Steuererstattung: Erstattungszinsen sind steuerpflichtig

published on 28/03/2014 13:08
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Author’s summary by Rechtsanwalt Dirk Streifler - Partner

Zinsen, die das Finanzamt aufgrund von Einkommensteuererstattungen zahlt (Erstattungszinsen), unterliegen der Einkommensteuer.
Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) aktuell bestätigt.

Im Jahr 2010 hatte er dies noch anders gesehen. Daraufhin erfolgte eine gesetzliche Regelung, wonach Erstattungszinsen als Kapitaleinkünfte steuerbar sind. Diese neue Gesetzeslage hat der BFH nun für zulässig erachtet.

Mit der ausdrücklichen Normierung der Erstattungszinsen als Kapitaleinkünfte hat der Gesetzgeber seinen Willen, diese Zinsen der Besteuerung zu unterwerfen, klar ausgedrückt. Auch im Hinblick auf ihre rückwirkende Geltung (in allen offenen Fällen) verstößt die Regelung nicht gegen das Verfassungsrecht.

Obwohl Erstattungszinsen steuerpflichtig sind, können Zinsen auf Steuernachforderungen nicht steuermindernd geltend gemacht werden. Nach Ansicht der Oberfinanzdirektion Niedersachsen kann dies zumindest in Einzelfällen zu einem sachlich unbilligen Ergebnis führen - nämlich dann, wenn Steuernachforderungen und Steuererstattungen gegenüber demselben Steuerpflichtigen auf ein und demselben Ereignis beruhen.

In diesen Fällen sind Erstattungszinsen auf Antrag nicht in die steuerliche Bemessungsgrundlage einzubeziehen, soweit ihnen nicht abziehbare Nachforderungszinsen gegenüberstehen, so die Oberfinanzdirektion. Der Antrag ist bei dem für die Personensteuer örtlich zuständigen Finanzamt zu stellen.

Hinweis: Ereignis in diesem Sinne ist der einzelne Vorgang, der Steueransprüche für unterschiedliche Jahre im engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang erhöht und vermindert, z.B. Erhöhung des Warenbestandes eines Jahres = Gewinnerhöhung sowie Erhöhung des Wareneinsatzes im Folgejahr = Gewinnminderung (BFH, VIII R 36/10; BFH, VIII R 33/07; OFD Niedersachsen, S 2252 - 177 - St 223).

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published on 12/11/2013 00:00

Tatbestand 1 I. Streitig ist, ob im Streitjahr (2006) zugeflossene Erstattungszinsen (§ 233a der Abgabenordnung --AO--) Einnahmen aus Kapitalvermögen sind und ob für sie
published on 15/06/2010 00:00

Tatbestand 1 I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) wendet sich zum einen dagegen, dass Zinsen gemäß § 233a der Abgabenordnung (AO) im Nachzahlungsfall nicht als Wer
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Tatbestand

1

I. Streitig ist, ob im Streitjahr (2006) zugeflossene Erstattungszinsen (§ 233a der Abgabenordnung --AO--) Einnahmen aus Kapitalvermögen sind und ob für sie die ermäßigte Besteuerung nach § 34 Abs. 1 und 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) gilt.

2

Die miteinander verheirateten Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Rentner. Für das Streitjahr wurden sie zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Gemäß dem Einkommensteuerbescheid für 1995 entrichtete die Klägerin am 9. Juli 1997 eine Einkommensteuernachzahlung, die auf den Gewinn aus der Veräußerung ihres Kommanditanteils an der K.KG zum 31. Dezember 1995 entfiel. Im Streitjahr stellte sich der endgültige Ausfall der Kaufpreisforderung heraus. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) änderte infolge eines entsprechend geänderten Grundlagenbescheides des Finanzamts H. den Einkommensteuerbescheid für 1995 unter Ansatz eines Veräußerungsgewinnes von 0 € und setzte Erstattungszinsen fest.

3

Am 8. November 2007 erging ein erstmaliger Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr, bei dem Zinsen auf die Einkommensteuererstattung für 1995 in Höhe von 118.101 € für 109 Monate als Einnahmen aus Kapitalvermögen berücksichtigt wurden.

4

Die nach insoweit erfolglosem Einspruch erhobene Klage, mit der die Kläger für die Erstattungszinsen eine ermäßigte Besteuerung nach § 32a Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 34 Abs. 1 Satz 1 EStG begehrten, blieb ebenfalls erfolglos (Urteil des Finanzgerichts --FG-- Baden-Württemberg vom 29. Januar 2010  10 K 2720/09, Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2010, 723).

5

Mit ihrer Revision rügen die Kläger die Verletzung materiellen Rechts. Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) ist dem Revisionsverfahren beigetreten.

6

Die Kläger halten die Erfassung der Erstattungszinsen als Kapitaleinnahmen i.S. von § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG für verfassungswidrig; jedenfalls müsse der ermäßigte Steuersatz gemäß § 34 Abs. 1 EStG Anwendung finden.

7

Mit dem Abzugsverbot des § 12 Nr. 3 EStG habe der Gesetzgeber eine Grundsatzentscheidung getroffen und auch die Erstattungszinsen der einkommensteuerrechtlich irrelevanten Ebene zugewiesen. Der Zufluss von Zinsen nach § 233a AO (Erstattungszinsen) und der Abfluss derartiger Zinsen (Nachzahlungszinsen) seien wesentlich gleiche Sachverhalte. Erstattungs- und Nachzahlungszinsen würden gemäß § 233a AO identisch berechnet und verfolgten denselben Zweck (Hinweis auf das Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 20. September 1995 X R 86/94, BFHE 178, 555, BStBl II 1996, 53).

