Steuerrecht: Zivilprozesskosten nach Kindesentführung als außergewöhnliche Belastung
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Der Kläger machte in seiner Einkommensteuererklärung 2014 Prozesskosten i.H.v. ca. 20.600 Euro als außergewöhnliche Belastung geltend. Das Finanzamt ließ die Aufwendungen nicht zum Abzug zu. Es berief sich darauf, dass der Kläger nicht nachgewiesen habe, inwiefern seine Existenzgrundlage gefährdet sei. Der Kläger wandte sich hiergegen mit Einspruch und Klage. Er machte geltend, dass die Prozesskosten dadurch entstanden seien, dass seine frühere Ehefrau die gemeinsame, im Streitjahr zwei Jahre alte Tochter nach Südamerika entführt habe. Die Prozesskosten wegen des Umgangsrechts mit seiner Tochter beträfen einen Kernbereich des menschlichen Lebens und unterlägen nicht der Abzugsbeschränkung.
Das FG Düsseldorf hat der Klage stattgegeben und die geltend gemachten Prozesskosten als außergewöhnliche Belastung anerkannt.
Nach Auffassung des Finanzgerichts handelt es sich um Aufwendungen, ohne die der Kläger Gefahr läuft, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können. Der Begriff "Existenzgrundlage" zur Vermeidung eines Verstoßes gegen Art. 6 GG (Schutz von Ehe und Familie) sei verfassungskonform auszulegen. Erfasst werde nicht nur die materielle, sondern vielmehr auch die immaterielle Lebensgrundlage. Dazu gehöre der Kernbereich menschlichen Lebens, und somit auch die Eingebundenheit einer Person in eine Familie. Der bei einem Kind wie bei den Eltern vorhandene Wunsch nach gegenseitiger Liebe und Nähe sei ein elementares menschliches Bedürfnis. Im Streitfall sei die Existenzgrundlage des Klägers ohne ein Umgangsrecht mit seiner Tochter und deren Rückführung nach Deutschland gefährdet. Der Prozess sei für den Kläger die einzige Möglichkeit gewesen, seine von der Kindesmutter ins Ausland entführte Tochter nach Deutschland zurückzuholen.
Das Finanzgericht Düsseldorf hat in seinem Urteil vom 13.03.2018 (13 K 3024/17 E) folgendes entschieden:
Tenor:
Die Einkommensteuer für 2014 wird unter Änderung des Einkommensteuerbescheids vom 13.07.2017 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 23.10.2017 auf den Betrag festgesetzt, der sich unter Berücksichtigung von Aufwendungen i.H. von 20.649 Euro als weitere außergewöhnliche Belastung ergibt. Die Berechnung wird dem Beklagten übertragen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
Das Urteil ist wegen der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, soweit nicht der Kläger zuvor Sicherheit in Höhe des vollstreckbaren Betrages leistet
Tatbestand:
Streitig ist die Abzugsfähigkeit von Prozesskosten als außergewöhnliche Belastung.
Der Kläger ist Vater einer am 23.01.2012 geborenen Tochter. Seit dem 21.06.2012 leben er und seine frühere Ehefrau, die Mutter seiner Tochter, dauernd getrennt. Im Jahr 2014 erzielte er einen Bruttoarbeitslohn i.H. von 56.586 Euro. In seiner Einkommensteuererklärung gab er u.a. Aufwendungen i.H. von 21.461 Euro als außergewöhnliche Belastung an. Dabei handelte es sich um Krankheitskosten, Aufwendungen für Fahrten zu Ärzten sowie Prozesskosten.
Der Beklagte berücksichtigte im Einkommensteuerbescheid vom 28.04.2017 lediglich die Krankheitskosten als außergewöhnliche Belastung und erläuterte, die Prozesskosten könnten gemäß § 33 Abs. 2 Satz 4 des Einkommensteuergesetzes nicht berücksichtigt werden, da der Kläger nicht nachgewiesen habe, inwieweit die Existenzgrundlage gefährdet gewesen sei.
Gegen diesen Bescheid legte der Kläger Einspruch ein und führte u.a. aus, es handele sich um Prozesskosten, die im Rahmen von Verfahren zum Haager Übereinkommen über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung entstanden seien. Er führe diese Verfahren seit Mitte 2012, nachdem seine frühere Ehefrau die gemeinsame Tochter nach einer Urlaubsreise nicht nach Deutschland zurückgebracht, sondern in Südamerika behalten habe. Da er sehr an seiner Tochter hänge und den Kindesentzug nicht habe akzeptieren können, habe er den Rechtsweg beschreiten müssen. Dies sei unausweichlich gewesen, um seine Tochter nach Deutschland zurückholen zu können. Die Zivilprozesskosten seien weder mutwillig noch leichtfertig entstanden und hätten auch hinreichende Aussicht auf Erfolg geboten, da die Widerrechtlichkeit des Kindesentzugs vom Gericht festgestellt worden sei. Die Prozesskosten bezifferte der Kläger im Einspruchsverfahren auf 20.648,73 Euro, die sich nach seinen unwidersprochenen Angaben aus Rechtsanwaltskosten, Gerichtskosten, Übersetzungskosten sowie prozessbedingten Reisekosten zusammensetzten.
Das FA gab dem Einspruch mit Bescheid vom 13.07.2017 bezüglich eines anderen Streitpunktes statt, wies ihn hinsichtlich der Prozesskosten jedoch mit Einspruchsentscheidung vom 23.10.2017 als unbegründet zurück.
Mit seiner Klage trägt der Kläger vor, die ihm durch das Führen eines Prozesses im Rahmen des HKÜ entstandenen Aufwendungen würden anderen Steuerpflichtigen in der Regel nicht erwachsen und seien auch als größere Aufwendungen anzusehen. Damit fielen sie eindeutig unter § 33 Abs. 1 EStG. § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG stehe einem Abzug als außergewöhnliche Belastung nicht entgegen. Die Einfügung von Satz 4 in § 33 Abs. 2 EStG stelle nur die Aufnahme der ursprünglichen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs dar und dürfe auch nur in diesem Sinne verwendet werden. Keinesfalls seien sämtliche Prozesskosten unter diese Regelung zu subsumieren. Die Prozesskosten auf Grund der Streitigkeiten über das Umgangsrecht mit seiner Tochter fielen nicht unter § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG, sondern beträfen einen Kernbereich des menschlichen Lebens, wie er im Urteil des BFH vom 04.12.2001 III R 31/00 dargestellt worden sei. Das vom FA zitierte BFH-Urteil vom 18.05.2017 VI R 9/16 stehe im Widerspruch zum Beschluss des Großen Senats des BFH vom 27.07.2015 GrS 1/14 . Sollte in der neueren Rechtsprechung des BFH eine Abkehr von der bisherigen Rechtsprechung zur Abzugsfähigkeit von Ehescheidungskosten zu sehen sein, wäre der Streitfall noch nicht höchstrichterlich geklärt, weil es sich im vorliegenden Fall nicht um Prozesskosten für eine Ehescheidung handele.
Selbst wenn der Gesetzgeber, wie das FA meine, durch das Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz die Abziehbarkeit von Zivilprozesskosten habe gesetzlich regeln wollen, müsse er dies korrekt umsetzen. Eine wörtliche Übernahme der bisherigen BFH-Rechtsprechung in ein Gesetz regele lediglich die von der ursprünglichen BFH-Rechtsprechung erfassten Fälle. Darunter fielen seine Aufwendungen jedoch nicht. Einen Fall wie den vorliegenden könne der Gesetzgeber unmöglich von § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG erfasst sehen wollen, selbst wenn man der Ansicht sei, dass der vorliegende Sachverhalt unter diese Vorschrift zu subsumieren sei.
Hilfsweise werde ausgeführt, dass, falls das Gericht die Prozesskosten unter § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG fassen wolle, geprüft werden müsse, ob er – der Kläger – ohne den geführten Prozess Gefahr liefe, seine Lebensgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befrieden zu können. Dies sei hier der Fall. Insbesondere seien durch die verschiedenen Prozessorte in Südamerika und Deutschland Kosten entstanden, die seine Ersparnisse nahezu vollständig aufgezehrt hätten. Als Reaktion auf den Prozess wegen der Rückführung des Kindes habe die Kindesmutter in Südamerika einen Titel auf Kindesunterhalt erwirkt, der seine laufenden finanziellen Mittel bei Weitem übersteige. Er befinde sich mittlerweile in der Zwangslage, dass er den Kindesunterhalt nicht zahlen könne und damit die Einreise nach Südamerika faktisch unmöglich sei, da er als säumiger Unterhaltszahler in Südamerika verhaftet werden würde. Die Erfüllung seiner lebensnotwendigen Bedürfnisse sei demnach im üblichen Rahmen nicht mehr möglich.
Der Kläger beantragt,
unter Änderung des Einkommensteuerbescheids für 2014 vom 13.07.2017 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 23.10.2017 die Einkommensteuer für 2014 in der Weise festzusetzen, dass Aufwendungen i.H. von 20.649 Euro als weitere außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt werden.
Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen.
Eine Berücksichtigung der geltend gemachten Prozesskosten i.H. von 20.649 Euro als außergewöhnliche Belastung komme nicht in Betracht. Die Abziehbarkeit von Prozesskosten sei ab dem Veranlagungszeitraum 2013 durch § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG geregelt worden. Eine Heranziehung der früheren BFH-Rechtsprechung werde dadurch entbehrlich. Dies werde auch durch die vier BFH-Urteile vom 18.05.2017 VI R 66/14, VI R 81/14, VI R 19/15 und VI R 9/16 deutlich. Der BFH habe klargestellt, dass es sich bei Scheidungskosten um Prozesskosten handele, die unter die Abzugsbeschränkung fielen. Ferner habe er entschieden, dass unter dem Begriff Existenzgrundlage die materielle Lebensgrundlage zu verstehen sei und eine Scheidung nicht dazu diene, eine Gefährdung der materiellen Lebensgrundlage abzuwehren.
Entsprechend verhalte es sich mit den Kosten für Streitigkeiten über das Umgangsrecht der Eltern mit ihren Kindern. Insofern werde die Vermutung des Klägers widerlegt, dass der Gesetzgeber den neu eingeführten § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG in Anlehnung an die frühere BFH-Rechtsprechung habe auslegen wollen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist begründet.
Das FA hat die vom Kläger geltend gemachten Prozesskosten zu Unrecht nicht als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt, denn die Aufwendungen sind nach § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG nicht vom Abzug ausgeschlossen.
Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrheit der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands, so wird auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, dass der Teil der Aufwendungen, der die dem Steuerpflichtigen zumutbare Belastung übersteigt, vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen wird. Nach § 33 Abs. 2 EStG erwachsen Aufwendungen dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen.
Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall erfüllt, was auch das FA nicht in Zweifel zieht. Bei den Aufwendungen des Klägers im Zusammenhang mit der Entführung des Kindes durch die Mutter ins Ausland handelt es sich um größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrheit der Steuerpflichtigen entstehen. Sie erwuchsen dem Kläger auch zwangsläufig, da er sich ihnen aus tatsächlichen Gründen nicht entziehen konnte, um seine Tochter wieder zurück nach Deutschland holen zu können.
Zwar fehlt es nach der Rechtsprechung des BFH im Allgemeinen bei einem Zivilprozess an der Zwangsläufigkeit des die Zahlungspflicht der Prozesskosten auslösenden Ereignisses. Der BFH hat jedoch Ausnahmen von der mangelnden Zwangsläufigkeit erkannt, etwa wenn der Rechtsstreit einen für den Steuerpflichtigen existenziell wichtigen Bereich berührt und der Steuerpflichtige ohne den Rechtsstreit Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können. Eine weitere Ausnahme – neben Aufwendungen für eine Ehescheidung und bestimmte Scheidungsfolgesachen – hielt der BFH für gerechtfertigt, wenn die Streitigkeit einen Kernbereich menschlichen Lebens berührt, wie es beim Umgangsrecht der Eltern mit ihren Kindern der Fall ist. Die Verweigerung des Umgangs mit den eigenen Kindern könne – so der BFH – zu einer tatsächlichen Zwangslage führen, die die Anrufung eines Gerichts unabweisbar mache. Um einen solchen Fall, in dem der Kernbereich menschlichen Lebens berührt ist, handelt es sich vorliegend bei dem Rechtsstreit, den der Kläger nach der Entführung seiner Tochter durch die Kindesmutter in Südamerika wegen seines Umgangsrechts und der Rückführung der Tochter nach Deutschland führte.
Die Aufwendungen des Klägers sind auch nicht gemäß § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG vom Abzug als außergewöhnliche Belastung ausgeschlossen.
Nach § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG sind Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreits vom Abzug ausgeschlossen, es sei denn, es handelt sich um Aufwendungen, ohne die der Steuerpflichtige Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können.
§ 33 Abs. 2 Satz 4 EStG i.d.F. des AmtshilfeRLUmsG trat mit Wirkung vom 30.06.2013 in Kraft und ist erstmals für den Veranlagungszeitraum 2013 und damit auch für das Streitjahr anzuwenden.
Bei den in Rede stehenden Aufwendungen des Klägers für das Verfahren nach dem HKÜ handelt es sich – anders als der Kläger meint – auch um Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreits.
Der Begriff des Rechtsstreits bezeichnet nach der Rechtsprechung des BFH im Allgemeinen die Auseinandersetzung zwischen zwei Parteien oder Beteiligten über ein Rechtsverhältnis in einem gerichtlichen Verfahren. Zu den Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreits gehören in allen gerichtlichen Verfahren die Gerichtskosten sowie die außergerichtlichen Kosten, wie Anwaltskosten, Auslagen der Parteien und Reisekosten für die Wahrnehmung von Terminen.
Bei den vom Kläger angeführten Aufwendungen handelt es sich um solche Prozesskosten, da sie Gerichtskosten, Rechtsanwaltskosten, Übersetzungskosten sowie prozessbedingte Reisekosten betreffen.
Nach § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG greift das grundsätzliche Abzugsverbot für Prozesskosten allerdings dann nicht ein, wenn der Steuerpflichtige ohne die Aufwendungen Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine notwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können.
Nach Auffassung des Senats gehören in Folge verfassungskonformer Auslegung des Begriffs der Existenzgrundlage hierzu auch Prozesskosten im Zusammenhang mit einem Rechtsstreit über das Umgangsrecht eines Vaters mit seinem Kind und der Rückkehr des bei der Mutter im Ausland lebenden Kindes nach Deutschland.
Der Begriff der Existenzgrundlage in § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG ist nicht gesetzlich definiert. Nach den Ausführungen des BFH im Urteil vom 18.05.2017 VI R 9/16 kann „Existenzgrundlage“ in einem immateriellen Sinn gedeutet werden, etwa als Summe der Überzeugungen und Wertvorstellungen einer Person oder als die Eingebundenheit einer Person in eine Familie. Der BFH hat sich in dem genannten Urteil, das den Abzug von Scheidungskosten als außergewöhnliche Belastung zum Gegenstand hatte, jedoch für eine Auslegung als materielle Lebensgrundlage des Steuerpflichtigen entschieden, weil im Hinblick auf den Zusatz in § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG „in dem üblichen Rahmen“ ein Bezug auf die wirtschaftlichen Verhältnisse naheliege und im Gegensatz zu seelischen und sozialen Bedürfnissen wirtschaftliche Umstände messbar und quantifizierbar seien. Dazu hat er auch auf sein bisheriges Verständnis des Begriffs der Existenzgrundlage im Zusammenhang mit dem Abzug von Prozesskosten als außergewöhnliche Belastung Bezug genommen und darauf hingewiesen, dass nach seiner Rechtsprechung Streitigkeiten über das Umgangsrecht der Eltern mit ihren Kindern regelmäßig nicht die Existenzgrundlage des Steuerpflichtigen beträfen ). Er – der BFH – habe im Urteil in BStBl II 2002, 382, für diesen Fall explizit eine weitere Ausnahme für einen möglichen Abzug von Prozesskosten als außergewöhnliche Belastung geschaffen.
Der Senat gelangt für den Fall der dem Kläger entstandenen Aufwendungen im Zusammenhang mit dem Umgangsrecht für seine von der Kindesmutter nach Südamerika entführte im Streitjahr rund zwei Jahre alte Tochter und deren Rückkehr nach Deutschland auf Grund einer gebotenen verfassungskonformen Auslegung des Begriffs der Existenzgrundlage jedoch zu der Erkenntnis, dass ohne ein Umgangsrecht mit der Tochter und deren Rückführung nach Deutschland die Existenzgrundlage des Klägers gefährdet wäre. Er folgt damit im Ergebnis den Stimmen in der Literatur, die die Betroffenheit des Kernbereichs menschlichen Lebens als Bedrohung der Existenzgrundlage begreifen.
Lassen der Wortlaut, die Entstehungsgeschichte, der Gesamtzusammenhang der einschlägigen Regelung und deren Sinn und Zweck mehrere Deutungen zu, von denen eine zu einem verfassungsmäßigen Ergebnis führt, so ist diese geboten, m.w.N.). Der bei einem Kind wie bei den Eltern vorhandene Wunsch nach gegenseitiger Liebe und Nähe ist ein elementares menschliches Bedürfnis. Die Rechtsordnung trägt dem sowohl hinsichtlich des Anspruchs des Kindes auf Kontakt zu seinen leiblichen Eltern als auch umgekehrt durch Art. 6 Abs. 1 des Grundgesetzes Rechnung, in dessen Schutzbereich auch der Kläger als Vater der Tochter, für die er ein Umgangsrecht und eine Rückkehr zu ihm nach der Entführung durch die Mutter erreichen möchte, fällt.
Der Wortlaut des § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG, die Entstehungsgeschichte, der Gesamtzusammenhang dieser Regelung und ihr Sinn und Zweck lassen, neben dem Verständnis der Existenzgrundlage als materielle Lebensgrundlage, auch eine Deutung als immaterielle Lebensgrundlage des Steuerpflichtigen in Form der Eingebundenheit einer Person in eine Familie zu.
Hinsichtlich dieser möglichen Deutung des Wortlauts nimmt der Senat Bezug auf die Ausführungen des BFH im Urteil in BStBl II 2017, 988.
Die Entstehungsgeschichte des § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG lässt ebenfalls eine solche Auslegung zu.
Der Gesetzesänderung des § 33 Abs. 2 EStG gingen mehrere Schritte voraus. Zunächst hatte der Bundesrat, auf dessen Initiative § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG zurückgeht, in einer Stellungnahme vom 06.07.2012 zu einem Entwurf eines Jahressteuergesetzes 2013 der Bundesregierung gefordert, die Anwendbarkeit des § 33 EStG bei Prozesskosten, die durch das BFH-Urteil vom 12.05.2011 VI R 42/10 stark ausgedehnt worden war, auf den „bisherigen engen Rahmen“ zu beschränken. Dazu schlug er die Einfügung eines neuen § 33 Abs. 3a EStG vor, wonach Prozesskosten grundsätzlich nicht als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen seien. Abweichend von diesem Grundsatz könnten die notwendigen und angemessenen Prozesskosten berücksichtigt werden, wenn der Steuerpflichtige „ohne den Rechtsstreit Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können“. Dies sollte für die „unmittelbaren und unvermeidbaren Scheidungskosten“ entsprechend gelten. Die Bundesregierung lehnte die vorgeschlagene Änderung des § 33 EStG seinerzeit ab.
