WEG: Wohnungseigentümer haften für Abfallentsorgung und Straßenreinigung
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Auch bei einem durch Landesgesetz angeordneten Anschluss- und Benutzungszwang hinsichtlich Abfallentsorgung und Straßenreinigung kommt das privatrechtliche Nutzungsverhältnis durch Angebot, das regelmäßig als Realofferte in der tatsächlichen Leistungsgewährung liegt, und Annahme durch die Entgegennahme der Leistungen zustande.
Die landesrechtlichen Regelungen des Landes Berlin zum Anschluss- und Benutzungszwang hinsichtlich Abfallentsorgung und Straßenreinigung sind dahin auszulegen, dass sich die Realofferte an die Wohnungseigentümergemeinschaft als teilrechtsfähiger Verband richtet und diese Entgeltschuldnerin ist.
Eine gesamtschuldnerische Haftung der einzelnen Wohnungseigentümer ergibt sich weder aus den landesrechtlichen Vorschriften des Landes Berlin noch aus den Leistungsbedingungen der Berliner Stadtreinigungsbetriebe.
Tatbestand:
Die Klägerin, eine Anstalt öffentlichen Rechts, betreibt in Berlin die Abfallentsorgung und Straßenreinigung. Sie verlangt von der Beklagten als ehemaligem Mitglied einer Wohnungseigentümergemeinschaft und als Gesamtschuldnerin mit den anderen Wohnungseigentümern Entgelt für Straßenreinigung und Abfallentsorgung.
Das Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz Berlin (KrW-/AbfG) enthält unter anderem folgende Bestimmungen:
§ 5 Entsorgungspflicht
(1)…
(2)Die Abfallbesitzer haben das Recht und die Pflicht, die Abfälle, die sie gemäß § 13 des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes dem Land Berlin zu überlassen haben, durch die in Absatz 1 genannten Stellen entsorgen zu lassen (Anschluss- und Benutzungszwang).
§ 8 Gebühren und Entgelte
(1) Die Kosten der Abfallentsorgung durch den öffentlichrechtlichen Entsorgungsträger sind durch privatrechtliche Entgelte zu decken, … Schuldner der Abfallentsorgungskosten sind in der Regel die benutzungspflichtigen Grundstückseigentümer. Anstelle der Eigentümer kann der Erbbauberechtigte, der Nießbraucher oder ein sonstiger dinglich Nutzungsberechtigter sowie der Abfallerzeuger oder Abfallbesitzer zur Zahlung herangezogen werden.
Im Straßenreinigungsgesetz Berlin (StrReinG) ist Folgendes geregelt:
§ 4 Straßenreinigungspflichtige
(1) Die ordnungsgemäße Reinigung der in den Straßenreinigungsverzeichnissen A und B aufgeführten Straßen obliegt dem Land Berlin als öffentliche Aufgabe für die Anlieger und Hinterlieger (Anschluss- und Benutzungszwang) …
§ 5 Anlieger- und Hinterlieger
(1) Anlieger sind die Eigentümer der an eine öffentliche Straße angrenzenden Grundstücke. Hinterlieger sind die Eigentümer solcher Grundstücke, die nicht an eine öffentliche Straße angrenzen, jedoch von einer öffentlichen Straße aus eine Zufahrt oder einen Zugang haben. Ist an einem Grundstück ein Erbbaurecht, ein Nießbrauch oder ein sonstiges dingliches Nutzungsrecht bestellt, so ist der daraus Berechtigte ebenfalls Anlieger oder Hinterlieger.
§ 7 Kosten der Straßenreinigung
(1)Die Kosten der von den Berlin Stadtreinigungsbetrieben (BSR) durchzuführenden ordnungsmäßigen Reinigung mit Ausnahme der Kosten nach Absatz 6 sind zu 75 v.H. durch Entgelte zu decken; …
(2)Die Entgelte sind von den Anliegern und Hinterliegern der Straßen, die in den Straßenreinigungsverzeichnissen A und B aufgeführt sind, zu entrichten. Sind für ein Grundstück mehrere Personen entgeltpflichtig, so haften sie als Gesamtschuldner.
Die Leistungsbedingungen der Klägerin (Stand 1. Januar 2005 mit Änderungen vom 18. November 2005) enthalten hinsichtlich der Entgelte für Straßenreinigung und Abfallentsorgung folgende Regelungen:
1.3 Schuldner der Straßenreinigungsentgelte
1.3.1Grundsatz
Schuldner der Straßenreinigungsentgelte sind die Eigentümer der an eine im Straßenreinigungsverzeichnis A oder B aufgeführten öffentliche Straße angrenzenden Grundstücke (Anlieger) sowie die Eigentümer der Grundstücke, die nicht an eine solche öffentliche Straße angrenzen, aber über einen Zugang oder eine Zufahrt zu dieser verfügen (Hinterlieger). Näheres regelt das Straßenreinigungsgesetz in der jeweils gültigen Fassung …
1.3.2Gesamtschuldnerschaft
Mehrere Entgeltschuldner haften als Gesamtschuldner …
2. Abfallentsorgung
2.1 Allgemeine Grundsätze
2.1.1 Begriffsbestimmungen
(7) Grundstückseigentümern stehen Erbbauberechtigte, Wohnungseigentümer, Wohnungserbbauberechtigte, Nießbraucher, sonstige zur Nutzung eines Grundstücks dinglich Berechtigte, denen nicht nur eine Grunddienstbarkeit oder eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit zusteht, gleich. Von mehreren dinglich Berechtigten ist jeder berechtigt und verpflichtet; sie haften als Gesamtschuldner.
2.2.19 Entgeltschuldner für die Abfallentsorgung
(1)Wer Schuldner des Entgeltes ist, richtet sich nach den gesetzlichen Vorschriften über die Abfallentsorgung des Landes Berlin in der jeweils geltenden Fassung. Demgemäß ist Schuldner der Entgelte für die Entsorgung von Abfällen, die in Haushaltungen anfallen oder mit den in Haushaltungen anfallenden Abfällen gemeinsam entsorgt werden können, der Grundstückseigentümer oder sonst dinglich Berechtigte.
(2)…
(3)Im Übrigen finden die Nummern 1.3.2 bis 1.3.5 entsprechende Anwendung.
Die Beklagte war von 1998 bis zum 27. April 2006 Mitglied der Wohnungseigentümergemeinschaft mit einem Anteil von 574,39/10.000. Die Klägerin verlangt von ihr die Entgelte für die Jahre 2005 und 2006 in Höhe von 2.685,18 € sowie die Erstattung vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten.
Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist ohne Erfolg geblieben. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Anspruch in vollem Umfang weiter.
Entscheidungsgründe:
Die Revision ist nicht begründet.
Das Berufungsgericht führt aus, bei den geltend gemachten Ansprüchen handele es sich um eine den Verband der Wohnungseigentümer als solchen treffende "Gesellschaftsangelegenheit". Im Hinblick auf die Teilrechtsfähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft sei Vertragspartner in der Regel der Verband. Ein mit der Gesamtheit der Wohnungseigentümer geschlossener Vertrag sei mit der Wohnungseigentümergemeinschaft als rechtsfähigem Verband, nicht mit den einzelnen Eigentümern, geschlossen. Den einschlägigen gesetzlichen Normen könne nicht entnommen werden, dass dort eine Regelung gerade im Verhältnis zu einer in Betracht kommenden Haftung auch einer Wohnungseigentümergemeinschaft getroffen worden sei. Aus den Vorschriften ergebe sich gerade nichts, was auf einen solchen Regelungsgehalt hindeutete. Insbesondere dem Straßenreinigungsgesetz lasse sich nicht entnehmen, dass der Wille des Gesetzgebers dahin gegangen sei, ausschließlich die Eigentümer im Gegensatz zu einer Wohnungseigentümergemeinschaft verpflichten zu wollen.
Auch bei einem Anschluss- und Benutzungszwang komme ein Vertrag nicht ipso iure zustande, sondern durch Angebot und Annahme, wobei das Angebot häufig in der Realofferte der tatsächlichen Leistungserbringung bestehe, das konkludent angenommen werde. Dass das Angebot der Klägerin nicht gegenüber der Wohnungseigentümergemeinschaft erfolgt wäre, sondern gegenüber den einzelnen Eigentümern, sei nicht ersichtlich.
Das hält der rechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand.
In § 5 Abs. 2 KrW-/AbfG Berlin und in § 4 Abs. 1 Satz 1 StrReinG Berlin wird hinsichtlich der Abfallentsorgung und der Straßenreinigung ein Anschluss- und Benutzungszwang angeordnet. Das privatrechtliche Nutzungsverhältnis zwischen der Klägerin und den Beziehern ihrer Leistungen entsteht allerdings nicht kraft dieser gesetzlichen Anordnung. Erforderlich ist vielmehr ein Angebot der Klägerin, das regelmäßig als Realofferte in der tatsächlichen Leistungsgewährung liegt, und die Annahme dieses Angebots durch die Entgegennahme der Leistungen.
Die Realofferte der Klägerin richtete sich nicht an die einzelnen Wohnungseigentümer, sondern an die Wohnungseigentümergemeinschaft. Diese wird auch Schuldnerin des für die Abfallentsorgung und die Straßenreinigung zu entrichtenden Entgelts. Das ergibt die Auslegung ihrer Leistungsbedingungen.
Der Senat kann die Leistungsbedingungen selbst unbeschränkt auslegen. Es handelt sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen, deren räumlicher Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Berufungsgerichts hinaus erstreckt. Der Senat ist entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung auch nicht deshalb gehindert, sich mit den Leistungsbedingungen zu befassen, weil diese erstmals im Revisionsverfahren zu den Akten gereicht wurden. Es handelt sich nicht um neuen Vortrag der Klägerin. Wie sich aus den vom Berufungsgericht in Bezug genommenen Schriftsätzen ergibt, waren die einschlägigen Bestimmungen der Leistungsbedingungen bereits Gegenstand des Vortrags der Parteien vor dem Berufungsgericht.
Es kann dahinstehen, inwieweit der Senat in der Auslegung der Leistungsbedingungen dadurch beschränkt ist, dass diese sich an den jeweiligen landesgesetzlichen Vorschriften orientieren, die vom Berufungsgericht in einer bestimmten Weise zugunsten der Beklagten verstanden werden, und der Senat an die vom Berufungsgericht jedenfalls teilweise vorgenommene Auslegung des Landesrechts gebunden ist. Denn auch bei einer uneingeschränkten Möglichkeit der Überprüfung der Leistungsbedingungen wäre das vom Berufungsgericht gefundene Ergebnis nicht zu beanstanden.