8

Im Ergebnis habe der Gesetzgeber mit der Ergänzung des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG durch das Jahressteuergesetz 2010 vom 8. Dezember 2010 --JStG 2010-- (BGBl I 2010, 1768) in dessen Satz 3 eine Norm geschaffen, die in unmittelbarem Widerspruch zu seiner eigenen, in § 12 Nr. 3 EStG verankerten Grundentscheidung stehe, bestimmte Steuern und darauf entfallende Nebenleistungen dem nicht steuerbaren Bereich zuzuweisen. Eine derartige Regelung sei nicht nur system- und damit rechtswidrig. Vielmehr liege auch ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) vor.

9

Darüber hinaus begegne auch die Anwendungsvorschrift des § 52a Abs. 8 Satz 2 EStG i.d.F. des JStG 2010 verfassungsrechtlichen Bedenken unter dem Aspekt des Verbots einer echten Rückwirkung.

10

Hinsichtlich der begehrten ermäßigten Besteuerung nach § 34 EStG erfüllten die Erstattungszinsen den Begriff der Entschädigung i.S. von § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG. Jedenfalls sei eine analoge Anwendung der begünstigenden Vorschriften geboten wegen einer ungewollten Regelungslücke, da ein dem Regelungsgehalt von § 24 Nr. 1 Buchst. a, § 34 Abs. 2 Nr. 2 EStG vergleichbarer Sachverhalt vorliege. Zudem stellten die Erstattungszinsen eine Vergütung für mehrjährige Tätigkeit gemäß § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG dar.

11

Die Kläger beantragen sinngemäß,
das FG-Urteil aufzuheben und die Einkommensteuerfestsetzung für 2006 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 28. Mai 2009 dahingehend zu ändern, dass Erstattungszinsen nach § 233a AO in Höhe von 118.101 € nicht mehr als Einnahmen erfasst werden, hilfsweise, die Erstattungszinsen in Höhe von 118.101 € nach § 34 Abs. 1 EStG zu besteuern.

12

Das FA beantragt sinngemäß, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

13

II. Die Revision ist nicht begründet und deshalb nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen.

14

Zu Recht hat das FG die streitbefangenen Erstattungszinsen als Einnahmen aus Kapitalvermögen der Einkommensteuerfestsetzung für das Streitjahr zugrunde gelegt.

15

1. Erstattungszinsen i.S. von § 233a AO gehören zu den Einkünften aus Kapitalvermögen (§ 20 Abs. 1 Nr. 7 Sätze 1 und 3 EStG i.d.F. des JStG 2010) und unterliegen als solche der Einkommensteuer (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 EStG). Die Vorschrift des § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 3 EStG i.d.F. des JStG 2010 gilt für alle Fälle, in denen die Steuer im Zeitpunkt der Gesetzesänderung noch nicht bestandskräftig festgesetzt war (§ 52a Abs. 8 Satz 2 EStG i.d.F. des JStG 2010), mithin auch im Streitfall.

16

a) Dem steht die Regelung in § 12 Nr. 3 EStG nicht entgegen. Dort heißt es, dass Steuern vom Einkommen weder bei den einzelnen Einkunftsarten noch vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden dürfen und dies auch für die auf diese Steuern entfallenden Nebenleistungen gilt. Die Auffassung des erkennenden Senats in seinem Urteil vom 15. Juni 2010 VIII R 33/07 (BFHE 230, 109, BStBl II 2011, 503), die Vorschrift weise über ihren Wortlaut hinaus auch Steuererstattungen und daran anknüpfende Erstattungszinsen dem nichtsteuerbaren Bereich zu, kann der Entscheidung des Streitfalls angesichts der durch das JStG 2010 getroffenen Regelung in § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 3 EStG nicht mehr zugrunde gelegt werden.

17

Mit der ausdrücklichen Normierung der Erstattungszinsen als Kapitaleinkünfte (§ 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 3 EStG i.d.F. des JStG 2010) hat der Gesetzgeber seinen Willen, diese der Besteuerung zu unterwerfen, klar zum Ausdruck gebracht. Dazu bedurfte es keiner Änderung des § 12 EStG. Es ist dem Gesetzgeber überlassen, an welcher Stelle des Gesetzes er das von ihm nicht geteilte Rechtsverständnis der Rechtsprechung zur Nichtsteuerbarkeit der Erstattungszinsen korrigiert, ob --wie geschehen-- durch eine (positive) Regelung auf der Einnahmenseite oder durch eine (negative) Regelung im Rahmen der Vorschrift über die Nichtabzugsfähigkeit von Ausgaben (§ 12 EStG). Die positive Regelung auf der Einnahmenseite ist systematisch näherliegend. Auch im Schrifttum wird überwiegend die Auffassung vertreten, dass der Gesetzgeber insoweit bei der Gesetzesänderung durch das JStG 2010 zurecht auf der Einnahmenseite angesetzt hat (Balliet, Deutsche Steuer-Zeitung --DStZ-- 2012, 436, unter II.1. und 2.; Thiemann, Finanz-Rundschau --FR-- 2012, 673, 677; Wacker, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 2012, 636, unter 3.; Zimmermann, EFG 2011, 649, 651 f.). Der gegenteiligen Auffassung (Panzer/ Gebert, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2011, 741, 742; vgl. auch Beschluss des FG Münster vom 27. Oktober 2011  2 V 913/11 E, EFG 2012, 118), wonach der gesetzgeberische Wille angesichts eines ansonsten unveränderten Normengefüges keinen hinreichenden Ausdruck gefunden habe, ist nicht zu folgen. Da § 12 Nr. 3 EStG nach Wortlaut und systematischer Stellung den Abzug von Ausgaben regelt und die Erstattungszinsen nicht anspricht, war zur gesetzgeberischen Korrektur der Rechtsprechung keine Änderung auch dieser Norm geboten.