Am 10.04.2013 legte der Bundesrat selbst einen Entwurf eines JStG 2013 vor, der die später durch das AmtshilfeRLUmsG in § 33 EStG eingefügte Formulierung des § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG enthielt. Der Bundesrat führte zur Begründung seines Entwurfs aus, die generelle steuermindernde Berücksichtigung von Prozesskosten entspreche nicht den sonst bei außergewöhnlichen Belastungen geltenden Grundsätzen der Zwangsläufigkeit und Außergewöhnlichkeit. Es sei daher angezeigt, die Anwendbarkeit auf „einen engen Rahmen“ zu beschränken. Das spätere AmtshilfeRLUmsG enthielt keine Begründung zur Einfügung von § 33 Abs. 4 Satz 2 EStG, da diese Regelung erst auf Grund einer Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses vom 05.06.2013 in das AmtshilfeRLUmsG aufgenommen wurde.
Aus der Entstehungsgeschichte der heute gültigen Fassung des § 33 Abs. 2 EStG ist der Wille des Gesetzgebers erkennbar, Scheidungskosten nicht mehr als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen, weil die vom Bundesrat in seiner Stellungnahme vom 06.07.2012 zum Entwurf eines JStG 2013 der Bundesregierung noch vorgeschlagene Fassung eines § 33 Abs. 3a EStG nicht Gesetz geworden ist. Darüber hinaus kann ihr entnommen werden, dass der Bundesrat mit seiner ersten Formulierung den „bisherigen engen Rahmen“ der Berücksichtigung von Prozesskosten als außergewöhnliche Belastung wiederherstellen und den Abzug im späteren Entwurf eines JStG 2013 vom 10.04.2013 auf einen „engen Rahmen“ beschränken wollte, da in diesem Entwurf Prozesskosten für Scheidungsverfahren nicht mehr erfasst wurden. Daraus lässt sich der zumindest mögliche Schluss ziehen, dass der Gesetzgeber mit der Formulierung, die § 33 Abs. 2 EStG durch das AmtshilfeRLUmsG erhalten hat, alle vom BFH ursprünglich anerkannten Zwangslagen für den Abzug von Prozesskosten, mit Ausnahme der Scheidung, bei den außergewöhnlichen Belastungen erfassen wollte.
Des Weiteren lassen auch der Gesetzeszusammenhang der Regelungen in § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG und ihr Sinn und Zweck jedenfalls neben einer Deutung des Begriffs der Existenzgrundlage als materielle Lebensgrundlage des Steuerpflichtigen auch eine solche als immaterielle Lebensgrundlage zu.
Nachdem der BFH mit Urteil in BStBl II 2011, 1015 unter Änderung seiner bisherigen Rechtsprechung entschieden hatte, dass Zivilprozesskosten unabhängig vom Gegenstand des Prozesses aus rechtlichen Gründen zwangsläufig erwachsen würden, wurde mit § 33Abs. 2 Satz 4 EStG eine Regelung geschaffen, durch die zum einen deutlich wird, dass Prozesskosten einem Steuerpflichtigen nicht aus rechtlichen Gründen zwangsläufig entstehen, und zum anderen zum Ausdruck kommt, dass die Gefahr des Verlustes der Existenzgrundlage und die Notwendigkeit, die lebensnotwendigen Bedürfnisse zu sichern, Umstände sind, die ausnahmsweise für eine Zwangsläufigkeit der Aufwendungen aus tatsächlichen Gründen sprechen. Es ist nicht erkennbar, dass von dieser Regelung ein für den Steuerpflichtigen existenziell wichtiger Bereich wie das Umgangsrecht und die Rückkehr seiner ins Ausland entführten Tochter nicht erfasst werden könnte.
Eine Auslegung des Begriffs Existenzgrundlage als immaterielle Lebensgrundlage des Steuerpflichtigen, die den Kernbereich menschlichen Lebens berührt, ist nach Auffassung des Senats aus verfassungsrechtlichen Gründen geboten.
Die für die Lastengleichheit im Einkommensteuerrecht maßgebliche finanzielle Leistungsfähigkeit bemisst der einfache Gesetzgeber nach dem objektiven und dem subjektiven Nettoprinzip. Danach unterliegt der Einkommensteuer grundsätzlich nur das Nettoeinkommen, nämlich der Saldo aus den Erwerbseinnahmen einerseits und den Erwerbsaufwendungen sowie den existenzsichernden Aufwendungen andererseits. Das subjektive Nettoprinzip wird durch § 33 EStG konkretisiert. Diese Vorschrift regelt den verfassungsrechtlich gebotenen Abzug indisponibler privater Aufwendungen, die nicht bereits durch den Grundfreibetrag und den Sonderausgabenabzug abgegolten sind. Ziel des § 33 EStG ist es, zwangsläufige Mehraufwendungen für den existenznotwendigen Grundbedarf zu berücksichtigen, die sich wegen ihrer Außergewöhnlichkeit einer pauschalen Erfassung in allgemeinen Entlastungsbeträgen entziehen. Hierbei kann es sich auch um immateriellen Grundbedarf handeln, etwa für die Erhaltung der Gesundheit, die Abwehr von Gefahren für Leib und Leben oder die Wiederherstellung der persönlichen Freiheit.
Wie das BVerfG mehrfach entschieden hat, steht die Berücksichtigung privat veranlassten Aufwands – auch jenseits der Grenze des zu verschonenden Existenzminimums – nicht ohne weiteres zur Disposition des Gesetzgebers. Dieser hat vielmehr die unterschiedlichen Gründe, die den Aufwand veranlassen, auch dann im Lichte betroffener Grundrechte differenzierend zu würdigen, wenn solche Gründe ganz oder teilweise der Sphäre der allgemeinen Lebensführung zuzuordnen sind.
Vor diesem Hintergrund hält der Senat im Streitfall eine verfassungskonforme Auslegung des § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG für erforderlich. Eine gesetzliche Regelung der Zwangsläufigkeit von Prozesskosten aus tatsächlichen Gründen dahingehend, dass eine solche bejaht wird, wenn die materielle Lebensgrundlage des Steuerpflichtigen ohne den Rechtsstreit gefährdet wäre, nicht aber wenn der Steuerpflichtige Gefahr liefe, seine immaterielle Lebensgrundlage zu verlieren, indem er seine ins Ausland entführte Tochter nicht wiedersehen würde, wäre im Hinblick darauf, dass Art. 6 Abs. 1 GG Ehe und Familie unter einem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung stehen, nicht gerechtfertigt. Der Senat sieht sich zur Vermeidung eines Verstoßes gegen Art. 6 GG berechtigt und verpflichtet, § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG im Wege einer verfassungskonformen Auslegung dahingehend zu deuten, dass die Existenzgrundlage eines Steuerpflichtigen auch dann gefährdet ist, wenn er ohne den Prozess keine Möglichkeit hat, seine von der Kindesmutter ins Ausland entführte Tochter nach Deutschland zurückzuholen.
Zudem kann nach Ansicht des Senats nur durch eine solche Auslegung ein Wertungswiderspruch zwischen der Grundnorm des § 33 EStG, die auch den Schutz der immateriellen Güter umfasst, und der Einschränkung des § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG für Prozesskosten vermieden werden. Ein auf materielle Existenzgrundlagen beschränktes Normenverständnis könnte zum Ausschluss des verfassungsrechtlich gebotenen Abzugs indisponibler privater Aufwendungen und damit zur Verfassungswidrigkeit der Vorschrift führen.
Ferner sind die weiteren Tatbestandsmerkmale des § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG, die einen Abzug von Prozesskosten als außergewöhnliche Belastung zulassen, erfüllt. Ohne den vom Kläger geführten Rechtsstreit nach den HKÜ und die damit verbundenen Aufwendungen liefe er nämlich auch Gefahr, seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können.
Der Begriff der lebensnotwendigen Bedürfnisse ist gesetzlich ebenfalls nicht geregelt und von der bisherigen Rechtsprechung auch nicht konkretisiert worden. In der Literatur wird dazu die Auffassung vertreten, es handele sich um Grundbedürfnisse, die in physiologische Bedürfnisse, Sicherheitsbedürfnisse und soziale Bedürfnisse einzuteilen und nach dringlichen und weniger dringlichen Grundbedürfnissen zu unterscheiden seien. Der Senat schließt sich dieser Auffassung an. Ebenso ist das Tatbestandsmerkmal „im üblichen Rahmen“ nicht gesetzlich definiert und von der Rechtsprechung bislang auch nicht ausgelegt worden. Der Senat versteht dieses Tatbestandsmerkmal in dem Sinne, dass der Rahmen gemeint ist, wie er bei der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands üblich ist.
Vorliegend führte der Kläger den Rechtsstreit nach dem HKÜ, um ein dringendes soziales Bedürfnis nach Liebe zu seinem Kind und Fürsorge für das Kind befriedigen zu können und zwar in einem „üblichen Rahmen“, so wie es bei der überwiegenden Mehrzahl von Eltern üblich ist. Mit dem Rechtsstreit wollte der Kläger als Vater das Umgangsrecht für seine nach Südamerika entführte Tochter sowie deren Rückkehr nach Deutschland erreichen. Dieses dringende soziale Bedürfnis des Klägers als Vater eines minderjährigen Kindes war ohne den geführten Rechtsstreit und die dadurch bedingten Aufwendungen gefährdet.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung.
Die Revision wird gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Frage zugelassen, ob Aufwendungen für die Führung eines den Kernbereich des menschlichen Lebens berührenden Rechtsstreits über das Umgangsrecht eines Vaters mit seinem Kind und die Rückkehr des von der Mutter ins Ausland entführte Kind nach Deutschland als außergewöhnliche Belastung nach § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG abzugsfähig sind.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.
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Annotations
(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.
(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.
(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.
(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.
(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.
(1) Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung), so wird auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, dass der Teil der Aufwendungen, der die dem Steuerpflichtigen zumutbare Belastung (Absatz 3) übersteigt, vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen wird.
(2)1Aufwendungen erwachsen dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen.2Aufwendungen, die zu den Betriebsausgaben, Werbungskosten oder Sonderausgaben gehören, bleiben dabei außer Betracht; das gilt für Aufwendungen im Sinne des § 10 Absatz 1 Nummer 7 und 9 nur insoweit, als sie als Sonderausgaben abgezogen werden können.3Aufwendungen, die durch Diätverpflegung entstehen, können nicht als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden.4Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreits (Prozesskosten) sind vom Abzug ausgeschlossen, es sei denn, es handelt sich um Aufwendungen ohne die der Steuerpflichtige Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können.
(2a)1Abweichend von Absatz 1 wird für Aufwendungen für durch eine Behinderung veranlasste Fahrten nur eine Pauschale gewährt (behinderungsbedingte Fahrtkostenpauschale).2Die Pauschale erhalten:
- 1.
Menschen mit einem Grad der Behinderung von mindestens 80 oder mit einem Grad der Behinderung von mindestens 70 und dem Merkzeichen „G“, - 2.
Menschen mit dem Merkzeichen „aG“, mit dem Merkzeichen „Bl“, mit dem Merkzeichen „TBl“ oder mit dem Merkzeichen „H“.
(3)1Die zumutbare Belastung beträgt
bei einem Gesamtbetrag der Einkünfte | bis 15 340 EUR | über 15 340 EUR bis 51 130 EUR | über 51 130 EUR | |
---|---|---|---|---|
1. | bei Steuerpflichtigen, die keine Kinder haben und bei denen die Einkommensteuer | |||
a) nach § 32a Absatz 1, | 5 | 6 | 7 | |
b) nach § 32a Absatz 5 oder 6 (Splitting-Verfahren) zu berechnen ist; | 4 | 5 | 6 | |
2. | bei Steuerpflichtigen mit | |||
a) einem Kind oder zwei Kindern, | 2 | 3 | 4 | |
b) drei oder mehr Kindern | 1 | 1 | 2 | |
Prozent des Gesamtbetrags der Einkünfte. |
2Als Kinder des Steuerpflichtigen zählen die, für die er Anspruch auf einen Freibetrag nach § 32 Absatz 6 oder auf Kindergeld hat.
(4) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Einzelheiten des Nachweises von Aufwendungen nach Absatz 1 und der Anspruchsvoraussetzungen nach Absatz 2a zu bestimmen.
Tenor
-
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Finanzgerichts Köln vom 13. Januar 2016 14 K 1861/15 aufgehoben.
-
Der Einkommensteuerbescheid 2014 vom 7. Mai 2015 i.d.F. der Einspruchsentscheidung vom 8. Juni 2015 wird dahingehend abgeändert, dass die zumutbare Belastung mit 1.063 € berücksichtigt wird.
-
Die Berechnung der Steuer wird dem Beklagten übertragen.
-
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen und die Revision als unbegründet zurückgewiesen.
-
Die Kosten des gesamten Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Tatbestand
-
I.
- 1
-
Streitig ist die Abziehbarkeit von Scheidungskosten als außergewöhnliche Belastungen nach der Änderung des § 33 des Einkommensteuergesetzes (EStG) durch das Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz (AmtshilfeRLUmsG).
- 2
-
In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr (2014) machte die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) u.a. Aufwendungen für ein Scheidungsverfahren als außergewöhnliche Belastungen nach § 33 EStG geltend. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) setzte die Einkommensteuer auf 6.975 € fest. Das FA berücksichtigte die als außergewöhnliche Belastungen geltend gemachten Ehescheidungskosten nicht. Andere als außergewöhnliche Belastungen anerkannte Aufwendungen in Höhe von 1.137 € wirkten sich aufgrund der zumutbaren Belastung in Höhe von 1.216 € nicht aus. Nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhob die Klägerin Klage, der das Finanzgericht (FG) aus den in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2016, 645 veröffentlichten Gründen stattgab.
- 3
-
Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts.
- 4
-
Es beantragt,
das Urteil des FG Köln vom 13. Januar 2016 14 K 1861/15 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
- 5
-
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
-
II.
- 6
-
Die Revision des FA ist überwiegend begründet. Das FG hat die Scheidungskosten zu Unrecht als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt.
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Ob Aufwendungen für ein Scheidungsverfahren noch als außergewöhnlich i.S. des § 33 Abs. 1 EStG anzusehen sind (ablehnend Niedersächsisches FG, Urteil vom 18. Februar 2015 3 K 297/14, EFG 2015, 725), kann offenbleiben. Denn sie sind jedenfalls nach § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung vom Abzug als außergewöhnliche Belastungen ausgeschlossen. Die Voraussetzungen des § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG für einen Abzug von Prozesskosten als außergewöhnliche Belastungen liegen nicht vor. Die Klägerin lief nicht Gefahr, ihre Existenzgrundlage zu verlieren und ihre lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können, hätte sie die Kosten für das Scheidungsverfahren nicht aufgewandt. Die bislang vom FA berücksichtigte zumutbare Belastung nach § 33 Abs. 3 EStG ist allerdings entsprechend den Ausführungen im Urteil des erkennenden Senats vom 19. Januar 2017 VI R 75/14 (BFHE 256, 339, BStBl II 2017, 684) zu berechnen und mit 1.063 € anzusetzen.
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1. Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung), so wird auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, dass der Teil der Aufwendungen, der die dem Steuerpflichtigen zumutbare Belastung (Abs. 3) übersteigt, vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen wird (§ 33 Abs. 1 EStG). Nach § 33 Abs. 2 EStG erwachsen Aufwendungen dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen (§ 33 Abs. 2 Satz 1 EStG).
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2. Nach § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG sind Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreits (Prozesskosten) vom Abzug ausgeschlossen, es sei denn, es handelt sich um Aufwendungen ohne die der Steuerpflichtige Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können.
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a) § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG i.d.F. des AmtshilfeRLUmsG trat mit Wirkung vom 30. Juni 2013 in Kraft (BGBl I 2013, 1809) und ist erstmals für den Veranlagungszeitraum 2013 --mithin für das Streitjahr-- anzuwenden (§ 52 Abs. 1 Satz 1 EStG i.d.F. des AmtshilfeRLUmsG).
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b) Entgegen der Auffassung des FG werden auch die Kosten eines Scheidungsverfahrens von § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG erfasst. Denn es handelt sich um Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreits.
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aa) Der Begriff des Rechtsstreits bezeichnet im Allgemeinen die Auseinandersetzung zwischen zwei Parteien oder Beteiligten über ein Rechtsverhältnis in einem gerichtlichen Verfahren. Erfasst wird indes nicht nur das formale, kontradiktorische Verfahren zwischen Privatpersonen (Zivilprozess), sondern jedenfalls jedes gerichtliche Verfahren, insbesondere vor Verwaltungs-, Finanz- und Strafgerichten (gl.A. Kanzler, Finanz-Rundschau --FR-- 2014, 209, 213).
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bb) Demzufolge hat der Bundesfinanzhof (BFH) in langjähriger Rechtsprechung die Kosten sowohl einer Ehescheidung als auch von Scheidungsfolgesachen jeweils einschließlich der außergerichtlichen Kosten als (Zivil-)Prozesskosten angesehen (z.B. BFH-Urteile vom 9. Mai 1996 III R 224/94, BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596; vom 21. Februar 1992 III R 88/90, BFHE 168, 39, BStBl II 1992, 795; Senatsurteile vom 23. Februar 1968 VI R 239/67, BFHE 91, 534, BStBl II 1968, 407; vom 2. Oktober 1981 VI R 38/78, BFHE 134, 286, BStBl II 1982, 116, und vom 20. Januar 2016 VI R 70/12, BFH/NV 2016, 905). Daran hat der Senat auch für den Fall der Anwendbarkeit des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) festgehalten (z.B. Senatsurteile vom 10. März 2016 VI R 69/12, BFH/NV 2016, 1155; vom 15. Juni 2016 VI R 34/14, BFH/NV 2016, 1549, und vom 4. August 2016 VI R 63/14, BFH/NV 2017, 14). Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Gesetzgeber mit § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG abweichend hiervon nur Aufwendungen erfassen wollte, die in den jeweiligen Verfahrensordnungen ausdrücklich als "Prozesskosten", und nur Verfahren einbeziehen wollte, die hierin als "Rechtsstreit" bezeichnet werden (so aber Urban, FR 2016, 217, 219).
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cc) Auch aus den Vorschriften des FamFG ergibt sich nicht, dass Kosten eines Scheidungsverfahrens nicht unter den Begriff "Prozesskosten" i.S. des § 33 EStG fallen. § 113 Abs. 5 Nr. 1 FamFG sieht zwar vor, dass "bei der Anwendung der Zivilprozessordnung" an die Stelle der Bezeichnung "Prozess" oder "Rechtsstreit" die Bezeichnung "Verfahren" tritt. Hieraus folgt jedoch nicht, dass es sich insoweit nicht um Rechtsstreitigkeiten i.S. des § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG handelt (vgl. auch § 113 Abs. 1 FamFG "Ehesachen und Familienstreitsachen"). Vielmehr wollte der Gesetzgeber mit der Herausbildung einer eigenen Terminologie zum Ausdruck bringen, dass es in den nach dem FamFG zu entscheidenden Materien nicht um eine echte Gegnerstellung der Beteiligten gehe (Kemper/Schreiber, Familienverfahrensrecht, § 113 Rz 25; Prütting/Helms, FamFG, § 113 Rz 37).
