ihr mit Antrag vom 18.06.2020 geltend gemachten Gesamtzeitraums vom 12.04.2020 bis 26.04.2020 um vier Tage wendet, die der Beklagte auf diese Norm gestützt hat. Unschädlich ist, dass die Klägerin im „Einspruchs“-Schreiben angibt, ihre Mitarbeiterin Frau S … sei „vom 13.04.2020 bis 26.04.2020“ in Quarantäne beordert worden. Hinsichtlich des Quarantänebeginns handelt es sich um ein offensichtliches Schreibversehen, da sowohl aus dem Quarantänebescheid vom 14.04.2020 als auch aus dem Formblattantrag der Klägerin vom 18.06.2020 klar hervorgeht, dass die Quarantäne und damit einhergehend der Anspruchszeitraum am 12.04.2020 begonnen hat. Zudem wurde ausdrücklich darum gebeten, den Verdienstausfall „in beantragter Höhe“ zu erstatten.
3. Die so verstandene Klage ist zulässig und begründet. Die Klägerin hat über den bereits mit Bescheid vom 29.01.2021 zuerkannten Betrag in Höhe von 770,43 EUR hinaus einen weiteren gebundenen Anspruch auf Erstattung einer Verdienstausfallentschädigung nebst Sozialversicherungsbeiträgen in Bezug auf ihre Mitarbeiterin …S … in Höhe von 280,16 EUR auf Grundlage von § 56 Abs. 1, § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 i.V.m. Abs. 2 IfSG (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
Die Voraussetzungen der Anspruchsgrundlage liegen vor; die einzig in Streit stehende Kürzung des zum Anspruch berechtigenden Gesamtzeitraums um vier Tage durch den Beklagten war rechtswidrig (dazu unter lit. a). Die Höhe des Verdienstausfalls ergibt sich unter Zugrundelegung der von der Klägerin nicht angegriffenen Entschädigungsberechnung des Beklagten (dazu unter lit. b).
a) Der Anspruch der Klägerin auf Verdienstausfallentschädigung nach § 56 Abs. 1 IfSG besteht dem Grunde nach für den gesamten Zeitraum der quarantänebedingten Ausfallzeit ihrer Mitarbeiterin Frau S …, da diese ersichtlich lediglich Ansteckungsverdächtige (§ 2 Nr. 7 IfSG) und keine „Kranke“ im Sinne des § 2 Nr. 4 IfSG war (vgl. § 56 Abs. 7 IfSG). Daneben fehlt es insbesondere nicht mit Blick auf § 616 Satz 1 BGB an dem Tatbestandsmerkmal des Verdienstausfalls.
Zwar läge ein Verdienstausfall im Sinne der Norm dann nicht vor, wenn die Arbeitnehmerin einen Lohnfortzahlungsanspruch gegenüber ihrem Arbeitgeber hätte, wie er sich grundsätzlich auch aus § 616 Satz 1 BGB ergeben kann, wonach der zur Dienstleistung Verpflichtete seines Vergütungsanspruchs nicht dadurch verlustig geht, dass er für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit durch einen in seiner Person liegenden Grund ohne Verschulden an der Dienstleistung verhindert wird (insoweit nicht überzeugender a.A.: Eufinger, DB 2020, 1121, 1123 f.).
Auch ist weder vorgetragen, noch aus der Behördenakte ersichtlich, dass § 616 BGB im Arbeitsvertrag der Klägerin mit ihrer Mitarbeiterin Frau S … abbedungen worden wäre. Mit der behördlich angeordneten Quarantäne liegt zudem ein in der Person der Arbeitnehmerin liegendes Dienstleistungshindernis vor (dazu unter (1)). Jedoch überschreitet die insgesamt fünfzehntägige Quarantänedauer die Grenze einer „verhältnismäßig nicht erheblichen“ Zeit i.S.d. § 616 Satz 1 BGB (dazu unter (2)). Ein anteiliger Abzug einer für „verhältnismäßig nicht erheblich“ befundenen Zeit vom Gesamtzeitraum der Quarantäne ist nicht möglich (dazu unter (3)).