18

b) Der aus dem klaren Wortlaut des § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 3 EStG i.d.F. des JStG 2010 erkennbare Gesetzeszweck wird durch die Entstehungsgeschichte bestätigt. So heißt es im Bericht des Finanzausschusses zum Entwurf eines JStG 2010 (BTDrucks 17/3549, S. 17), dass Erstattungszinsen steuerbar sind und die gesetzliche Klarstellung notwendig sei, "da der Bundesfinanzhof (BFH) mit seinem Urteil vom 15. Juni 2010, Az. VIII R 33/07, seine Rechtsprechung zur Steuerpflicht von Erstattungszinsen teilweise geändert hat und nunmehr ausführt, dass gesetzliche Zinsen, die das Finanzamt auf Grund von Einkommensteuererstattungen an den Steuerpflichtigen zahlt (sog. Erstattungszinsen), nicht (mehr) der Einkommensteuer unterliegen."

19

Damit bleibt für eine Behandlung der Erstattungszinsen nach § 233a AO als nicht steuerbar kein Raum mehr. Bei Auslegung des Gesetzes ist die gesetzgeberische Entscheidung zu respektieren und der im Gesetz angelegte "Wille des Gesetzgebers ... möglichst zuverlässig zur Geltung zu bringen" (Beschluss des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 25. Januar 2011  1 BvR 918/10, BVerfGE 128, 193).

20

2. Die verfassungsrechtlichen Einwendungen der Kläger greifen nicht durch.

21

a) Die Anordnung der Besteuerung der Erstattungszinsen als Einnahmen aus Kapitalvermögen durch den Gesetzgeber verstößt im Vergleich zur Nichtabziehbarkeit der Nachzahlungszinsen weder gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 GG noch das daraus folgende, an den Gesetzgeber gerichtete verfassungsrechtliche Gebot, einmal getroffene (steuerliche) Belastungsentscheidungen folgerichtig auszugestalten (Folgerichtigkeitsgebot).

22

Es fehlt schon an einer Ungleichbehandlung i.S. des Art. 3 GG. § 233a AO regelt die Verzinsung von Steuernachforderungen und Steuererstattungen. Dem Entstehen von Nachforderungsansprüchen einerseits und Erstattungsansprüchen andererseits liegen unterschiedliche Sachverhalte zugrunde, nämlich in einem Fall zu geringe Vorleistungen auf die entstandene Steuerschuld, im anderen Fall eine Überzahlung. Diese unterschiedlichen Sachverhalte sind allenfalls insoweit abstrakt vergleichbar, als sie beide Zahlungsansprüche im Steuerrechtsverhältnis begründen und sich --mit unterschiedlichen Vorzeichen-- auf die Liquidität des Steuerpflichtigen auswirken. In ihrer wirtschaftlichen Auswirkung und ihrer steuerrechtlich maßgeblichen Veranlassung sind sie hingegen nicht vergleichbar (vgl. BFH-Beschluss vom 15. Februar 2012 I B 97/11, BFHE 236, 458, BStBl II 2012, 697; Thiemann, FR 2012, 673, 679). Nachzahlungszinsen sind durch § 12 Nr. 3 EStG der Sphäre der steuerrechtlich unbeachtlichen Einkünfteverwendung zugewiesen. Die Verwendung von Einkommen ist einkommensteuerrechtlich grundsätzlich irrelevant, soweit es sich nicht um Erwerbsaufwendungen (Betriebsausgaben, Werbungskosten) handelt oder die steuerliche Abzugsmöglichkeit (insbesondere als Sonderausgabe oder außergewöhnliche Belastung, §§ 10 ff., 33 f. EStG) ausdrücklich gesetzlich geregelt ist.

23

Die gesetzliche Regelung des § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 3 EStG i.d.F. des JStG 2010 führt mithin nicht zu einer gleichheitssatzwidrigen Ungleichbehandlung wesentlich gleichartiger Sachverhalte. Damit fehlt im Streitfall die Voraussetzung der Anwendung des Folgerichtigkeitsgebots. Es besteht keine Korrespondenz zwischen der Behandlung des Abzugstatbestandes in § 12 Nr. 3 EStG (Abzugsverbot für Nachzahlungszinsen) und des Einnahmetatbestandes in § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 3 EStG i.d.F. des JStG 2010 (vgl. Thiemann, FR 2012, 673, 679; Balliet, DStZ 2012, 436, unter 4.).

24

Zutreffend wird in diesem Zusammenhang hervorgehoben, dass die Zuweisung der Nachzahlungszinsen in den nichtsteuerbaren Bereich (auch) der Gleichbehandlung mit Steuerpflichtigen dient, die eine private Steuerschuld kreditfinanziert tilgen müssen und die dafür entstehenden Schuldzinsen unter keinem Gesichtspunkt steuerlich abziehen können (Bericht des Finanzausschusses, BTDrucks 17/3549, S. 18; Thiemann, FR 2012, 673, 680; Balliet, DStZ 2012, 436, unter 4.).

25

Zwar wird das Abzugsverbot in § 12 Nr. 3 EStG in Teilen des Schrifttums für verfassungswidrig gehalten (s. Seer/Klemke, Institut Finanzen und Steuern e.V., IFSt-Schrift Nr. 490, 2013, S. 88 ff., unter Hinweis auf Söffing, Betriebs-Berater 2002, 1456). Indes könnte die --unterstellte, vom Senat allerdings in seiner Entscheidung vom 2. September 2008 VIII R 2/07 (BFHE 223, 15, BStBl II 2010, 25) bereits verneinte-- Verfassungswidrigkeit nicht zugleich die Verfassungswidrigkeit des Einnahmetatbestandes in § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 3 EStG i.d.F. des JStG 2010 begründen.

26

b) Die Regelung des zeitlichen Anwendungsbereichs des § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 3 EStG i.d.F. des JStG 2010 verstößt nicht gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot.

27

aa) § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 3 EStG i.d.F. des JStG 2010 ist nach § 52a Abs. 8 Satz 2 EStG i.d.F. des JStG 2010 "in allen Fällen anzuwenden, in denen die Steuer noch nicht bestandskräftig festgesetzt ist". Damit ist das Gesetz rückwirkend auch auf den Streitfall anwendbar.

