Bedingungen und Insolvenzanfechtung – Eine rechtliche Analyse
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1. Einleitung
Die Behandlung von bedingten Rechtsgeschäften im Insolvenzrecht ist komplex und wirft grundlegende Fragen zur Anwendbarkeit der Anfechtungsvorschriften und der Fristberechnung auf. § 140 InsO, der maßgeblich die zeitliche Einordnung von Rechtshandlungen regelt, ist hierbei zentral. Die Differenzierung zwischen aufschiebenden und auflösenden Bedingungen hat entscheidende Auswirkungen auf die Anwendbarkeit der Insolvenzanfechtung und den Schutz der Gläubiger.
2. Rechtliche Grundlagen
2.1. Bedingung im rechtlichen Sinne
Eine Bedingung liegt vor, wenn die Rechtswirkung eines Geschäfts vom Eintritt eines zukünftigen, ungewissen Ereignisses abhängt (§ 158 BGB).
- Aufschiebende Bedingungen (§ 158 Abs. 1 BGB): Rechtswirkungen treten erst mit Bedingungseintritt ein.
- Auflösende Bedingungen (§ 158 Abs. 2 BGB): Das Geschäft wird bei Bedingungseintritt unwirksam.
2.2. § 140 InsO – Zeitpunkt der Rechtshandlung
Gemäß § 140 Abs. 1 InsO gilt eine Rechtshandlung als in dem Zeitpunkt vorgenommen, in dem ihre rechtlichen Wirkungen eintreten. § 140 Abs. 3 InsO konkretisiert dies für bedingte Rechtsgeschäfte und bestimmt, dass der Eintritt der Bedingung außer Betracht bleibt. Diese Regelung dient dazu, Manipulationen und Verzögerungen im Anfechtungsrecht zu verhindern.
3. Aufschiebende Bedingung und Insolvenzanfechtung
3.1. Regelungszweck des § 140 Abs. 3 InsO
§ 140 Abs. 3 InsO stellt sicher, dass der Fristbeginn der Insolvenzanfechtung unabhängig vom Eintritt der Bedingung beurteilt wird. Dies soll verhindern, dass der Schuldner den Zeitpunkt der Fristmanipulation durch die Vereinbarung von Bedingungen verzögern kann.
3.2. Differenzierung nach Bedingungsarten
Nicht jede aufschiebende Bedingung fällt gleichermaßen unter § 140 Abs. 3 InsO. Entscheidend ist, ob der Begünstigte bereits eine gesicherte Rechtsposition besitzt:
-
Zufallsbedingungen: Der Eintritt hängt von einem ungewissen Ereignis ab (z. B. Wetterbedingungen). Diese Bedingungen rechtfertigen keinen Vorverlagerungszeitpunkt nach § 140 Abs. 3 InsO.
-
Potestativbedingungen: Der Eintritt hängt vom Willen des Schuldners oder des Begünstigten ab.
- Auf den Schuldner abstellende Bedingungen: Der Schuldner hat es in der Hand, die Wirkung zu beeinflussen. Hier greift § 140 Abs. 3 InsO nicht.
- Auf den Begünstigten abstellende Bedingungen: Der Begünstigte kann die Bedingung durch eigenes Handeln erfüllen. Eine Vorverlagerung des Fristbeginns ist hier aus Gläubigersicht gerechtfertigt.
3.3. Insolvenzklauseln
Streitig ist, ob die Eröffnung des Insolvenzverfahrens eine aufschiebende Bedingung im Sinne von § 140 Abs. 3 InsO darstellt. Die herrschende Meinung verneint dies mit der Begründung, dass es sich hierbei um eine Zufallsbedingung handelt, die nicht von § 140 Abs. 3 InsO erfasst ist.
3.4. Auswirkungen bei Abtretung
Die Abtretung einer aufschiebend bedingten Forderung führt unabhängig vom Bedingungseintritt zum unmittelbaren Rechtserwerb des Zessionars. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Zedent bereits eine gesicherte Erwerbsposition innehatte.