(1) Anlass für den Verdienstausfall der Arbeitnehmerin war die Quarantäneanordnung, die zunächst am 12.04.2020 mündlich ausgesprochen und sodann mit Bescheid vom 14.04.2020 schriftlich wiederholt wurde. Denn hierdurch wurde der Angestellten der Klägerin die Ausübung ihrer Arbeitstätigkeit rechtlich unmöglich. Auf die im Urteil des BGH vom 01.02.1979 - II ZR 88/77 - für das maßgebliche Leistungshindernis gehaltene, von der Arbeitnehmerin ausgehende potentielle Ansteckungsgefahr ist hingegen nicht abzustellen, da hieraus nicht unmittelbar, sondern allenfalls mittelbar infolge von Maßnahmen des Arbeitgebers, die dieser im Rahmen seiner allgemeinen Verkehrssicherungspflicht gesondert zu treffen hätte, ein Leistungshindernis erwüchse. Im Übrigen ergäbe sich vorliegend hieraus im Ergebnis nichts Anderes, da der Kategorie-I-Kontakt der Arbeitnehmerin ausweislich des Quarantänebescheids ebenfalls am 12.04.2020 stattfand, sodass Quarantänebeginn und potentielle Ansteckungsgefahr zusammenfallen.
Die Quarantäne, die für die Arbeitnehmerin als Ansteckungsverdächtige angeordnet wurde, ist ein in der Person der Arbeitnehmerin liegender Grund im Sinne eines subjektiven Leistungshindernisses (wohl h.M, vgl. schon BGH, U.v. 30.11.1978 - III ZR 43/77 - juris Rn. 20; so auch z.B. Henssler in: MüKo BGB, 8. Aufl. 2020, § 616 Rn. 25; Bieder in: BeckOK BGB, Stand 01.02.2020, § 616 Rn. 17; Meßling in: Schlegel/Meßling/Bockholdt, Covid-19-Gesetzgebung - Gesundheit und Soziales, 1. Aufl. 2020, § 19 Rn. 10; Hohenstatt/Krois, NZA 2020, 413, 414 f.; Preis/Mazurek/Schmid, NZA 2020, 1137, 1140; Noack, NZA 2021, 251, 253; a.A. z.B. Klein, NJ 2020, 377, 378; Sievers, jM 2020, 189, 190; Weller/Lieberknecht/Habrich, NJW 2020, 1017, 1018 f.). Denn auch wenn die Pandemie als solche ein globales und gesamtgesellschaftliches Ereignis ist, ist der Anlass der Quarantäneanordnung im Einzelfall in hohem Grade von der betroffenen Person und den jeweiligen Umständen abhängig. Erst eine konkrete, infektionsgefährliche Situation im Sinne eines „Kategorie-I-Kontakts“ oder ein positives Covid-19-Testergebnis kann zur Einordnung einer Person als „Ausscheider“, „Ansteckungsverdächtiger“ oder „Krankheitsverdächtiger“ führen und sie damit zum Adressaten einer Isolierungsanordnung i.S.d. § 56 Abs. 1 i.V.m. § 31 IfSG machen. Gerade die Beurteilung der jeweiligen Kontaktsituation auf der Tatbestandsseite im Hinblick darauf, in welchem Maße eine Übertragungsgefahr besteht, erfordert eine umfassende individuelle Beurteilung der Gegebenheiten anhand zahlreicher Kriterien, wie z.B. Dauer und räumliche Nähe des Kontakts, Lüftungsverhältnisse, das Tragen von Masken etc. (vgl. https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Kontaktperson/Management.html, Stand 21.04.2021). Die bloße Möglichkeit, dass von einer gefährlichen Kontaktsituation im Einzelfall mehrere Personen betroffen sein können (z.B. durch eine Anreicherung infektiöser Aerosole im Raum) lässt das Erfordernis einer einzelfallbezogenen Beurteilung der Infektionsgefahr für jeden Betroffenen nicht entfallen, ändert demgemäß auch nichts am Charakter der Quarantäneanordnung als individualisiertem, einzelfallabhängigen Verwaltungsakt und führt - mit Blick auf die arbeitsrechtlichen Folgen - mithin auch ersichtlich nicht zu einem objektiven Charakter des daraus resultierenden Leistungshindernisses (nicht überzeugend daher Kraayvanger/Schrader, NZA-RR 2020, 623, 625 f.).
(2) Jedoch besteht die Lohnfortzahlungspflicht des Arbeitgebers gem. § 616 Satz 1 BGB nur für eine „verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit“. Über diese Grenze geht die insgesamt fünfzehntägige Quarantäne der Mitarbeiterin deutlich hinaus.
Da es sich beim Tatbestandsmerkmal der „verhältnismäßig nicht erheblichen Zeit“ um einen unbestimmten Rechtsbegriff handelt, ist dessen Auslegung durch die Behörde gerichtlich voll überprüfbar.