28

bb) Die Anwendungsbestimmung (§ 52a Abs. 8 Satz 2 EStG i.d.F. des JStG 2010) führt nach Auffassung einiger Finanzgerichte und Stimmen in der Literatur zu einer unzulässigen echten Rückwirkung. Zumindest werden Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Rückwirkung angemeldet (vgl. Beschlüsse des FG Düsseldorf vom 5. September 2011  1 V 2325/11 A(E), EFG 2012, 120, 122; des FG Münster in EFG 2012, 118, 119; des Schleswig-Holsteinischen FG vom 27. Januar 2012  1 V 226/11, EFG 2012, 619, 621; Panzer/Gebert, DStR 2011, 741, 743 f.; Rublack, FR 2011, 173, 175). Auch der Senat hat deswegen in einer Reihe von Fällen aufgrund summarischer Prüfung zunächst die Vollziehung von Steuerfestsetzungen ausgesetzt (Beschlüsse vom 22. Dezember 2011 VIII B 190/11, BFHE 236, 158, BStBl II 2012, 243; vom 22. Dezember 2011 VIII B 146/11, BFH/NV 2012, 575; vom 9. Januar 2012 VIII B 95/11, BFH/NV 2012, 575).

29

cc) Indes erweist sich die in § 52a Abs. 8 Satz 2 EStG i.d.F. des JStG 2010 angeordnete Rückwirkung nach abschließender Prüfung im Revisionsverfahren nicht als verfassungsrechtlich unzulässig. Auch wenn man abweichend von den Gesetzesmaterialien in der Regelung in § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 3 EStG i.d.F. des JStG 2010 keine "Klarstellung" sieht, sondern davon ausgeht, dass die Anwendungsvorschrift eine echte Rückwirkung für bereits abgeschlossene Erhebungszeiträume bedeutet, hält die Vorschrift verfassungsrechtlicher Nachprüfung stand. Zwar sind Gesetze mit echter Rückwirkung, die die Rechtsfolge eines der Vergangenheit zugehörigen Verhaltens nachträglich belastend ändern, im Hinblick auf die Verlässlichkeit der Rechtsordnung als Grundbedingung freiheitlicher Verfassungen grundsätzlich unzulässig (vgl. BVerfG-Beschluss vom 3. Dezember 1997  2 BvR 882/97, BVerfGE 97, 67, 78; BVerfG-Urteil vom 23. November 1999  1 BvF 1/94, BVerfGE 101, 239, 263; Nichtannahmebeschluss des BVerfG vom 15. Oktober 2008  1 BvR 1138/06, HFR 2009, 187). Jedoch sind in der Rechtsprechung des BVerfG Fallgruppen anerkannt, in denen das rechtsstaatliche Rückwirkungsverbot durchbrochen ist. So tritt das Rückwirkungsverbot, das seinen Grund im Vertrauensschutz hat, namentlich dann zurück, wenn sich kein schützenswertes Vertrauen auf den Bestand des geltenden Rechts bilden konnte (vgl. BVerfG-Urteil in BVerfGE 101, 239, 263; Nichtannahmebeschluss des BVerfG in HFR 2009, 187).

30

dd) So liegt der Streitfall. Mit der Regelung in § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 3 EStG i.d.F. des JStG 2010, die Erstattungszinsen dem steuerbaren Bereich zuweist, hat der Gesetzgeber die Rechtslage auch mit Wirkung für die Vergangenheit so geregelt, wie sie bis zum Ergehen des BFH-Urteils in BFHE 230, 109, BStBl II 2011, 503 der gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. BFH-Urteile vom 18. Februar 1975 VIII R 104/70, BFHE 115, 216, BStBl II 1975, 568; vom 8. April 1986 VIII R 260/82, BFHE 146, 408, BStBl II 1986, 557; vom 25. Oktober 1994 VIII R 79/91, BFHE 175, 439, BStBl II 1995, 121; vom 8. November 2005 VIII R 105/03, BFH/NV 2006, 527, m.w.N.; BFH-Beschlüsse vom 14. April 1992 VIII B 114/91, BFH/NV 1993, 165; vom 30. Juni 2009 VIII B 8/09, BFH/NV 2009, 1977) und der Praxis der Finanzverwaltung (BMF-Schreiben vom 5. Oktober 2000 IV C 1 -S 2252- 231/00, BStBl I 2000, 1508; weitere Nachweise im BFH-Urteil in BFH/NV 2006, 527) entsprach (vgl. Nichtannahmebeschluss des BVerfG in HFR 2009, 187). Die Behauptung der Kläger, der BFH habe seine langjährige Rechtsprechung seit Inkrafttreten des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 vom 24. März 1999 --BGBl I 1999, 402-- (mit dem der Sonderausgabenabzug für Nachzahlungszinsen gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG gestrichen worden war) nicht mehr bestätigt, trifft nicht zu, wie sich den Entscheidungen des Senats in BFH/NV 2006, 527 und BFH/NV 2009, 1977 entnehmen lässt.

31

ee) Vor der Rechtsprechungsänderung durch das Senatsurteil in BFHE 230, 109, BStBl II 2011, 503 konnte deshalb kein schutzwürdiges Vertrauen der Kläger auf die Nichtsteuerbarkeit der Erstattungszinsen entstehen, zumal der Zufluss der streitbefangenen Erstattungszinsen bei den Klägern bereits mehrere Jahre zurücklag.

32

Ein Vertrauenstatbestand hätte sich deshalb allenfalls ab der Veröffentlichung des die Rechtsprechung ändernden Senatsurteils in BFHE 230, 109, BStBl II 2011, 503 entwickeln können. Jedenfalls fehlt es angesichts der Vorgeschichte sowie des relativ kurzen Zeitraums zwischen der Veröffentlichung dieses Urteils (am 8. September 2010) und dem Inkrafttreten des JStG 2010 (am 14. Dezember 2010) an der Schutzwürdigkeit eines Vertrauens in den Fortbestand der Rechtsprechungsänderung, zumal in diese Zwischenzeit keine schutzwürdigen Vermögensdispositionen der Kläger fielen.