4. Auflösende Bedingung und Insolvenzanfechtung
4.1. Bedingung und gesicherte Rechtsposition
Bei auflösenden Bedingungen ist ähnlich wie bei aufschiebenden Bedingungen eine Differenzierung erforderlich:
- Besteht für den Begünstigten eine gesicherte Rechtsposition, ist § 140 Abs. 3 InsO anwendbar.
- Auflösende Bedingungen, die auf den Schuldner abstellen oder zufallsabhängig sind, fallen nicht unter § 140 Abs. 3 InsO.
4.2. Problemfall: Auflösend bedingte Rechte des Schuldners
Wenn dem Schuldner ein Recht auflösend bedingt eingeräumt wird, erlangt der Gläubiger durch diese Bedingung keine gesicherte Position. Der Eintritt der Bedingung führt in solchen Fällen nicht zu einer Vorverlagerung des Fristbeginns.
5. Problemkreise und abweichende Meinungen
5.1. Zeitliche Einordnung von Bedingungseintritten
Die Einordnung des Zeitpunkts einer bedingten Rechtshandlung ist häufig umstritten, insbesondere bei Insolvenzklauseln oder bei komplexen Vertragskonstellationen.
- Meinungsstreit: Unterschiedliche Auslegungen der "gesicherten Rechtsposition" führen zu Abweichungen in der Praxis.
5.2. Abtretung und Anwartschaftsrechte
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in einem Urteil vom 19. Juli 2018 (Az.: IX ZR 296/17) entschieden, dass eine unbedingte Abtretung einer bedingten Forderung auch ein Anwartschaftsrecht umfassen kann. Diese Ansicht ist jedoch kritisch, da sie von der gesicherten Erwerbsposition des Zedenten abhängig ist.
5.3. Manipulationsmöglichkeiten
Ein weiteres Problem ist die Gefahr der Manipulation durch Bedingungen. Schuldner könnten versuchen, die Frist durch Konstruktionen wie Rücktrittsvorbehalte oder besondere Insolvenzklauseln hinauszuzögern.
6. Fazit
Die Behandlung von bedingten Rechtsgeschäften im Insolvenzrecht erfordert eine sorgfältige Differenzierung zwischen den Arten der Bedingungen und ihrer rechtlichen Wirkung. Insbesondere die Frage, wann eine gesicherte Rechtsposition vorliegt, ist für die Anwendung von § 140 Abs. 3 InsO entscheidend. Für Rechtsanwälte ergeben sich daraus folgende Schwerpunkte:
- Beratung bei der Gestaltung von Verträgen: Bedingungen sollten klar definiert und auf ihre insolvenzrechtlichen Auswirkungen geprüft werden.
- Prüfung von Anfechtungsrisiken: Die Einordnung von Bedingungseintritten und die Analyse der gesicherten Rechtsposition sind zentral.
- Strategische Prozessführung: Divergierende Meinungen in Literatur und Rechtsprechung bieten Ansatzpunkte für die Durchsetzung oder Abwehr von Anfechtungsansprüchen.
Die Dynamik dieses Themenbereichs macht deutlich, dass eine kontinuierliche rechtliche Fortbildung und Expertise im Insolvenzrecht unerlässlich sind.
Annotations
(1) Eine Rechtshandlung gilt als in dem Zeitpunkt vorgenommen, in dem ihre rechtlichen Wirkungen eintreten.
(2) Ist für das Wirksamwerden eines Rechtsgeschäfts eine Eintragung im Grundbuch, im Schiffsregister, im Schiffsbauregister oder im Register für Pfandrechte an Luftfahrzeugen erforderlich, so gilt das Rechtsgeschäft als vorgenommen, sobald die übrigen Voraussetzungen für das Wirksamwerden erfüllt sind, die Willenserklärung des Schuldners für ihn bindend geworden ist und der andere Teil den Antrag auf Eintragung der Rechtsänderung gestellt hat. Ist der Antrag auf Eintragung einer Vormerkung zur Sicherung des Anspruchs auf die Rechtsänderung gestellt worden, so gilt Satz 1 mit der Maßgabe, daß dieser Antrag an die Stelle des Antrags auf Eintragung der Rechtsänderung tritt.
(3) Bei einer bedingten oder befristeten Rechtshandlung bleibt der Eintritt der Bedingung oder des Termins außer Betracht.