Wann ein Ausfall des Arbeitnehmers für eine „verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit“ i.S.d. § 616 Satz 1 BGB vorliegt, geht aus dem Gesetzeswortlaut nicht hervor und wird in Rechtsprechung und Literatur uneinheitlich bewertet (zur Kasuistik vgl. z.B. Klappstein in: Dauner-Lieb/Langen, Schuldrecht BGB, 4. Auflage 2021, § 616 Rn. 16 ff.; Bieder in: GK BGB, Stand 01.02.2020, § 616 Rn. 37; zur Literatur im Überblick z.B. Joussen in: BeckOK Arbeitsrecht, Stand 01.03.2021, § 616 BGB Rn. 45 ff.). Zum Teil werden unter Zuhilfenahme verschiedener systematischer Argumente zeitliche Regelgrenzen von wenigen Tagen (so z.B. Sievers, jM 2020, 189, 191) bis zu mehreren Wochen (so wohl Eufinger, DB 2020, 1121, 1123) für maßgeblich gehalten. Im Kern übereinstimmend fordert hingegen die h.M. eine Konkretisierung des unbestimmten Rechtsbegriffs anhand der Umstände des Einzelfalls, wobei als wesentliche Kriterien vornehmlich die Dauer des Arbeitsverhältnisses (so die überwiegende Rechtsprechung seit BAG, U.v. 17.12.1959 - GS 2/59 - NJW 1987, 2316, 2317; auch z.B. Schaub, AuA 1996, 82, 83), z.T. aber auch die Eigenheiten des Arbeitshindernisses (so z.B. Henssler in: MüKo BGB, 8. Aufl. 2020, § 616 Rn. 68) oder die persönlichen Verhältnisse des Arbeitnehmers (so Preis in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 21. Aufl. 2021, § 616 BGB Rn. 10a) für maßgeblich erachtet werden.
Letztlich erschließt sich der unbestimmte Rechtsbegriff der „verhältnismäßig nicht erheblichen Zeit“ vom Telos der Norm her. § 616 BGB ist Ausdruck des Rechtsgedankens, wonach unerhebliche Leistungsdefizite den Anspruch auf die Arbeitsvergütung nicht entfallen lassen sollen. Dieser Rechtsgedanke ist im Dienstleistungsrecht vor allem deshalb von Bedeutung, weil die Dienstleistung von Menschen erbracht wird, aus deren persönlichem Lebensumfeld heraus sich nach allgemeiner Lebenserfahrung vielfältige Leistungshindernisse ergeben können. Umstände, die in der Person des Dienstleistungsverpflichteten liegen, können auf die Leistungserbringung jederzeit abstrahlen, was - und das bringt § 616 BGB zum Ausdruck - in gewissem Maße vom Dienstberechtigten zu tolerieren ist. Er hat in Ausnahmefällen die ihm entgehende Leistung gleichsam von Anfang an „einzupreisen“ (vgl. Hohenstatt/Krois, NZA 2020, 413, 415; Oetker in: Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2019, § 616 Rn. 11 ff.; jeweils m.w.N.).
Weil hierdurch der arbeitsrechtliche Grundsatz „ohne Arbeit kein Lohn“ ausnahmsweise durchbrochen wird, ist die Norm nach zutreffender Ansicht eng auszulegen (vgl. BAG, U.v. 25.10.1973 - 5 AZR 156/73 - juris Rn. 12; Noack, NZA 2021, 251, 253). Daher sind die Wertungen speziell ausgestalteter Normen zur Lohnfortzahlungspflicht des Arbeitgebers bzw. Dienstberechtigten auch nicht ohne weiteres auf die Auslegung von § 616 BGB übertragbar, allen voran nicht die oft hierzu herangezogene sechswöchige Frist des § 3 des Entgeltfortzahlungsgesetzes (EFZG) für den Krankheitsfall. Denn abgesehen davon, dass der Einführung dieser Norm eine bewusste gesetzgeberische Entscheidung in anderem Kontext und mit anderer Zielsetzung zugrunde lag (vgl. Preis/Mazurek/Schmid, NZA 2020, 1137, 1140; Henssler in: MüKo BGB, 8. Aufl. 2020, § 616 Rn. 68), ist § 616 BGB anders als § 3 EFZG dispositiv. Spätestens hierdurch wird deutlich, dass die Norm nicht der (im wörtlichsten Sinne) unabdingbaren Absicherung des Arbeitnehmers dient, sondern als Auffangtatbestand für vereinzelte Ausnahmefälle einen ungleich geringeren Stellenwert hat. Dementsprechend ist ein „Gleichlauf“ der Fristen von § 3 EFZG einer- und der Auslegung des Tatbestandsmerkmals „verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit“ im Rahmen von § 616 BGB andererseits weder geboten noch sachgerecht (daher insofern nicht überzeugend BGH, U.v. 30.11.1978 - III ZR 43/77 - juris Rn. 37 und darauf bezugnehmend Stöß/Putzer, NJW 2020, 1465, 1468).