33

3. Entgegen der Auffassung der Kläger sind die Erstattungszinsen keine außerordentlichen Einkünfte i.S. von § 34 Abs. 1 und 2 EStG.

34

a) Die Leistung von Erstattungszinsen erfüllt nicht den Tatbestand des § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG (Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen), da sie unabhängig davon erbracht wird, ob dem Steuerpflichtigen Einnahmen entgangen sind oder entgehen. Die Rechtslage ist insoweit nicht anders als bei Prozess- oder Verzugszinsen (vgl. dazu BFH-Urteil in BFHE 175, 439, BStBl II 1995, 121, m.w.N.). § 233a AO regelt in einer praktikablen, typisierenden Weise einen finanziellen Ausgleich in Fällen, in denen die nicht zeitnah erfolgte Festsetzung (hier:) der Einkommensteuer zu einem Unterschiedsbetrag zwischen festgesetzter Steuer einerseits und Lohnsteuerabzugsbeträgen, anzurechnender Körperschaftsteuer und festgesetzten Vorauszahlungen andererseits führt (§ 233a Abs. 3 AO). Die Typisierung hat zur Folge, dass es auf die tatsächlichen Umstände nicht ankommt. Es bleibt unerheblich, ob der Steuerpflichtige als Zinsgläubiger den Erstattungsbetrag bei früherer Erlangung rentierlich angelegt hätte, ob er dies gegebenenfalls zu einem höheren oder nur zu einem niedrigeren Zins hätte tun können oder ob er etwa --wie von den Klägern im Streitfall geltend gemacht-- vor der späteren Steuererstattung zur zwischenzeitlichen Begleichung eines letztlich nicht bestehenden Steueranspruchs eine bestehende rentierliche Geldanlage auflösen musste.

35

Die typisierende Norm des § 233a AO trifft für die in ihrem Abs. 1 aufgeführten Zinsen eine abschließende Regelung. Auch in Bezug auf geltend gemachte Besonderheiten des Einzelfalles verbleibt insoweit keine Regelungslücke. Der den Kapitaleinkünften zugewiesene Zinsanspruch (§ 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 3 EStG i.d.F. des JStG 2010) trägt seinen Rechtsgrund allein in § 233a AO, was einen Rückgriff auf andere Rechtsgründe weder erfordert noch ermöglicht.

36

b) Der Senat folgt nicht der Auffassung der Kläger, die Erstattungszinsen stellten eine Vergütung für eine mehrjährige Tätigkeit i.S. von § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG dar.

37

aa) Der Wortsinn der Vorschrift schließt dies aus. Die Zinszahlung "vergütet" keine "Tätigkeit", sondern eine durch Verwaltungsakt bestimmte zwangsweise Kapitalüberlassung (s. auch Urteil des FG Düsseldorf vom 16. April 2009  11 K 1764/08 F, EFG 2009, 1568), infolge derer die Zinsen ohne weiteres Zutun des betroffenen Steuerpflichtigen kraft Gesetzes als Ausgleich für die Vorenthaltung der Erstattungsleistung entstehen (vgl. BFH-Urteil vom 13. November 2007 VIII R 36/05, BFHE 220, 35, BStBl II 2008, 292).

38

bb) Dass Zinsen nicht unter § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG fallen, folgt aus der Normsystematik.

39

(1) Als außerordentliche Einkünfte kommen nach Abs. 2 der Vorschrift nur die dort enumerativ aufgeführten in Betracht. Dazu gehören gemäß § 34 Abs. 2 Nr. 3 EStG Zinsen i.S. des § 24 Nr. 3 EStG, soweit sie für einen Zeitraum von mehr als drei Jahren nachgezahlt werden. Aus der ausdrücklichen Aufführung dieser bestimmten Zinsen im Katalog des § 34 Abs. 2 EStG folgt im Umkehrschluss, dass andere Zinsen generell nicht von dieser Vorschrift erfasst werden sollen. Dies gilt auch deshalb, weil die in § 34 Abs. 2 Nr. 3 EStG aufgeführten Zinsen nur unter einer zeitlichen Voraussetzung privilegiert werden, die strikter ist als die der mehrjährigen Tätigkeit.

40

(2) Die steuerliche Privilegierung der in § 34 EStG aufgeführten Einkünfte setzt außerdem ihre Qualifizierung als "außerordentlich" voraus (§ 34 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 EStG sowie amtliche Überschrift). So hat der BFH von jeher geurteilt, dass es sich bei den Vergütungen für mehrjährige Tätigkeiten um einmalige und für die jeweilige Einkunftsart ungewöhnliche Einkünfte handeln müsse, die zudem das zusammengeballte Ergebnis mehrerer Jahre darstellten (vgl. BFH-Urteile vom 17. Februar 1993 I R 119/91, BFH/NV 1993, 593; vom 21. November 1980 VI R 179/78, BFHE 132, 60, BStBl II 1981, 214; Horn in Herrmann/Heuer/Raupach, § 34 EStG Rz 60). Auch in einer neueren Entscheidung hat er die Vergütungen für eine mehrjährige Tätigkeit bei üblichem Anfall im Rahmen einer freiberuflichen Praxis nicht unter § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG subsumiert (BFH-Urteil vom 30. Januar 2013 III R 84/11, BFHE 240, 156). Die Finanzverwaltung knüpft die Erstreckung des § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG auf andere Einkunftsarten als die nach § 19 EStG an die einschränkende Voraussetzung, dass eine Zusammenballung von Einkünften eingetreten ist, die nicht dem vertragsgemäßen oder dem typischen Ablauf entspricht (R 34.4 Abs. 1 der Einkommensteuerrichtlinien --EStR--). Der Senat hält diese Einschränkung nach dem Gesetzeszweck für grundsätzlich zutreffend. Gegen eine Erstreckung des § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG auf die Erstattungszinsen spricht deshalb auch, dass ihre Festsetzung für einen längeren, periodenübergreifenden Zeitraum und der daran anknüpfende Zufluss in einem Betrag keineswegs untypisch sind. Denn Fälle, in denen die Karenzzeiten des § 233a AO überschritten werden und damit der Zinslauf erst beginnt, sind häufig zugleich solche, in denen der Zinslauf länger andauert, etwa infolge von Rechtsbehelfsverfahren, länger währenden Außenprüfungen oder spät erteilten Grundlagenbescheiden.