An wen sich die Realofferte der Klägerin richtet, ist - wie das Berufungsgericht richtig erkannt hat und von der Klägerin auch nicht in Frage gestellt wird - nach den Leistungsbedingungen eng mit der Frage verknüpft, wer das Entgelt für die jeweiligen Leistungen zu entrichten hat. Die Leistungsbedingungen wiederholen hinsichtlich der Entgeltschuldner in Nr. 1.3.1 und Nr. 1.3.2 im Wesentlichen den Wortlaut von § 5 Abs. 1, § 7 Abs. 2 StrReinG Berlin und nehmen in Nr. 2.2.19 auf die landesrechtlichen Vorschriften über die Abfallentsorgung Bezug. Ihre Auslegung muss sich deshalb daran orientieren, wie die genannten gesetzlichen Normen ihrerseits auszulegen sind. Inwieweit die Erwägungen des Berufungsgerichts zur Auslegung des Landesrechts binden, kann dahinstehen. Liegt eine Bindung nicht vor, kann der Senat - woran er in dem seiner Entscheidung vom 18. Juni 2009 - VII ZR 196/08, BGHZ 181, 304, zugrunde liegenden Fall noch gehindert war - die Vorschriften selbst auslegen. Insoweit kommt er zu keinem anderen Ergebnis als das Berufungsgericht.
Gemäß § 5 Abs. 2 KrW-/AbfG Berlin unterliegen die Abfallbesitzer und gemäß § 4 Abs. 1 StrReinG Berlin hinsichtlich der Straßenreinigung die Anlieger und Hinterlieger dem Anschluss- und Benutzungszwang. Nach § 8 Abs. 1 Satz 2 und 3 KrW-/AbfG Berlin und § 7 Abs. 2 Satz 1 StrReinG i.V.m. § 5 Abs. 1 StrReinG Berlin sind entgeltpflichtig die jeweiligen Grundstückseigentümer bzw. die sonstigen dinglich Berechtigten. Bei der Auslegung dieser Regelungen kann nicht allein auf den Wortlaut abgestellt werden. Dieser ist für die Frage, ob eine Wohnungseigentümergemeinschaft oder die einzelnen Wohnungseigentümer als Abfallbesitzer oder Anlieger anzusehen sind, nicht eindeutig.
Das ergibt sich, worauf das Berufungsgericht zutreffend abstellt, hinsichtlich der Abfallbeseitigung daraus, dass Entgeltschuldner der Grundstückseigentümer nur "in der Regel" ist, § 8 Abs. 1 KrW-/AbfG Berlin. Auch die Regelung unter 2.1.1 Abs. 7 der Leistungsbedingungen ist nicht klar, wenn dort den Grundstückseigentümern die Wohnungseigentümer gleichgestellt werden. Denn in diesem Zusammenhang muss berücksichtigt werden, dass im Lichte der neueren Rechtsprechung mit der Bezeichnung "Wohnungseigentümer" auch der rechtsfähige Verband gemeint sein könnte, wenn es sich um eine im Rahmen der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums liegende Angelegenheit handelt, in der die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer selbst Rechte erwerben und Pflichten eingehen kann. Das ist hier der Fall. Straßenreinigung und Müllabfuhr sind Verwaltungsangelegenheiten, so dass insoweit die Wohnungseigentümergemeinschaft als rechtsfähiges Subjekt am Rechtsverkehr teilnehmen kann.
Auch hinsichtlich der Straßenreinigung ist die Regelung im Wortlaut nicht eindeutig so gestaltet, dass eine Wohnungseigentümergemeinschaft als rechtsfähiger Verband als Adressat der Realofferte ausgeschlossen ist. Das ergibt sich daraus, dass das Gesetz in erster Linie auf den Anlieger abstellt und die Erläuterung unter § 5 Abs. 1 StrReinG Berlin, wer Anlieger in diesem Sinne ist, ersichtlich nicht den Fall im Auge hat, dass ein Grundstück an die zu reinigende Straße angrenzt, das im Eigentum von Wohnungseigentümern steht.
Bei der Auslegung müssen sowohl die Interessen der Klägerin als auch die der einzelnen Wohnungseigentümer angemessen berücksichtigt werden. Die Klägerin kann sich im Hinblick auf den gesetzlich angeordneten Anschluss- und Benutzungszwang ihre Vertragspartner nicht aussuchen, sie kann ihre Leistungen nicht von der Stellung von Sicherheiten abhängig machen und ihr ist bei einer Haftung der Wohnungseigentümergemeinschaft der Zugriff auf das Privatvermögen der einzelnen Wohnungseigentümer einschließlich ihres Wohnungseigentums verwehrt. Dagegen steht das Interesse der Wohnungseigentümer, nicht gesamtschuldnerisch auch für die von den anderen Eigentümern geschuldeten Entgelte einstehen zu müssen. Bei der Auslegung kann auch nicht unberücksichtigt bleiben, dass nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Wohnungseigentümergemeinschaft rechtsfähig ist, soweit sie bei der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums am Rechtsverkehr teilnimmt, vgl. auch § 10 Abs. 6 WEG. Dieser rechtsfähige Verband haftet mit seinem Verwaltungsvermögen für die entstandenen Verbindlichkeiten, § 10 Abs. 7 WEG. Die einzelnen Wohnungseigentümer sollen hierdurch vor einer umfassenden gesamtschuldnerischen Haftung bewahrt werden. Gemäß § 10 Abs. 8 WEG haften sie nur noch anteilig für die Verbindlichkeiten der Gemeinschaft.
Die Entgeltregelungen sind nicht streng formal dahin zu verstehen, dass jeder, der in einer dinglichen Rechtsbeziehung zu einem Grundstück steht, entgeltpflichtig ist. Sie sollen sicherstellen, dass der Klägerin für ihre Leistungen hinsichtlich eines jeden Grundstücks ein Entgeltpflichtiger zur Verfügung steht, sie soll jeweils auf eine Haftungsmasse zugreifen können. Den Fall, dass die Leistungen der Klägerin einer Vielzahl von Wohnungseigentümern zugutekommen, die jeweils nur zu einem geringen Bruchteil Grundstückseigentümer und in einer Wohnungseigentümergemeinschaft zusammengeschlossen sind, haben die Gesetze nicht vor Augen. Bei einer interessengerechten Auslegung der landesgesetzlichen Normen ist der rechtsfähige Verband mit seinem Verwaltungsvermögen der Adressat der Realofferte und auch Schuldner des Entgelts. Dabei muss auch berücksichtigt werden, dass die von der Klägerin real angebotenen Leistungen nicht von den einzelnen Wohnungseigentümern direkt in Anspruch genommen werden. Das gilt ohne weiteres für die Straßenreinigung. Soweit die Abfallentsorgung betroffen ist, hat die Klägerin keine Anhaltspunkte dafür dargelegt, die darauf schließen lassen, dass nicht die Gesamtheit der Wohnungseigentümer, sondern jeder einzelne von ihnen Adressat der Realofferte sein könnte. Nach ihrer eigenen Darstellung erfolgte die Entsorgung des Hausmülls durch die einzelnen Wohnungseigentümer in ein 1.100 l Gefäß, das von ihr wöchentlich geleert wurde.
Entgegen der Ansicht der Revision steht dieser Auslegung nicht entgegen, dass nach den Kommunalabgabengesetzen mancher Bundesländer die Haftung für öffentliche Abgaben an die Stellung als Grundstückseigentümer bzw. als dinglich Nutzungsberechtigter geknüpft ist. Auf dieser Grundlage hat etwa der Verwaltungsgerichtshof BadenWürttemberg die entsprechenden landesgesetzlichen Normen für die Abwasser- bzw. Abfallgebühren dahin ausgelegt, dass sie eine gesamtschuldnerische Haftung der Wohnungseigentümer begründen. Er hat dabei allein darauf abgestellt, dass die Wohnungseigentümer Miteigentümer des Grundstücks sind, und es abgelehnt, bei der Auslegung den Umstand zu berücksichtigen, dass der Bundesgerichtshof zwischenzeitlich die Teilrechtsfähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft anerkannt hat. Dem vermag der Senat für die hier zu beurteilende Regelung eines Anschluss- und Benutzungszwangs für Abfallentsorgung und Straßenreinigung nicht zu folgen. Dass es sich bei der Wohnungseigentümergemeinschaft um ein teilrechtsfähiges Subjekt handelt und sich daraus Konsequenzen für das Haftungssystem ergeben, kann bei der Auslegung jedenfalls dann nicht außer Betracht bleiben, wenn die Inanspruchnahme der kommunalen Leistung nicht öffentlich-rechtlich durch Satzung, sondern, wie hier, durch privatrechtlichen Vertrag ausgestaltet ist. Demgemäß beschränkt das OLG Hamm die von ihm angenommene gesamtschuldnerische Haftung der Wohnungseigentümer ausdrücklich auf die Gebührenpflicht aufgrund öffentlichrechtlicher Satzung und räumt ein, dass bei einem privatrechtlich ausgestalteten Nutzungsverhältnis etwas anderes gelten kann.
Auch aus den Urteilen des Bundesgerichtshofs vom 10. Dezember 2008 (VIII ZR 293/07) und vom 5. Juli 2005 (X ZR 99/04) kann die Revision nichts zu ihren Gunsten herleiten. Beide Urteile betrafen nicht Mitglieder einer Wohnungseigentümergemeinschaft. Im ersten Urteil ging es um die Frage, ob hinsichtlich der Wasserver- und -entsorgung eines Grundstücks Entgeltschuldner der Eigentümer oder ein langjähriger Mieter war. Gegenstand des zweiten Urteils war die Frage, ob die vom Entgeltschuldner erhobene Einrede der unbilligen Leistungsbestimmung, § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB, durchgreift.
Im Hinblick auf die weitgehende Übereinstimmung der Leistungsbedingungen der Klägerin mit den gesetzlichen Regelungen sind auch sie dahin auszulegen, dass sich die Realofferte der Klägerin an die Wohnungseigentümergemeinschaft als rechtsfähigen Verband richtet und diese das Entgelt schuldet. Mit ihr ist das privatrechtliche Nutzungsverhältnis zustande gekommen.
Eine gesamtschuldnerische Haftung der Wohnungseigentümer käme danach nur dann in Betracht, wenn sie - wovon der Senat in seinem Urteil vom 18. Juni 2009 - VII ZR 196/08, BGHZ 181, 304 wegen der Bindung an die Auslegung landesgesetzlicher Normen durch das Berufungsgericht ausgehen musste - auf einer gesetzlichen Anordnung beruht oder sich aus den Leistungsbedingungen in Verbindung mit den ihnen zugrunde liegenden landesgesetzlichen Normen klar und eindeutig ergäbe, dass neben dem Verband auch der einzelne Wohnungseigentümer verpflichtet werden sollte. Das ist nicht der Fall. Auch insoweit kann dahinstehen, ob der Senat an die jedenfalls teilweise vorgenommene Auslegung des Landesrechts durch das Berufungsgericht gebunden ist. Denn die landesrechtlichen Normen können entgegen der Ansicht der Revision nicht dahin ausgelegt werden, dass sie eine gesamtschuldnerische Mithaftung der Wohnungseigentümer zusätzlich zu der vertraglichen Haftung der Wohnungseigentümergemeinschaft anordnen. Die Gesetze gehen davon aus, dass der Klägerin ein Entgeltpflichtiger aufgrund eines privatrechtlichen Nutzungsverhältnisses gegenübersteht. Ein System, dass die Wohnungseigentümergemeinschaft Vertragspartei ist und neben ihr von Gesetzes wegen eine Nichtvertragspartei zusätzlich gesamtschuldnerisch haftet, liegt ihnen nicht zugrunde. Nicht ergiebig ist auch der Hinweis der Revision darauf, dass nach § 8 Abs. 1 Satz 3 KrW-/AbfG Berlin anstelle der Eigentümer und sonst dinglich Nutzungsberechtigten auch der Abfallerzeuger oder Abfallbesitzer zur Zahlung herangezogen werden kann. Eine gesamtschuldnerische Haftung der Wohnungseigentümer neben dem Verband ergibt sich daraus nicht. Ebenso wenig lässt sich aus den Leistungsbedingungen eine eindeutige und klare Anordnung der gesamtschuldnerischen Haftung der einzelnen Wohnungseigentümer neben dem Verband herleiten.