Nach alledem überzeugt die h.M, wonach in der Regel nur wenige Tage unter die Unerheblichkeitsschwelle des § 616 BGB zu fassen sein dürften (so z.B. Preis/Mazurek/Schmid, NRA 2020, 1137, 1140; Noack NZA 2021, 251, 253; Kraayvanger/Schrader, NZA-RR 2020, 623; Henssler in: MüKo BGB, 8. Aufl. 2020, § 616 Rn. 68; Preis in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 21. Aufl. 2021, § 616 BGB Rn. 10b; im Grundsatz auch Joussen in: BeckOK ArbR, Stand 01.03.2021, § 616 BGB Rn. 48).
Daran gemessen ergibt sich für den vorliegenden Fall keine Fortzahlungspflicht der Klägerin für den fünfzehntägigen Ausfallzeitraum der Arbeitnehmerin vom 12.04.2020 bis zum 26.04.2020. Aus Gründen der Handhabbarkeit ist zwar das Vorgehen des Beklagten nicht zu beanstanden, einen Zeitraum von vier Tagen für regelmäßig nicht erheblich zu betrachten. Diese zeitliche Regelgrenze entspricht dem Telos der Norm, nur das Risiko unbedeutender Verhinderungen dem Dienstberechtigten zu übertragen, und lässt gleichwohl eine abweichende Beurteilung im Einzelfall zu, wenn sich hierfür Anhaltspunkte ergeben würden. Das ist bei der in Rede stehenden Arbeitnehmerin der Klägerin jedoch nicht der Fall, selbst, wenn man die Dauer des Arbeitsverhältnisses oder ereignisbezogene Umstände für maßgeblich hielte.
Ausweislich des von der Klägerin ausgefüllten Antragsformulars ist die Mitarbeiterin, deren Verdienstausfall in Rede steht, seit 11.08.2015 bei der Klägerin beschäftigt, mithin handelt es sich nicht um ein außergewöhnlich lang andauerndes Vertragsverhältnis. Zum subjektiven Leistungshindernis der Mitarbeiterin trat zudem die Covid-19-Pandemie als globale Ausnahmesituation hinzu. Erst deren Besonderheiten (Fehlen wirksamer Medikamente, zum damaligen Zeitpunkt noch fehlender Impfstoff, fehlende Herdenimmunität, hohe Belastung des Gesundheitssystems etc.) führten vom bloßen Umstand einer Ansteckungsgefahr mit einer gefährlichen Krankheit - was für sich genommen dem allgemeinen Lebensrisiko entspricht - zu einem knapp zweiwöchigen Tätigkeitsverbot als i.S.d. § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG „zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten“ erforderlicher Maßnahme (vgl. Lagebericht des RKI vom 12.04.2020 (erstmalige Anordnung der Quarantäne), abrufbar unter https://www.rki.de/ DE/ Content/ InfAZ/ N/ Neuartiges_Coronavirus/ Situationsberichte/ 2020-04-12-de.pdf? blob=publicationFile). Verkürzt gesagt muss eine Pandemie mit derartig gravierenden Auswirkungen auch bei langjährig Beschäftigten nicht im Sinne des § 616 BGB „eingepreist“ sein, weshalb sich auch aus der Eigenart des Leistungshindernisses kein Anlass für eine erweiternde Auslegung des Tatbestandsmerkmals „verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit“ über die zeitliche Regelgrenze von wenigen Tagen hinaus ergibt.