41

cc) Allerdings sprechen sich Stimmen in der Literatur für eine Anwendung des § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG auch auf Kapitaleinkünfte aus (vgl. Mellinghoff in Kirchhof, EStG, 12. Aufl., § 34 Rz 27; Schmidt/Wacker, EStG, 32. Aufl., § 34 Rz 38 f.). Dieser Ansicht ist aus den voranstehenden Gründen jedenfalls für Zinsen i.S. des § 233a AO nicht zu folgen.

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) wendet sich zum einen dagegen, dass Zinsen gemäß § 233a der Abgabenordnung (AO) im Nachzahlungsfall nicht als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen abgezogen werden dürfen, obwohl er aus für Steuerzahlungen vorgesehenem Kapital steuerpflichtige Zinseinnahmen erzielt hat, zum anderen dagegen, dass Zinsen im Erstattungsfall steuerpflichtig sind.

2

Für erwartete Einkommensteuernachzahlungen richtete der Kläger bei einem Kreditinstitut ein Termingeldkonto ein. Daraus erzielte er Kapitaleinkünfte. Im Juli 2000 leistete er von dem dort angelegten Geld eine Nachzahlung auf die Einkommensteuer für 1996. Vorangegangene, die Einkommensteuer 1996 betreffende Steuererstattungen hatte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) nicht auf das Termingeldkonto geleistet. Wegen der Nachzahlung setzte das FA gegen den Kläger Zinsen zur Einkommensteuer 1996 fest. Im Streitjahr 2000 zahlte der Kläger deshalb 9.949 DM Zinsen an das FA. Im Streitjahr 2000 vereinnahmte der Kläger außerdem von dem FA --einen anderen Veranlagungszeitraum betreffende-- Erstattungszinsen von 3.460 DM.

3

In seiner Einkommensteuererklärung machte der Kläger die Nachzahlungszinsen als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus Kapitalvermögen geltend. Dem folgte das FA nicht und berücksichtigte außerdem die vom Kläger vereinnahmten Erstattungszinsen als weitere Einnahmen bei dessen Einkünften aus Kapitalvermögen.

4

Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2008, 617 veröffentlicht. Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts.

5

Der Kläger beantragt,        

die Vorentscheidung aufzuheben und unter Abänderung des Einkommensteuerbescheids für 2000 vom 19. Dezember 2005 bei der Ermittlung der Einkünfte aus Kapitalvermögen weitere Werbungskosten von 9.949 DM zu berücksichtigen und die     Einkommensteuer entsprechend niedriger festzusetzen,

hilfsweise,

die Einkünfte aus Kapitalvermögen um 3.460 DM zu verringern und die Einkommensteuer entsprechend niedriger festzusetzen.

6

Für den Fall, dass der Senat auch den Hilfsantrag für unbegründet hält, regt der Kläger an, das Verfahren nach Art. 100 des Grundgesetzes auszusetzen und eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen.

7

Das FA beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

8

Der Berichterstatter des Senats hat dem Kläger mit Schreiben vom 21. Dezember 2009 Gelegenheit gegeben, sich zum Senatsurteil vom 2. September 2008 VIII R 2/07 (BFHE 223, 15, BStBl II 2010, 25) ergänzend zu äußern.

Entscheidungsgründe

9

II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Teilstattgabe der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die Klage ist hinsichtlich des Hilfsantrags begründet und im Übrigen unbegründet. Vom Finanzamt an den Steuerpflichtigen gezahlte Zinsen gemäß § 233a AO (Erstattungszinsen) unterliegen nicht der Einkommensteuer, wenn die zugrunde liegende Steuer gemäß § 12 Nr. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) nicht abziehbar ist (Änderung der Rechtsprechung).

10

1. Rechtsfehlerfrei hat es das FG abgelehnt, bei der Ermittlung der Einkünfte aus Kapitalvermögen solche Zinsen als Werbungskosten abzuziehen, die der Kläger gemäß § 233a AO an das FA gezahlt hat (Nachzahlungszinsen).

11

a) Werbungskosten sind Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Schuldzinsen sind Werbungskosten, soweit sie mit einer Einkunftsart in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen (§ 9 Abs. 1 Satz 1, Satz 3 Nr. 1 Satz 1 EStG). Nachzahlungszinsen i.S. des § 233a AO stehen schon deshalb nicht mit einer Einkunftsart in wirtschaftlichem Zusammenhang, weil sie gemäß § 12 Nr. 3 EStG aufgrund Gesetzes dem nicht steuerbaren Bereich zugewiesen sind (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- in BFHE 223, 15, BStBl II 2010, 25, m.w.N.; vgl. auch BFH-Urteile vom 18. Juni 2009 VI R 14/07, BFHE 225, 393, und VI R 31/07, BFH/NV 2009, 1797 zum typisierenden Ausschluss des wirtschaftlichen Veranlassungszusammenhangs bei Aufwendungen i.S. des § 12 Nr. 5 EStG). § 12 Nr. 3 EStG ordnet an, dass Steuern vom Einkommen sowie die auf diese Steuern entfallenden Nebenleistungen weder bei den einzelnen Einkunftsarten noch vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden dürfen. Zu den steuerlichen Nebenleistungen gehören nach § 3 Abs. 4 AO auch die Zinsen i.S. von § 233a AO. Sie dürfen daher nicht als Werbungskosten abgezogen werden (vgl. auch BFH-Urteil vom 6. Oktober 2009 I R 39/09, BFH/NV 2010, 470 zu dem entsprechenden Abzugsverbot in § 10 Nr. 2 des Körperschaftsteuergesetzes).