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c) Nach § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG greift das grundsätzliche Abzugsverbot für Prozesskosten nur dann nicht ein, wenn der Steuerpflichtige ohne die Aufwendungen Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine notwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können. Prozesskosten für ein Scheidungsverfahren zählen nicht hierzu. Denn ein Ehegatte erbringt die Aufwendungen für ein Scheidungsverfahren regelmäßig nicht zur Sicherung seiner Existenzgrundlage und seiner lebensnotwendigen Bedürfnisse.
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aa) Als Existenzgrundlage i.S. des § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG ist die materielle Lebensgrundlage des Steuerpflichtigen zu verstehen (gl.A. Kanzler, FR 2014, 209, 216). Zwar kann der gesetzlich nicht definierte Begriff der Existenzgrundlage auch in einem immateriellen Sinn gedeutet werden, etwa als die Summe der Überzeugungen und Wertvorstellungen einer Person oder als die Eingebundenheit einer Person in eine Familie und/oder einen Freundeskreis; daher könnte man im Fall einer gescheiterten Ehe auch eine seelische Existenzgrundlage als gefährdet ansehen (Bleschick, FR 2013, 932, 936; Nieuwenhuis, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2014, 1701). Der Wortlaut der Regelung und insbesondere der Zusatz "in dem üblichen Rahmen" legen aber einen Bezug auf die wirtschaftlichen Verhältnisse nahe. Denn im Gegensatz zu seelischen und sozialen Bedürfnissen sind wirtschaftliche Umstände messbar und quantifizierbar.
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bb) Dementsprechend hat die Steuerrechtsprechung den Begriff der Existenzgrundlage bislang immer in einem materiellen Sinn verstanden. So wurden als Existenzgrundlage eines Steuerpflichtigen etwa ein Betrieb (BFH-Urteile vom 13. August 2003 II R 48/01, BFHE 203, 275, BStBl II 2003, 908; vom 11. März 1992 X R 141/88, BFHE 166, 564, BStBl II 1992, 499), ein Beruf und die daraus erzielten Einkünfte (BFH-Beschluss vom 16. März 2006 IV B 157/04, BFH/NV 2006, 1459), ein Arbeitsplatz (Senatsurteil vom 20. Januar 2016 VI R 14/13, BFH/NV 2016, 1142) oder sonstige dem Steuerpflichtigen zur Verfügung stehende Mittel (BFH-Urteil vom 21. Juli 2004 X R 33/03, BFHE 207, 183, BStBl II 2004, 1063) bezeichnet.
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cc) Auch bei den außergewöhnlichen Belastungen hat die Rechtsprechung mit der in § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG verwendeten Formulierung nur die wirtschaftlichen Grundlagen des Steuerpflichtigen gemeint. Der BFH hat erstmals im Urteil in BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596 den Begriff der Existenzgrundlage im Zusammenhang mit Prozesskosten verwendet und hierzu Folgendes ausgeführt:
"Berührt ein Rechtsstreit allerdings einen für den Steuerpflichtigen existentiell wichtigen Bereich, kann jener unter Umständen in eine Zwangslage geraten, in der für ihn die Verfolgung seiner rechtlichen Interessen trotz unsicherer Erfolgsaussichten existentiell erforderlich ist (vgl. Urteil des Senats vom 19. Mai 1995 III R 12/92, BFHE 178, 207, BStBl II 1995, 774) und sich folglich die Frage stellt, ob die Übernahme eines Prozesskostenrisikos nicht insoweit als i.S. des § 33 EStG zwangsläufig anzusehen ist. Ein solcher Ausnahmefall kann aber nur dann unter hier nicht näher zu erörternden engen Voraussetzungen in Betracht gezogen werden, wenn der Steuerpflichtige, ohne sich auf den Rechtsstreit trotz unsicheren Ausgangs einzulassen, Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können."
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(1) Dieselbe Formulierung findet sich in zahlreichen nachfolgenden Urteilen (z.B. BFH-Urteile vom 4. Dezember 2001 III R 31/00, BFHE 198, 94, BStBl II 2002, 382; vom 18. März 2004 III R 24/03, BFHE 206, 16, BStBl II 2004, 726; vom 20. April 2006 III R 23/05, BFHE 213, 351, BStBl II 2007, 41; vom 27. August 2008 III R 50/06, BFH/NV 2009, 553). In keinem dieser Urteile hat der BFH die Gefahr des Verlustes einer psychischen oder ideellen Existenzgrundlage auch nur erörtert. Vielmehr hat er es nur in Fällen für möglich gehalten, dass der Steuerpflichtige ohne den Prozess seine Existenzgrundlage verlieren und seine notwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen könne, in denen entweder die Nutzung des Wohnhauses zu eigenen Wohnzwecken ernsthaft in Frage gestellt war (Senatsurteile vom 20. Januar 2016 VI R 40/13, BFH/NV 2016, 908, und VI R 62/13, BFH/NV 2016, 1436) oder der Steuerpflichtige durch eine Vertragsverletzung oder eine unerlaubte Handlung schwerwiegende körperliche Schäden erlitten hatte (Senatsurteile in BFH/NV 2016, 1142, und vom 19. November 2015 VI R 42/14, BFH/NV 2016, 739).
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(2) Eine Existenzbedrohung hat der BFH jedoch auch insoweit nur angenommen, als der Steuerpflichtige Ausgleich seiner materiellen Schäden begehrte. Soweit mit den Klagen immaterielle Schäden --etwa Ansprüche auf Schmerzensgeld-- geltend gemacht wurden, hat er darin keinen existenziell wichtigen Bereich im Sinne der Rechtsprechung zur einkommensteuerrechtlichen Berücksichtigung von Zivilprozesskosten gesehen, selbst wenn sie auf den Ausgleich von Nichtvermögensschäden durch eine Beeinträchtigung der körperlichen Gesundheit gerichtet waren (Senatsurteile in BFH/NV 2016, 1142, und vom 17. Dezember 2015 VI R 7/14, BFHE 252, 418). Dasselbe galt für ein von einem Kind eingeleitetes Vaterschaftsfeststellungsverfahren. Die Feststellung oder Nichtfeststellung der Vaterschaft greift nicht unmittelbar in die Existenz des Steuerpflichtigen ein, da selbst bei weitestgehenden Unterhaltsansprüchen eines Kindes dem Elternteil zumindest der Betrag verbleibt, der zur Existenz unbedingt erforderlich ist (BFH-Urteil in BFHE 206, 16, BStBl II 2004, 726). Auch berühren nach der Rechtsprechung des BFH Streitigkeiten über das Umgangsrecht der Eltern mit ihren Kindern regelmäßig nicht die Existenzgrundlage des Steuerpflichtigen. Insofern nahm der BFH nicht an, dass die Existenz des Steuerpflichtigen ohne einen entsprechenden Prozess gefährdet sei, sondern statuierte explizit eine weitere Ausnahme für einen möglichen Abzug von Prozesskosten als außergewöhnliche Belastungen (BFH-Urteil in BFHE 198, 94, BStBl II 2002, 382).
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(3) Scheidungskosten hat der BFH nicht der Fallgruppe der Existenzgefährdung zugerechnet. Durch Ehescheidungsverfahren entstandene Prozesskosten hatte der BFH schon vor dem BFH-Urteil in BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596 als außergewöhnliche Belastung anerkannt. Die Begründung dafür wechselte im Laufe der Zeit. Während zunächst auf den rechtsgestaltenden Charakter der Ehescheidung, also auf rechtliche Gründe abgestellt wurde (Senatsurteil vom 8. November 1974 VI R 22/72, BFHE 114, 90, BStBl II 1975, 111), prüfte der BFH die Zwangsläufigkeit von Ehescheidungskosten später unter dem Gesichtspunkt der Zwangsläufigkeit aus tatsächlichen Gründen (Senatsurteil in BFHE 134, 286, BStBl II 1982, 116). Dabei vertrat er die Auffassung, es könne insbesondere wegen des im Ehescheidungsrecht maßgebenden Zerrüttungsprinzips im Regelfall davon ausgegangen werden, dass sich Ehepartner nur scheiden ließen, wenn die Ehe so zerrüttet sei, dass ihnen ein Festhalten an ihr nicht mehr möglich sei. Deshalb sei die Zwangsläufigkeit bei Ehescheidungen grundsätzlich zu bejahen (Senatsurteil in BFH/NV 2016, 905). Eine existenzielle Betroffenheit hat der BFH in Scheidungsfällen demnach nicht bejaht. Er hat vielmehr die Fallgruppe der Existenzgefährdung in dem BFH-Urteil in BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596 erstmals neben dem bereits als außergewöhnliche Belastungen anerkannten Fall der Scheidungskosten zusätzlich genannt; nicht hingegen wurden Scheidungskosten unter die Fallgruppe der Existenzgefährdung subsumiert (s.a. Heim, Deutsche Steuer-Zeitung --DStZ-- 2014, 165).
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dd) Der Gesetzgeber hat die Formulierung in § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG wörtlich der BFH-Rechtsprechung seit dem BFH-Urteil in BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596 entnommen. Er hat damit auch inhaltlich an diese Rechtsprechung angeknüpft. Denn fügt der Gesetzgeber in ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung geprägte Begriffe in ein Gesetz ein, ist davon auszugehen, dass er diese auch entsprechend dieser Prägung verwenden und im Gesetz festschreiben will (Beschluss des Großen Senats des BFH vom 27. Juli 2015 GrS 1/14, BFHE 251, 408, BStBl II 2016, 265, Rz 68). Kosten für ein Scheidungsverfahren sind daher regelmäßig nicht als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen, selbst wenn das Festhalten an der Ehe für den Steuerpflichtigen eine starke Beeinträchtigung seines Lebens darstellt (so auch Heim, DStZ 2014, 165; Kanzler, FR 2014, 209; a.A. Bleschick, FR 2013, 932; Gerauer, Neue Wirtschafts-Briefe --NWB-- 2014, 2621; Nieuwenhuis, DStR 2014, 1701).
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ee) Für diese Auslegung spricht auch die Entstehungsgeschichte des § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG.
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(1) Der Gesetzesänderung gingen mehrere Schritte voraus:
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Der Entwurf des Jahressteuergesetzes 2013 vom 19. Juni 2012 (BTDrucks 17/10000) sah eine Änderung des § 33 EStG zunächst nicht vor. In seiner Stellungnahme zum Entwurf eines Jahressteuergesetzes 2013 vom 6. Juli 2012 (BRDrucks 302/12 --Beschluss--, S. 34, 35) schlug der Bundesrat vor, nach § 33 Abs. 3 EStG folgenden Abs. 3a einzufügen:
"3a) Prozesskosten sind nicht als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen, unabhängig davon, ob der Steuerpflichtige Kläger oder Beklagter ist. Abweichend von Satz 1 können die notwendigen und angemessenen Prozesskosten berücksichtigt werden, wenn der Steuerpflichtige ohne den Rechtsstreit Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können. Satz 2 gilt für die unmittelbaren und unvermeidbaren Scheidungskosten entsprechend."
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Diese Gesetzesfassung sollte in allen Fällen anzuwenden sein, in denen die Steuer noch nicht bestandskräftig festgesetzt war.
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Zur Begründung führte der Bundesrat aus, entgegen dem Senatsurteil vom 12. Mai 2011 VI R 42/10 (BFHE 234, 30, BStBl II 2011, 1015) entspreche die generelle steuermindernde Berücksichtigung von Prozesskosten nicht den sonst bei außergewöhnlichen Belastungen geltenden Grundsätzen. Es sei daher angezeigt, die Anwendbarkeit auf "den bisherigen engen Rahmen" zu beschränken.
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Die Bundesregierung lehnte den Vorschlag des Bundesrats "zum gegenwärtigen Zeitpunkt" ab. Sie verwies zum einen auf den Nichtanwendungserlass zum Senatsurteil in BFHE 234, 30, BStBl II 2011, 1015 (Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 20. Dezember 2011, BStBl I 2011, 1286), zum anderen auf mehrere Verfahren beim BFH, die sich mit der Berücksichtigung von Prozesskosten als außergewöhnliche Belastung beschäftigten; der BFH erhalte daher kurzfristig Gelegenheit, die Rechtsfrage erneut zu entscheiden. Dabei teile die Bundesregierung die Auffassung des Bundesrats, die Berücksichtigung von Prozesskosten auf "einen engen Rahmen" zu beschränken (BTDrucks 17/10604, S. 45, 46).
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Der Vermittlungsausschuss (BTDrucks 17/11844 vom 13. Dezember 2012, S. 6) empfahl daraufhin, an § 33 Abs. 2 EStG folgenden Satz anzufügen:
"Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreits (Prozesskosten) sind vom Abzug ausgeschlossen, es sei denn, es handelt sich um Aufwendungen ohne die der Steuerpflichtige Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können."
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Der Bundestag lehnte die Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses am 17. Januar 2013 ab (BRDrucks 33/13, S. 1). Der Bundesrat stimmte am 1. Februar 2013 dem vom Deutschen Bundestag am 25. Oktober 2012 verabschiedeten Gesetz nicht zu (BRDrucks 33/13 --Beschluss--).
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Im Februar 2013 brachten die Fraktionen der CDU/CSU und FDP --zunächst ohne eine Änderung des § 33 EStG-- einzelne im Jahressteuergesetz 2013 vorgesehene Regelungen im AmtshilfeRLUmsG wieder in den Bundestag ein (BTDrucks 17/12375, Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Amtshilferichtlinie sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften vom 19. Februar 2013). Der Vermittlungsausschuss schlug erneut vor, Satz 4 i.d.F. der Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses zum Jahressteuergesetz 2013 in § 33 Abs. 2 einzufügen (BTDrucks 17/13722 vom 5. Juni 2013, S. 9).
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Der Bundestag nahm die Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses nun an (BRDrucks 477/13 vom 6. Juni 2013, S. 1). Nach Zustimmung des Bundesrats (BRDrucks 477/13 --Beschluss-- vom 7. Juni 2013) trat das AmtshilfeRLUmsG schließlich mit Wirkung vom 30. Juni 2013 in Kraft.
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(2) Aus der beschriebenen Entstehungsgeschichte der heute gültigen Fassung des § 33 Abs. 2 EStG ist der Wille des Gesetzgebers erkennbar, Scheidungskosten nicht mehr als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen. Denn die vom Bundesrat im Gesetzgebungsverfahren zum Jahressteuergesetz 2013 vorgeschlagene Fassung des § 33 Abs. 3a EStG, in dessen Satz 3 eine Ausnahme für die "unmittelbaren und unvermeidbaren Scheidungskosten" vorgesehen war, ist gerade nicht Gesetz geworden. Vielmehr beschränkt sich der Gesetzgeber auf eine einzige Ausnahme vom generellen Abzugsverbot, nämlich die "Aufwendungen ohne die der Steuerpflichtige Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können" (gl.A. Kanzler, FR 2014, 209; Heim, DStZ 2014, 165).
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Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber mit dieser Formulierung die Scheidungskosten einbeziehen wollte, gibt es nicht. Soweit in der Literatur (Nieuwenhuis, DStR 2014, 1701; Gerauer, NWB 2014, 2621) angeführt wird, ein dementsprechender Wille sei aus der Stellungnahme des Bundesrats zum Entwurf des Jahressteuergesetzes 2013 (BRDrucks 302/12 --Beschluss--, S. 34, 35) zu ersehen, wonach sich die Anwendbarkeit des § 33 EStG auf "den bisherigen engen Rahmen" beschränken sollte, wird nicht berücksichtigt, dass dieser Vorschlag des Bundesrats gerade nicht Gesetz geworden ist. Die Bundesregierung wollte jedoch die Prozesskosten nur auf "einen engen Rahmen" beschränken. In Verbindung mit der Tatsache, dass der letzte Satz des vom Bundesrat vorgeschlagenen § 33 Abs. 3a EStG vom Vermittlungsausschuss nicht übernommen wurde, spricht dies dafür, dass der "enge Rahmen" durchaus enger sein dürfte als der bisherige, mithin der durch die bisherige Rechtsprechung des BFH vor der Gesetzesänderung gesteckte Rahmen weiter eingeschränkt werden sollte.
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ff) Es ist auch verfassungsrechtlich unbedenklich, dass Scheidungskosten nicht als außergewöhnliche Belastungen abgezogen werden können.
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(1) Nach mittlerweile ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) ist Ausgangspunkt der verfassungsrechtlichen Beurteilung, ob eine einkommensteuerrechtliche Regelung Aufwendungen des Steuerpflichtigen aus dem Bereich der privaten Lebensführung hinreichend berücksichtigt, das Prinzip der Steuerfreiheit des Existenzminimums, das aus Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 des Grundgesetzes abzuleiten ist. Danach hat der Staat das Einkommen des Bürgers insoweit steuerfrei zu stellen, als dieser es zur Schaffung der Mindestvoraussetzungen eines menschenwürdigen Daseins für sich und seine Familie benötigt. Dem Grundgedanken der Subsidiarität, wonach Eigenversorgung Vorrang vor staatlicher Fürsorge hat, entspricht es, dass sich die Bemessung des einkommensteuerrechtlich maßgeblichen Existenzminimums nach dem im Sozialhilferecht niedergelegten Leistungsniveau richtet. Was der Staat dem Einzelnen voraussetzungslos aus allgemeinen Haushaltsmitteln zur Verfügung zu stellen hat, das darf er ihm nicht durch Besteuerung seines Einkommens entziehen (BVerfG-Beschlüsse vom 13. Februar 2008 2 BvL 1/06, BVerfGE 120, 125; vom 29. Mai 1990 1 BvL 20/84, 1 BvL 26/84, 1 BvL 4/86, BVerfGE 82, 60, BStBl II 1990, 653; jeweils m.w.N.; Senatsurteil vom 2. September 2015 VI R 32/13, BFHE 251, 196, BStBl II 2016, 151).
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(2) Zu diesem einkommensteuerrechtlich zu verschonenden Existenzminimum gehören Prozesskosten grundsätzlich nicht (Senatsurteil vom 18. Juni 2015 VI R 17/14, BFHE 250, 153, BStBl II 2015, 800). Soweit Prozesse zur Sicherung des Existenzminimums notwendig sind, trägt dem § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG Rechnung, indem Prozesskosten ausnahmsweise zum Abzug als außergewöhnliche Belastungen zugelassen werden, falls die Existenz des Steuerpflichtigen gefährdet wäre, würde er sich nicht auf einen Prozess einlassen.
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3. Im Streitfall ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass die Klägerin Gefahr gelaufen wäre, ihre berufliche Existenzgrundlage zu verlieren und ihre lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können, hätte sie sich nicht auf das Scheidungsverfahren eingelassen. Die Voraussetzungen des § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG für eine Abziehbarkeit von Prozesskosten lagen mithin nicht vor.
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4. Die bislang vom FA berücksichtigte zumutbare Belastung nach § 33 Abs. 3 EStG ist entsprechend den Ausführungen im Urteil des erkennenden Senats in BFHE 256, 339, BStBl II 2017, 684 stufenweise zu ermitteln und demnach mit 1.063 € anzusetzen.
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5. Die Berechnung der Steuer wird dem FA übertragen (§ 100 Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
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6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1, § 136 Abs. 1 Satz 3 FGO.
(1) Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung), so wird auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, dass der Teil der Aufwendungen, der die dem Steuerpflichtigen zumutbare Belastung (Absatz 3) übersteigt, vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen wird.