(3) Die Aufteilung des Gesamtzeitraums der Quarantäne in einen anteilig „nicht erheblichen“ und einen verbleibenden „erheblichen“ Zeitraum, wie sie der Beklagte vorgenommen hat, ist jedoch nicht möglich (st. Rspr. seit BAG, U.v. 18.12.1959 - GS 8/58 - juris Rn. 22 ff.; aus der Literatur z.B. Oetker in: Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2019, § 616 Rn. 95 ff.; Joussen in: BeckOK ArbR, Stand 01.03.2021, § 616 BGB Rn. 45; Henssler in: MüKo BGB, 8. Aufl. 2020, § 616 Rn. 69; Hohenstatt/Krois, NZA 2020, 413, 416; jeweils m.w.N.).
Bereits dem Wortlaut der Norm nach handelt es sich bei dem Kriterium der „verhältnismäßig nicht erheblichen Zeit“ in § 616 Satz 1 BGB um ein Tatbestandsmerkmal. Die Formulierung „wird des Anspruchs auf die Vergütung nicht dadurch verlustig, dass er…“ lässt keinen anderen Schluss zu, als dass der Konsekutivsatz die Tatbestandsseite der Norm enthält, während auf Rechtsfolgenseite einzig der Beibehalt des Vergütungsanspruchs steht. Eine zeitliche Begrenzung des Anspruchsumfangs enthält die Vorschrift - anders als z.B.
§ 3 EFZG - gerade nicht. § 616 BGB ist damit eine „Alles-oder-Nichts“-Vorschrift, d.h. bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen tritt die Fortzahlungspflicht für den gesamten Zeitraum ein. Diese Lesart entspricht auch klar dem oben dargestellten Telos der eng auszulegenden Norm. Ihr Geltungsbereich soll nur bestimmte Sachverhalte abdecken, die sich maßgeblich über das Kriterium der „verhältnismäßig nicht erheblichen Zeit“ bestimmen lassen. Eine Ausweitung zu einem zeitlich begrenzten Fortzahlungsanspruch bei jedwedem subjektiven Leistungshindernis unabhängig von dessen Gesamtdauer liefe dieser Zielsetzung klar zuwider und entspräche in keiner Weise dem Charakter der Norm als eng auszulegender Ausnahmevorschrift.
Zwar bleibt die Fortzahlungspflicht des Dienstberechtigten in jenen Fällen bestehen, in denen sich mehrere für sich genommen verhältnismäßig nicht erhebliche Hinderungsgründe zeitlich aneinanderreihen (vgl. Henssler in: MüKo BGB, 8. Aufl. 2020, § 616 Rn. 68 a.E.). Voraussetzung ist aber nach dem Normzweck, dass die Hinderungsgründe auf jeweils anderen Gründen beruhen (vgl. Joussen in: BeckOK Arbeitsrecht, Stand 01.03.2021, § 616 BGB Rn. 49). Das ist hier ersichtlich nicht der Fall, da die Arbeitnehmerin der Klägerin einzig aufgrund der Quarantäneanordnung vom 12.04.2020, schriftlich bestätigt durch den Bescheid vom 14.04.2020, an ihrer Berufsausübung gehindert war, insbesondere war die Mitarbeiterin während der Quarantäne zu keiner Zeit „Kranke“ im Sinne von § 2 Nr. 4 IfSG.
Die Auslegung des Beklagten, der die Gesetzespassage „verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit“ als Grenze für die Leistungsdauer betrachtet, ist daher mit dem Gesetz nicht vereinbar. Hieran ändert selbstverständlich auch nichts, dass - wie vom Beklagten ausgeführt - dieses Vorgehen zwischen dem Bundessozialminister und Arbeitgebervertretern abgestimmt sei.
Zusammenfassend ist daher festzustellen, dass der insgesamt zu betrachtende Zeitraum, für den die Klägerin Verdienstausfallentschädigung beantragt hat, nicht im Sinne des § 616 Satz 1 BGB „verhältnismäßig unerheblich“ ist, und daher für den Gesamtzeitraum keine Lohnfortzahlungspflicht der Klägerin besteht. Mithin fehlt es im Rahmen des § 56 Abs. 1 IfSG auch nicht am Tatbestandsmerkmal des „Verdienstausfalls“. Der Anspruch gegen den Beklagten besteht daher dem Grunde nach für den gesamten geltend gemachten Zeitraum.
b) Die Höhe des Anspruchs auf Verdienstausfallentschädigung berechnet sich nach § 56 Abs. 3 IfSG hinsichtlich des Verdienstausfalls und § 57 IfSG hinsichtlich der Sozialversicherungsbeiträge. Zweifel an der rechnerischen Richtigkeit der vom Beklagten hierzu errechneten Beträge ergeben sich nicht. Für den geltend gemachten Gesamtzeitraum ergibt sich danach eine Entschädigungssumme von 1.050,59 EUR und abzüglich der vom Beklagten bereits erstatteten Summe von 770,43 EUR mithin ein noch verbleibender Betrag in Höhe von 280,16 EUR.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. der Zivilprozessordnung (ZPO).