12

b) Die vom Kläger vertretene gegenteilige Auffassung, wonach § 9 Abs. 1 EStG der Anwendung von § 12 Nr. 3 EStG vorgeht, findet im Gesetz keine Stütze. § 12 EStG in der auf den Streitfall anwendbaren Fassung verweist in seinem einleitenden Halbsatz nicht ausdrücklich auf § 9 Abs. 1 EStG, sondern nur auf § 10 Abs. 1 Nrn. 1, 2, 4, 6 bis 9, § 10b und §§ 33 bis 33b EStG. Diese Aufzählung ist abschließend. Nach § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG a.F. waren u.a. Zinsen i.S. von § 233a AO als Sonderausgaben abzugsfähig. Diese Vorschrift ist jedoch durch Art. 1 Nr. 15 Buchst. a des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 vom 24. März 1999 (BGBl I 1999, 402) mit Wirkung zum 1. Januar 1999 aufgehoben worden. Seitdem gibt es in § 10 EStG keinen vorrangig zu beachtenden Tatbestand mehr, auf den § 12 EStG wegen der Abzugsfähigkeit von Zinszahlungen Bezug nimmt. Ein genereller Anwendungsvorrang der Vorschriften über Werbungskosten oder Betriebsausgaben vor § 12 Nr. 3 EStG kann deshalb auch nicht daraus abgeleitet werden, dass Aufwendungen nur dann Sonderausgaben sein können, wenn sie weder Betriebsausgaben noch Werbungskosten sind oder wie Betriebsausgaben oder Werbungskosten behandelt werden (§ 10 Abs. 1 Satz 1 EStG). Auf die Frage, ob die Nachzahlungszinsen unter den Bedingungen des Streitfalls --wie der Kläger meint-- durch die Erzielung von Einkünften aus Kapitalvermögen veranlasst sind, kommt es deshalb nicht an. Sollte dem BFH-Beschluss vom 13. Dezember 2005 VIII B 74/05 (BFH/NV 2006, 740) etwas anderes zu entnehmen sein, hält der Senat daran nicht mehr fest.

13

c) Gegen diese Auslegung des Gesetzes bestehen auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken. § 12 Nr. 3 EStG verstößt insbesondere nicht gegen das objektive Nettoprinzip (BFH-Urteile in BFHE 223, 15, BStBl II 2010, 25; in BFH/NV 2010, 470). Im häufig unklaren und deshalb auch streitanfälligen Grenzbereich zwischen Einkünfteerzielungs- und Privatsphäre darf der Gesetzgeber typisierende Regelungen schaffen und bestimmte Aufwendungen, die nach allgemeinen Maßstäben im Einzelfall Werbungskosten oder Betriebsausgaben sein könnten, generell vom Abzug ausschließen.

14

2. Zu Unrecht hat das FG jedoch die Steuerpflicht der vom FA an den Kläger gezahlten Erstattungszinsen bejaht. In Fortentwicklung seiner bisherigen Rechtsprechung entscheidet der Senat, dass Erstattungszinsen nicht der Einkommensteuer unterliegen, soweit die zugrunde liegende Steuer nach § 12 Nr. 3 EStG nicht abgezogen werden darf.

15

a) Nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG gehören zu den Einkünften aus Kapitalvermögen Erträge aus sonstigen Kapitalforderungen jeder Art, wenn die Rückzahlung des Kapitalvermögens oder ein Entgelt für die Überlassung des Kapitalvermögens zur Nutzung zugesagt oder gewährt worden ist, auch wenn die Höhe des Entgelts von einem ungewissen Ereignis abhängt. Dies gilt unabhängig von der Bezeichnung und der zivilrechtlichen Ausgestaltung der Kapitalanlage. Einkünfte aus Kapitalvermögen erzielt, wer Kapitalvermögen gegen Entgelt zur Nutzung überlässt (ständige Rechtsprechung, vgl. nur BFH-Urteil vom 16. Dezember 2008 VIII R 83/05, BFH/NV 2009, 1118, m.w.N.).

16

aa) Nach bisheriger Rechtsprechung, an der der Senat im Grundsatz festhält, ist der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch eine "sonstige Kapitalforderung jeder Art" i.S. von § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG und werden Erstattungszinsen i.S. von § 233a AO auch als Gegenleistung dafür gezahlt, dass der Steuerpflichtige dem Fiskus --wenn auch gezwungenermaßen-- Kapital zur Nutzung überlassen hat, zu dessen Leistung er letztlich nicht verpflichtet war (vgl. BFH-Urteile vom 18. Februar 1975 VIII R 104/70, BFHE 115, 216, BStBl II 1975, 568; vom 8. April 1986 VIII R 260/82, BFHE 146, 408, BStBl II 1986, 557; vom 8. November 2005 VIII R 105/03, BFH/NV 2006, 527). Damit können grundsätzlich auch Erstattungszinsen beim Empfänger der Besteuerung gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG unterliegen.

17

bb) Dem kann auch nicht entgegengehalten werden, dass ein auf die Erzielung von Einkünften gerichteter Wille des Steuerpflichtigen in Fällen erzwungener Kapitalüberlassung häufig nicht positiv festgestellt werden kann. Wie der Senat an anderer Stelle ausgeführt hat, kommt es auf die Feststellung der Einkünfteerzielungsabsicht nicht an, wenn eine Steigerung der finanziellen Leistungsfähigkeit durch den feststehenden Sachverhalt bewirkt worden ist (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2006, 527; BFH-Beschluss vom 30. Juni 2009 VIII B 8/09, BFH/NV 2009, 1977).