(2)1Aufwendungen erwachsen dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen.2Aufwendungen, die zu den Betriebsausgaben, Werbungskosten oder Sonderausgaben gehören, bleiben dabei außer Betracht; das gilt für Aufwendungen im Sinne des § 10 Absatz 1 Nummer 7 und 9 nur insoweit, als sie als Sonderausgaben abgezogen werden können.3Aufwendungen, die durch Diätverpflegung entstehen, können nicht als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden.4Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreits (Prozesskosten) sind vom Abzug ausgeschlossen, es sei denn, es handelt sich um Aufwendungen ohne die der Steuerpflichtige Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können.
(2a)1Abweichend von Absatz 1 wird für Aufwendungen für durch eine Behinderung veranlasste Fahrten nur eine Pauschale gewährt (behinderungsbedingte Fahrtkostenpauschale).2Die Pauschale erhalten:
- 1.
Menschen mit einem Grad der Behinderung von mindestens 80 oder mit einem Grad der Behinderung von mindestens 70 und dem Merkzeichen „G“, - 2.
Menschen mit dem Merkzeichen „aG“, mit dem Merkzeichen „Bl“, mit dem Merkzeichen „TBl“ oder mit dem Merkzeichen „H“.
(3)1Die zumutbare Belastung beträgt
bei einem Gesamtbetrag der Einkünfte | bis 15 340 EUR | über 15 340 EUR bis 51 130 EUR | über 51 130 EUR | |
---|---|---|---|---|
1. | bei Steuerpflichtigen, die keine Kinder haben und bei denen die Einkommensteuer | |||
a) nach § 32a Absatz 1, | 5 | 6 | 7 | |
b) nach § 32a Absatz 5 oder 6 (Splitting-Verfahren) zu berechnen ist; | 4 | 5 | 6 | |
2. | bei Steuerpflichtigen mit | |||
a) einem Kind oder zwei Kindern, | 2 | 3 | 4 | |
b) drei oder mehr Kindern | 1 | 1 | 2 | |
Prozent des Gesamtbetrags der Einkünfte. |
2Als Kinder des Steuerpflichtigen zählen die, für die er Anspruch auf einen Freibetrag nach § 32 Absatz 6 oder auf Kindergeld hat.
(4) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Einzelheiten des Nachweises von Aufwendungen nach Absatz 1 und der Anspruchsvoraussetzungen nach Absatz 2a zu bestimmen.
Tenor
-
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz vom 16. Oktober 2014 4 K 1976/14 aufgehoben.
-
Der Einkommensteuerbescheid 2013 vom 2. Juni 2014 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 21. Juli 2014 wird dahingehend geändert, dass die zumutbare Belastung mit 1.044 € berücksichtigt wird.
-
Die Berechnung der Steuer wird dem Beklagten übertragen.
-
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen und die Revision als unbegründet zurückgewiesen.
-
Die Kosten des gesamten Verfahrens hat der Kläger zu tragen.
Tatbestand
- 1
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I. Streitig ist die Abziehbarkeit von Scheidungskosten nach der Änderung des § 33 des Einkommensteuergesetzes (EStG) durch das Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz (AmtshilfeRLUmsG) vom 26. Juni 2013 (BGBl I 2013, 1809).
- 2
-
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) erzielte im Streitjahr (2013) Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. In seiner Einkommensteuererklärung machte er --neben den Aufwendungen für eine Augenoperation mittels Laser in Höhe von 3.931 €-- Kosten für die Ehescheidung in Höhe von 1.594 €, für beglaubigte Kopien betreffend die Ehescheidung in Höhe von 144 € sowie Kosten eines Unterhaltsverfahrens in Höhe von 662 € als außergewöhnliche Belastung geltend.
- 3
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In dem Einkommensteuerbescheid für 2013 vom 2. Juni 2014 berücksichtigte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) nur die Kosten für die Augenoperation. Mit dem Einspruch wandte sich der Kläger gegen die Nichtberücksichtigung der Kosten für die Ehescheidung und die Unterhaltsregelung. Das FA wies den Einspruch als unbegründet zurück. Die Klage hatte aus den in den Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2015, 39 veröffentlichten Gründen insoweit Erfolg, als das Finanzgericht (FG) die Scheidungskosten als außergewöhnliche Belastungen anerkannte.
- 4
-
Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts.
- 5
-
Das FA beantragt,
das Urteil des FG Rheinland-Pfalz vom 16. Oktober 2014 4 K 1976/14 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
- 6
-
Der Kläger beantragt,
1. die Revision zurückzuweisen,
2. den Einkommensteuerbescheid 2013 vom 2. Juni 2014 i.d.F. der Einspruchsentscheidung vom 21. Juli 2014 dahingehend abzuändern, dass die zumutbare Belastung mit 1.044 € berücksichtigt wird.
- 7
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Das Bundesministerium der Finanzen ist dem Verfahren beigetreten und hat keinen Antrag gestellt.
Entscheidungsgründe
- 8
-
II. Die Revision des FA ist überwiegend begründet. Das FG hat die Scheidungskosten zu Unrecht als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt.
- 9
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Ob Aufwendungen für einen Scheidungsprozess noch als außergewöhnlich i.S. des § 33 EStG anzusehen sind (ablehnend Niedersächsisches FG, Urteil vom 18. Februar 2015 3 K 297/14, EFG 2015, 725), kann offenbleiben. Denn sie sind jedenfalls nach § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung vom Abzug als außergewöhnliche Belastungen ausgeschlossen. Die Voraussetzungen des § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG für einen Abzug von Prozesskosten liegen nicht vor.
- 10
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1. Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung), so wird auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, dass der Teil der Aufwendungen, der die dem Steuerpflichtigen zumutbare Belastung (Absatz 3) übersteigt, vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen wird (§ 33 Abs. 1 EStG). Nach § 33 Abs. 2 EStG erwachsen Aufwendungen dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen (§ 33 Abs. 2 Satz 1 EStG).
- 11
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2. Nach § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG sind Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreits (Prozesskosten) vom Abzug ausgeschlossen, es sei denn, es handelt sich um Aufwendungen ohne die der Steuerpflichtige Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können.
- 12
-
a) § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG i.d.F. des AmtshilfeRLUmsG trat mit Wirkung vom 30. Juni 2013 in Kraft und ist erstmals für den Veranlagungszeitraum 2013 --mithin für das Streitjahr-- anzuwenden (§ 52 Abs. 1 Satz 1 EStG i.d.F. des AmtshilfeRLUmsG).
- 13
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b) Scheidungskosten sind Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreits (Prozesskosten) i.S. des § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG. Sie sind durch § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG grundsätzlich vom Abzug als außergewöhnliche Belastungen ausgeschlossen. Denn ein Steuerpflichtiger erbringt die Aufwendungen für ein Scheidungsverfahren regelmäßig nicht zur Sicherung seiner Existenzgrundlage und seiner lebensnotwendigen Bedürfnisse. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat insoweit auf sein Urteil vom 18. Mai 2017 VI R 9/16 (Deutsches Steuerrecht 2017, 1808) Bezug.
- 14
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3. Im Streitfall ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass der Kläger Gefahr gelaufen wäre, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können, hätte er das Scheidungsverfahren nicht geführt. Die Voraussetzungen des § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG für eine Abziehbarkeit von Prozesskosten lagen mithin nicht vor.
- 15
-
4. Die bislang vom FA berücksichtigte zumutbare Belastung nach § 33 Abs. 3 EStG ist entsprechend den Ausführungen im Urteil des erkennenden Senats vom 19. Januar 2017 VI R 75/14 (BFHE 256, 339, BStBl II 2017, 684) stufenweise zu ermitteln und demnach mit 1.044 € anzusetzen.
- 16
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5. Die Berechnung der Steuer wird dem FA übertragen (§ 100 Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
- 17
-
6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1, § 136 Abs. 1 Satz 3 FGO.
Tenor
-
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Finanzgerichts Münster vom 21. November 2014 4 K 1829/14 E aufgehoben.
-
Die Klage wird abgewiesen.
-
Die Kosten des gesamten Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Tatbestand
- 1
-
I. Streitig ist die Abziehbarkeit von Scheidungskosten nach der Änderung des § 33 des Einkommensteuergesetzes (EStG) durch das Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz (AmtshilfeRLUmsG) vom 26. Juni 2013 (BGBl I 2013, 1809).
- 2
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Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) erzielte im Streitjahr (2013) Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. In ihrer Einkommensteuererklärung machte sie u.a. Krankheitskosten, Scheidungs- und Scheidungsfolgekosten als außergewöhnliche Belastungen nach § 33 EStG geltend.
- 3
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Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) erkannte lediglich die Krankheitskosten als außergewöhnliche Belastungen an, die sich wegen der zumutbaren Belastung jedoch nicht auswirkten. Die Scheidungskosten berücksichtigte er nicht und verwies auf die ab 2013 geltende Gesetzesänderung zum Abzug von Prozesskosten als außergewöhnliche Belastungen. Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage hatte aus den in den Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2015, 221 veröffentlichten Gründen insoweit Erfolg, als das Finanzgericht (FG) Scheidungskosten in Höhe von 1.000 € als außergewöhnliche Belastungen anerkannte.
- 4
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Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts.
- 5
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Es beantragt,
das Urteil des FG Münster vom 21. November 2014 4 K 1829/14 E aufzuheben und die Klage abzuweisen.
- 6
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Die nicht durch einen Prozessbevollmächtigten vertretene Klägerin hat keinen Antrag gestellt.
Entscheidungsgründe
- 7
-
II. Die Revision des FA ist begründet. Das FG hat die Scheidungskosten zu Unrecht als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt.
- 8
-
Ob Aufwendungen für einen Scheidungsprozess noch als außergewöhnlich i.S. des § 33 EStG anzusehen sind (ablehnend Niedersächsisches FG, Urteil vom 18. Februar 2015 3 K 297/14, EFG 2015, 725), kann offenbleiben. Denn sie sind jedenfalls nach § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung vom Abzug als außergewöhnliche Belastungen ausgeschlossen. Die Voraussetzungen des § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG für einen Abzug von Prozesskosten liegen nicht vor.
- 9
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1. Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung), so wird auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, dass der Teil der Aufwendungen, der die dem Steuerpflichtigen zumutbare Belastung (Absatz 3) übersteigt, vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen wird (§ 33 Abs. 1 EStG). Nach § 33 Abs. 2 EStG erwachsen Aufwendungen dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen (§ 33 Abs. 2 Satz 1 EStG).
- 10
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2. Nach § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG sind Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreits (Prozesskosten) vom Abzug ausgeschlossen, es sei denn, es handelt sich um Aufwendungen ohne die der Steuerpflichtige Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können.
- 11
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a) § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG i.d.F. des AmtshilfeRLUmsG trat mit Wirkung vom 30. Juni 2013 in Kraft und ist erstmals für den Veranlagungszeitraum 2013 --mithin für das Streitjahr-- anzuwenden (§ 52 Abs. 1 Satz 1 EStG i.d.F. des AmtshilfeRLUmsG).
- 12
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b) Scheidungskosten sind Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreits (Prozesskosten) i.S. des § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG. Sie sind durch § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG grundsätzlich vom Abzug als außergewöhnliche Belastungen ausgeschlossen. Denn ein Steuerpflichtiger erbringt die Aufwendungen für ein Scheidungsverfahren regelmäßig nicht zur Sicherung seiner Existenzgrundlage und seiner lebensnotwendigen Bedürfnisse. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat insoweit auf sein Urteil vom 18. Mai 2017 VI R 9/16 (Deutsches Steuerrecht 2017, 1808) Bezug.
- 13
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3. Im Streitfall ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass die Klägerin Gefahr gelaufen wäre, ihre Existenzgrundlage zu verlieren und ihre lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können, hätte sie das Scheidungsverfahren nicht geführt. Die Voraussetzungen des § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG für eine Abziehbarkeit von Prozesskosten lagen mithin nicht vor.
- 14
-
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung.
Tenor
-
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 18. Februar 2015 3 K 297/14 wird als unbegründet zurückgewiesen.
-
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Kläger zu tragen.
Tatbestand
- 1
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I. Streitig ist die Abziehbarkeit von Scheidungskosten nach der Änderung des § 33 des Einkommensteuergesetzes (EStG) durch das Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz (AmtshilfeRLUmsG) vom 26. Juni 2013 (BGBl I 2013, 1809).
- 2
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Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) erzielte im Streitjahr (2013) Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Er wurde im Dezember 2012 geschieden. Für das Scheidungsverfahren hatte das Amtsgericht dem Kläger Verfahrenskostenhilfe bewilligt. Er musste die Rechtsanwalts- und Gerichtskosten in Höhe von insgesamt 4.827,92 € vollständig --allerdings aufgrund der bewilligten Verfahrenskostenhilfe in rund 19 monatlichen Raten à 250 € und eines Restbetrags-- entrichten. Im Streitjahr bezahlte er 12 Raten an die Gerichtskasse. Im Scheidungsverbundverfahren wurden neben der Scheidung auch der Versorgungsausgleich, das Sorgerecht für die Kinder und der Unterhalt geregelt.
- 3
-
In seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machte der Kläger Scheidungskosten als außergewöhnliche Belastungen geltend. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) lehnte eine Berücksichtigung der Aufwendungen unter Hinweis auf die inzwischen erfolgte Änderung des § 33 EStG durch das AmtshilfeRLUmsG ab. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit den in den Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2015, 725 veröffentlichten Gründen ab.
- 4
-
Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts.
- 5
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Er beantragt,
das Urteil des Niedersächsischen FG vom 18. Februar 2015 3 K 297/14 aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid für 2013 vom 18. Juni 2014 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 31. Juli 2014 dahingehend zu ändern, dass die Kosten der Ehescheidung in Höhe von 873 € als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt werden.
- 6
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Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
- 7
-
II. Die Revision ist unbegründet; sie ist daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat die Scheidungskosten zu Recht nicht als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt.
- 8
-
Ob Aufwendungen für ein Scheidungsverfahren noch als außergewöhnlich i.S. des § 33 Abs. 1 EStG anzusehen sind, kann offenbleiben. Denn sie sind jedenfalls nach § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung vom Abzug als außergewöhnliche Belastungen ausgeschlossen. Die Voraussetzungen des § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG für einen Abzug von Prozesskosten als außergewöhnliche Belastungen liegen nicht vor.
- 9
-
1. Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung), so wird auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, dass der Teil der Aufwendungen, der die dem Steuerpflichtigen zumutbare Belastung (Absatz 3) übersteigt, vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen wird (§ 33 Abs. 1 EStG). Nach § 33 Abs. 2 EStG erwachsen Aufwendungen dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen (§ 33 Abs. 2 Satz 1 EStG).
- 10
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2. Nach § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG sind Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreits (Prozesskosten) vom Abzug ausgeschlossen, es sei denn, es handelt sich um Aufwendungen ohne die der Steuerpflichtige Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können.
- 11
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a) § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG i.d.F. des AmtshilfeRLUmsG trat mit Wirkung vom 30. Juni 2013 in Kraft und ist erstmals für den Veranlagungszeitraum 2013 --mithin für das Streitjahr-- anzuwenden (§ 52 Abs. 1 Satz 1 EStG i.d.F. des AmtshilfeRLUmsG).
- 12
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b) Scheidungskosten sind Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreits (Prozesskosten) i.S. des § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG. Sie sind durch § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG grundsätzlich vom Abzug als außergewöhnliche Belastungen ausgeschlossen. Denn ein Steuerpflichtiger erbringt die Aufwendungen für ein Scheidungsverfahren regelmäßig nicht zur Sicherung seiner Existenzgrundlage und seiner lebensnotwendigen Bedürfnisse. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat insoweit auf sein Urteil vom 18. Mai 2017 VI R 9/16 (Deutsches Steuerrecht 2017, 1808) Bezug.
- 13
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3. Im Streitfall ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass der Kläger Gefahr gelaufen wäre, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können, hätte er das Scheidungsverfahren nicht geführt. Die Voraussetzungen des § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG für eine Abziehbarkeit von Prozesskosten lagen mithin nicht vor.
- 14
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.
Tenor
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Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Finanzgerichts Köln vom 13. Januar 2016 14 K 1861/15 aufgehoben.
-
Der Einkommensteuerbescheid 2014 vom 7. Mai 2015 i.d.F. der Einspruchsentscheidung vom 8. Juni 2015 wird dahingehend abgeändert, dass die zumutbare Belastung mit 1.063 € berücksichtigt wird.
-
Die Berechnung der Steuer wird dem Beklagten übertragen.
-
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen und die Revision als unbegründet zurückgewiesen.
-
Die Kosten des gesamten Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Tatbestand
-
I.
- 1
-
Streitig ist die Abziehbarkeit von Scheidungskosten als außergewöhnliche Belastungen nach der Änderung des § 33 des Einkommensteuergesetzes (EStG) durch das Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz (AmtshilfeRLUmsG).
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In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr (2014) machte die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) u.a. Aufwendungen für ein Scheidungsverfahren als außergewöhnliche Belastungen nach § 33 EStG geltend. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) setzte die Einkommensteuer auf 6.975 € fest. Das FA berücksichtigte die als außergewöhnliche Belastungen geltend gemachten Ehescheidungskosten nicht. Andere als außergewöhnliche Belastungen anerkannte Aufwendungen in Höhe von 1.137 € wirkten sich aufgrund der zumutbaren Belastung in Höhe von 1.216 € nicht aus. Nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhob die Klägerin Klage, der das Finanzgericht (FG) aus den in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2016, 645 veröffentlichten Gründen stattgab.
- 3
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Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts.
- 4
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Es beantragt,
das Urteil des FG Köln vom 13. Januar 2016 14 K 1861/15 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
- 5
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Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
-
II.
- 6
-
Die Revision des FA ist überwiegend begründet. Das FG hat die Scheidungskosten zu Unrecht als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt.
- 7
-
Ob Aufwendungen für ein Scheidungsverfahren noch als außergewöhnlich i.S. des § 33 Abs. 1 EStG anzusehen sind (ablehnend Niedersächsisches FG, Urteil vom 18. Februar 2015 3 K 297/14, EFG 2015, 725), kann offenbleiben. Denn sie sind jedenfalls nach § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung vom Abzug als außergewöhnliche Belastungen ausgeschlossen. Die Voraussetzungen des § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG für einen Abzug von Prozesskosten als außergewöhnliche Belastungen liegen nicht vor. Die Klägerin lief nicht Gefahr, ihre Existenzgrundlage zu verlieren und ihre lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können, hätte sie die Kosten für das Scheidungsverfahren nicht aufgewandt. Die bislang vom FA berücksichtigte zumutbare Belastung nach § 33 Abs. 3 EStG ist allerdings entsprechend den Ausführungen im Urteil des erkennenden Senats vom 19. Januar 2017 VI R 75/14 (BFHE 256, 339, BStBl II 2017, 684) zu berechnen und mit 1.063 € anzusetzen.
- 8
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1. Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung), so wird auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, dass der Teil der Aufwendungen, der die dem Steuerpflichtigen zumutbare Belastung (Abs. 3) übersteigt, vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen wird (§ 33 Abs. 1 EStG). Nach § 33 Abs. 2 EStG erwachsen Aufwendungen dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen (§ 33 Abs. 2 Satz 1 EStG).