(1) Wer auf Grund dieses Gesetzes als Ausscheider, Ansteckungsverdächtiger, Krankheitsverdächtiger oder als sonstiger Träger von Krankheitserregern im Sinne von § 31 Satz 2 Verboten in der Ausübung seiner bisherigen Erwerbstätigkeit unterliegt oder unterworfen wird und dadurch einen Verdienstausfall erleidet, erhält eine Entschädigung in Geld. Das Gleiche gilt für eine Person, die nach § 30, auch in Verbindung mit § 32, abgesondert wird oder sich auf Grund einer nach § 36 Absatz 8 Satz 1 Nummer 1 erlassenen Rechtsverordnung absondert. Eine Entschädigung in Geld kann auch einer Person gewährt werden, wenn diese sich bereits vor der Anordnung einer Absonderung nach § 30 oder eines beruflichen Tätigkeitsverbots nach § 31 vorsorglich abgesondert oder vorsorglich bestimmte berufliche Tätigkeiten ganz oder teilweise nicht ausgeübt hat und dadurch einen Verdienstausfall erleidet, wenn eine Anordnung einer Absonderung nach § 30 oder eines beruflichen Tätigkeitsverbots nach § 31 bereits zum Zeitpunkt der vorsorglichen Absonderung oder der vorsorglichen Nichtausübung beruflicher Tätigkeiten hätte erlassen werden können. Eine Entschädigung nach den Sätzen 1 und 2 erhält nicht, wer durch Inanspruchnahme einer Schutzimpfung oder anderen Maßnahme der spezifischen Prophylaxe, die gesetzlich vorgeschrieben ist oder im Bereich des gewöhnlichen Aufenthaltsorts des Betroffenen öffentlich empfohlen wurde, oder durch Nichtantritt einer vermeidbaren Reise in ein bereits zum Zeitpunkt der Abreise eingestuftes Risikogebiet ein Verbot in der Ausübung seiner bisherigen Tätigkeit oder eine Absonderung hätte vermeiden können. Eine Reise ist im Sinne des Satzes 4 vermeidbar, wenn zum Zeitpunkt der Abreise keine zwingenden und unaufschiebbaren Gründe für die Reise vorlagen.
(1a) Sofern der Deutsche Bundestag nach § 5 Absatz 1 Satz 1 eine epidemische Lage von nationaler Tragweite festgestellt hat, erhält eine erwerbstätige Person eine Entschädigung in Geld, wenn
- 1.
Einrichtungen zur Betreuung von Kindern, Schulen oder Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen zur Verhinderung der Verbreitung von Infektionen oder übertragbaren Krankheiten auf Grund dieses Gesetzes vorübergehend geschlossen werden oder deren Betreten, auch aufgrund einer Absonderung, untersagt wird, oder wenn von der zuständigen Behörde aus Gründen des Infektionsschutzes Schul- oder Betriebsferien angeordnet oder verlängert werden, die Präsenzpflicht in einer Schule aufgehoben oder der Zugang zum Kinderbetreuungsangebot eingeschränkt wird oder eine behördliche Empfehlung vorliegt, vom Besuch einer Einrichtung zur Betreuung von Kindern, einer Schule oder einer Einrichtung für Menschen mit Behinderungen abzusehen, - 2.
die erwerbstätige Person ihr Kind, das das zwölfte Lebensjahr noch nicht vollendet hat oder behindert und auf Hilfe angewiesen ist, in diesem Zeitraum selbst beaufsichtigt, betreut oder pflegt, weil sie keine anderweitige zumutbare Betreuungsmöglichkeit sicherstellen kann, und - 3.
die erwerbstätige Person dadurch einen Verdienstausfall erleidet.
