Strafrecht: Die Wegnehme mehrerer Sachen ist nur ein Diebstahl
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Dasselbe gilt, wenn sie nur eine Sache wegnehmen und die Wegnahme weiterer Sachen versuchen.
Das Urteil des Amtsgerichts Dortmund vom 9. November 2006 - 92 Ds 155 Js 552/05 (3333/06) - und der Beschluss des Oberlandesgerichts Hamm vom 27. März 2007 - 1 Ss 48/07 - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 5 Absatz 1 des Grundgesetzes. Die Entscheidungen werden aufgehoben. Die Sache wird an das Amtsgericht zurückverwiesen.
Das Land Nordrhein-Westfalen hat dem Beschwerdeführer die notwendigen Auslagen zu erstatten.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen "Beihilfe zum Diebstahl in Tateinheit mit Beihilfe zum versuchten Diebstahl in einem besonders schweren Fall" zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Hiergegen richtet die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel führt zur Abänderung des Schuldspruchs und zur Aufhebung des Strafausspruchs; im Übrigen ist es unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
Nach den Urteilsfeststellungen überwältigten mehrere bereits abgeurteilte Täter die Angestellte eines Restaurants, fesselten die Geschädigte und entwendeten aus ihrer Handtasche 1.235 €. Anschließend versuchten sie ohne Erfolg, einen Tresor, in dem sie eine hohe Bargeldsumme vermuteten, mit Werkzeugen zu öffnen. Der Angeklagte hatte einen der Täter zu dem Restaurant gefahren. Während der Tat wartete er in dessen Nähe, um gegebenenfalls vor der Polizei zu warnen und um nach der Tat mit einem der Täter wegzufahren. Bei seinen Unterstützungshandlungen ging der Angeklagte allerdings lediglich von der Durchführung eines Einbruchsdiebstahls aus.
Der Schuldspruch des Landgerichts hält der rechtlichen Überprüfung nur teilweise stand. Der von den Haupttätern begangene schwere Raub war mit der Wegnahme der 1.235 € aus der Handtasche des Opfers vollendet. Da der Raub ein durch eine qualifizierte Nötigung ermöglichter Diebstahl ist und der Angeklagte nach den Urteilsfeststellungen von der Gewaltanwendung gegenüber der Geschädigten keine Kenntnis hatte, ist der Angeklagte der Beihilfe zum Diebstahl schuldig. Dem anschließenden Versuch der Täter, den Tresor zu öffnen, um sich auch das darin vermutete Geld zuzueignen, kommt für den Schuldspruch keine eigenständige Bedeutung zu. Nehmen Diebe bei der Tatausführung mehrere Sachen eines oder verschiedener Eigentümer weg, liegt regelmäßig nur ein Diebstahl vor. Dasselbe gilt, wenn sie nur eine Sache wegnehmen und die Wegnahme weiterer Sachen versuchen.
Die Abänderung des Schuldspruchs hat die Aufhebung des Strafausspruchs zur Folge. Eine eigene Strafzumessungsentscheidung des Revisionsgerichts gemäß § 354 Abs. 1 a StPO ist in diesem Fall ausgeschlossen.
Der neue Tatrichter wird zu prüfen haben, ob bei der Festsetzung der Schuld angemessenen Strafe vom gemäß § 27 Abs. 2 Satz 2, § 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen des § 243 Abs. 1 StGB auszugehen ist. Zwar haben die Täter bei der Wegnahme der 1.235 € kein Regelbeispiel des § 243 Abs. 1 StGB verwirklicht. Da sie jedoch zusätzlich versuchten, den Tresor mit Gewalt zu öffnen, um das darin vermutete Geld zu entwenden, und der Angeklagte nach seiner Vorstellung zu einem Einbruchsdiebstahl Hilfe leistete, ist im Rahmen einer Gesamtbetrachtung zu entscheiden, ob insgesamt ein unbenannter besonders schwerer Fall der Beihilfe zum Diebstahl gegeben ist. Die Annahme eines besonders schweren Falls gemäß § 243 Abs. 1 StGB wird als Strafzumessungsregel jedoch nicht in die Urteilsformel aufgenommen.
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BUNDESGERICHTSHOF
a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte der Beihilfe zum Diebstahl schuldig ist sowie
b) im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels und die den Nebenklägern dadurch entstandenen notwendigen Auslagen, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen "Beihilfe zum Diebstahl in Tateinheit mit Beihilfe zum versuchten Diebstahl in einem besonders schweren Fall" zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt und deren Vollstre- ckung zur Bewährung ausgesetzt. Hiergegen richtet die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel führt zur Abänderung des Schuldspruchs und zur Aufhebung des Strafausspruchs; im Übrigen ist es unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
- 2
- Nach den Urteilsfeststellungen überwältigten mehrere bereits abgeurteilte Täter die Angestellte eines Restaurants, fesselten die Geschädigte und entwendeten aus ihrer Handtasche 1.235 €. Anschließend versuchten sie ohne Erfolg, einen Tresor, in dem sie eine hohe Bargeldsumme vermuteten, mit Werkzeugen zu öffnen. Der Angeklagte hatte einen der Täter zu dem Restaurant gefahren. Während der Tat wartete er in dessen Nähe, um gegebenenfalls vor der Polizei zu warnen und um nach der Tat mit einem der Täter wegzufahren. Bei seinen Unterstützungshandlungen ging der Angeklagte allerdings lediglich von der Durchführung eines Einbruchsdiebstahls aus.