- 9
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2. Nach § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG sind Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreits (Prozesskosten) vom Abzug ausgeschlossen, es sei denn, es handelt sich um Aufwendungen ohne die der Steuerpflichtige Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können.
- 10
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a) § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG i.d.F. des AmtshilfeRLUmsG trat mit Wirkung vom 30. Juni 2013 in Kraft (BGBl I 2013, 1809) und ist erstmals für den Veranlagungszeitraum 2013 --mithin für das Streitjahr-- anzuwenden (§ 52 Abs. 1 Satz 1 EStG i.d.F. des AmtshilfeRLUmsG).
- 11
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b) Entgegen der Auffassung des FG werden auch die Kosten eines Scheidungsverfahrens von § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG erfasst. Denn es handelt sich um Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreits.
- 12
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aa) Der Begriff des Rechtsstreits bezeichnet im Allgemeinen die Auseinandersetzung zwischen zwei Parteien oder Beteiligten über ein Rechtsverhältnis in einem gerichtlichen Verfahren. Erfasst wird indes nicht nur das formale, kontradiktorische Verfahren zwischen Privatpersonen (Zivilprozess), sondern jedenfalls jedes gerichtliche Verfahren, insbesondere vor Verwaltungs-, Finanz- und Strafgerichten (gl.A. Kanzler, Finanz-Rundschau --FR-- 2014, 209, 213).
- 13
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bb) Demzufolge hat der Bundesfinanzhof (BFH) in langjähriger Rechtsprechung die Kosten sowohl einer Ehescheidung als auch von Scheidungsfolgesachen jeweils einschließlich der außergerichtlichen Kosten als (Zivil-)Prozesskosten angesehen (z.B. BFH-Urteile vom 9. Mai 1996 III R 224/94, BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596; vom 21. Februar 1992 III R 88/90, BFHE 168, 39, BStBl II 1992, 795; Senatsurteile vom 23. Februar 1968 VI R 239/67, BFHE 91, 534, BStBl II 1968, 407; vom 2. Oktober 1981 VI R 38/78, BFHE 134, 286, BStBl II 1982, 116, und vom 20. Januar 2016 VI R 70/12, BFH/NV 2016, 905). Daran hat der Senat auch für den Fall der Anwendbarkeit des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) festgehalten (z.B. Senatsurteile vom 10. März 2016 VI R 69/12, BFH/NV 2016, 1155; vom 15. Juni 2016 VI R 34/14, BFH/NV 2016, 1549, und vom 4. August 2016 VI R 63/14, BFH/NV 2017, 14). Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Gesetzgeber mit § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG abweichend hiervon nur Aufwendungen erfassen wollte, die in den jeweiligen Verfahrensordnungen ausdrücklich als "Prozesskosten", und nur Verfahren einbeziehen wollte, die hierin als "Rechtsstreit" bezeichnet werden (so aber Urban, FR 2016, 217, 219).
- 14
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cc) Auch aus den Vorschriften des FamFG ergibt sich nicht, dass Kosten eines Scheidungsverfahrens nicht unter den Begriff "Prozesskosten" i.S. des § 33 EStG fallen. § 113 Abs. 5 Nr. 1 FamFG sieht zwar vor, dass "bei der Anwendung der Zivilprozessordnung" an die Stelle der Bezeichnung "Prozess" oder "Rechtsstreit" die Bezeichnung "Verfahren" tritt. Hieraus folgt jedoch nicht, dass es sich insoweit nicht um Rechtsstreitigkeiten i.S. des § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG handelt (vgl. auch § 113 Abs. 1 FamFG "Ehesachen und Familienstreitsachen"). Vielmehr wollte der Gesetzgeber mit der Herausbildung einer eigenen Terminologie zum Ausdruck bringen, dass es in den nach dem FamFG zu entscheidenden Materien nicht um eine echte Gegnerstellung der Beteiligten gehe (Kemper/Schreiber, Familienverfahrensrecht, § 113 Rz 25; Prütting/Helms, FamFG, § 113 Rz 37).
- 15
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c) Nach § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG greift das grundsätzliche Abzugsverbot für Prozesskosten nur dann nicht ein, wenn der Steuerpflichtige ohne die Aufwendungen Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine notwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können. Prozesskosten für ein Scheidungsverfahren zählen nicht hierzu. Denn ein Ehegatte erbringt die Aufwendungen für ein Scheidungsverfahren regelmäßig nicht zur Sicherung seiner Existenzgrundlage und seiner lebensnotwendigen Bedürfnisse.
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aa) Als Existenzgrundlage i.S. des § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG ist die materielle Lebensgrundlage des Steuerpflichtigen zu verstehen (gl.A. Kanzler, FR 2014, 209, 216). Zwar kann der gesetzlich nicht definierte Begriff der Existenzgrundlage auch in einem immateriellen Sinn gedeutet werden, etwa als die Summe der Überzeugungen und Wertvorstellungen einer Person oder als die Eingebundenheit einer Person in eine Familie und/oder einen Freundeskreis; daher könnte man im Fall einer gescheiterten Ehe auch eine seelische Existenzgrundlage als gefährdet ansehen (Bleschick, FR 2013, 932, 936; Nieuwenhuis, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2014, 1701). Der Wortlaut der Regelung und insbesondere der Zusatz "in dem üblichen Rahmen" legen aber einen Bezug auf die wirtschaftlichen Verhältnisse nahe. Denn im Gegensatz zu seelischen und sozialen Bedürfnissen sind wirtschaftliche Umstände messbar und quantifizierbar.
- 17
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bb) Dementsprechend hat die Steuerrechtsprechung den Begriff der Existenzgrundlage bislang immer in einem materiellen Sinn verstanden. So wurden als Existenzgrundlage eines Steuerpflichtigen etwa ein Betrieb (BFH-Urteile vom 13. August 2003 II R 48/01, BFHE 203, 275, BStBl II 2003, 908; vom 11. März 1992 X R 141/88, BFHE 166, 564, BStBl II 1992, 499), ein Beruf und die daraus erzielten Einkünfte (BFH-Beschluss vom 16. März 2006 IV B 157/04, BFH/NV 2006, 1459), ein Arbeitsplatz (Senatsurteil vom 20. Januar 2016 VI R 14/13, BFH/NV 2016, 1142) oder sonstige dem Steuerpflichtigen zur Verfügung stehende Mittel (BFH-Urteil vom 21. Juli 2004 X R 33/03, BFHE 207, 183, BStBl II 2004, 1063) bezeichnet.
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cc) Auch bei den außergewöhnlichen Belastungen hat die Rechtsprechung mit der in § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG verwendeten Formulierung nur die wirtschaftlichen Grundlagen des Steuerpflichtigen gemeint. Der BFH hat erstmals im Urteil in BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596 den Begriff der Existenzgrundlage im Zusammenhang mit Prozesskosten verwendet und hierzu Folgendes ausgeführt:
"Berührt ein Rechtsstreit allerdings einen für den Steuerpflichtigen existentiell wichtigen Bereich, kann jener unter Umständen in eine Zwangslage geraten, in der für ihn die Verfolgung seiner rechtlichen Interessen trotz unsicherer Erfolgsaussichten existentiell erforderlich ist (vgl. Urteil des Senats vom 19. Mai 1995 III R 12/92, BFHE 178, 207, BStBl II 1995, 774) und sich folglich die Frage stellt, ob die Übernahme eines Prozesskostenrisikos nicht insoweit als i.S. des § 33 EStG zwangsläufig anzusehen ist. Ein solcher Ausnahmefall kann aber nur dann unter hier nicht näher zu erörternden engen Voraussetzungen in Betracht gezogen werden, wenn der Steuerpflichtige, ohne sich auf den Rechtsstreit trotz unsicheren Ausgangs einzulassen, Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können."
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(1) Dieselbe Formulierung findet sich in zahlreichen nachfolgenden Urteilen (z.B. BFH-Urteile vom 4. Dezember 2001 III R 31/00, BFHE 198, 94, BStBl II 2002, 382; vom 18. März 2004 III R 24/03, BFHE 206, 16, BStBl II 2004, 726; vom 20. April 2006 III R 23/05, BFHE 213, 351, BStBl II 2007, 41; vom 27. August 2008 III R 50/06, BFH/NV 2009, 553). In keinem dieser Urteile hat der BFH die Gefahr des Verlustes einer psychischen oder ideellen Existenzgrundlage auch nur erörtert. Vielmehr hat er es nur in Fällen für möglich gehalten, dass der Steuerpflichtige ohne den Prozess seine Existenzgrundlage verlieren und seine notwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen könne, in denen entweder die Nutzung des Wohnhauses zu eigenen Wohnzwecken ernsthaft in Frage gestellt war (Senatsurteile vom 20. Januar 2016 VI R 40/13, BFH/NV 2016, 908, und VI R 62/13, BFH/NV 2016, 1436) oder der Steuerpflichtige durch eine Vertragsverletzung oder eine unerlaubte Handlung schwerwiegende körperliche Schäden erlitten hatte (Senatsurteile in BFH/NV 2016, 1142, und vom 19. November 2015 VI R 42/14, BFH/NV 2016, 739).
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(2) Eine Existenzbedrohung hat der BFH jedoch auch insoweit nur angenommen, als der Steuerpflichtige Ausgleich seiner materiellen Schäden begehrte. Soweit mit den Klagen immaterielle Schäden --etwa Ansprüche auf Schmerzensgeld-- geltend gemacht wurden, hat er darin keinen existenziell wichtigen Bereich im Sinne der Rechtsprechung zur einkommensteuerrechtlichen Berücksichtigung von Zivilprozesskosten gesehen, selbst wenn sie auf den Ausgleich von Nichtvermögensschäden durch eine Beeinträchtigung der körperlichen Gesundheit gerichtet waren (Senatsurteile in BFH/NV 2016, 1142, und vom 17. Dezember 2015 VI R 7/14, BFHE 252, 418). Dasselbe galt für ein von einem Kind eingeleitetes Vaterschaftsfeststellungsverfahren. Die Feststellung oder Nichtfeststellung der Vaterschaft greift nicht unmittelbar in die Existenz des Steuerpflichtigen ein, da selbst bei weitestgehenden Unterhaltsansprüchen eines Kindes dem Elternteil zumindest der Betrag verbleibt, der zur Existenz unbedingt erforderlich ist (BFH-Urteil in BFHE 206, 16, BStBl II 2004, 726). Auch berühren nach der Rechtsprechung des BFH Streitigkeiten über das Umgangsrecht der Eltern mit ihren Kindern regelmäßig nicht die Existenzgrundlage des Steuerpflichtigen. Insofern nahm der BFH nicht an, dass die Existenz des Steuerpflichtigen ohne einen entsprechenden Prozess gefährdet sei, sondern statuierte explizit eine weitere Ausnahme für einen möglichen Abzug von Prozesskosten als außergewöhnliche Belastungen (BFH-Urteil in BFHE 198, 94, BStBl II 2002, 382).
- 21
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(3) Scheidungskosten hat der BFH nicht der Fallgruppe der Existenzgefährdung zugerechnet. Durch Ehescheidungsverfahren entstandene Prozesskosten hatte der BFH schon vor dem BFH-Urteil in BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596 als außergewöhnliche Belastung anerkannt. Die Begründung dafür wechselte im Laufe der Zeit. Während zunächst auf den rechtsgestaltenden Charakter der Ehescheidung, also auf rechtliche Gründe abgestellt wurde (Senatsurteil vom 8. November 1974 VI R 22/72, BFHE 114, 90, BStBl II 1975, 111), prüfte der BFH die Zwangsläufigkeit von Ehescheidungskosten später unter dem Gesichtspunkt der Zwangsläufigkeit aus tatsächlichen Gründen (Senatsurteil in BFHE 134, 286, BStBl II 1982, 116). Dabei vertrat er die Auffassung, es könne insbesondere wegen des im Ehescheidungsrecht maßgebenden Zerrüttungsprinzips im Regelfall davon ausgegangen werden, dass sich Ehepartner nur scheiden ließen, wenn die Ehe so zerrüttet sei, dass ihnen ein Festhalten an ihr nicht mehr möglich sei. Deshalb sei die Zwangsläufigkeit bei Ehescheidungen grundsätzlich zu bejahen (Senatsurteil in BFH/NV 2016, 905). Eine existenzielle Betroffenheit hat der BFH in Scheidungsfällen demnach nicht bejaht. Er hat vielmehr die Fallgruppe der Existenzgefährdung in dem BFH-Urteil in BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596 erstmals neben dem bereits als außergewöhnliche Belastungen anerkannten Fall der Scheidungskosten zusätzlich genannt; nicht hingegen wurden Scheidungskosten unter die Fallgruppe der Existenzgefährdung subsumiert (s.a. Heim, Deutsche Steuer-Zeitung --DStZ-- 2014, 165).
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dd) Der Gesetzgeber hat die Formulierung in § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG wörtlich der BFH-Rechtsprechung seit dem BFH-Urteil in BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596 entnommen. Er hat damit auch inhaltlich an diese Rechtsprechung angeknüpft. Denn fügt der Gesetzgeber in ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung geprägte Begriffe in ein Gesetz ein, ist davon auszugehen, dass er diese auch entsprechend dieser Prägung verwenden und im Gesetz festschreiben will (Beschluss des Großen Senats des BFH vom 27. Juli 2015 GrS 1/14, BFHE 251, 408, BStBl II 2016, 265, Rz 68). Kosten für ein Scheidungsverfahren sind daher regelmäßig nicht als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen, selbst wenn das Festhalten an der Ehe für den Steuerpflichtigen eine starke Beeinträchtigung seines Lebens darstellt (so auch Heim, DStZ 2014, 165; Kanzler, FR 2014, 209; a.A. Bleschick, FR 2013, 932; Gerauer, Neue Wirtschafts-Briefe --NWB-- 2014, 2621; Nieuwenhuis, DStR 2014, 1701).
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ee) Für diese Auslegung spricht auch die Entstehungsgeschichte des § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG.
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(1) Der Gesetzesänderung gingen mehrere Schritte voraus:
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Der Entwurf des Jahressteuergesetzes 2013 vom 19. Juni 2012 (BTDrucks 17/10000) sah eine Änderung des § 33 EStG zunächst nicht vor. In seiner Stellungnahme zum Entwurf eines Jahressteuergesetzes 2013 vom 6. Juli 2012 (BRDrucks 302/12 --Beschluss--, S. 34, 35) schlug der Bundesrat vor, nach § 33 Abs. 3 EStG folgenden Abs. 3a einzufügen:
"3a) Prozesskosten sind nicht als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen, unabhängig davon, ob der Steuerpflichtige Kläger oder Beklagter ist. Abweichend von Satz 1 können die notwendigen und angemessenen Prozesskosten berücksichtigt werden, wenn der Steuerpflichtige ohne den Rechtsstreit Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können. Satz 2 gilt für die unmittelbaren und unvermeidbaren Scheidungskosten entsprechend."
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Diese Gesetzesfassung sollte in allen Fällen anzuwenden sein, in denen die Steuer noch nicht bestandskräftig festgesetzt war.
- 27
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Zur Begründung führte der Bundesrat aus, entgegen dem Senatsurteil vom 12. Mai 2011 VI R 42/10 (BFHE 234, 30, BStBl II 2011, 1015) entspreche die generelle steuermindernde Berücksichtigung von Prozesskosten nicht den sonst bei außergewöhnlichen Belastungen geltenden Grundsätzen. Es sei daher angezeigt, die Anwendbarkeit auf "den bisherigen engen Rahmen" zu beschränken.
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Die Bundesregierung lehnte den Vorschlag des Bundesrats "zum gegenwärtigen Zeitpunkt" ab. Sie verwies zum einen auf den Nichtanwendungserlass zum Senatsurteil in BFHE 234, 30, BStBl II 2011, 1015 (Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 20. Dezember 2011, BStBl I 2011, 1286), zum anderen auf mehrere Verfahren beim BFH, die sich mit der Berücksichtigung von Prozesskosten als außergewöhnliche Belastung beschäftigten; der BFH erhalte daher kurzfristig Gelegenheit, die Rechtsfrage erneut zu entscheiden. Dabei teile die Bundesregierung die Auffassung des Bundesrats, die Berücksichtigung von Prozesskosten auf "einen engen Rahmen" zu beschränken (BTDrucks 17/10604, S. 45, 46).
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Der Vermittlungsausschuss (BTDrucks 17/11844 vom 13. Dezember 2012, S. 6) empfahl daraufhin, an § 33 Abs. 2 EStG folgenden Satz anzufügen:
"Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreits (Prozesskosten) sind vom Abzug ausgeschlossen, es sei denn, es handelt sich um Aufwendungen ohne die der Steuerpflichtige Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können."
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Der Bundestag lehnte die Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses am 17. Januar 2013 ab (BRDrucks 33/13, S. 1). Der Bundesrat stimmte am 1. Februar 2013 dem vom Deutschen Bundestag am 25. Oktober 2012 verabschiedeten Gesetz nicht zu (BRDrucks 33/13 --Beschluss--).
- 31
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Im Februar 2013 brachten die Fraktionen der CDU/CSU und FDP --zunächst ohne eine Änderung des § 33 EStG-- einzelne im Jahressteuergesetz 2013 vorgesehene Regelungen im AmtshilfeRLUmsG wieder in den Bundestag ein (BTDrucks 17/12375, Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Amtshilferichtlinie sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften vom 19. Februar 2013). Der Vermittlungsausschuss schlug erneut vor, Satz 4 i.d.F. der Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses zum Jahressteuergesetz 2013 in § 33 Abs. 2 einzufügen (BTDrucks 17/13722 vom 5. Juni 2013, S. 9).
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Der Bundestag nahm die Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses nun an (BRDrucks 477/13 vom 6. Juni 2013, S. 1). Nach Zustimmung des Bundesrats (BRDrucks 477/13 --Beschluss-- vom 7. Juni 2013) trat das AmtshilfeRLUmsG schließlich mit Wirkung vom 30. Juni 2013 in Kraft.
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(2) Aus der beschriebenen Entstehungsgeschichte der heute gültigen Fassung des § 33 Abs. 2 EStG ist der Wille des Gesetzgebers erkennbar, Scheidungskosten nicht mehr als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen. Denn die vom Bundesrat im Gesetzgebungsverfahren zum Jahressteuergesetz 2013 vorgeschlagene Fassung des § 33 Abs. 3a EStG, in dessen Satz 3 eine Ausnahme für die "unmittelbaren und unvermeidbaren Scheidungskosten" vorgesehen war, ist gerade nicht Gesetz geworden. Vielmehr beschränkt sich der Gesetzgeber auf eine einzige Ausnahme vom generellen Abzugsverbot, nämlich die "Aufwendungen ohne die der Steuerpflichtige Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können" (gl.A. Kanzler, FR 2014, 209; Heim, DStZ 2014, 165).