(2) Die Entschädigung bemisst sich nach dem Verdienstausfall. Für die ersten sechs Wochen wird sie in Höhe des Verdienstausfalls gewährt. Vom Beginn der siebenten Woche an wird die Entschädigung abweichend von Satz 2 in Höhe von 67 Prozent des der erwerbstätigen Person entstandenen Verdienstausfalls gewährt; für einen vollen Monat wird höchstens ein Betrag von 2 016 Euro gewährt. Im Fall des Absatzes 1a wird die Entschädigung von Beginn an in der in Satz 3 bestimmten Höhe gewährt. Für jede erwerbstätige Person wird die Entschädigung nach Satz 4 für die Dauer der vom Deutschen Bundestag nach § 5 Absatz 1 Satz 1 festgestellten epidemischen Lage von nationaler Tragweite und für den in Absatz 1a Satz 5 genannten Zeitraum unabhängig von der Anzahl der Kinder für längstens zehn Wochen pro Jahr gewährt, für eine erwerbstätige Person, die ihr Kind allein beaufsichtigt, betreut oder pflegt, längstens für 20 Wochen pro Jahr.
(3) Als Verdienstausfall gilt das Arbeitsentgelt, das dem Arbeitnehmer bei der für ihn maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit zusteht, vermindert um Steuern und Beiträge zur Sozialversicherung sowie zur Arbeitsförderung oder entsprechende Aufwendungen zur sozialen Sicherung in angemessenem Umfang (Netto-Arbeitsentgelt). Bei der Ermittlung des Arbeitsentgelts sind die Regelungen des § 4 Absatz 1, 1a und 4 des Entgeltfortzahlungsgesetzes entsprechend anzuwenden. Für die Berechnung des Verdienstausfalls ist die Netto-Entgeltdifferenz in entsprechender Anwendung des § 106 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch zu bilden. Der Betrag erhöht sich um das Kurzarbeitergeld und um das Zuschuss-Wintergeld, auf das der Arbeitnehmer Anspruch hätte, wenn er nicht aus den in Absatz 1 genannten Gründen an der Arbeitsleistung verhindert wäre. Satz 1 gilt für die Berechnung des Verdienstausfalls bei den in Heimarbeit Beschäftigten und bei Selbständigen entsprechend mit der Maßgabe, dass bei den in Heimarbeit Beschäftigten das im Durchschnitt des letzten Jahres vor Einstellung der verbotenen Tätigkeit oder vor der Absonderung verdiente monatliche Arbeitsentgelt und bei Selbständigen ein Zwölftel des Arbeitseinkommens (§ 15 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch) aus der entschädigungspflichtigen Tätigkeit zugrunde zu legen ist.
(4) Bei einer Existenzgefährdung können den Entschädigungsberechtigten die während der Verdienstausfallzeiten entstehenden Mehraufwendungen auf Antrag in angemessenem Umfang von der zuständigen Behörde erstattet werden. Selbständige, deren Betrieb oder Praxis während der Dauer einer Maßnahme nach Absatz 1 ruht, erhalten neben der Entschädigung nach den Absätzen 2 und 3 auf Antrag von der zuständigen Behörde Ersatz der in dieser Zeit weiterlaufenden nicht gedeckten Betriebsausgaben in angemessenem Umfang.
(5) Bei Arbeitnehmern hat der Arbeitgeber für die Dauer des Arbeitsverhältnisses, längstens für sechs Wochen, die Entschädigung für die zuständige Behörde auszuzahlen. Abweichend von Satz 1 hat der Arbeitgeber die Entschädigung nach Absatz 1a für die in Absatz 2 Satz 5 genannte Dauer auszuzahlen. Die ausgezahlten Beträge werden dem Arbeitgeber auf Antrag von der zuständigen Behörde erstattet. Im Übrigen wird die Entschädigung von der zuständigen Behörde auf Antrag gewährt.
(6) Bei Arbeitnehmern richtet sich die Fälligkeit der Entschädigungsleistungen nach der Fälligkeit des aus der bisherigen Tätigkeit erzielten Arbeitsentgelts. Bei sonstigen Entschädigungsberechtigten ist die Entschädigung jeweils zum Ersten eines Monats für den abgelaufenen Monat zu gewähren.
(7) Wird der Entschädigungsberechtigte arbeitsunfähig, so bleibt der Entschädigungsanspruch in Höhe des Betrages, der bei Eintritt der Arbeitsunfähigkeit an den Berechtigten auszuzahlen war, bestehen. Ansprüche, die Entschädigungsberechtigten wegen des durch die Arbeitsunfähigkeit bedingten Verdienstausfalls auf Grund anderer gesetzlicher Vorschriften oder eines privaten Versicherungsverhältnisses zustehen, gehen insoweit auf das entschädigungspflichtige Land über.
(8) Auf die Entschädigung sind anzurechnen
- 1.