(1) Wird ein Rechtsgeschäft unter einer aufschiebenden Bedingung vorgenommen, so tritt die von der Bedingung abhängig gemachte Wirkung mit dem Eintritt der Bedingung ein.
(2) Wird ein Rechtsgeschäft unter einer auflösenden Bedingung vorgenommen, so endigt mit dem Eintritt der Bedingung die Wirkung des Rechtsgeschäfts; mit diesem Zeitpunkt tritt der frühere Rechtszustand wieder ein.
(1) Eine Rechtshandlung gilt als in dem Zeitpunkt vorgenommen, in dem ihre rechtlichen Wirkungen eintreten.
(2) Ist für das Wirksamwerden eines Rechtsgeschäfts eine Eintragung im Grundbuch, im Schiffsregister, im Schiffsbauregister oder im Register für Pfandrechte an Luftfahrzeugen erforderlich, so gilt das Rechtsgeschäft als vorgenommen, sobald die übrigen Voraussetzungen für das Wirksamwerden erfüllt sind, die Willenserklärung des Schuldners für ihn bindend geworden ist und der andere Teil den Antrag auf Eintragung der Rechtsänderung gestellt hat. Ist der Antrag auf Eintragung einer Vormerkung zur Sicherung des Anspruchs auf die Rechtsänderung gestellt worden, so gilt Satz 1 mit der Maßgabe, daß dieser Antrag an die Stelle des Antrags auf Eintragung der Rechtsänderung tritt.
(3) Bei einer bedingten oder befristeten Rechtshandlung bleibt der Eintritt der Bedingung oder des Termins außer Betracht.
Tenor:
-
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 13. Dezember 2016 aufgehoben.
-
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungs-gericht zurückverwiesen.
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Von Rechts wegen
Tatbestand:
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Die Klägerin, eine Partnerschaftsgesellschaft, in der sich Rechtsanwälte zur Ausübung ihrer Berufe zusammengeschlossen haben, beriet das Autohaus (künftig Schuldnerin) in rechtlichen Angelegenheiten. Die Schuldnerin betrieb in B. als -Vertragshändlerin ein Autohaus und wollte eine weitere -Vertretung in W. eröffnen. Dazu mietete sie von der Beklagten Gewerbeflächen an und stattete sie mit den notwendigen Einrichtungsgegenständen aus. Das Mietverhältnis sollte vom 1. Februar 2002 bis zum 31. Dezember 2011 dauern. Im Mietvertrag ver- ECLI:DE:BGH:2018:190718UIXZR296.17.0 einbarten die Vertragsparteien, dass der Beklagten am Ende des Mietverhältnisses ein Wahlrecht zustehe, ob sie von der Schuldnerin die Beseitigung der eingebrachten Gegenstände verlange oder aber - gegen Zahlung einer Abfindung zum Verkehrswert - diese übernehme. Wenn sich die Vertragsparteien über die Höhe der Abfindung nicht einigen könnten, solle diese durch ein Schiedsgutachten festgelegt werden. Wegen wirtschaftlicher Probleme stellte die Schuldnerin den Betrieb des Autohauses in W. im Dezember 2006 ein. Seit November 2006 zahlte sie an die Beklagte keine Mieten mehr. Am 6. November 2006 trat die Schuldnerin ihre sich aus der Ablösevereinbarung mit der Beklagten oder aus einem Freihandverkauf der Einrichtungsgegenstände an einen Nachmieter oder einen Dritten ergebenden Zahlungsansprüche an die Klägerin ab. Die Abtretung sollte der Erfüllung von deren Honoraransprüchen dienen, welche aus allen Tätigkeiten der Klägerin für die Schuldnerin im Jahr 2007 entstehen würden. Die Klägerin nahm die Abtretung an.Im März 2007 kündigte die Beklagte gegenüber der Schuldnerin das Mietverhältnis wegen Zahlungsverzugs fristlos und verlangte, dass die eingebrachten Gegenstände im Objekt verblieben. Die Schuldnerin gab die Mietsache am 22. März 2007 zurück. Beklagte und Schuldnerin beauftragten einen Sachverständigen mit der Ermittlung des Ablösebetrages, der durch Gutachten vom 9. Mai 2007 den