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Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber mit dieser Formulierung die Scheidungskosten einbeziehen wollte, gibt es nicht. Soweit in der Literatur (Nieuwenhuis, DStR 2014, 1701; Gerauer, NWB 2014, 2621) angeführt wird, ein dementsprechender Wille sei aus der Stellungnahme des Bundesrats zum Entwurf des Jahressteuergesetzes 2013 (BRDrucks 302/12 --Beschluss--, S. 34, 35) zu ersehen, wonach sich die Anwendbarkeit des § 33 EStG auf "den bisherigen engen Rahmen" beschränken sollte, wird nicht berücksichtigt, dass dieser Vorschlag des Bundesrats gerade nicht Gesetz geworden ist. Die Bundesregierung wollte jedoch die Prozesskosten nur auf "einen engen Rahmen" beschränken. In Verbindung mit der Tatsache, dass der letzte Satz des vom Bundesrat vorgeschlagenen § 33 Abs. 3a EStG vom Vermittlungsausschuss nicht übernommen wurde, spricht dies dafür, dass der "enge Rahmen" durchaus enger sein dürfte als der bisherige, mithin der durch die bisherige Rechtsprechung des BFH vor der Gesetzesänderung gesteckte Rahmen weiter eingeschränkt werden sollte.
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ff) Es ist auch verfassungsrechtlich unbedenklich, dass Scheidungskosten nicht als außergewöhnliche Belastungen abgezogen werden können.
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(1) Nach mittlerweile ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) ist Ausgangspunkt der verfassungsrechtlichen Beurteilung, ob eine einkommensteuerrechtliche Regelung Aufwendungen des Steuerpflichtigen aus dem Bereich der privaten Lebensführung hinreichend berücksichtigt, das Prinzip der Steuerfreiheit des Existenzminimums, das aus Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 des Grundgesetzes abzuleiten ist. Danach hat der Staat das Einkommen des Bürgers insoweit steuerfrei zu stellen, als dieser es zur Schaffung der Mindestvoraussetzungen eines menschenwürdigen Daseins für sich und seine Familie benötigt. Dem Grundgedanken der Subsidiarität, wonach Eigenversorgung Vorrang vor staatlicher Fürsorge hat, entspricht es, dass sich die Bemessung des einkommensteuerrechtlich maßgeblichen Existenzminimums nach dem im Sozialhilferecht niedergelegten Leistungsniveau richtet. Was der Staat dem Einzelnen voraussetzungslos aus allgemeinen Haushaltsmitteln zur Verfügung zu stellen hat, das darf er ihm nicht durch Besteuerung seines Einkommens entziehen (BVerfG-Beschlüsse vom 13. Februar 2008 2 BvL 1/06, BVerfGE 120, 125; vom 29. Mai 1990 1 BvL 20/84, 1 BvL 26/84, 1 BvL 4/86, BVerfGE 82, 60, BStBl II 1990, 653; jeweils m.w.N.; Senatsurteil vom 2. September 2015 VI R 32/13, BFHE 251, 196, BStBl II 2016, 151).
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-
(2) Zu diesem einkommensteuerrechtlich zu verschonenden Existenzminimum gehören Prozesskosten grundsätzlich nicht (Senatsurteil vom 18. Juni 2015 VI R 17/14, BFHE 250, 153, BStBl II 2015, 800). Soweit Prozesse zur Sicherung des Existenzminimums notwendig sind, trägt dem § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG Rechnung, indem Prozesskosten ausnahmsweise zum Abzug als außergewöhnliche Belastungen zugelassen werden, falls die Existenz des Steuerpflichtigen gefährdet wäre, würde er sich nicht auf einen Prozess einlassen.
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3. Im Streitfall ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass die Klägerin Gefahr gelaufen wäre, ihre berufliche Existenzgrundlage zu verlieren und ihre lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können, hätte sie sich nicht auf das Scheidungsverfahren eingelassen. Die Voraussetzungen des § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG für eine Abziehbarkeit von Prozesskosten lagen mithin nicht vor.
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4. Die bislang vom FA berücksichtigte zumutbare Belastung nach § 33 Abs. 3 EStG ist entsprechend den Ausführungen im Urteil des erkennenden Senats in BFHE 256, 339, BStBl II 2017, 684 stufenweise zu ermitteln und demnach mit 1.063 € anzusetzen.
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5. Die Berechnung der Steuer wird dem FA übertragen (§ 100 Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
- 41
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6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1, § 136 Abs. 1 Satz 3 FGO.
(1) Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung), so wird auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, dass der Teil der Aufwendungen, der die dem Steuerpflichtigen zumutbare Belastung (Absatz 3) übersteigt, vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen wird.
(2)1Aufwendungen erwachsen dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen.2Aufwendungen, die zu den Betriebsausgaben, Werbungskosten oder Sonderausgaben gehören, bleiben dabei außer Betracht; das gilt für Aufwendungen im Sinne des § 10 Absatz 1 Nummer 7 und 9 nur insoweit, als sie als Sonderausgaben abgezogen werden können.3Aufwendungen, die durch Diätverpflegung entstehen, können nicht als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden.4Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreits (Prozesskosten) sind vom Abzug ausgeschlossen, es sei denn, es handelt sich um Aufwendungen ohne die der Steuerpflichtige Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können.
(2a)1Abweichend von Absatz 1 wird für Aufwendungen für durch eine Behinderung veranlasste Fahrten nur eine Pauschale gewährt (behinderungsbedingte Fahrtkostenpauschale).2Die Pauschale erhalten:
- 1.
Menschen mit einem Grad der Behinderung von mindestens 80 oder mit einem Grad der Behinderung von mindestens 70 und dem Merkzeichen „G“, - 2.
Menschen mit dem Merkzeichen „aG“, mit dem Merkzeichen „Bl“, mit dem Merkzeichen „TBl“ oder mit dem Merkzeichen „H“.
(3)1Die zumutbare Belastung beträgt
bei einem Gesamtbetrag der Einkünfte | bis 15 340 EUR | über 15 340 EUR bis 51 130 EUR | über 51 130 EUR | |
---|---|---|---|---|
1. | bei Steuerpflichtigen, die keine Kinder haben und bei denen die Einkommensteuer | |||
a) nach § 32a Absatz 1, | 5 | 6 | 7 | |
b) nach § 32a Absatz 5 oder 6 (Splitting-Verfahren) zu berechnen ist; | 4 | 5 | 6 | |
2. | bei Steuerpflichtigen mit | |||
a) einem Kind oder zwei Kindern, | 2 | 3 | 4 | |
b) drei oder mehr Kindern | 1 | 1 | 2 | |
Prozent des Gesamtbetrags der Einkünfte. |
2Als Kinder des Steuerpflichtigen zählen die, für die er Anspruch auf einen Freibetrag nach § 32 Absatz 6 oder auf Kindergeld hat.
(4) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Einzelheiten des Nachweises von Aufwendungen nach Absatz 1 und der Anspruchsvoraussetzungen nach Absatz 2a zu bestimmen.
Tenor
-
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Finanzgerichts Köln vom 13. Januar 2016 14 K 1861/15 aufgehoben.
-
Der Einkommensteuerbescheid 2014 vom 7. Mai 2015 i.d.F. der Einspruchsentscheidung vom 8. Juni 2015 wird dahingehend abgeändert, dass die zumutbare Belastung mit 1.063 € berücksichtigt wird.
-
Die Berechnung der Steuer wird dem Beklagten übertragen.
-
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen und die Revision als unbegründet zurückgewiesen.
-
Die Kosten des gesamten Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Tatbestand
-
I.
- 1
-
Streitig ist die Abziehbarkeit von Scheidungskosten als außergewöhnliche Belastungen nach der Änderung des § 33 des Einkommensteuergesetzes (EStG) durch das Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz (AmtshilfeRLUmsG).
- 2
-
In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr (2014) machte die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) u.a. Aufwendungen für ein Scheidungsverfahren als außergewöhnliche Belastungen nach § 33 EStG geltend. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) setzte die Einkommensteuer auf 6.975 € fest. Das FA berücksichtigte die als außergewöhnliche Belastungen geltend gemachten Ehescheidungskosten nicht. Andere als außergewöhnliche Belastungen anerkannte Aufwendungen in Höhe von 1.137 € wirkten sich aufgrund der zumutbaren Belastung in Höhe von 1.216 € nicht aus. Nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhob die Klägerin Klage, der das Finanzgericht (FG) aus den in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2016, 645 veröffentlichten Gründen stattgab.
- 3
-
Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts.
- 4
-
Es beantragt,
das Urteil des FG Köln vom 13. Januar 2016 14 K 1861/15 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
- 5
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Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
-
II.
- 6
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Die Revision des FA ist überwiegend begründet. Das FG hat die Scheidungskosten zu Unrecht als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt.
- 7
-
Ob Aufwendungen für ein Scheidungsverfahren noch als außergewöhnlich i.S. des § 33 Abs. 1 EStG anzusehen sind (ablehnend Niedersächsisches FG, Urteil vom 18. Februar 2015 3 K 297/14, EFG 2015, 725), kann offenbleiben. Denn sie sind jedenfalls nach § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung vom Abzug als außergewöhnliche Belastungen ausgeschlossen. Die Voraussetzungen des § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG für einen Abzug von Prozesskosten als außergewöhnliche Belastungen liegen nicht vor. Die Klägerin lief nicht Gefahr, ihre Existenzgrundlage zu verlieren und ihre lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können, hätte sie die Kosten für das Scheidungsverfahren nicht aufgewandt. Die bislang vom FA berücksichtigte zumutbare Belastung nach § 33 Abs. 3 EStG ist allerdings entsprechend den Ausführungen im Urteil des erkennenden Senats vom 19. Januar 2017 VI R 75/14 (BFHE 256, 339, BStBl II 2017, 684) zu berechnen und mit 1.063 € anzusetzen.
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1. Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung), so wird auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, dass der Teil der Aufwendungen, der die dem Steuerpflichtigen zumutbare Belastung (Abs. 3) übersteigt, vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen wird (§ 33 Abs. 1 EStG). Nach § 33 Abs. 2 EStG erwachsen Aufwendungen dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen (§ 33 Abs. 2 Satz 1 EStG).
- 9
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2. Nach § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG sind Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreits (Prozesskosten) vom Abzug ausgeschlossen, es sei denn, es handelt sich um Aufwendungen ohne die der Steuerpflichtige Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können.
- 10
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a) § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG i.d.F. des AmtshilfeRLUmsG trat mit Wirkung vom 30. Juni 2013 in Kraft (BGBl I 2013, 1809) und ist erstmals für den Veranlagungszeitraum 2013 --mithin für das Streitjahr-- anzuwenden (§ 52 Abs. 1 Satz 1 EStG i.d.F. des AmtshilfeRLUmsG).
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b) Entgegen der Auffassung des FG werden auch die Kosten eines Scheidungsverfahrens von § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG erfasst. Denn es handelt sich um Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreits.
- 12
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aa) Der Begriff des Rechtsstreits bezeichnet im Allgemeinen die Auseinandersetzung zwischen zwei Parteien oder Beteiligten über ein Rechtsverhältnis in einem gerichtlichen Verfahren. Erfasst wird indes nicht nur das formale, kontradiktorische Verfahren zwischen Privatpersonen (Zivilprozess), sondern jedenfalls jedes gerichtliche Verfahren, insbesondere vor Verwaltungs-, Finanz- und Strafgerichten (gl.A. Kanzler, Finanz-Rundschau --FR-- 2014, 209, 213).
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bb) Demzufolge hat der Bundesfinanzhof (BFH) in langjähriger Rechtsprechung die Kosten sowohl einer Ehescheidung als auch von Scheidungsfolgesachen jeweils einschließlich der außergerichtlichen Kosten als (Zivil-)Prozesskosten angesehen (z.B. BFH-Urteile vom 9. Mai 1996 III R 224/94, BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596; vom 21. Februar 1992 III R 88/90, BFHE 168, 39, BStBl II 1992, 795; Senatsurteile vom 23. Februar 1968 VI R 239/67, BFHE 91, 534, BStBl II 1968, 407; vom 2. Oktober 1981 VI R 38/78, BFHE 134, 286, BStBl II 1982, 116, und vom 20. Januar 2016 VI R 70/12, BFH/NV 2016, 905). Daran hat der Senat auch für den Fall der Anwendbarkeit des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) festgehalten (z.B. Senatsurteile vom 10. März 2016 VI R 69/12, BFH/NV 2016, 1155; vom 15. Juni 2016 VI R 34/14, BFH/NV 2016, 1549, und vom 4. August 2016 VI R 63/14, BFH/NV 2017, 14). Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Gesetzgeber mit § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG abweichend hiervon nur Aufwendungen erfassen wollte, die in den jeweiligen Verfahrensordnungen ausdrücklich als "Prozesskosten", und nur Verfahren einbeziehen wollte, die hierin als "Rechtsstreit" bezeichnet werden (so aber Urban, FR 2016, 217, 219).
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cc) Auch aus den Vorschriften des FamFG ergibt sich nicht, dass Kosten eines Scheidungsverfahrens nicht unter den Begriff "Prozesskosten" i.S. des § 33 EStG fallen. § 113 Abs. 5 Nr. 1 FamFG sieht zwar vor, dass "bei der Anwendung der Zivilprozessordnung" an die Stelle der Bezeichnung "Prozess" oder "Rechtsstreit" die Bezeichnung "Verfahren" tritt. Hieraus folgt jedoch nicht, dass es sich insoweit nicht um Rechtsstreitigkeiten i.S. des § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG handelt (vgl. auch § 113 Abs. 1 FamFG "Ehesachen und Familienstreitsachen"). Vielmehr wollte der Gesetzgeber mit der Herausbildung einer eigenen Terminologie zum Ausdruck bringen, dass es in den nach dem FamFG zu entscheidenden Materien nicht um eine echte Gegnerstellung der Beteiligten gehe (Kemper/Schreiber, Familienverfahrensrecht, § 113 Rz 25; Prütting/Helms, FamFG, § 113 Rz 37).
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c) Nach § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG greift das grundsätzliche Abzugsverbot für Prozesskosten nur dann nicht ein, wenn der Steuerpflichtige ohne die Aufwendungen Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine notwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können. Prozesskosten für ein Scheidungsverfahren zählen nicht hierzu. Denn ein Ehegatte erbringt die Aufwendungen für ein Scheidungsverfahren regelmäßig nicht zur Sicherung seiner Existenzgrundlage und seiner lebensnotwendigen Bedürfnisse.
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aa) Als Existenzgrundlage i.S. des § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG ist die materielle Lebensgrundlage des Steuerpflichtigen zu verstehen (gl.A. Kanzler, FR 2014, 209, 216). Zwar kann der gesetzlich nicht definierte Begriff der Existenzgrundlage auch in einem immateriellen Sinn gedeutet werden, etwa als die Summe der Überzeugungen und Wertvorstellungen einer Person oder als die Eingebundenheit einer Person in eine Familie und/oder einen Freundeskreis; daher könnte man im Fall einer gescheiterten Ehe auch eine seelische Existenzgrundlage als gefährdet ansehen (Bleschick, FR 2013, 932, 936; Nieuwenhuis, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2014, 1701). Der Wortlaut der Regelung und insbesondere der Zusatz "in dem üblichen Rahmen" legen aber einen Bezug auf die wirtschaftlichen Verhältnisse nahe. Denn im Gegensatz zu seelischen und sozialen Bedürfnissen sind wirtschaftliche Umstände messbar und quantifizierbar.
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bb) Dementsprechend hat die Steuerrechtsprechung den Begriff der Existenzgrundlage bislang immer in einem materiellen Sinn verstanden. So wurden als Existenzgrundlage eines Steuerpflichtigen etwa ein Betrieb (BFH-Urteile vom 13. August 2003 II R 48/01, BFHE 203, 275, BStBl II 2003, 908; vom 11. März 1992 X R 141/88, BFHE 166, 564, BStBl II 1992, 499), ein Beruf und die daraus erzielten Einkünfte (BFH-Beschluss vom 16. März 2006 IV B 157/04, BFH/NV 2006, 1459), ein Arbeitsplatz (Senatsurteil vom 20. Januar 2016 VI R 14/13, BFH/NV 2016, 1142) oder sonstige dem Steuerpflichtigen zur Verfügung stehende Mittel (BFH-Urteil vom 21. Juli 2004 X R 33/03, BFHE 207, 183, BStBl II 2004, 1063) bezeichnet.
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cc) Auch bei den außergewöhnlichen Belastungen hat die Rechtsprechung mit der in § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG verwendeten Formulierung nur die wirtschaftlichen Grundlagen des Steuerpflichtigen gemeint. Der BFH hat erstmals im Urteil in BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596 den Begriff der Existenzgrundlage im Zusammenhang mit Prozesskosten verwendet und hierzu Folgendes ausgeführt:
"Berührt ein Rechtsstreit allerdings einen für den Steuerpflichtigen existentiell wichtigen Bereich, kann jener unter Umständen in eine Zwangslage geraten, in der für ihn die Verfolgung seiner rechtlichen Interessen trotz unsicherer Erfolgsaussichten existentiell erforderlich ist (vgl. Urteil des Senats vom 19. Mai 1995 III R 12/92, BFHE 178, 207, BStBl II 1995, 774) und sich folglich die Frage stellt, ob die Übernahme eines Prozesskostenrisikos nicht insoweit als i.S. des § 33 EStG zwangsläufig anzusehen ist. Ein solcher Ausnahmefall kann aber nur dann unter hier nicht näher zu erörternden engen Voraussetzungen in Betracht gezogen werden, wenn der Steuerpflichtige, ohne sich auf den Rechtsstreit trotz unsicheren Ausgangs einzulassen, Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können."
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(1) Dieselbe Formulierung findet sich in zahlreichen nachfolgenden Urteilen (z.B. BFH-Urteile vom 4. Dezember 2001 III R 31/00, BFHE 198, 94, BStBl II 2002, 382; vom 18. März 2004 III R 24/03, BFHE 206, 16, BStBl II 2004, 726; vom 20. April 2006 III R 23/05, BFHE 213, 351, BStBl II 2007, 41; vom 27. August 2008 III R 50/06, BFH/NV 2009, 553). In keinem dieser Urteile hat der BFH die Gefahr des Verlustes einer psychischen oder ideellen Existenzgrundlage auch nur erörtert. Vielmehr hat er es nur in Fällen für möglich gehalten, dass der Steuerpflichtige ohne den Prozess seine Existenzgrundlage verlieren und seine notwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen könne, in denen entweder die Nutzung des Wohnhauses zu eigenen Wohnzwecken ernsthaft in Frage gestellt war (Senatsurteile vom 20. Januar 2016 VI R 40/13, BFH/NV 2016, 908, und VI R 62/13, BFH/NV 2016, 1436) oder der Steuerpflichtige durch eine Vertragsverletzung oder eine unerlaubte Handlung schwerwiegende körperliche Schäden erlitten hatte (Senatsurteile in BFH/NV 2016, 1142, und vom 19. November 2015 VI R 42/14, BFH/NV 2016, 739).