Zuschüsse des Arbeitgebers, soweit sie zusammen mit der Entschädigung den tatsächlichen Verdienstausfall übersteigen, - 2.
das Netto-Arbeitsentgelt und das Arbeitseinkommen nach Absatz 3 aus einer Tätigkeit, die als Ersatz der verbotenen Tätigkeit ausgeübt wird, soweit es zusammen mit der Entschädigung den tatsächlichen Verdienstausfall übersteigt, - 3.
der Wert desjenigen, das der Entschädigungsberechtigte durch Ausübung einer anderen als der verbotenen Tätigkeit zu erwerben böswillig unterlässt, soweit es zusammen mit der Entschädigung den tatsächlichen Verdienstausfall übersteigt, - 4.
das Arbeitslosengeld in der Höhe, in der diese Leistung dem Entschädigungsberechtigten ohne Anwendung der Vorschriften über das Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld bei Sperrzeit nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch sowie des § 66 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch in der jeweils geltenden Fassung hätten gewährt werden müssen.
(9) Der Anspruch auf Entschädigung geht insoweit, als dem Entschädigungsberechtigten Arbeitslosengeld oder Kurzarbeitergeld für die gleiche Zeit zu gewähren ist, auf die Bundesagentur für Arbeit über. Die bei der Gewährung von Kurzarbeitergeld auf die Bundesagentur für Arbeit übergegangenen Entschädigungsansprüche können auf der Grundlage von Vereinbarungen der Bundesagentur für Arbeit mit den Ländern in einem pauschalierten Verfahren geltend gemacht werden. Das Eintreten eines Tatbestandes nach Absatz 1 oder Absatz 1a unterbricht nicht den Bezug von Arbeitslosengeld oder Kurzarbeitergeld, wenn die weiteren Voraussetzungen nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch erfüllt sind.
(10) Ein auf anderen gesetzlichen Vorschriften beruhender Anspruch auf Ersatz des Verdienstausfalls, der dem Entschädigungsberechtigten durch das Verbot der Ausübung seiner Erwerbstätigkeit oder durch die Absonderung erwachsen ist, geht insoweit auf das zur Gewährung der Entschädigung verpflichtete Land über, als dieses dem Entschädigungsberechtigten nach diesem Gesetz Leistungen zu gewähren hat.
(11) Die Anträge nach Absatz 5 sind innerhalb einer Frist von zwei Jahren nach Einstellung der verbotenen Tätigkeit, dem Ende der Absonderung oder nach dem Ende der vorübergehenden Schließung, der Untersagung des Betretens, der Schul- oder Betriebsferien, der Aufhebung der Präsenzpflicht, der Einschränkung des Kinderbetreuungsangebotes oder der Aufhebung der Empfehlung nach Absatz 1a Satz 1 Nummer 1 bei der zuständigen Behörde zu stellen. Die Landesregierungen werden ermächtigt, durch Rechtsverordnung zu bestimmen, dass der Antrag nach Absatz 5 Satz 3 und 4 nach amtlich vorgeschriebenem Verfahren durch Datenfernübertragung zu übermitteln ist und das nähere Verfahren zu bestimmen. Die zuständige Behörde kann zur Vermeidung unbilliger Härten auf eine Übermittlung durch Datenfernübertragung verzichten. Dem Antrag ist von Arbeitnehmern eine Bescheinigung des Arbeitgebers und von den in Heimarbeit Beschäftigten eine Bescheinigung des Auftraggebers über die Höhe des in dem nach Absatz 3 für sie maßgeblichen Zeitraum verdienten Arbeitsentgelts und der gesetzlichen Abzüge, von Selbständigen eine Bescheinigung des Finanzamtes über die Höhe des letzten beim Finanzamt nachgewiesenen Arbeitseinkommens beizufügen. Ist ein solches Arbeitseinkommen noch nicht nachgewiesen oder ist ein Unterschiedsbetrag nach Absatz 3 zu errechnen, so kann die zuständige Behörde die Vorlage anderer oder weiterer Nachweise verlangen. Die Frist nach Satz 1 verlängert sich in den Fällen des Absatzes 9 bei der Gewährung von Kurzarbeitergeld auf vier Jahre.
(12) Die zuständige Behörde hat auf Antrag dem Arbeitgeber einen Vorschuss in der voraussichtlichen Höhe des Erstattungsbetrages, den in Heimarbeit Beschäftigten und Selbständigen in der voraussichtlichen Höhe der Entschädigung zu gewähren.