Gesamt-Fortführungs-Verkehrswert der eingebrachten Gegenstände auf 250.000 € festsetzte. Am 29. Mai 2007 wurde über das Vermögen der Schuldnerin das Insolvenzverfahren eröffnet. Die Klägerin meldete Honoraransprüche in Höhe von 48.663,78 € zur Tabelle an. Der Insolvenzverwalter wählte durch Schreiben vom 16. Januar 2009 hinsichtlich der Ablösevereinbarung nach § 103 Abs. 1 InsO die Nichterfüllung.Die Klägerin versuchte, die ihr von der Schuldnerin abgetretene Forderung zu realisieren. Dazu verklagte sie die Beklagte aus dem Mietvertrag und den Insolvenzverwalter aus Delikt. Die Klagen hatten keinen Erfolg. Nunmehr verlangt sie von der Beklagten mit dem Vorwurf, diese habe kollusiv mit dem Insolvenzverwalter zusammengewirkt, Schadensersatz aus Delikt. Das Landgericht hat die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 43.513,78 € nebst Zinsen und vorgerichtlicher Kosten zu zahlen. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht das landgerichtliche Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision möchte die Klägerin die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils erreichen.
Entscheidungsgründe:
-
Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
II.
Die Ausführungen zu § 134 InsO halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Gemäß § 134 Abs. 1 InsO ist eine unentgeltliche Leistung des Schuldners anfechtbar, die innerhalb von vier Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen wurde.III.
Die Entscheidung ist auch nicht aus anderen Gründen richtig (§ 561 ZPO).
IV.
Das angefochtene Urteil kann danach keinen Bestand haben. Es ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist nicht zur Endentscheidung reif und deshalb an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO). Das Berufungsgericht wird Feststellungen zu der Frage zu treffen haben, ob die Klägerin die Abfindungsforderung anfechtungsfest erworben hat (§§ 129, 130, 133 InsO), weil ihr allenfalls dann ein Schaden entstanden sein kann. Weiter wird das Berufungsgericht gegebenenfalls Feststellungen zu den Anspruchsvoraussetzungen des § 826 BGB treffen müssen. Dabei wird es zu berücksichtigen haben, dass Maßstab der vom Insolvenzverwalter nach § 103 InsO zu treffenden Entscheidung die bestmögliche Verwertung des Schuldnervermögens zum Zwecke der gemeinschaftlichen Befriedigung aller Gläubiger ist (§ 1 Satz 1 InsO; BGH, Urteil vom 11. Mai 2006 - IX ZR 247/03, BGHZ 167, 363 Rn. 17), während der Vertragspartner keinen insolvenzspezifischen Anspruch auf eine bestimmte Ausübung des Wahlrechts hat (Jaeger/Jacoby, InsO, 2014, § 103 Rn. 162; vgl. auch BGH, Urteil vom 14. September 2017 - IX ZR 261/15, NJW 2017, 3369 Rn. 21)
(1) Eine Rechtshandlung gilt als in dem Zeitpunkt vorgenommen, in dem ihre rechtlichen Wirkungen eintreten.
(2) Ist für das Wirksamwerden eines Rechtsgeschäfts eine Eintragung im Grundbuch, im Schiffsregister, im Schiffsbauregister oder im Register für Pfandrechte an Luftfahrzeugen erforderlich, so gilt das Rechtsgeschäft als vorgenommen, sobald die übrigen Voraussetzungen für das Wirksamwerden erfüllt sind, die Willenserklärung des Schuldners für ihn bindend geworden ist und der andere Teil den Antrag auf Eintragung der Rechtsänderung gestellt hat. Ist der Antrag auf Eintragung einer Vormerkung zur Sicherung des Anspruchs auf die Rechtsänderung gestellt worden, so gilt Satz 1 mit der Maßgabe, daß dieser Antrag an die Stelle des Antrags auf Eintragung der Rechtsänderung tritt.
(3) Bei einer bedingten oder befristeten Rechtshandlung bleibt der Eintritt der Bedingung oder des Termins außer Betracht.