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(2) Eine Existenzbedrohung hat der BFH jedoch auch insoweit nur angenommen, als der Steuerpflichtige Ausgleich seiner materiellen Schäden begehrte. Soweit mit den Klagen immaterielle Schäden --etwa Ansprüche auf Schmerzensgeld-- geltend gemacht wurden, hat er darin keinen existenziell wichtigen Bereich im Sinne der Rechtsprechung zur einkommensteuerrechtlichen Berücksichtigung von Zivilprozesskosten gesehen, selbst wenn sie auf den Ausgleich von Nichtvermögensschäden durch eine Beeinträchtigung der körperlichen Gesundheit gerichtet waren (Senatsurteile in BFH/NV 2016, 1142, und vom 17. Dezember 2015 VI R 7/14, BFHE 252, 418). Dasselbe galt für ein von einem Kind eingeleitetes Vaterschaftsfeststellungsverfahren. Die Feststellung oder Nichtfeststellung der Vaterschaft greift nicht unmittelbar in die Existenz des Steuerpflichtigen ein, da selbst bei weitestgehenden Unterhaltsansprüchen eines Kindes dem Elternteil zumindest der Betrag verbleibt, der zur Existenz unbedingt erforderlich ist (BFH-Urteil in BFHE 206, 16, BStBl II 2004, 726). Auch berühren nach der Rechtsprechung des BFH Streitigkeiten über das Umgangsrecht der Eltern mit ihren Kindern regelmäßig nicht die Existenzgrundlage des Steuerpflichtigen. Insofern nahm der BFH nicht an, dass die Existenz des Steuerpflichtigen ohne einen entsprechenden Prozess gefährdet sei, sondern statuierte explizit eine weitere Ausnahme für einen möglichen Abzug von Prozesskosten als außergewöhnliche Belastungen (BFH-Urteil in BFHE 198, 94, BStBl II 2002, 382).
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(3) Scheidungskosten hat der BFH nicht der Fallgruppe der Existenzgefährdung zugerechnet. Durch Ehescheidungsverfahren entstandene Prozesskosten hatte der BFH schon vor dem BFH-Urteil in BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596 als außergewöhnliche Belastung anerkannt. Die Begründung dafür wechselte im Laufe der Zeit. Während zunächst auf den rechtsgestaltenden Charakter der Ehescheidung, also auf rechtliche Gründe abgestellt wurde (Senatsurteil vom 8. November 1974 VI R 22/72, BFHE 114, 90, BStBl II 1975, 111), prüfte der BFH die Zwangsläufigkeit von Ehescheidungskosten später unter dem Gesichtspunkt der Zwangsläufigkeit aus tatsächlichen Gründen (Senatsurteil in BFHE 134, 286, BStBl II 1982, 116). Dabei vertrat er die Auffassung, es könne insbesondere wegen des im Ehescheidungsrecht maßgebenden Zerrüttungsprinzips im Regelfall davon ausgegangen werden, dass sich Ehepartner nur scheiden ließen, wenn die Ehe so zerrüttet sei, dass ihnen ein Festhalten an ihr nicht mehr möglich sei. Deshalb sei die Zwangsläufigkeit bei Ehescheidungen grundsätzlich zu bejahen (Senatsurteil in BFH/NV 2016, 905). Eine existenzielle Betroffenheit hat der BFH in Scheidungsfällen demnach nicht bejaht. Er hat vielmehr die Fallgruppe der Existenzgefährdung in dem BFH-Urteil in BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596 erstmals neben dem bereits als außergewöhnliche Belastungen anerkannten Fall der Scheidungskosten zusätzlich genannt; nicht hingegen wurden Scheidungskosten unter die Fallgruppe der Existenzgefährdung subsumiert (s.a. Heim, Deutsche Steuer-Zeitung --DStZ-- 2014, 165).
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dd) Der Gesetzgeber hat die Formulierung in § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG wörtlich der BFH-Rechtsprechung seit dem BFH-Urteil in BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596 entnommen. Er hat damit auch inhaltlich an diese Rechtsprechung angeknüpft. Denn fügt der Gesetzgeber in ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung geprägte Begriffe in ein Gesetz ein, ist davon auszugehen, dass er diese auch entsprechend dieser Prägung verwenden und im Gesetz festschreiben will (Beschluss des Großen Senats des BFH vom 27. Juli 2015 GrS 1/14, BFHE 251, 408, BStBl II 2016, 265, Rz 68). Kosten für ein Scheidungsverfahren sind daher regelmäßig nicht als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen, selbst wenn das Festhalten an der Ehe für den Steuerpflichtigen eine starke Beeinträchtigung seines Lebens darstellt (so auch Heim, DStZ 2014, 165; Kanzler, FR 2014, 209; a.A. Bleschick, FR 2013, 932; Gerauer, Neue Wirtschafts-Briefe --NWB-- 2014, 2621; Nieuwenhuis, DStR 2014, 1701).
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ee) Für diese Auslegung spricht auch die Entstehungsgeschichte des § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG.
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(1) Der Gesetzesänderung gingen mehrere Schritte voraus:
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Der Entwurf des Jahressteuergesetzes 2013 vom 19. Juni 2012 (BTDrucks 17/10000) sah eine Änderung des § 33 EStG zunächst nicht vor. In seiner Stellungnahme zum Entwurf eines Jahressteuergesetzes 2013 vom 6. Juli 2012 (BRDrucks 302/12 --Beschluss--, S. 34, 35) schlug der Bundesrat vor, nach § 33 Abs. 3 EStG folgenden Abs. 3a einzufügen:
"3a) Prozesskosten sind nicht als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen, unabhängig davon, ob der Steuerpflichtige Kläger oder Beklagter ist. Abweichend von Satz 1 können die notwendigen und angemessenen Prozesskosten berücksichtigt werden, wenn der Steuerpflichtige ohne den Rechtsstreit Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können. Satz 2 gilt für die unmittelbaren und unvermeidbaren Scheidungskosten entsprechend."
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Diese Gesetzesfassung sollte in allen Fällen anzuwenden sein, in denen die Steuer noch nicht bestandskräftig festgesetzt war.
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Zur Begründung führte der Bundesrat aus, entgegen dem Senatsurteil vom 12. Mai 2011 VI R 42/10 (BFHE 234, 30, BStBl II 2011, 1015) entspreche die generelle steuermindernde Berücksichtigung von Prozesskosten nicht den sonst bei außergewöhnlichen Belastungen geltenden Grundsätzen. Es sei daher angezeigt, die Anwendbarkeit auf "den bisherigen engen Rahmen" zu beschränken.
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Die Bundesregierung lehnte den Vorschlag des Bundesrats "zum gegenwärtigen Zeitpunkt" ab. Sie verwies zum einen auf den Nichtanwendungserlass zum Senatsurteil in BFHE 234, 30, BStBl II 2011, 1015 (Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 20. Dezember 2011, BStBl I 2011, 1286), zum anderen auf mehrere Verfahren beim BFH, die sich mit der Berücksichtigung von Prozesskosten als außergewöhnliche Belastung beschäftigten; der BFH erhalte daher kurzfristig Gelegenheit, die Rechtsfrage erneut zu entscheiden. Dabei teile die Bundesregierung die Auffassung des Bundesrats, die Berücksichtigung von Prozesskosten auf "einen engen Rahmen" zu beschränken (BTDrucks 17/10604, S. 45, 46).
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Der Vermittlungsausschuss (BTDrucks 17/11844 vom 13. Dezember 2012, S. 6) empfahl daraufhin, an § 33 Abs. 2 EStG folgenden Satz anzufügen:
"Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreits (Prozesskosten) sind vom Abzug ausgeschlossen, es sei denn, es handelt sich um Aufwendungen ohne die der Steuerpflichtige Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können."
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Der Bundestag lehnte die Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses am 17. Januar 2013 ab (BRDrucks 33/13, S. 1). Der Bundesrat stimmte am 1. Februar 2013 dem vom Deutschen Bundestag am 25. Oktober 2012 verabschiedeten Gesetz nicht zu (BRDrucks 33/13 --Beschluss--).
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Im Februar 2013 brachten die Fraktionen der CDU/CSU und FDP --zunächst ohne eine Änderung des § 33 EStG-- einzelne im Jahressteuergesetz 2013 vorgesehene Regelungen im AmtshilfeRLUmsG wieder in den Bundestag ein (BTDrucks 17/12375, Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Amtshilferichtlinie sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften vom 19. Februar 2013). Der Vermittlungsausschuss schlug erneut vor, Satz 4 i.d.F. der Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses zum Jahressteuergesetz 2013 in § 33 Abs. 2 einzufügen (BTDrucks 17/13722 vom 5. Juni 2013, S. 9).
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Der Bundestag nahm die Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses nun an (BRDrucks 477/13 vom 6. Juni 2013, S. 1). Nach Zustimmung des Bundesrats (BRDrucks 477/13 --Beschluss-- vom 7. Juni 2013) trat das AmtshilfeRLUmsG schließlich mit Wirkung vom 30. Juni 2013 in Kraft.
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(2) Aus der beschriebenen Entstehungsgeschichte der heute gültigen Fassung des § 33 Abs. 2 EStG ist der Wille des Gesetzgebers erkennbar, Scheidungskosten nicht mehr als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen. Denn die vom Bundesrat im Gesetzgebungsverfahren zum Jahressteuergesetz 2013 vorgeschlagene Fassung des § 33 Abs. 3a EStG, in dessen Satz 3 eine Ausnahme für die "unmittelbaren und unvermeidbaren Scheidungskosten" vorgesehen war, ist gerade nicht Gesetz geworden. Vielmehr beschränkt sich der Gesetzgeber auf eine einzige Ausnahme vom generellen Abzugsverbot, nämlich die "Aufwendungen ohne die der Steuerpflichtige Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können" (gl.A. Kanzler, FR 2014, 209; Heim, DStZ 2014, 165).
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Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber mit dieser Formulierung die Scheidungskosten einbeziehen wollte, gibt es nicht. Soweit in der Literatur (Nieuwenhuis, DStR 2014, 1701; Gerauer, NWB 2014, 2621) angeführt wird, ein dementsprechender Wille sei aus der Stellungnahme des Bundesrats zum Entwurf des Jahressteuergesetzes 2013 (BRDrucks 302/12 --Beschluss--, S. 34, 35) zu ersehen, wonach sich die Anwendbarkeit des § 33 EStG auf "den bisherigen engen Rahmen" beschränken sollte, wird nicht berücksichtigt, dass dieser Vorschlag des Bundesrats gerade nicht Gesetz geworden ist. Die Bundesregierung wollte jedoch die Prozesskosten nur auf "einen engen Rahmen" beschränken. In Verbindung mit der Tatsache, dass der letzte Satz des vom Bundesrat vorgeschlagenen § 33 Abs. 3a EStG vom Vermittlungsausschuss nicht übernommen wurde, spricht dies dafür, dass der "enge Rahmen" durchaus enger sein dürfte als der bisherige, mithin der durch die bisherige Rechtsprechung des BFH vor der Gesetzesänderung gesteckte Rahmen weiter eingeschränkt werden sollte.
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ff) Es ist auch verfassungsrechtlich unbedenklich, dass Scheidungskosten nicht als außergewöhnliche Belastungen abgezogen werden können.
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(1) Nach mittlerweile ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) ist Ausgangspunkt der verfassungsrechtlichen Beurteilung, ob eine einkommensteuerrechtliche Regelung Aufwendungen des Steuerpflichtigen aus dem Bereich der privaten Lebensführung hinreichend berücksichtigt, das Prinzip der Steuerfreiheit des Existenzminimums, das aus Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 des Grundgesetzes abzuleiten ist. Danach hat der Staat das Einkommen des Bürgers insoweit steuerfrei zu stellen, als dieser es zur Schaffung der Mindestvoraussetzungen eines menschenwürdigen Daseins für sich und seine Familie benötigt. Dem Grundgedanken der Subsidiarität, wonach Eigenversorgung Vorrang vor staatlicher Fürsorge hat, entspricht es, dass sich die Bemessung des einkommensteuerrechtlich maßgeblichen Existenzminimums nach dem im Sozialhilferecht niedergelegten Leistungsniveau richtet. Was der Staat dem Einzelnen voraussetzungslos aus allgemeinen Haushaltsmitteln zur Verfügung zu stellen hat, das darf er ihm nicht durch Besteuerung seines Einkommens entziehen (BVerfG-Beschlüsse vom 13. Februar 2008 2 BvL 1/06, BVerfGE 120, 125; vom 29. Mai 1990 1 BvL 20/84, 1 BvL 26/84, 1 BvL 4/86, BVerfGE 82, 60, BStBl II 1990, 653; jeweils m.w.N.; Senatsurteil vom 2. September 2015 VI R 32/13, BFHE 251, 196, BStBl II 2016, 151).
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(2) Zu diesem einkommensteuerrechtlich zu verschonenden Existenzminimum gehören Prozesskosten grundsätzlich nicht (Senatsurteil vom 18. Juni 2015 VI R 17/14, BFHE 250, 153, BStBl II 2015, 800). Soweit Prozesse zur Sicherung des Existenzminimums notwendig sind, trägt dem § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG Rechnung, indem Prozesskosten ausnahmsweise zum Abzug als außergewöhnliche Belastungen zugelassen werden, falls die Existenz des Steuerpflichtigen gefährdet wäre, würde er sich nicht auf einen Prozess einlassen.
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3. Im Streitfall ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass die Klägerin Gefahr gelaufen wäre, ihre berufliche Existenzgrundlage zu verlieren und ihre lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können, hätte sie sich nicht auf das Scheidungsverfahren eingelassen. Die Voraussetzungen des § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG für eine Abziehbarkeit von Prozesskosten lagen mithin nicht vor.
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4. Die bislang vom FA berücksichtigte zumutbare Belastung nach § 33 Abs. 3 EStG ist entsprechend den Ausführungen im Urteil des erkennenden Senats in BFHE 256, 339, BStBl II 2017, 684 stufenweise zu ermitteln und demnach mit 1.063 € anzusetzen.
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5. Die Berechnung der Steuer wird dem FA übertragen (§ 100 Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
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6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1, § 136 Abs. 1 Satz 3 FGO.
(1) Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung), so wird auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, dass der Teil der Aufwendungen, der die dem Steuerpflichtigen zumutbare Belastung (Absatz 3) übersteigt, vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen wird.
(2)1Aufwendungen erwachsen dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen.2Aufwendungen, die zu den Betriebsausgaben, Werbungskosten oder Sonderausgaben gehören, bleiben dabei außer Betracht; das gilt für Aufwendungen im Sinne des § 10 Absatz 1 Nummer 7 und 9 nur insoweit, als sie als Sonderausgaben abgezogen werden können.3Aufwendungen, die durch Diätverpflegung entstehen, können nicht als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden.4Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreits (Prozesskosten) sind vom Abzug ausgeschlossen, es sei denn, es handelt sich um Aufwendungen ohne die der Steuerpflichtige Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können.
(2a)1Abweichend von Absatz 1 wird für Aufwendungen für durch eine Behinderung veranlasste Fahrten nur eine Pauschale gewährt (behinderungsbedingte Fahrtkostenpauschale).2Die Pauschale erhalten:
- 1.
Menschen mit einem Grad der Behinderung von mindestens 80 oder mit einem Grad der Behinderung von mindestens 70 und dem Merkzeichen „G“, - 2.
Menschen mit dem Merkzeichen „aG“, mit dem Merkzeichen „Bl“, mit dem Merkzeichen „TBl“ oder mit dem Merkzeichen „H“.
(3)1Die zumutbare Belastung beträgt
bei einem Gesamtbetrag der Einkünfte | bis 15 340 EUR | über 15 340 EUR bis 51 130 EUR | über 51 130 EUR | |
---|---|---|---|---|
1. | bei Steuerpflichtigen, die keine Kinder haben und bei denen die Einkommensteuer | |||
a) nach § 32a Absatz 1, | 5 | 6 | 7 | |
b) nach § 32a Absatz 5 oder 6 (Splitting-Verfahren) zu berechnen ist; | 4 | 5 | 6 | |
2. | bei Steuerpflichtigen mit | |||
a) einem Kind oder zwei Kindern, | 2 | 3 | 4 | |
b) drei oder mehr Kindern | 1 | 1 | 2 | |
Prozent des Gesamtbetrags der Einkünfte. |
2Als Kinder des Steuerpflichtigen zählen die, für die er Anspruch auf einen Freibetrag nach § 32 Absatz 6 oder auf Kindergeld hat.
(4) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Einzelheiten des Nachweises von Aufwendungen nach Absatz 1 und der Anspruchsvoraussetzungen nach Absatz 2a zu bestimmen.
Tatbestand
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I. Streitig ist, ob Zivilprozesskosten wegen einer Klage auf Zahlung von Krankentagegeld als außergewöhnliche Belastung abzugsfähig sind.
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Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute und werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Für die Klägerin bestand eine private Krankenversicherung bei der R, die eine Krankentagegeld-Versicherung für ein tägliches Krankengeld von 51 € nach Ablauf von sechs Wochen einer Arbeitsunfähigkeit umfasste. Die Klägerin war als Geschäftsleitungsassistentin nichtselbständig tätig. Anfang 2004 traten bei ihr Probleme mit dem Gebrauch der rechten Hand und Bewegungsstörungen des rechten Beines auf. Bei ihr wurden eine fokale Dystonie und eine spastische Hemiphlegie diagnostiziert. Die Klägerin wurde krankgeschrieben. Nach sechs Wochen stellte der Arbeitgeber seine Gehaltszahlungen ein. Daraufhin wurde die R in Anspruch genommen, die zunächst das vertraglich vereinbarte Krankentagegeld zahlte. Auf Veranlassung der R wurde die Klägerin am 28. Januar 2005 von einem Mitarbeiter des Vertrauensarztes H untersucht. In dem von H erstellten Gutachten wurde der Klägerin Arbeitsunfähigkeit bescheinigt. Er diagnostizierte eine fokale Dystonie bzw. ein Parkinson-Syndrom. Ein halbes Jahr später musste die Klägerin sich erneut bei H vorstellen. Dieser kam in seinem daraufhin angefertigten Gutachten vom 29. Juli 2005 zu dem Ergebnis, dass bei der Klägerin immer noch Arbeitsunfähigkeit bestehe. Weiterhin stellte er fest, dass zwischenzeitlich auch Berufsunfähigkeit eingetreten sei. Die R stellte sich daraufhin auf den Standpunkt, dass bei der Klägerin ab dem 28. Juli 2005 Berufsunfähigkeit eingetreten sei und damit die Leistungspflicht zur Zahlung von Krankentagegeld drei Monate nach Beginn der Berufsunfähigkeit ende. Dementsprechend wurde letztmalig am 28. Oktober 2005 der versicherte Tagessatz gezahlt. Ab dem 1. August 2006 wurde der Klägerin Rente wegen voller Erwerbsminderung bewilligt (Bescheid vom 31. Januar 2007).
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Im Dezember 2005 erhob der Kläger als Versicherungsnehmer Klage gegen die R. Die Klage war auf die Feststellung des Fortbestands der Krankentagegeldversicherung sowie die Zahlung von Krankentagegeld ab dem 28. Oktober 2005 gerichtet. Nachdem der Klägerin die Rente wegen Erwerbsunfähigkeit zuerkannt worden war, wurde der Feststellungsantrag für erledigt erklärt; der Kläger beantragte lediglich noch die Zahlung von 14.111 € (Krankentagegeld vom 28. Oktober 2005 bis 31. Juli 2006) nebst Zinsen. Mit Urteil des Landgerichts C vom 30. März 2007 wurde die Klage abgewiesen.
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Mit ihrer Einkommensteuererklärung für das Jahr 2007 machten die Kläger die Prozesskosten von 9.906 € als Werbungskosten bei den Einkünften der Klägerin aus nichtselbständiger Arbeit geltend. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) folgte dem nicht, weil Krankentagegeld regelmäßig steuerfrei sei und der Prozess somit nicht der Erzielung steuerbarer Einnahmen gedient habe. Den hiergegen gerichteten Einspruch, mit dem die Kläger geltend machten, die Prozesskosten seien als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen, wies das FA mit Einspruchsentscheidung vom 5. Januar 2009 als unbegründet zurück.