Dieses Ergebnis beeinträchtigt die Interessen der Klägerin entgegen ihrer Auffassung nicht in unzumutbarer Weise. Sie kann auf das Verwaltungsvermögen der Wohnungseigentümergemeinschaft zugreifen, das in der Regel einen für ihre Befriedigung ausreichenden Bestand aufweisen wird. Darüber hinaus kann sie gemäß § 10 Abs. 8 WEG jeden Wohnungseigentümer im Verhältnis seines Miteigentumsanteils in Anspruch nehmen.
Ohne Erfolg beruft sich die Revision hilfsweise darauf, dass die Beklagte gemäß § 10 Abs. 8 WEG jedenfalls anteilig nach dem Verhältnis ihres Miteigentumsanteils hafte. Zwar ist die Vorschrift auch auf vor Inkrafttreten des neuen Wohnungseigentumsgesetzes entstandene Wohnungseigentümergemeinschaften anwendbar. Die Klägerin hat jedoch einen auf der anteiligen Einstandspflicht der Beklagten für Verwaltungsschulden der Gemeinschaft beruhenden Anspruch in beiden Tatsacheninstanzen nicht geltend gemacht. Das kann sie im Revisionsverfahren nicht nachholen.
Rechtsanwältin
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(1) Das Verhältnis der Wohnungseigentümer untereinander und zur Gemeinschaft der Wohnungseigentümer bestimmt sich nach den Vorschriften dieses Gesetzes und, soweit dieses Gesetz keine besonderen Bestimmungen enthält, nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs über die Gemeinschaft. Die Wohnungseigentümer können von den Vorschriften dieses Gesetzes abweichende Vereinbarungen treffen, soweit nicht etwas anderes ausdrücklich bestimmt ist.
(2) Jeder Wohnungseigentümer kann eine vom Gesetz abweichende Vereinbarung oder die Anpassung einer Vereinbarung verlangen, soweit ein Festhalten an der geltenden Regelung aus schwerwiegenden Gründen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der Rechte und Interessen der anderen Wohnungseigentümer, unbillig erscheint.
(3) Vereinbarungen, durch die die Wohnungseigentümer ihr Verhältnis untereinander in Ergänzung oder Abweichung von Vorschriften dieses Gesetzes regeln, die Abänderung oder Aufhebung solcher Vereinbarungen sowie Beschlüsse, die aufgrund einer Vereinbarung gefasst werden, wirken gegen den Sondernachfolger eines Wohnungseigentümers nur, wenn sie als Inhalt des Sondereigentums im Grundbuch eingetragen sind. Im Übrigen bedürfen Beschlüsse zu ihrer Wirksamkeit gegen den Sondernachfolger eines Wohnungseigentümers nicht der Eintragung in das Grundbuch.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Die Beklagte ist seit Sommer 2001 Eigentümerin des Grundstücks H. straße in B. . Die Klägerin versorgt das Grundstück mit Trinkwasser und entsorgt das auf dem Grundstück anfallende Schmutz- und Niederschlagswasser. Sie beansprucht von der Beklagten, die sie auf Grund deren Eigentümerstellung als ihre Vertragspartnerin ansieht, für die im Zeitraum von Dezember 2004 bis September 2005 auf privatrechtlicher Grundlage erbrachten Ver- und Entsorgungsleistungen Leistungsentgelte in Höhe von insgesamt 80.725,97 €. Die betreffenden Entgelte hatte die Klägerin - wie schon in der Zeit davor - der Grundstücksmieterin, der inzwischen insolventen C. GmbH (im Folgenden: C ), ohne Beteiligung der Beklagten direkt in Rechnung gestellt.
- 2
- Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß zur Zahlung verurteilt. Das Kammergericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Hiergegen wendet diese sich mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision.
Entscheidungsgründe:
- 3
- Die Revision ist begründet.
I.
- 4
- Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Die Beklagte sei bei ihrem Grundstückserwerb zwar nicht ausdrücklich in den Vertrag eingetreten. Sie hafte jedoch für die Ver- und Entsorgungsleistungen der Klägerin aufgrund konkludenten Vertragsschlusses. In dem Leistungsangebot eines Versorgungsunternehmens liege regelmäßig ein Vertragsangebot zum Abschluss eines Versorgungsvertrages in Form einer Realofferte. Dieses Angebot werde von demjenigen angenommen, der die Versorgungsleistungen aus dem Leitungsnetz entnehme. Zwar scheide ein derart konkludenter Vertragsschluss aus, wenn das Versorgungsunternehmen seine Leistungen einem Dritten aufgrund eines mit diesem bestehenden ausdrücklichen Vertragsverhältnisses erbringe. Das sei hier aber nicht gegeben, weil nach dem unwidersprochen gebliebenen Vorbringen der Klägerin in der mündlichen Verhandlung davon auszugehen sei, dass mit den jeweiligen Eigentümern bzw. schuldrechtlich Nutzungsberechtigten des Grundstücks in der Vergangenheit nie ein ausdrücklicher Vertrag geschlossen worden sei. Dass die Klägerin die Rechnungen in der Vergangenheit der C. übersandt und diese mit Ausnahme der offen gebliebenen Rechnungen den Zahlungsausgleich vorgenommen habe, stehe dem nicht entgegen. Allein die langjährige Übersendung der Rechnungen an den Mieter rechtfertige noch keinen Rückschluss auf einen Vertrag mit diesem, weil der Vertragsschluss mit dem jeweiligen Grundstückseigentümer vorgehe und eine Zahlung auch durch Dritte erfolgen könne. Ein Ausnahmefall nach den ergänzenden Bedingungen der Klägerin zu § 2 AVBWasserV, wonach der Vertrag auch mit dem Nutzungsberechtigten geschlossen werden könne, liege nicht vor, zumal sich der Eigentümer dann zur Erfüllung des Vertrages hätte mitverpflichten müssen. Dass bis zum Eigentumserwerb der Beklagten eine Haftung des Voreigentümers auf Grund eines durch die Entnahme oder Duldung der Entnahme erfolgten konkludenten Vertragsschlusses bestanden habe, stehe dem ebenfalls nicht entgegen , da diese Verpflichtung durch den Übergang des Eigentums an einen anderen auflösend bedingt gewesen sei. Entsprechendes gelte für die hier erfolgte Entsorgung von Schmutz- und Regenwasser.
II.
- 5
- Diese Ausführungen halten der rechtlichen Überprüfung in einem wesentlichen Punkt nicht stand. Denn ein Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte auf Zahlung der Entgelte für die erbrachten Ver- und Entsorgungsleistungen (§ 433 Abs. 2, § 631 Abs. 1 BGB) hängt nicht entscheidend davon ab, ob die Klägerin mit der C. einen Vertrag über die Inanspruchnahme dieser Leistungen ausdrücklich geschlossen hat. Es genügt, dass sich ein solcher Vertragsschluss - wie hier - den Umständen entnehmen lässt. In solch einem Fall ist daneben für eine eigenständige, nur aus einer bestimmten Interessenlage abgeleitete Vertragsbeziehung zwischen der Klägerin und der Beklagten kein Raum mehr.
- 6
- 1. Das Berufungsgericht geht im Ansatz zutreffend davon aus, dass in dem Leistungsangebot eines Versorgungsunternehmens grundsätzlich ein Vertragsangebot zum Abschluss eines Versorgungsvertrages in Form einer sogenannten Realofferte zu sehen ist, welche von demjenigen konkludent angenommen wird, der aus dem Leitungsnetz des Versorgungsunternehmens Elektrizität , Gas, Wasser oder Fernwärme entnimmt. Durch diesen Rechtsgrundsatz, der im seinerzeit geltenden § 2 Abs. 2 der Verordnungen über Allgemeine Bedingungen für die Energie- und Wasserversorgung (AVBEltV, AVBGasV, AVBWasserV, AVBFernwärmeV) lediglich wiederholt worden ist, wird der Tatsache Rechnung getragen, dass in der öffentlichen leitungsgebundenen Versorgung die angebotenen Leistungen vielfach ohne ausdrücklichen schriftlichen oder mündlichen Vertragsschluss in Anspruch genommen werden. Er zielt darauf ab, einen ersichtlich nicht gewollten vertragslosen Zustand bei den zugrunde liegenden Versorgungsleistungen zu vermeiden (Senatsurteil vom 15. Februar 2006 - VIII ZR 138/05, NJW 2006, 1667, Tz. 15 m.w.N.). Empfänger der im Leistungsangebot des Versorgungsunternehmens liegenden Realofferte zum Abschluss eines Versorgungsvertrages ist typischerweise der Grundstückseigentümer bzw. derjenige, der die Verfügungsgewalt über den Versorgungsanschluss am Übergabepunkt ausübt. Diese Richtung kommt einem Leistungsangebot des Versorgungsunternehmens aber dann nicht zu, wenn der Abnehmer der Versorgungsleistung bereits anderweitig feststeht, weil das Versorgungsunternehmen oder der Abnehmer zuvor mit einem Dritten eine Liefervereinbarung geschlossen haben, aufgrund derer die Leistung in ein bestehendes Vertragsverhältnis eingebettet ist (zuletzt Senatsbeschluss vom 15. Januar 2008 - VIII ZR 351/06, WuM 2008, 139 m.w.N.).
- 7
- 2. Das Berufungsgericht versteht das aus seiner Sicht auch hier einschlägige Senatsurteil zur Stromversorgung vom 17. März 2004 (VIII ZR 95/03, WM 2004, 2450) dahin, dass ein solcher konkludenter Vertragsschluss durch Entnahme von Energie mit dem Grundstückseigentümer nur dann nicht in Betracht komme, wenn bereits ein ausdrückliches Vertragsverhältnis zwischen dem Versorgungsunternehmen und einem Dritten bestehe, aufgrund dessen die Energielieferungen erbracht würden. Dies rügt die Revision zutreffend als rechtsfehlerhaft.