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- Der Schuldspruch des Landgerichts hält der rechtlichen Überprüfung nur teilweise stand. Der von den Haupttätern begangene schwere Raub war mit der Wegnahme der 1.235 € aus der Handtasche des Opfers vollendet. Da der Raub ein durch eine qualifizierte Nötigung ermöglichter Diebstahl ist und der Angeklagte nach den Urteilsfeststellungen von der Gewaltanwendung gegenüber der Geschädigten keine Kenntnis hatte, ist der Angeklagte der Beihilfe zum Diebstahl schuldig. Dem anschließenden Versuch der Täter, den Tresor zu öffnen, um sich auch das darin vermutete Geld zuzueignen, kommt für den Schuldspruch keine eigenständige Bedeutung zu. Nehmen Diebe bei der Tatausführung mehrere Sachen eines oder verschiedener Eigentümer weg, liegt regelmäßig nur ein Diebstahl vor (vgl. BGHSt 22, 350, 351; Schmitz in Münch Komm-StGB § 242 Rdn. 167; Fischer, StGB 56. Aufl. § 242 Rdn. 30). Dasselbe gilt, wenn sie nur eine Sache wegnehmen und die Wegnahme weiterer Sachen versuchen.
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- Die Abänderung des Schuldspruchs hat die Aufhebung des Strafausspruchs zur Folge. Eine eigene Strafzumessungsentscheidung des Revisionsgerichts gemäß § 354 Abs. 1 a StPO ist in diesem Fall ausgeschlossen (vgl. BVerfG NStZ 2007, 598 Rdn. 22 ff.).
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- Der neue Tatrichter wird zu prüfen haben, ob bei der Festsetzung der Schuld angemessenen Strafe vom gemäß § 27 Abs. 2 Satz 2, § 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen des § 243 Abs. 1 StGB auszugehen ist. Zwar haben die Täter bei der Wegnahme der 1.235 € kein Regelbeispiel des § 243 Abs. 1 StGB verwirklicht. Da sie jedoch zusätzlich versuchten, den Tresor mit Gewalt zu öffnen, um das darin vermutete Geld zu entwenden, und der Angeklagte nach seiner Vorstellung zu einem Einbruchsdiebstahl Hilfe leistete, ist im Rahmen einer Gesamtbetrachtung zu entscheiden, ob insgesamt ein unbenannter besonders schwerer Fall der Beihilfe zum Diebstahl gegeben ist (vgl.
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Als Gehilfe wird bestraft, wer vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe geleistet hat.
(2) Die Strafe für den Gehilfen richtet sich nach der Strafdrohung für den Täter. Sie ist nach § 49 Abs. 1 zu mildern.
(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes:
- 1.
An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren. - 2.
Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf höchstens auf drei Viertel des angedrohten Höchstmaßes erkannt werden. Bei Geldstrafe gilt dasselbe für die Höchstzahl der Tagessätze. - 3.
Das erhöhte Mindestmaß einer Freiheitsstrafe ermäßigt sich im Falle eines Mindestmaßes von zehn oder fünf Jahren auf zwei Jahre, im Falle eines Mindestmaßes von drei oder zwei Jahren auf sechs Monate, im Falle eines Mindestmaßes von einem Jahr auf drei Monate, im übrigen auf das gesetzliche Mindestmaß.
(2) Darf das Gericht nach einem Gesetz, das auf diese Vorschrift verweist, die Strafe nach seinem Ermessen mildern, so kann es bis zum gesetzlichen Mindestmaß der angedrohten Strafe herabgehen oder statt auf Freiheitsstrafe auf Geldstrafe erkennen.
(1) In besonders schweren Fällen wird der Diebstahl mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu zehn Jahren bestraft. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter
- 1.
zur Ausführung der Tat in ein Gebäude, einen Dienst- oder Geschäftsraum oder in einen anderen umschlossenen Raum einbricht, einsteigt, mit einem falschen Schlüssel oder einem anderen nicht zur ordnungsmäßigen Öffnung bestimmten Werkzeug eindringt oder sich in dem Raum verborgen hält, - 2.
eine Sache stiehlt, die durch ein verschlossenes Behältnis oder eine andere Schutzvorrichtung gegen Wegnahme besonders gesichert ist, - 3.
gewerbsmäßig stiehlt, - 4.
aus einer Kirche oder einem anderen der Religionsausübung dienenden Gebäude oder Raum eine Sache stiehlt, die dem Gottesdienst gewidmet ist oder der religiösen Verehrung dient, - 5.
eine Sache von Bedeutung für Wissenschaft, Kunst oder Geschichte oder für die technische Entwicklung stiehlt, die sich in einer allgemein zugänglichen Sammlung befindet oder öffentlich ausgestellt ist, - 6.
stiehlt, indem er die Hilflosigkeit einer anderen Person, einen Unglücksfall oder eine gemeine Gefahr ausnutzt oder - 7.
eine Handfeuerwaffe, zu deren Erwerb es nach dem Waffengesetz der Erlaubnis bedarf, ein Maschinengewehr, eine Maschinenpistole, ein voll- oder halbautomatisches Gewehr oder eine Sprengstoff enthaltende Kriegswaffe im Sinne des Kriegswaffenkontrollgesetzes oder Sprengstoff stiehlt.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Satz 2 Nr. 1 bis 6 ist ein besonders schwerer Fall ausgeschlossen, wenn sich die Tat auf eine geringwertige Sache bezieht.