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Die hiergegen erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2010, 1607 veröffentlichten Gründen ab.
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Mit der Revision rügen die Kläger die Verletzung formellen und materiellen Rechts.
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Die Kläger beantragen,
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das Urteil des FG Köln vom 18. November 2009 11 K 185/09 und die Einspruchsentscheidung vom 5. Januar 2009 aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2007 --zuletzt-- vom 6. April 2009 in der Weise zu ändern, dass Aufwendungen in Höhe von 9.906 € als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden.
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Das FA beantragt,
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die Revision zurückzuweisen, hilfsweise das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.
Entscheidungsgründe
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II. 1. Die Revision der Kläger ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat die Zivilprozesskosten des Klägers zu Unrecht vom Abzug als außergewöhnliche Belastungen ausgeschlossen.
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a) Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes (außergewöhnliche Belastung), so wird auf Antrag die Einkommensteuer in bestimmtem Umfang ermäßigt (§ 33 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes --EStG--).
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b) Bei den Kosten eines Zivilprozesses, die vorliegend von den Beteiligten zutreffend nicht als Werbungskosten der Klägerin beurteilt worden sind, spricht nach bisheriger ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) eine Vermutung gegen die Zwangsläufigkeit (BFH-Urteile vom 9. Mai 1996 III R 224/94, BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596, m.w.N.; vom 4. Dezember 2001 III R 31/00, BFHE 198, 94, BStBl II 2002, 382; vom 18. März 2004 III R 24/03, BFHE 206, 16, BStBl II 2004, 726, und vom 27. August 2008 III R 50/06, BFH/NV 2009, 553). Derartige Kosten wurden nur als zwangsläufig erachtet, wenn auch das die Zahlungsverpflichtung oder den Zahlungsanspruch adäquat verursachende Ereignis zwangsläufig erwachsen ist (BFH-Urteil in BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596). Daran fehlte es nach der Rechtsprechung des BFH im Allgemeinen bei einem Zivilprozess (BFH-Urteile in BFHE 206, 16, BStBl II 2004, 726, und in BFH/NV 2009, 553). Es sei in der Regel der freien Entscheidung der (Vertrags)Parteien überlassen, ob sie sich zur Durchsetzung oder Abwehr eines zivilrechtlichen Anspruchs einem Prozess(kosten)risiko aussetzten (vgl. BFH-Urteile in BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596; in BFHE 206, 16, BStBl II 2004, 726, und in BFH/NV 2009, 553). Lasse sich der Steuerpflichtige trotz ungewissen Ausgangs auf einen Prozess ein, liege die Ursache für die Prozesskosten in seiner Entscheidung, das Prozesskostenrisiko in der Hoffnung auf ein für ihn günstiges Ergebnis in Kauf zu nehmen; es entspräche nicht Sinn und Zweck des § 33 EStG, ihm die Kostenlast zu erleichtern, wenn sich das im eigenen Interesse bewusst in Kauf genommene Risiko realisiert habe (BFH-Urteile in BFHE 206, 16, BStBl II 2004, 726, und in BFH/NV 2009, 553). Als zwangsläufige Aufwendungen erkannte die Rechtsprechung Zivilprozesskosten bisher nur an, wenn der Prozess existentiell wichtige Bereiche oder den Kernbereich menschlichen Lebens berührte. Liefe der Steuerpflichtige ohne den Rechtsstreit Gefahr, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können, könne er trotz unsicherer Erfolgsaussichten gezwungen sein, einen Zivilprozess zu führen (BFH-Urteile in BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596; in BFH/NV 2009, 533).
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2. An dieser Rechtsauffassung hält der erkennende Senat nicht länger fest.
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a) Denn die Auffassung, der Steuerpflichtige übernehme das Prozesskostenrisiko "freiwillig", verkennt, dass streitige Ansprüche wegen des staatlichen Gewaltmonopols, das der Verwirklichung des inneren Friedens dient (Josef Isensee, Gemeinwohl im Verfassungsstaat, in: Handbuch des Staatsrechts, Band IV, 3. Aufl. 2006, § 71 Rz 76; Roman Herzog, Ziele, Vorbehalte und Grenzen der Staatstätigkeit, in: Handbuch des Staatsrechts, Band IV, 3. Aufl. 2006, § 72 Rz 38; Bardo Fassbender, Wissen als Grundlage staatlichen Handelns, in: Handbuch des Staatsrechts, Band IV, 3. Aufl. 2006, § 76 Rz 26), regelmäßig nur gerichtlich durchzusetzen oder abzuwehren sind. Dies folgt aus dem Rechtsstaatsgrundsatz, der in Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes (GG) allgemein niedergelegt ist und für den Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt in Art. 19 Abs. 4 GG seinen besonderen Ausdruck findet (Helmuth Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Band I, 2. Aufl. 2004, Art. 19 IV Rz 35). Es ist ein zentraler Aspekt der Rechtsstaatlichkeit, die eigenmächtig-gewaltsame Durchsetzung von Rechtsansprüchen grundsätzlich zu verwehren. Die Parteien werden zur gewaltfreien Lösung von Rechtsstreitigkeiten und Interessenkonflikten der Staatsbürger (Roman Herzog, a.a.O., § 72 Rz 26) vielmehr auf den Weg vor die Gerichte verwiesen (Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts vom 11. Juni 1980 1 PBvU 1/79, BVerfGE 54, 277 <292>; vom 13. März 1990 2 BvR 94 u.a./88, BVerfGE 81, 347 <356>). Zivilprozesskosten erwachsen Kläger wie Beklagtem deshalb unabhängig vom Gegenstand des Zivilrechtsstreits aus rechtlichen Gründen zwangsläufig (vgl. Kanzler in Herrmann/Heuer/Raupach, § 33 EStG Rz 117; Arndt, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 33 Rz C 57).
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b) Entgegen der bisherigen Rechtsprechung ist für die Frage der Zwangsläufigkeit von Prozesskosten nicht auf die Unausweichlichkeit des der streitgegenständlichen Zahlungsverpflichtung oder dem strittigen Zahlungsanspruch zugrunde liegenden Ereignisses abzustellen. Denn der Steuerpflichtige muss, um sein Recht durchzusetzen, im Verfassungsstaat des Grundgesetzes den Rechtsweg beschreiten. Dieser Unausweichlichkeit steht nicht entgegen, dass mit den Kosten eines Zivilprozesses in der Regel nur die unterliegende Partei (§ 91 Abs. 1 Satz 1 der Zivilprozessordnung) belastet ist. Denn der Einwand, der Unterliegende hätte bei gehöriger Prüfung seiner Rechte und Pflichten erkennen können, der Prozess werde keinen Erfolg haben, wird der Lebenswirklichkeit nicht gerecht. Vorherzusagen wie ein Gericht entscheiden wird, ist "riskant" (Tipke, Steuer und Wirtschaft 2008, 377 <380>). Denn nur selten findet sich der zu entscheidende Sachverhalt so deutlich im Gesetz wieder, dass der Richter seine Entscheidung mit arithmetischer Gewissheit aus dem Gesetzestext ablesen kann. Nicht zuletzt deshalb bietet die Rechtsordnung ihren Bürgern ein sorgfältig ausgebautes und mehrstufiges Gerichtssystem an.
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c) Als außergewöhnliche Belastungen sind Zivilprozesskosten jedoch nur zu berücksichtigen, wenn sich der Steuerpflichtige nicht mutwillig oder leichtfertig auf den Prozess eingelassen hat. Er muss diesen vielmehr unter verständiger Würdigung des Für und Wider --auch des Kostenrisikos-- eingegangen sein (vgl. Stöcker in Lademann, EStG, § 33 EStG Rz 495). Demgemäß sind Zivilprozesskosten des Klägers wie des Beklagten nicht unausweichlich, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung aus Sicht eines verständigen Dritten keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bot (vgl. Kanzler, a.a.O.; Arndt, a.a.O.).
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d) Schließlich steht dem Abzug von Zivilprozesskosten nach § 33 EStG auch nicht Sinn und Zweck der Vorschrift entgegen. Die steuerliche Entlastung derartiger Aufwendungen dient nicht dazu, dem Steuerpflichtigen die "Kostenlast zu erleichtern, wenn sich das im eigenen Interesse bewusst in Kauf genommene Risiko zu seinem Nachteil realisiert hat", sondern sucht der verminderten subjektiven Leistungsfähigkeit des Betroffenen Rechnung zu tragen (Kanzler, a.a.O., § 33 EStG Rz 9; Arndt, a.a.O., § 33 Rz A 8). Demgemäß sind Aufwendungen außergewöhnlich, wenn sie nicht nur ihrer Höhe, sondern auch ihrer Art und dem Grunde nach außerhalb des Üblichen liegen. Die üblichen Aufwendungen der Lebensführung, die in Höhe des Existenzminimums durch den Grundfreibetrag abgegolten sind, sind aus dem Anwendungsbereich des § 33 EStG ausgeschlossen (z.B. BFH-Urteile vom 13. Oktober 2010 VI R 38/09, BFHE 231, 158, und vom 15. April 2010 VI R 51/09, BFHE 229, 206, BStBl II 2010, 794, m.w.N.). Zu den üblichen Kosten der Lebensführung, zu denen sozialhilferechtlicher Regelbedarf nach § 28 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch i.V.m. dem Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz (BGBl I 2011, 453) und der Versorgungsbedarf für den Krankheits- und Pflegefall zählen (vgl. den für das Streitjahr maßgebenden Bericht über die Höhe des Existenzminimums von Erwachsenen und Kindern für das Jahr 2005
, BTDrucks 15/2462), gehören Zivilprozesskosten jedoch nicht.
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3. Die Vorentscheidung beruht auf einer anderen Rechtsauffassung und ist daher aufzuheben. Der Senat kann jedoch nicht durcherkennen, da die Sache nicht spruchreif ist. Von seinem Standpunkt aus zu Recht hat das FG keine Feststellungen dazu getroffen, in welcher Höhe dem Kläger Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und außergerichtliche Kosten durch den Zivilprozess entstanden sind. Dies wird das FG im zweiten Rechtsgang nachholen müssen. Sodann hat das Gericht die Gesamtumstände des Einzelfalls --ex ante-- dahingehend zu würdigen, ob der Prozess, den der Kläger angestrengt hat, hinreichende Aussicht auf Erfolg bot und nicht mutwillig geführt worden ist. Eine nur entfernte, gewisse Erfolgsaussicht reicht nicht aus. Der Erfolg muss mindestens ebenso wahrscheinlich sein wie ein Misserfolg. Dies hat das FG im Wege einer summarischen Prüfung zu untersuchen. Darüber hinaus hat das Gericht festzustellen, in welchem Veranlagungszeitraum der Kläger die streitigen Prozesskosten getragen hat. Denn diese sind nach § 11 EStG jeweils in dem Veranlagungszeitraum der Zahlung als außergewöhnliche Belastung abziehbar. Schließlich weist der Senat darauf hin, dass nach § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG außergewöhnliche Belastungen nur insoweit abzugsfähig sind, als sie notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht überschreiten. Gegebenenfalls erlangte Leistungen aus einer Rechtsschutzversicherung sind im Rahmen der Vorteilsanrechnung zu berücksichtigen (vgl. Senatsurteil vom 24. Februar 2011 VI R 16/10, BFHE 232, 518).
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Einer Entscheidung über den geltend gemachten Gehörsverstoß bedurfte es angesichts der Aufhebung der Vorentscheidung des FG nicht.
(1) Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung), so wird auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, dass der Teil der Aufwendungen, der die dem Steuerpflichtigen zumutbare Belastung (Absatz 3) übersteigt, vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen wird.
(2)1Aufwendungen erwachsen dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen.2Aufwendungen, die zu den Betriebsausgaben, Werbungskosten oder Sonderausgaben gehören, bleiben dabei außer Betracht; das gilt für Aufwendungen im Sinne des § 10 Absatz 1 Nummer 7 und 9 nur insoweit, als sie als Sonderausgaben abgezogen werden können.3Aufwendungen, die durch Diätverpflegung entstehen, können nicht als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden.4Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreits (Prozesskosten) sind vom Abzug ausgeschlossen, es sei denn, es handelt sich um Aufwendungen ohne die der Steuerpflichtige Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können.
(2a)1Abweichend von Absatz 1 wird für Aufwendungen für durch eine Behinderung veranlasste Fahrten nur eine Pauschale gewährt (behinderungsbedingte Fahrtkostenpauschale).2Die Pauschale erhalten:
- 1.
Menschen mit einem Grad der Behinderung von mindestens 80 oder mit einem Grad der Behinderung von mindestens 70 und dem Merkzeichen „G“, - 2.
Menschen mit dem Merkzeichen „aG“, mit dem Merkzeichen „Bl“, mit dem Merkzeichen „TBl“ oder mit dem Merkzeichen „H“.
(3)1Die zumutbare Belastung beträgt
bei einem Gesamtbetrag der Einkünfte | bis 15 340 EUR | über 15 340 EUR bis 51 130 EUR | über 51 130 EUR | |
---|---|---|---|---|
1. | bei Steuerpflichtigen, die keine Kinder haben und bei denen die Einkommensteuer | |||
a) nach § 32a Absatz 1, | 5 | 6 | 7 | |
b) nach § 32a Absatz 5 oder 6 (Splitting-Verfahren) zu berechnen ist; | 4 | 5 | 6 | |
2. | bei Steuerpflichtigen mit | |||
a) einem Kind oder zwei Kindern, | 2 | 3 | 4 | |
b) drei oder mehr Kindern | 1 | 1 | 2 | |
Prozent des Gesamtbetrags der Einkünfte. |
2Als Kinder des Steuerpflichtigen zählen die, für die er Anspruch auf einen Freibetrag nach § 32 Absatz 6 oder auf Kindergeld hat.
(4) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Einzelheiten des Nachweises von Aufwendungen nach Absatz 1 und der Anspruchsvoraussetzungen nach Absatz 2a zu bestimmen.
(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.
(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.
(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.
(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.
(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.
(1) Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung), so wird auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, dass der Teil der Aufwendungen, der die dem Steuerpflichtigen zumutbare Belastung (Absatz 3) übersteigt, vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen wird.
(2)1Aufwendungen erwachsen dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen.2Aufwendungen, die zu den Betriebsausgaben, Werbungskosten oder Sonderausgaben gehören, bleiben dabei außer Betracht; das gilt für Aufwendungen im Sinne des § 10 Absatz 1 Nummer 7 und 9 nur insoweit, als sie als Sonderausgaben abgezogen werden können.3Aufwendungen, die durch Diätverpflegung entstehen, können nicht als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden.4Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreits (Prozesskosten) sind vom Abzug ausgeschlossen, es sei denn, es handelt sich um Aufwendungen ohne die der Steuerpflichtige Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können.
(2a)1Abweichend von Absatz 1 wird für Aufwendungen für durch eine Behinderung veranlasste Fahrten nur eine Pauschale gewährt (behinderungsbedingte Fahrtkostenpauschale).2Die Pauschale erhalten:
- 1.
Menschen mit einem Grad der Behinderung von mindestens 80 oder mit einem Grad der Behinderung von mindestens 70 und dem Merkzeichen „G“, - 2.
Menschen mit dem Merkzeichen „aG“, mit dem Merkzeichen „Bl“, mit dem Merkzeichen „TBl“ oder mit dem Merkzeichen „H“.
(3)1Die zumutbare Belastung beträgt
bei einem Gesamtbetrag der Einkünfte | bis 15 340 EUR | über 15 340 EUR bis 51 130 EUR | über 51 130 EUR | |
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1. | bei Steuerpflichtigen, die keine Kinder haben und bei denen die Einkommensteuer | |||
a) nach § 32a Absatz 1, | 5 | 6 | 7 | |
b) nach § 32a Absatz 5 oder 6 (Splitting-Verfahren) zu berechnen ist; | 4 | 5 | 6 | |
2. | bei Steuerpflichtigen mit | |||
a) einem Kind oder zwei Kindern, | 2 | 3 | 4 | |
b) drei oder mehr Kindern | 1 | 1 | 2 | |
Prozent des Gesamtbetrags der Einkünfte. |
2Als Kinder des Steuerpflichtigen zählen die, für die er Anspruch auf einen Freibetrag nach § 32 Absatz 6 oder auf Kindergeld hat.
(4) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Einzelheiten des Nachweises von Aufwendungen nach Absatz 1 und der Anspruchsvoraussetzungen nach Absatz 2a zu bestimmen.
(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, soweit er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so haften diese nach Kopfteilen. Bei erheblicher Verschiedenheit ihrer Beteiligung kann nach Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.
(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat.
(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs erfordert oder - 3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
(3) Der Bundesfinanzhof ist an die Zulassung gebunden.
(1) Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung), so wird auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, dass der Teil der Aufwendungen, der die dem Steuerpflichtigen zumutbare Belastung (Absatz 3) übersteigt, vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen wird.
(2)1Aufwendungen erwachsen dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen.2Aufwendungen, die zu den Betriebsausgaben, Werbungskosten oder Sonderausgaben gehören, bleiben dabei außer Betracht; das gilt für Aufwendungen im Sinne des § 10 Absatz 1 Nummer 7 und 9 nur insoweit, als sie als Sonderausgaben abgezogen werden können.3Aufwendungen, die durch Diätverpflegung entstehen, können nicht als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden.4Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreits (Prozesskosten) sind vom Abzug ausgeschlossen, es sei denn, es handelt sich um Aufwendungen ohne die der Steuerpflichtige Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können.
(2a)1Abweichend von Absatz 1 wird für Aufwendungen für durch eine Behinderung veranlasste Fahrten nur eine Pauschale gewährt (behinderungsbedingte Fahrtkostenpauschale).2Die Pauschale erhalten:
- 1.
Menschen mit einem Grad der Behinderung von mindestens 80 oder mit einem Grad der Behinderung von mindestens 70 und dem Merkzeichen „G“, - 2.
Menschen mit dem Merkzeichen „aG“, mit dem Merkzeichen „Bl“, mit dem Merkzeichen „TBl“ oder mit dem Merkzeichen „H“.
(3)1Die zumutbare Belastung beträgt
bei einem Gesamtbetrag der Einkünfte | bis 15 340 EUR | über 15 340 EUR bis 51 130 EUR | über 51 130 EUR | |
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1. | bei Steuerpflichtigen, die keine Kinder haben und bei denen die Einkommensteuer | |||
a) nach § 32a Absatz 1, | 5 | 6 | 7 | |
b) nach § 32a Absatz 5 oder 6 (Splitting-Verfahren) zu berechnen ist; | 4 | 5 | 6 | |
2. | bei Steuerpflichtigen mit | |||
a) einem Kind oder zwei Kindern, | 2 | 3 | 4 | |
b) drei oder mehr Kindern | 1 | 1 | 2 | |
Prozent des Gesamtbetrags der Einkünfte. |
2Als Kinder des Steuerpflichtigen zählen die, für die er Anspruch auf einen Freibetrag nach § 32 Absatz 6 oder auf Kindergeld hat.
(4) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Einzelheiten des Nachweises von Aufwendungen nach Absatz 1 und der Anspruchsvoraussetzungen nach Absatz 2a zu bestimmen.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.