- 8
- a) Die Annahme des Berufungsgerichts, der Senat habe in seinem Urteil vom 17. März 2004 (aaO, unter II 2 a) zum Ausdruck gebracht, dass nur ein ausdrücklicher Vertragsschluss des Versorgungsunternehmens mit dem Mieter der Annahme eines konkludenten Vertragsschlusses aufgrund einer Realofferte mit dem Grundstückseigentümer entgegenstehen könne, trifft nicht zu. Soweit es dort heißt, dass zwecks Vermeidung unterschiedlicher Versorgungsverträge für das gleiche Versorgungsverhältnis grundsätzlich von dem Vorrang des durch ausdrückliche Vereinbarung begründeten Vertragsverhältnisses gegenüber einem Vertragsabschluss durch schlüssiges Verhalten auszugehen sei, nimmt dies ersichtlich Bezug auf die dieser Entscheidung zugrunde liegende Sachverhaltsgestaltung, die durch einen ausdrücklichen Vertragsschluss geprägt war. Dass der Senat Vertragsverhältnissen mit Dritten, die auf andere Weise zustande gekommen sind, eine solche Vorrangwirkung nicht beimessen wollte, kann den Ausführungen nicht entnommen werden, zumal es dort auch eingangs nur heißt, dass die Voraussetzungen für einen konkludenten Vertragsschluss fehlten, wenn bereits ein Vertragsverhältnis zwischen dem Versorgungsunternehmen und einem Dritten bestehe, aufgrund dessen die Energielieferungen erbracht würden (aaO). Eine Einschränkung der Vorrangwirkung auf ausdrücklich begründete Versorgungsverhältnisse geht im Übrigen auch aus späteren Entscheidungen des Senats nicht hervor, die auf das Urteil vom 17. März 2004 Bezug nehmen. Im Gegenteil heißt es dort nur, der Senat habe bereits ausgesprochen, dass die Voraussetzungen für einen konkludenten Vertragsschluss fehlten, wenn ein Vertragsverhältnis zwischen dem Versorgungsunternehmen und einem Dritten bestehe, aufgrund dessen die Energielieferungen erbracht würden (Senatsurteile vom 26. Januar 2005 - VIII ZR 1/04, ZNER 2005, 63, unter II 1 b, und VIII ZR 66/04, WM 2005, 1089, unter II 1 b bb).
- 9
- b) Es besteht keine Veranlassung, die genannte Vorrangwirkung auf Vertragsverhältnisse mit Dritten zu beschränken, die ausdrücklich abgeschlossen sind. Entscheidend ist, dass sie abgeschlossen sind, weil allein schon dadurch dem Umstand hinreichend Rechnung getragen wird, dass eine von den Beteiligten ersichtlich nicht gewollte Erbringung von Versorgungsleistungen ohne vertragliche Grundlage vermieden wird. Dagegen besteht weder Anlass noch Bedürfnis , den Grundstückseigentümer selbst in den Fällen als (weiteren) Vertragspartner heranzuziehen, in denen das Versorgungsunternehmen seine Leistungen unmittelbar gegenüber einem Grundstücknutzer erbringt, es jedoch verabsäumt, diese vertragliche Leistungsbeziehung in gehöriger Form zu dokumentieren. Denn für das Zustandekommen einer Vertragsbeziehung zu dem Grundstücksnutzer macht es keinen Unterschied, ob der Vertrag ausdrücklich oder konkludent geschlossen worden ist. Beide Verträge äußern vielmehr trotz der unterschiedlichen Art ihres Zustandekommens die gleichen rechtlichen Wirkungen.
- 10
- c) Dem steht nicht entgegen, dass beim Abschluss eines Vertrages über die Versorgung mit Wasser und die Entsorgung von Abwasser eine Abschlussund Versorgungspflicht des Versorgungsunternehmens nur gegenüber dem Grundstückseigentümer besteht (Hempel in: Hempel/Franke, Recht der Energie - und Wasserversorgung, Stand Oktober 2008, III AVBWasserV § 2 Rdnr. 8, 15 f.), mit dem hier für die Grundstücksentwässerung sogar noch ein An- schluss- und Benutzungszwang des Grundstückseigentümers nach § 2 Abs. 6 Nr. 2, § 3 des Berliner Betriebegesetzes vom 9. Juli 1993 (GVBl. S. 319) und aus § 40 Abs. 2 der Bauordnung für Berlin idF vom 3. September 1997 (GVBl. S. 421, 512) einher geht. Zwar hat der Senat bei diesen Gegebenheiten in seinem Urteil vom 30. April 2003 (VIII ZR 279/02, WM 2003, 1730, unter II 1 b, 3) für die Wasserversorgung und die Grundstücksentwässerung ausgeführt, dass sich das Angebot des Versorgungsunternehmens auf Erbringung von Versorgungsleistungen typischerweise an den Grundstückseigentümer richtet, weil nur diesem ein Anspruch auf Anschluss an die Versorgung zusteht und Wasserversorgungsunternehmen ihre Versorgungsaufgabe durch Abschluss des Wasserversorgungsvertrages mit diesem Personenkreis erfüllen. Ebenso wird in der Kommentarliteratur betont, dass die Realofferte zum Abschluss eines Versorgungsvertrages über die Belieferung mit Wasser, das häufig schon aus technischen Gründen über einen einzigen Messpunkt geleitet und von dort aus grundstücksintern weiterverteilt werde, grundsätzlich an den Grundstückseigentümer bzw. sonstige dinglich Berechtigte gerichtet sei und dass nur diese Personen Vertragspartner eines durch schlüssiges Verhalten über die Belieferung eines Grundstücks abgeschlossenen Wasserlieferungsvertrages würden, gleich ob der Grundstückseigentümer selbst Wasser beziehe oder das Grundstück verpachtet oder vermietet habe und das Wasser von den Pächtern oder Mietern entnommen werde (Hempel in: Hempel/Franke, aaO, III AVBWasserV § 2 Rdnr. 12, 14 f., 18 f. m.w.N.).
- 11
- Diese auf den Grundstückseigentümer als Vertragspartner weisende Ausgangslage besteht jedoch dann nicht, wenn gegenläufige Auslegungsgesichtspunkte vorliegen, die unübersehbar in eine andere Richtung weisen (vgl. auch Hempel in: Hempel/Franke, aaO, AVBWasserV § 2 Rdnr. 21). Hierzu gehört der Fall, dass das Versorgungsunternehmen über die für das Grundstück erbrachten Leistungen ungeachtet einer an sich nur gegenüber dem Eigentü- mer bestehenden Abschluss- und Versorgungspflicht eigenständig mit einem Grundstücksnutzer abschließt. Dabei steht es gleich, ob dies ausdrücklich oder durch schlüssiges Verhalten geschieht, wenn und soweit nur erkennbar bleibt, dass der Nutzer selbst Vertragspartner und nicht lediglich Rechnungsempfänger zum Zwecke einer aus Vereinfachungsgründen praktizierten Direktabrechnung sein soll. Ein etwaiger Wille des Versorgungsunternehmens, zumindest daneben auch stets mit dem Grundstückseigentümer abzuschließen, bleibt dagegen unbeachtlich, solange mit diesem nicht eigens Entsprechendes vereinbart ist.
- 12
- 3. Das Berufungsgericht hat sich, von seinem Standpunkt aus folgerichtig , mit der danach entscheidungserheblichen Frage nicht mehr befasst, ob zwischen der Klägerin und der C. ein Vertrag über die erbrachten Ver- und Entsorgungsleistungen zumindest durch schlüssiges Verhalten zustande gekommen ist. Eine Zurückverweisung kommt indessen nicht in Betracht, weil die Sache im Sinne der Klageabweisung entscheidungsreif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO). Der Senat kann die unterbliebene Auslegung der für einen konkludenten Vertragsschluss zwischen der Klägerin und der C. sprechenden Umstände selbst nachholen, weil die hierzu erforderlichen tatsächlichen Feststellungen getroffen und weitere Feststellungen nicht zu erwarten sind (vgl. BGH, Senatsurteil vom 13. Juni 2007 - VIII ZR 387/04, NJW-RR 2007, 1309, Tz. 10; Urteil vom 5. Oktober 2006 - III ZR 166/05, NJW 2006, 3777, Tz. 12, jew. m.w.N.).
- 13
- Danach hat die Klägerin nur mit der C. , nicht hingegen (auch) mit der Beklagten ein Vertragsverhältnis begründet. Die Klägerin hat die von ihr erbrachten Ver- und Entsorgungsleistungen die ganze Zeit über ausschließlich direkt gegenüber der C. abgerechnet, die diese Leistungen mit Ausnahme der hier streitigen Rechnungsbeträge auch bezahlt hat. Sie hat der C. in diesem Zusammenhang ein eigenes Vertragskonto eingerichtet und eine eigene Vertragskontonummer zugeteilt, wie sie nach einem von ihr beigefügten Erläuterungsschreiben "alle Kunden der Berliner Wasserbetriebe haben". Sie hat die C. dabei als "ihre Kundin" angesprochen und in weiteren Erläuterungsblättern der an sie gerichteten Rechnungen auf eine Speicherung der "aus dem bestehenden Vertragsverhältnis" anfallenden Daten hingewiesen. Dass sie die C. nur als Rechnungsempfänger für einen hiervon abweichenden Grundstückseigentümer oder als Mitverpflichtete neben diesem ansehen wollte, hat sie dagegen nirgends zum Ausdruck gebracht. Ebenso wenig ist ersichtlich, dass die Klägerin sich jemals an die Beklagte zwecks Begründung einer eigenen Kundenbeziehung gewandt oder ihr gesonderte Rechnungen übersandt hat. Vor diesem Hintergrund hat der Umstand, dass in den der C. gestellten Rechnungen als Bezugsgegenstand der berechneten Leistungen jeweils das Grundstück benannt war, lediglich leistungsbeschreibenden Charakter. Eine Aussage zu einem anderen oder weiteren Vertragspartner der erbrachten Leistungen liegt darin nicht.
III.
- 14
- Da hiernach nur zwischen der Klägerin und der C. ein Vertragsverhältnis über die erbrachten Ver- und Entsorgungsleistungen begründet worden ist, fehlt es an einer rechtlichen Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung der hier streitigen Beträge. Das angefochtene Urteil kann deshalb keinen Bestand ha- ben. Es ist auf die Revision der Beklagten vielmehr unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils aufzuheben, und die Klage ist abzuweisen. Ball Dr. Frellesen Hermanns Dr. Milger Dr. Achilles
LG Berlin, Entscheidung vom 14.12.2006 - 9 O 277/06 -
KG Berlin, Entscheidung vom 08.10.2007 - 23 U 46/07 -
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand:
Die Klägerin, eine rechtsfähige Anstalt öffentlichen Rechts, betreibt auf der Grundlage des Berliner Betriebegesetzes vom 9. Juli 1993 (BerlBG) die Abfallentsorgung und Straßenreinigung im Land Berlin. Mit der vorliegenden Klage verlangt sie von dem beklagten Grundstückseigentümer Entgelt für Abfallentsorgung und Straßenreinigung in der Zeit vom 3. August 1998 bis 30. Juni 2002 in Höhe von 5.084,33 € nebst Zinsen. Der Beklagte macht unter
anderem geltend, die von der Klägerin festgesetzten Tarife entsprächen nicht der Billigkeit im Sinne des § 315 Abs. 3 BGB.
Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hat das Landgericht die Klage abgewiesen, weil die Einrede nach § 315 Abs. 3 BGB im Entgeltzahlungsprozeß der Klägerin zulässig sei; sie werde von dem in den Leistungsbedingungen der Klägerin enthaltenen Einwendungsausschluß nicht erfaßt. Die Klägerin habe nicht dargelegt, daß ihre Tarife der Billigkeit entsprächen. Das Landgericht hat die Revision zugelassen. Mit dieser begehrt die Klägerin die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
Entscheidungsgründe:
Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Dieses hat im Ergebnis zu Recht entschieden, daß ungeachtet der Ausschlußklausel in den Leistungsbedingungen der Klägerin die vom Beklagten erhobene Einrede der unbilligen Leistungsbestimmung (§ 315 Abs. 3 Satz 1 BGB) schon im vorliegenden Zahlungsprozeß der Klägerin zu prüfen war. Die Klägerin muß jedoch Gelegenheit erhalten, die Angemessenheit ihrer Tarife darzulegen und zu beweisen.