18

b) Einer Korrektur bedarf die bisherige Rechtsprechung des Senats jedoch insoweit, als sie eine Bedeutung der Regelung in § 12 Nr. 3 EStG für die Steuerpflicht der Erstattungszinsen schlechthin verneint hat (vgl. BFH-Urteil in BFHE 115, 216, BStBl II 1975, 568; BFH-Beschluss vom 14. April 1992 VIII B 114/91, BFH/NV 1993, 165).

19

aa) § 12 Nr. 3 EStG entfaltet unmittelbare Wirkung zwar nur für die Nichtabziehbarkeit von Ausgaben; die Steuerbarkeit von Einnahmen ist dort nicht ausdrücklich geregelt. Unstreitig werden indes vom Finanzamt erstattete nicht abziehbare Steuern nicht als Einnahmen i.S. von § 8 Abs. 1 EStG erfasst. Einen allgemeinen Grundsatz, wonach die Erstattung nicht abziehbarer Werbungskosten oder Betriebsausgaben nicht zu Einnahmen oder Betriebseinnahmen führen kann, hat die Rechtsprechung dabei bislang nicht angenommen (vgl. BFH-Urteil vom 30. November 2004 VIII R 98/02, BFH/NV 2005, 1768). Einer Entscheidung bedarf es insofern auch vorliegend nicht. Die Rechtfertigung dafür, dass jedenfalls nach § 12 Nr. 3 EStG nicht abziehbare Steuern im Fall ihrer Erstattung beim Empfänger nicht zu Einnahmen führen, liegt vielmehr darin, dass für bestimmte Steuern in § 12 Nr. 3 EStG nicht lediglich ein gesetzliches Abzugsverbot geregelt ist, sondern dass die Norm diese Steuern schlechthin dem nichtsteuerbaren Bereich zuweist. Diese gesetzgeberische Grundentscheidung strahlt auf den umgekehrten Vorgang der Erstattung solcher Steuern in der Weise aus, dass sie dem Steuerpflichtigen nicht "im Rahmen einer der Einkunftsarten des § 2 Abs. 1 Nr. 4 bis 7" zufließen (vgl. § 8 Abs. 1 EStG).

20

bb) Dasselbe gilt für die Erstattungszinsen gemäß § 233a AO. Sie teilen als steuerliche Nebenleistungen i.S. von § 3 Abs. 4 AO insofern das "Schicksal" der Hauptforderung, als sie von § 12 Nr. 3 EStG ebenfalls dem nichtsteuerbaren Bereich zugewiesen sind (so schon Oswald, Deutsches Steuerrecht 1976, 412). Demgegenüber hat der Senat in seinem Urteil in BFHE 115, 216, BStBl II 1975, 568 angenommen, auf die Akzessorietät der Zinsen könne nicht abgestellt werden, weil ihre Heranziehung zur Einkommensteuer dann "ganz allgemein ausgeschlossen" wäre, da die Erstattung überzahlter Steuern "in aller Regel" einkommensteuerlich neutral bleibe. Daran hält der Senat nicht mehr fest. Eine vom Gesetzgeber nicht gewollte allgemeine oder doch sehr weitreichende einkommensteuerliche Nichterfassung von Erstattungszinsen ist nicht zu befürchten, da sich der Ausschluss aus der steuerbaren Sphäre nur auf Zinsen zu den in § 12 Nr. 3 EStG bezeichneten Steuern bezieht.

21

cc) Dieser Auslegung steht die Entstehungsgeschichte des § 233a AO nicht entgegen. Allerdings ist im Gesetzgebungsverfahren zum Steuerreformgesetz 1990 (StRG 1990) vom 25. Juli 1988 (BStBl I 1988, 224), mit dem § 233a AO eingeführt worden ist, die Einführung einer Steuerbefreiung für Erstattungszinsen verworfen worden. Erstattungszinsen sollten entsprechend den allgemeinen Grundsätzen bei den Einkünften aus Kapitalvermögen (§ 20 EStG) erfasst werden (vgl. die Nachweise im BFH-Urteil in BFH/NV 2006, 527). Indes wurde damals durch Art. 1 Nr. 13 StRG 1990 (BStBl I 1988, 224, 227) in § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG zugleich geregelt, dass Nachzahlungszinsen i.S. von § 233a AO als Sonderausgaben abziehbar waren. Der Gesetzgeber hat mithin ursprünglich im Ergebnis ein symmetrisches Normgefüge für Nachzahlungszinsen einerseits und Erstattungszinsen andererseits geschaffen. Dieses ist jedoch durch die Aufhebung von § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG mit Wirkung ab 1999 entfallen. Die ursprünglichen gesetzgeberischen Erwägungen haben damit für die Auslegung an Bedeutung verloren.

22

dd) Nach allem bedarf es nicht mehr der Auseinandersetzung mit der von dem Kläger aufgeworfenen Frage, ob die unterschiedliche einkommensteuerliche Behandlung von Nachzahlungs- und Erstattungszinsen verfassungsrechtliche Grundsätze verletzt und deshalb im Wege verfassungskonformer Auslegung der einschlägigen Rechtsvorschriften beseitigt werden müsste. Zumindest im Anwendungsbereich des § 12 Nr. 3 EStG ist nunmehr ein sachlicher Gleichlauf insoweit gewährleistet, als Nachzahlungszinsen und Erstattungszinsen einheitlich dem nicht steuerbaren Bereich zugeordnet sind. Damit ist zugleich den Bedenken des Klägers Rechnung getragen.

23

3. Das FG ist von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen. Sein Urteil ist deshalb aufzuheben. Die Rechtssache ist spruchreif. Der Senat gibt der Klage nach Maßgabe der dargestellten Rechtsgrundsätze im Hilfsantrag statt und weist sie im Übrigen als unbegründet ab.