I. Die Klägerin hat, wie auch der Beklagte nicht bezweifelt, grundsätzlich gegen ihre Kunden einen Anspruch auf Zahlung des tariflichen Entgelts für die von ihr erbrachten Abfallentsorgungs- und Straßenreinigungsleistungen. Der Entgeltanspruch ergibt sich aus dem zwischen der Klägerin und den Abfallbe-
sitzern bzw. Grundstückseigentümern bestehenden privatrechtlichen "Benutzungsverhältnis".
Dieses resultiert für die Abfallentsorgung aus § 5 Abs. 2 des Kreislaufwirtschafts - und Abfallgesetzes Berlin (KrW-/AbfG Bln), nach dem die Abfallbesitzer das Recht und die Pflicht haben, ihre Abfälle durch die Klägerin entsorgen zu lassen (Anschluß- und Benutzungszwang), und aus § 8 Abs. 1 KrW-/AbfG Bln, wonach die Kosten der Abfallentsorgung durch den öffentlichrechtlichen Entsorgungsträger - nach § 2 Abs. 1 KrW-/AbfG Bln das Land Berlin - durch privatrechtliche Entgelte zu decken sind, die von den benutzungspflichtigen Grundeigentümern nach Maßgabe der von der Aufsichtsbehörde gemäß § 18 Abs. 2 BerlBG genehmigten Entgeltordnung zu zahlen sind. Für die Straßenreinigung ergibt sich das Benutzungsverhältnis aus dem in § 4 Abs. 1 Satz 1 des Straßenreinigungsgesetzes von Berlin (StrReinG) geregelten Anschluß- und Benutzungszwang und aus § 7 Abs. 1, 2, 3 StrReinG, wonach die Kosten der Reinigung zu 75 v. H. durch von den Anliegern und Hinterliegern zu entrichtende Entgelte zu decken sind, die aus den Tarifen ermittelt werden. Diese Tarife müssen ebenfalls von der Aufsichtsbehörde genehmigt werden. Durch den Anschluß- und Benutzungszwang einerseits und die - der öffentlichen Verwaltung bei der Daseinsvorsorge erlaubte - privatrechtliche Ausgestaltung des Benutzungsverhältnisses andererseits, die aus der Wahl privatrechtlicher Entgelte hervorgeht (vgl. Erichsen/Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht , 12. Aufl., § 29 Rdn. 34), kommt zwischen der Klägerin und dem Abfallbesitzer bzw. Grundstückseigentümer ein privatrechtliches "Benutzungsverhältnis" zustande. Ob es sich dabei um einen (Werk-)Vertrag handelt (so BGHZ 115, 311, 314), braucht hier nicht entschieden zu werden. Auf die
Rechtsbeziehungen zwischen der Klägerin und ihren Kunden findet das Werkvertragsrecht jedenfalls entsprechende Anwendung (vgl. BGHZ 59, 303, 305).
In diesem Verhältnis gelten die von der Klägerin einseitig festgesetzten Tarife und ihre Leistungsbedingungen ohne besondere Einbeziehungsvereinbarung im Sinne der §§ 2 Abs. 1 AGBG, 305 Abs. 2 BGB. Dies ergibt sich hinsichtlich der Tarife aus dem Gesetzeswortlaut (§ 8 Abs. 1 KrW-/AbfG Bln). Es muß aber aufgrund des im Verwaltungsprivatrecht zu beachtenden öffentlichrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes (BGHZ 115, 311, 318), der eine für alle Kunden gleiche Ausgestaltung der Rechtsbeziehungen verlangt, auch für die Leistungsbedingungen gelten. Sie sind als Allgemeine Geschäftsbedingungen zu behandeln (BGH, Urt. v. 03.11.1983 - III ZR 227/82, MDR 1984, 558).
Die Höhe des Entgelts richtet sich nach der von der Klägerin einseitig festgesetzten Entgeltordnung. Die Leistungsbedingungen der Klägerin vom 21. März 2001 besagen dazu (Nr. 1.2.1, 2.2.18 Abs. 1), daß für die Straßenreinigung bzw. das Einsammeln von Abfällen nach Maßgabe der im Amtsblatt für Berlin veröffentlichten Tarife Entgelte erhoben werden. Diese Klauseln, mit denen die Klägerin ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht für sich in Anspruch nimmt, sind die gesetzliche Regelung des § 8 Abs. 1 KrW-/AbfG Bln wiederholende und somit lediglich deklaratorische Bestimmungen und unterliegen daher nicht der Inhaltskontrolle nach §§ 9 ff. AGBG, 307 ff. BGB.
Der Beklagte schuldet der Klägerin also grundsätzlich das tarifliche Entgelt. Der Streit der Parteien dreht sich im Revisionsverfahren hauptsächlich um die Einrede des Beklagten, daß die Tarife als solche zu hoch und deshalb für ihn als Kunden nicht verbindlich seien.
II. Im Ergebnis zu Recht hat das Berufungsgericht entschieden, daß über die Berechtigung dieser Einrede im Zahlungsprozeß der Klägerin zu urteilen ist. Die streitige Ausschlußklausel in den Leistungsbedingungen der Klägerin ist unwirksam.
1. Den Kunden eines Versorgungsunternehmens steht grundsätzlich die Einrede der unbilligen Tariffestsetzung zu.
a) Es ist in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs seit langem anerkannt , daß Tarife von Unternehmen, die mittels eines privatrechtlich ausgestalteten Benutzungsverhältnisses Leistungen der Daseinsvorsorge anbieten, auf deren Inanspruchnahme der andere Vertragsteil im Bedarfsfall angewiesen ist, nach billigem Ermessen festgesetzt werden müssen und einer Billigkeitskontrolle nach § 315 Abs. 3 BGB unterworfen sind (vgl. nur BGH, Urt. v. 19.01.1983 - VIII ZR 81/82, NJW 1983, 659; Urt. v. 03.11.1983, aaO; BGHZ 115, 311, 316 m.w.N.; Urt. v. 30.04.2003 - VIII ZR 279/02, NJW 2003, 3131). Dies ist zum Teil aus der Monopolstellung des Versorgungsunternehmens hergeleitet worden (BGH, Urt. v. 04.12.1986 - VII ZR 77/86, NJW 1987, 1828; Ulmer/Brandner/Hensen, AGBG, 9. Aufl., § 8 Rdn. 15; dagegen und für eine Kontrolle über §§ 138, 305 f. BGB Staudinger/Rieble, BGB (2004), § 315 Rdn. 51 f.), muß aber genauso für den hier vorliegenden Fall eines Anschlußund Benutzungszwangs gelten. Denn auch dann kann der Kunde der einseitigen Preisfestsetzung des Versorgungsunternehmens nicht durch Wahl eines anderen, konkurrierenden Anbieters entgehen.
b) Die Anwendung des § 315 Abs. 3 BGB hat zur Folge, daß die vom Versorgungsunternehmen angesetzten Tarife für den Kunden nur verbindlich sind, wenn sie der Billigkeit entsprechen (§ 315 Abs. 3 Satz 1 BGB). Entspricht die Tarifbestimmung nicht der Billigkeit, so wird sie, sofern das Versorgungsunternehmen dies beantragt, ersatzweise im Wege der richterlichen Leistungsbestimmung durch Urteil getroffen (§ 315 Abs. 3 Satz 2 BGB; vgl. Staudinger /Rieble, aaO Rdn. 294 f.). Erst mit der Rechtskraft des die Tarife neu festsetzenden Feststellungsurteils wird die Forderung des Versorgungsunternehmens fällig und kann der Kunde in Verzug geraten (BGH, Urt. v. 24.11.1995 - V ZR 174/94, NJW 1996, 1054; MünchKomm./Gottwald, BGB, 4. Aufl., § 315 Rdn. 49; Palandt/Heinrichs, BGB, 64. Aufl., § 315 Rdn. 17; Staudinger/Rieble, aaO Rdn. 276); erst von diesem Zeitpunkt an besteht mithin eine im gerichtlichen Verfahren durchsetzbare Forderung des Versorgungsunternehmens.
c) Das gilt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs grundsätzlich auch dann, wenn, wie hier, die Tarifbestimmung mit Genehmigung der zuständigen Aufsichtsbehörde getroffen worden ist. Denn die rein öffentlich-rechtliche Wirkung der Genehmigung beschränkt sich auf das Verhältnis der Behörde zum Genehmigungsempfänger und ist für die privatrechtliche Überprüfung eines einseitig festgesetzten Entgelts anhand des § 315 Abs. 3 BGB nicht präjudiziell (vgl. nur BGHZ 115, 311, 315; BGH, Urt. v. 02.07.1998 - III ZR 287/97, NJW 1998, 3188, jeweils m.w.N.; vgl. auch Ludwig/ Odenthal/Hempel/Franke, Recht der Elektrizitäts-, Gas- und Wasserversorgung , § 30 AVBEltV Rdn. 56).
2. Der Beklagte ist nicht darauf beschränkt, die Einrede der unbilligen Leistungsbestimmung im Rahmen eines Rückforderungsprozesses geltend zu
machen. Soweit die Leistungsbedingungen der Klägerin einen Einwendungsausschluß für den Zahlungsprozeß enthalten, ist dieser unwirksam.
a) Die diesbezügliche Klausel Nr. 1.4.2 der Leistungsbedingungen vom 21. März 2001, die nach Nr. 2.2.21 nicht nur für die Straßenreinigung, sondern auch für die Abfallentsorgung gilt, lautet:
"Einwendungen gegen Entgeltansprüche
(1) Entgeltansprüche verjähren in vier Jahren. Einwendungen gegen die Rechnung sind innerhalb einer Frist von zwei Wochen nach ihrem Zugang schriftlich bei den BSR geltend zu machen.
(2) Trotz rechtzeitiger Mitteilung bleibt die Verpflichtung zur Zahlung der Entgelte jedoch unberührt. Die Einwendungen sind im Rahmen eines Rückforderungsprozesses geltend zu machen. Ist eine Einwendung begründet, so wird der zuviel gezahlte Betrag verrechnet oder auf ausdrücklichen Wunsch des Entgeltpflichtigen erstattet."
b) Die vom Beklagten erhobene Einrede der unbilligen Tariffestsetzung wird vom sachlichen Anwendungsbereich dieser Ausschlußklausel erfaßt.
aa) Bei deren Auslegung ist der erkennende Senat an das tatrichterliche Verständnis nicht gebunden, obwohl Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB)
keine Rechtsnormen sind und ihre Auslegung daher grundsätzlich Sache des Tatrichters ist.
Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, daß AGB dann wie revisible Rechtsnormen zu behandeln und infolgedessen vom Revisionsgericht frei auszulegen sind, wenn sie bestimmten Anforderungen in bezug auf ihren räumlichen Geltungsbereich genügen. Der Grund dafür ist das Bedürfnis nach einheitlicher Handhabung überörtlich geltender AGB (BGHZ 112, 204, 210; 144, 245, 248). Dieses Bedürfnis gebietet es, immer dann, wenn gegen die Urteile verschiedener Berufungsgerichte die Revision zum Bundesgerichtshof eröffnet ist, diesem die Auslegung zu übertragen. In den älteren Entscheidungen hieß es daher, AGB seien frei auszulegen, soweit sie über den Bezirk des "Berufungsgerichts" hinaus angewendet würden (BGHZ 98, 256, 258; 105, 24, 27). Spätere Entscheidungen besagten zwar, daß die AGB über den Bezirk eines "Oberlandesgerichts" hinaus gelten müßten (z.B. BGHZ 112, aaO; 144, aaO). Damit war aber ersichtlich kein Wechsel der Begründung bezweckt, sondern der Begriff "Oberlandesgericht" wurde als Synonym zu "Berufungsgericht" benutzt, weil nach dem bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Revisionsrecht (§ 545 Abs. 1 ZPO a.F.) eine Revision nur gegen von den Oberlandesgerichten erlassene Urteile möglich war. Nach Sinn und Zweck dieser Rechtsprechung ist es geboten, seit Geltung des neuen Revisionsrechts , nach dem gegen die Urteile aller Berufungsgerichte, sei es das Landgericht oder das Oberlandesgericht, die Revision möglich ist (§ 542 Abs. 1 ZPO n.F.), zu dem Begriff "Berufungsgericht" zurückzukehren (diesen verwendet auch Zöller/Gummer, ZPO, 25. Aufl., § 545 Rdn. 8).
Die Leistungsbedingungen der Klägerin gelten zwar nur in Berlin, aber gleichwohl "über den Bezirk eines Berufungsgerichts hinaus". Denn je nach Streitwert der Entgeltklage ist in erster Instanz das Amtsgericht oder das Landgericht zuständig und entscheidet im Berufungsverfahren das Landgericht oder das Kammergericht. Die daraus resultierende Gefahr widerstreitender Urteile unterschiedlicher Berufungsgerichte hat sich auch bereits verwirklicht. Anders als das Landgericht mit seinem Berufungsurteil im vorliegenden Fall (48 S 28/04) hat das Kammergericht als Berufungsgericht entschieden (26 U 142/03), daß die streitige Ausschlußklausel die Einrede nach § 315 Abs. 3 BGB erfasse.
bb) Der erkennende Senat schließt sich der gegenteiligen Auslegung des Kammergerichts an.
Der Wortlaut der Klausel - "Einwendungen gegen die Rechnung" - deckt nach allgemeinem Sprachverständnis sämtliche tatsächlichen oder rechtlichen Gründe ab, die der Kunde der Entgeltforderung der Klägerin entgegensetzen kann. Er läßt keine Beschränkung auf bestimmte, besondere Einwendungen erkennen. Insbesondere bietet die allgemein gehaltene Formulierung keinen Anhaltspunkt dafür, daß nur die Rüge von Ablese- oder Berechnungsfehlern in engerem Sinne gemeint ist, Einwände gegen den Tarif als solchen nach § 315 Abs. 3 BGB hingegen nicht erfaßt werden.
Auch Sinn und Zweck der Klausel sprechen dagegen, daß § 315 Abs. 3 BGB ausgenommen ist. Die Klausel ist in Anlehnung an die normativen Regelungen der §§ 30 AVBEltV, 30 AVBGasV, 30 AVBFernwärmeV und 30 AVBWasserV formuliert, in denen es heißt, daß Einwände gegen Rechnungen und
Abschlußrechnungen zum Zahlungsaufschub oder zur Zahlungsverweigerung nur berechtigen, soweit sich aus den Umständen ergibt, daß offensichtliche Fehler vorliegen. Diese Vorschriften sollen gewährleisten, daß die grundsätzlich zur Vorleistung verpflichteten Versorgungsunternehmen nicht unvertretbare Verzögerungen bei der Realisierung ihrer Preisforderungen in Fällen hinnehmen müssen, in denen Kunden Einwände geltend machen, die sich letztlich als unberechtigt erweisen (Begründung des Bundesministers für Wirtschaft, wiedergegeben bei Ludwig/Odenthal/Hempel/Franke, § 30 AVBEltV Rdn. 3). Die Verfolgung dieses Zwecks, der ersichtlich auch der Ausschlußklausel in den Leistungsbedingungen der Klägerin zugrunde liegt, gebietet eine weite Auslegung dahin, daß alle Einwände gegen Grund und Höhe des Zahlungsanspruchs ohne Rücksicht auf ihre rechtliche Einordnung erfaßt werden, einschließlich der Einwände gegen die Höhe der Tarife nach § 315 Abs. 3 BGB (so auch BGH, Urt. v. 03.11.1983, aaO, zu einer Vorgängerklausel in den Leistungsbedingungen der Klägerin; vgl. auch BGH, Urt. v. 26.05.2004 - VIII ZR 311/03, NJW 2004, 2161 zur weiten Auslegung der Haftungsbeschränkung in § 6 AVBEltV; ebenso Ludwig/Odenthal/Hempel/Franke, aaO Rdn. 9, 26).
Mit diesem Verständnis der Klausel begründet der erkennende Senat auch keine Divergenz zu früheren Urteilen des Bundesgerichtshofs, die sich mit dem Einwendungsausschluß in den Geschäftsbedingungen eines Versorgungsunternehmens befaßt haben. Denn die einschlägigen Urteile betrafen entweder nicht die Einrede nach § 315 Abs. 3 BGB (Urt. v. 24.03.1988 - III ZR 11/87, MDR 1988, 759) oder nicht die Leistungsbedingungen der Klägerin (Urt. v. 19.01.1983, aaO; BGHZ 115, 311 ff.; Urt. v. 30.04.2003, aaO).
c) Die somit ihrem Inhalt nach einschlägige streitige Ausschlußklausel ist jedoch unwirksam.
Der Prüfungsmaßstab für die Ausschlußklausel ist nicht § 315 Abs. 3 BGB. Denn sie betrifft weder die Leistungsbestimmung, d.h. die Festsetzung des vom Kunden zu zahlenden Entgelts oder etwaiger Nebenpflichten, noch Leistungsmodalitäten wie Leistungsort oder -zeit. Die Klausel regelt anderweitige Vertragsbestimmungen und ist daher der AGB-Inhaltskontrolle nach §§ 9 ff. AGBG, 307 ff. BGB unterworfen. Dieser Kontrolle hält sie nicht stand.
aa) Entgegen der Ansicht des Revisionsbeklagten handelt es sich allerdings nicht um eine Bestimmung, durch die der Verwender die Beweislast zum Nachteil des anderen Vertragsteils ändert, insbesondere indem er diesem die Beweislast für Umstände auferlegt, die im Verantwortungsbereich des Verwenders liegen (§§ 11 Nr. 15 a AGBG, 309 Nr. 12 a BGB). Im Rahmen der Billigkeitskontrolle nach § 315 Abs. 3 BGB trifft nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs den Bestimmungsberechtigten die Darlegungs- und Beweislast dafür, daß seine Leistungsbestimmung der Billigkeit entspricht (vgl. nur BGH, Urt. v. 30.04.2003, aaO m.w.N.; so auch die herrschende Meinung im Schrifttum, vgl. nur MünchKomm./Gottwald, aaO Rdn. 53; Staudinger/Rieble, aaO, § 288 f.; a.A. Palandt/Sprau, aaO Rdn. 19). Diese Beweisverteilung wird durch die streitige Klausel nicht berührt.
(1) Durch Auslegung läßt sich der Klausel keine Beweislastumkehr entnehmen. Ihr Text, wonach "die Einwendungen im Rahmen eines Rückforderungsprozesses geltend zu machen (sind)", erwähnt die Beweislast nicht, und auch der bereits dargelegte Zweck der Klausel, das Versorgungsunternehmen
vor Verzögerungen bei der Realisierung seiner Preisforderungen zu schützen, wird allein durch die Verweisung der Einwände des Kunden in einen Rückforderungsprozeß voll und ganz erreicht und erfordert daher keine weitergehende Einschränkung seiner Rechte. Die streitige Klausel bezweckt keine materiellrechtliche Verschlechterung der Position des Kunden (Ludwig/Odenthal/ Hempel/Franke, aaO Rdn. 58). Vielmehr entspricht es Sinn und Zweck der Klausel, im Rückforderungsprozeß des Kunden die Darlegungs- und Beweislast genauso zu handhaben, wie sie im Zahlungsprozeß des Versorgungsunternehmens ohne die streitige Klausel anzuwenden wäre (OLG Hamm WuM 1991, 431).
(2) Eine Beweislastumkehr folgt auch nicht aus dem Umstand, daß der Kunde im Rückforderungsprozeß seinen Anspruch auf ungerechtfertigte Bereicherung stützen muß (§ 812 Abs. 1 Satz 1 BGB). Die Frage, ob es sich überhaupt um eine Beweislastklausel im Sinne der §§ 11 Nr. 15 a AGBG, 309 Nr. 12 a BGB handeln würde, wenn die Veränderung der Beweislast lediglich die Folge der Verweisung des Kunden auf einen Rückforderungsprozeß wäre, kann hier offenbleiben (verneint für die Abgabe eines vorformulierten abstrakten Schuldversprechens von BGHZ 99, 274, 284 f.; 114, 9, 12). Zwar würde die Anwendung des Grundsatzes, daß der Bereicherungsgläubiger dartun und beweisen muß, daß er ohne Rechtsgrund geleistet hat, im vorliegenden Fall bedeuten , daß der Kunde die Unverbindlichkeit der Tarife und damit deren Unbilligkeit darzulegen und zu beweisen hätte, wobei seine Belastung lediglich durch die sogenannte sekundäre Behauptungslast der Klägerin bezüglich der in ihrem Wahrnehmungs- und Verantwortungsbereich gelegenen tatsächlichen Grundlagen der Tarifgestaltung gemildert wäre (BGHZ 154, 5, 9). Dieser Grundsatz gilt jedoch nicht uneingeschränkt. Wenn eine Zahlung lediglich als
Abschlag oder Vorauszahlung in Erwartung einer noch festzustellenden Schuld erfolgt ist, so hat bei einer Rückforderung der Empfänger das Bestehen der Forderung zu beweisen (BGH, Urt. v. 09.03.1989 - IX ZR 64/88, NJW 1989, 1606; Urt. v. 08.07.2004 - III ZR 435/02, NJW 2004, 2897). Da auch die Zahlung des Kunden eines Versorgungsunternehmens, der durch eine AGBKlausel mit seinen Einwänden auf einen Rückforderungsprozeß verwiesen wird, konkludent unter Vorbehalt erfolgt, muß es auch in diesem Fall im Rückforderungsprozeß dabei bleiben, daß das Versorgungsunternehmen die Darlegungs - und Beweislast für die Verbindlichkeit bzw. Billigkeit seiner Tarife trägt.
(3) Davon ist auch der Bundesgerichtshof in seinem frühere Leistungsbedingungen der Klägerin betreffenden Urteil vom 3. November 1983 (aaO) ohne weiteres - stillschweigend - ausgegangen (so auch das Kammergericht in ständiger Rechtsprechung, vgl. Urt. v. 22.03.2001, NVwZ-RR 2002, 384; OLG Hamm aaO; Ludwig/Odenthal/Hempel/Franke, aaO Rdn. 12, 55, 58). Soweit der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs mit Bezug auf die inhaltlich ähnliche Klausel des § 30 AVBEltV am Rande die Ansicht geäußert hat, daß im Rückforderungsprozeß der Kunde nach allgemeinen bereicherungsrechtlichen Grundsätzen die Unbilligkeit der Leistungsbestimmung des Versorgungsunternehmens darzutun und zu beweisen habe (BGH, Urt. v. 19.01.1983 - VIII ZR 81/82, NJW 1983, 1777; BGHZ 154, 5, 9), vermag sich der erkennende Senat dieser Ansicht aus den dargelegten Gründen nicht anzuschließen.
bb) Die streitige Bestimmung verstößt jedoch gegen die Generalklausel der §§ 9 AGBG, 307 BGB, die eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners verbietet.
(1) Die Klausel ist allerdings nicht etwa deshalb zu beanstanden, weil die Klägerin mit ihr eine - der Verwaltung nicht erlaubte - "Flucht ins Privatrecht" angetreten, d.h. sich ihrer öffentlich-rechtlichen Bindungen zu entledigen versucht hätte. Wenn die Verwaltung, wie hier, öffentliche Aufgaben in den Formen des Privatrechts wahrnimmt, so werden die Normen des Privatrechts durch Bestimmungen des öffentlichen Rechts ergänzt, überlagert und modifiziert (Verwaltungsprivatrecht). Die in den Formen des Privatrechts handelnde Verwaltung hat jedenfalls die grundlegenden Prinzipien der öffentlichen Finanzgebarung zu beachten (BGHZ 91, 84, 96 f.; 115, 311, 318). Soweit diese das für die Abgabeneinziehung geltende Verfahrensrecht einschließen, ergeben sich gegen die Klausel indessen keine Bedenken. Auch öffentliche Abgaben muß der in Anspruch Genommene bei wirtschaftlicher Betrachtung schon vor Klärung der Rechtslage leisten. Einwendungen gegenüber der Leistungspflicht hindern die Durchsetzung des Anspruchs nicht ohne weiteres; nach § 80 Abs. 2 VwGO entfällt bei der Anforderung öffentlicher Abgaben die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage. Zwar kommt eine Wiederherstellung dieser Wirkung und damit eine Aussetzung der Vollziehung in Betracht, wenn Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Festsetzung bestehen. Auch bei ernstlichen Zweifeln, d.h. dann, wenn der Erfolg des Rechtsmittels zumindest ebenso wahrscheinlich ist wie dessen Mißerfolg (Redeker /v. Oertzen, VwGO, 13. Aufl., § 80 Rdn. 36), kann die Behörde die Aussetzung aber von einer Sicherheitsleistung abhängig machen (§ 80 Abs. 4 Satz 2, 3 VwGO), die im Ergebnis zu einer weitgehenden Sicherstellung der öffentlichen Hand und einer vergleichbaren Belastung des Bürgers führt, wie sie der Einwendungsausschluß in der streitigen Klausel mit sich bringt. Auch nach öffentlichem Recht läuft der Bürger also Gefahr, bei einem sich später als unbegründet erweisenden Abgabenbescheid zum einen zunächst einmal leisten und
zum anderen die aktive Parteirolle ergreifen zu müssen, um sein Geld zurückzuerhalten.
Daß somit die streitige Klausel in ihrem Kern der öffentlich-rechtlichen Regelung entspricht, hindert andererseits nicht die Feststellung ihrer Unwirksamkeit nach §§ 9 AGBG, 307 BGB. Entscheidet sich die öffentliche Hand, Leistungsverhältnisse im Rahmen der Daseinsvorsorge in privatrechtlicher Form zu regeln, so muß sie es hinnehmen, daß der privatrechtliche Gehalt solcher Benutzungsverhältnisse der Kontrolle der ordentlichen Gerichte nach den für das Privatrecht maßgebenden Rechtssätzen unterliegt (BGHZ 115, 311, 317). Bei dieser Inhaltskontrolle spielt es deshalb auch keine Rolle, daß der Verordnungsgeber mit dem jeweiligen § 30 der Verordnungen über die AVB der Elektrizitäts -, Fernwärme-, Gas- und Wasserversorgungsunternehmen unter Abwägung der gegenläufigen Interessen von Versorgungsunternehmen und Kunden ein normatives Leitbild geschaffen hat (vgl. BGHZ 138, 118, 126 f.).
(2) Es kann dahinstehen, ob die streitige Klausel eine unangemessene Benachteiligung bereits deshalb enthält, weil sie keine Ausnahmeregelung für den Fall vorsieht, daß "offensichtliche" Fehler vorliegen, wie sie in § 30 der AVB der Elektrizitäts-, Fernwärme-, Gas- und Wasserversorgungsunternehmen enthalten ist (so Beuermann, GE 2003, 1192, 1196), oder ob die Klausel insoweit nach ihrem Sinn und Zweck und nach Treu und Glauben entsprechend einschränkend auszulegen ist (vgl. dazu BGH, Urt. v. 31.10.1984 - VIII ZR 226/83, NJW 1985, 320; Urt. v. 03.04.2003 - IX ZR 287/99, NJW 2003, 2231 für die Bürgschaft auf erstes Anfordern; Urt. v. 24.03.1988, aaO, 759; Ludwig /Odenthal/Hempel/Franke, aaO Rdn. 11; Ulmer/Brandner/Hensen, AGBG, 9. Aufl., § 5 Rdn. 41, § 6 Rdn. 15).
(3) Denn die Klausel ist jedenfalls deshalb unwirksam, weil sie mit wesentlichen Grundgedanken der privatrechtlichen gesetzlichen Regelung nicht zu vereinbaren ist, so daß eine unangemessene Benachteiligung der Kunden im Zweifel anzunehmen ist (§§ 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG, 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB), und weil die insoweit darlegungspflichtige Klägerin nicht ausreichend dargelegt hat, daß die Benachteiligung der Kunden durch eigene höherrangige Interessen gerechtfertigt ist (BGHZ 114, 238, 242).
(a) Es ist eine grundlegende gesetzliche Regel des privaten Schuldrechts , daß der Gläubiger das Entstehen, die Begründetheit und die Fälligkeit seiner Forderung darlegen und beweisen muß, bevor er Erfüllung verlangen kann, und daß er umgekehrt keine Leistung beanspruchen kann, wenn der Schuldner berechtigte Einwände darlegt und beweist (vgl. BGH, Urt. v. 05.07.1990 - IX ZR 294/89, NJW-RR 1990, 1265 für den ähnlich gelagerten Fall der Bürgschaft auf erstes Anfordern, dort auch in Anwendung des § 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG). Von dieser Grundregel weicht die streitige Ausschlußklausel ab, weil sie den Schuldner mit seinen Einwendungen auf einen Rückforderungsprozeß verweist.
(b) Weil die Klausel auch den Einwand der unbilligen einseitigen Leistungsbestimmung erfaßt, ist sie ferner auch mit § 315 Abs. 3 BGB nicht zu vereinbaren , der ein formularmäßig nicht abdingbares Gerechtigkeitsgebot enthält. Ist der Einwand der Unangemessenheit nach § 315 BGB gerechtfertigt, so ist, wie bereits dargelegt, von Anfang an nur der angemessene, im Ergebnis vom Gericht bestimmte Betrag geschuldet (§ 315 Abs. 3 BGB). Nur auf diesen hat die Klägerin Anspruch. Eine Rechtfertigung, ihr darüber hinaus die Befug-
nis zuzugestehen, zunächst eine unter Umständen gar nicht geschuldete Leistung zu vereinnahmen und den Abnehmer auf einen Rückforderungsprozeß zu verweisen, ist nicht zu erkennen. Das liefe dem Zweck des § 315 BGB zuwider (vgl. dazu BGH, Urt. v. 19.01.1983, aaO; Urt. v. 30.04.2003, aaO).
(c) Die Klägerin hat nicht dargelegt, daß demgegenüber ihre schutzwürdigen Belange ein größeres Gewicht haben. Dies gilt auch dann, wenn man zugunsten der Klägerin davon ausgeht, daß ein beträchtlicher Teil der von ihren Kunden erhobenen und von ihr zurückgewiesenen Einwendungen sich letztlich als unbegründet erweisen wird (vgl. die Begründung des Bundesministers für Wirtschaft zu § 30 AVBEltV). Dies mag auch für die Rüge überhöhter Tarife zutreffen, zumal die Genehmigung der Aufsichtsbehörde (§ 18 Abs. 2 BerlBG), die nur erteilt werden darf, wenn die Tarife den verwaltungsrechtlichen Grundsätzen einer kostengünstigen, nicht auf Gewinnerzielung ausgerichteten Versorgung entsprechen, wenngleich keine ausreichende Gewähr, so doch ein gewisses Indiz für die Billigkeit der Tarife liefert (vgl. Ludwig /Odenthal/ Hempel/Franke, aaO Rdn. 56; offengelassen in BGH, Urt. v. 03.02.2003, aaO). Bei unbegründeten Schuldnereinwendungen handelt es sich jedoch um ein typisches Gläubigerrisiko, das im Normalfall durch den Anspruch auf Verzugschadensersatz hinreichend ausgeglichen wird. Die Klägerin hat nicht substantiiert dargelegt, daß dies bei ihr nicht der Fall ist. Sie hat nur in allgemeiner Form auf ihre Vorleistungspflicht aufmerksam gemacht - die indes durch die Pflicht der Kunden zu vierteljährlicher Zahlung weitgehend entschärft ist (Nr. 2.2.21 Abs. 2 Satz 1, 1.4.1 Abs. 2 Satz 1 der Leistungsbedingungen) - und auf ihr - vom Beklagten bestrittenes - Liquiditätsrisiko und auf das Interesse der Allgemeinheit an einer möglichst kostengünstigen Abfallbeseitigung hingewie-
sen, hat aber nichts Konkretes dazu vorgetragen, in welcher Größenordnung sie ohne Anwendung der streitigen Klausel Einnahmeausfälle, Verzugsschäden und Rechtsverfolgungskosten erleiden kann. Trotz des Bestreitens des Beklagten hat die Klägerin nicht einmal dargelegt, in welcher Höhe sie überhaupt durch unbegründete Nichtzahlung ihrer Rechnungen Verluste erleidet, geschweige denn, in welchem Umfang ihre Kunden gerade - und zwar unbegründet - die für das Gewicht der Kundenbenachteiligung ausschlaggebende Einrede der überhöhten Tariffestsetzung erheben und in welcher Größenordnung sie, die Klägerin, einen bleibenden Schaden erfahren würde, wenn diese Einrede im Zahlungsprozeß zu berücksichtigen wäre. Gegen eine hieraus resultierende Liquiditätsgefährdung spricht jedenfalls der vom Beklagten unwidersprochen vorgetragene Umstand, daß die Klägerin Entgeltrückstände erst kurz vor Ablauf der vierjährigen Verjährungsfrist gerichtlich geltend macht.
In Ermangelung näherer Darlegungen der Klägerin ist es dem Senat nicht möglich, das Gewicht der durch die streitige Klausel geschützten berechtigten Belange der Klägerin abzuschätzen und zu beurteilen, ob sie die Benachteiligung der Kunden überwiegen. Deshalb hilft auch die Erwägung nicht, daß der mit der Klausel verbundene Nachteil im Einzelfall bei Zuvielforderungen der Klägerin nicht sehr schwer wiegen mag. Die Klägerin entzieht den Kunden ihre Einwendungen nicht auf Dauer, sondern verweist sie lediglich auf ein gesondertes Verfahren. Daß der Kunde im Rückforderungsprozeß die aktive Kläger- statt der Beklagtenrolle übernehmen muß, belastet ihn in rechtlicher Hinsicht nicht, da, wie bereits dargelegt worden ist, die Darlegungs- und Beweislast sich nicht verändert und auch das Kostenrisiko sich nicht erhöht. Auch ist mit der Rückforderung der Leistung so gut wie kein Insolvenzrisiko verbunden , weil das Land Berlin Gewährträger der Klägerin ist (§ 4 BerlBG). Dies än-
dert indessen nichts daran, daß die Klägerin das Gewicht ihrer eigenen Interessen nicht hinreichend dargelegt hat.
Die diesbezüglichen Zweifel gehen zu Lasten der darlegungs- und beweispflichtigen Klägerin. Deshalb muß die streitige Klausel als unwirksam beurteilt werden (vgl. Palandt/Sprau, vor § 765 Rdn. 14 zur Bürgschaft auf erstes Anfordern; dafür - mit anderer Begründung - auch Rott/Butters, VuR 1999, 75, 79 und Beuermann, aaO S. 1196 f.; a.A. Ludwig/Odenthal/Hempel/Franke, aaO Rdn. 8; Herrmann/Recknagel/Schmidt-Salzer, Allgemeine Versorgungsbedingungen , § 30 AVBV Rdn. 15).
Das Berufungsgericht hat somit die vom Beklagten erhobene Einrede der unbilligen Tariffestsetzung im Ergebnis zu Recht im vorliegenden Zahlungsprozeß der Klägerin geprüft.
III. Es hätte jedoch dieser Einrede nicht mit der Begründung stattgeben dürfen, daß die Klägerin zur Angemessenheit ihrer Tarife nichts vorgetragen habe, ohne die Klägerin auf seinen Rechtsstandpunkt, daß die Ausschlußklausel nicht eingreife, hinzuweisen und ihr Gelegenheit zur Nachholung fehlenden Vortrags zu geben. Die diesbezügliche Verfahrensrüge der Revision ist begründet. Das erstinstanzlich urteilende Amtsgericht hatte die Klausel für wirksam erachtet und unter anderem aus diesem Grund der Klage stattgegeben. Eine in erster Instanz siegreiche Partei darf darauf vertrauen, daß das Berufungsgericht ihr rechtzeitig einen Hinweis nach §§ 139, 278 Abs. 3 ZPO gibt, wenn es der Beurteilung der Vorinstanz nicht folgen will und insbesondere aufgrund seiner abweichenden Ansicht eine Ergänzung des Vorbringens oder einen Beweisantritt für erforderlich hält (BGH, Urt. v. 27.04.1994 - XII ZR 16/93,
NJW 1994, 1880). Im vorliegenden Fall hat das Berufungsgericht einen solchen Hinweis unterlassen.
Entgegen der Ansicht des Beklagten war die Unterlassung für die vom Berufungsgericht ausgesprochene Klageabweisung auch kausal. Denn der Vortrag, den die Klägerin nach dem Vorbringen der Revision auf einen solchen Hinweis hin gehalten hätte, ist hinreichend substantiiert. Die Rüge des Beklagten , daß der tarifbestimmende Gesamtkostenaufwand einer sachlichen Nachprüfung schon deshalb unzugänglich sei, weil konkrete Rechnungsergebnisse der Vorjahre nicht dargelegt würden, ist nicht begründet. Nach Darlegung der Klägerin werden die Tarife berechnet, indem eine geschätzte Kostenermittlung je Produkt für eine jeweils zweijährige Kalkulationsperiode im voraus erfolgt. Die Tarifberechnung richtet sich also nicht nach den in den vergangenen Jahren entstandenen Kosten. Falls es erforderlich sein sollte, die Kalkulation mit den tatsächlichen Vorjahreskosten zu vergleichen, um sich ein Bild von der Angemessenheit der Kalkulation zu machen, wird die Klägerin diese zwar mitteilen müssen. Zu einer substantiierten Darlegung der Angemessenheit ihrer Tarife gehört die Mitteilung der Vorjahresergebnisse indessen nicht. Auch soweit der Beklagte bemängelt, daß die Klägerin nur die verschiedenen Aufwandspositionen und den geschätzten Gesamtaufwand abzüglich der kostenmindernden Faktoren, nicht aber die als kostenmindernd berücksichtigten Umsatzerlöse , Zuschüsse des Landes Berlin und Überdeckungen der Vorjahre im einzelnen beziffert habe, berührt dies nicht die Substantiiertheit des klägerischen Vortrags. Sollte das Berufungsgericht diese Zahlenangaben für seine Prüfung benötigen, muß es der Klägerin einen entsprechenden Hinweis erteilen.
Die vom Berufungsgericht gegebene Begründung, die Klägerin habe zur Angemessenheit ihrer Tarife nichts dargelegt, vermag das klageabweisende Urteil daher nicht zu tragen.
IV. Das Berufungsurteil stellt sich auch nicht etwa aus anderen Gründen als im Ergebnis richtig dar (§ 561 ZPO). Die weiteren im Revisionsverfahren noch aufrechterhaltenen Einwendungen des Beklagten sind teils nicht begründet , teils nicht entscheidungsreif.
a) Die Klage ist aus den im Berufungsurteil dargelegten Gründen nicht wegen Verstoßes gegen § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO unzulässig.
b) Sie scheitert auch nicht an einem fehlenden Vertragsverhältnis zwischen den Parteien. Wie bereits dargelegt, kommt infolge des Anschluß- und Benutzungszwangs zwischen der Klägerin und den Abfallbesitzern bzw. Grundstückseigentümern ein privatrechtliches Nutzungsverhältnis zustande, das nach Werkvertragsrecht zu beurteilen ist.
c) Auch der Einwand des Beklagten, er habe die Aufstellung einer Bioabfalltonne verweigert und brauche deshalb das in Rechnung gestellte Entgelt für die Leistungsart "Biogut" nicht zu bezahlen, greift nicht durch. Das privatrechtliche Nutzungsverhältnis zwischen dem Beklagten und der Klägerin erstreckt sich auf alle Leistungen der Klägerin, für die der Anschluß- und Benutzungszwang besteht. Die Ansicht des Beklagten, hinsichtlich des Biomülls bestehe grundsätzlich kein Anschluß- und Benutzungszwang, da der Biomüll durch den Kunden auch anderweit sachgerecht entsorgt werden könne, findet im Gesetz (§ 5 Abs. 2 KrW-/AbfG Bln) keine Grundlage. § 11 Abs. 1 Nr. 3 KrW-
/AbfG Bln sieht die Getrenntsammlung von organischen Abfällen sogar ausdrücklich vor. Sollte der vom Beklagten erhobene Einwand, dessen rechtliche Erheblichkeit die Klägerin anerkennt, auf den Einzelfall des Beklagten bezogen und dahin zu verstehen sein, er verwerte den Bioabfall selbst - was die Klägerin bestreitet - und brauche deshalb diese Leistungsart der Klägerin nicht zu bezahlen, wäre dieser Einwand derzeit nicht begründet, weil der Beklagte für die behauptete Eigenverwertung keinen Beweis angetreten hat.
d) Über den Erfüllungseinwand des Beklagten, daß er die mit der Klage geltend gemachten Entgeltrückstände für das Jahr 1998 alsbald bezahlt habe, kann der Senat nicht selbst entscheiden. Seine Berechtigung hängt von der Streitfrage ab, ob der Beklagte bei seiner Zahlung eine Tilgungsbestimmung für das Jahr 1998 traf (§ 366 Abs. 1 BGB), so daß die Klägerin die Zahlung nicht mit Rückständen des Jahres 1997 verrechnen durfte. Hierzu hat das Berufungsgericht noch keine Feststellung getroffen.
V. Für die Entscheidung des Rechtsstreits kommt es somit in erster Linie auf die tatrichterliche Feststellung an, ob die Tarife der Klägerin der Billigkeit entsprechen, die neu zu treffen ist, nachdem die Klägerin Gelegenheit zu entsprechendem Vortrag erhalten hat. Gegebenenfalls ist weiter die Feststellung nachzuholen, ob der Beklagte seine Zahlungsrückstände für das Jahr 1998 nachträglich beglichen hat. Dies macht die Aufhebung des angefochtenen Urteils und die Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht erforderlich.
Melullis Scharen Ambrosius
Meier-Beck Asendorf
(1) Soll die Leistung durch einen der Vertragschließenden bestimmt werden, so ist im Zweifel anzunehmen, dass die Bestimmung nach billigem Ermessen zu treffen ist.
(2) Die Bestimmung erfolgt durch Erklärung gegenüber dem anderen Teil.
(3) Soll die Bestimmung nach billigem Ermessen erfolgen, so ist die getroffene Bestimmung für den anderen Teil nur verbindlich, wenn sie der Billigkeit entspricht. Entspricht sie nicht der Billigkeit, so wird die Bestimmung durch Urteil getroffen; das Gleiche gilt, wenn die Bestimmung verzögert wird.
(1) Das Verhältnis der Wohnungseigentümer untereinander und zur Gemeinschaft der Wohnungseigentümer bestimmt sich nach den Vorschriften dieses Gesetzes und, soweit dieses Gesetz keine besonderen Bestimmungen enthält, nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs über die Gemeinschaft. Die Wohnungseigentümer können von den Vorschriften dieses Gesetzes abweichende Vereinbarungen treffen, soweit nicht etwas anderes ausdrücklich bestimmt ist.
(2) Jeder Wohnungseigentümer kann eine vom Gesetz abweichende Vereinbarung oder die Anpassung einer Vereinbarung verlangen, soweit ein Festhalten an der geltenden Regelung aus schwerwiegenden Gründen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der Rechte und Interessen der anderen Wohnungseigentümer, unbillig erscheint.
(3) Vereinbarungen, durch die die Wohnungseigentümer ihr Verhältnis untereinander in Ergänzung oder Abweichung von Vorschriften dieses Gesetzes regeln, die Abänderung oder Aufhebung solcher Vereinbarungen sowie Beschlüsse, die aufgrund einer Vereinbarung gefasst werden, wirken gegen den Sondernachfolger eines Wohnungseigentümers nur, wenn sie als Inhalt des Sondereigentums im Grundbuch eingetragen sind. Im Übrigen bedürfen Beschlüsse zu ihrer Wirksamkeit gegen den Sondernachfolger eines Wohnungseigentümers nicht der Eintragung in das Grundbuch.