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| 1. Die Klage ist zulässig. Der Senat legt die am 10. Februar 2009 bei Gericht eingereichte Klageschrift rechtsschutzgewährend (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 23. April 2009 IV R 24/08, BFH/NV 2009, 1427) dahin gehend aus, dass die Klägerin hiermit (auch) eine Verpflichtungsklage mit dem Ziel der Durchführung getrennter Veranlagungen für die Streitjahre erhoben hat. Dieses Begehren ergibt sich zweifelsfrei aus dem in der Klageschrift unter Nr. 2 hilfsweise gestellten Antrag sowie der Klagebegründung. |
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| 2. Die Klage ist jedoch nicht begründet. Das FA ist nicht verpflichtet, die Klägerin getrennt zur Einkommensteuer zu veranlagen. Die erstmalige Wahl der getrennten Veranlagung durch die Klägerin nach Anfechtung der im Rahmen der Zusammenveranlagung gemäß § 165 Abs. 2 AO i.V.m. § 53 EStG ergangenen Einkommensteueränderungsbescheide 1988 – 1991 ist in Anbetracht der Gesamtumstände des Streitfalles rechtsmissbräuchlich i.S. des § 42 AO. |
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| a) Ehegatten, die beide unbeschränkt einkommensteuerpflichtig sind und nicht dauernd getrennt leben, können zwischen getrennter Veranlagung (§ 26a EStG) und Zusammenveranlagung (§ 26b EStG) wählen (§ 26 Abs. 1 Satz 1 EStG). Bei getrennter Veranlagung sind jedem Ehegatten die von ihm bezogenen Einkünfte zuzurechnen. Die tarifliche Einkommensteuer bemisst sich nach § 32a Abs.1 (Grundtarif). Bei der Zusammenveranlagung von Ehegatten beträgt die tarifliche Einkommensteuer nach § 32a Abs. 5 EStG das Zweifache des Steuerbetrages, der sich für die Hälfte ihres gemeinsam zu versteuernden Einkommens ergibt (Splittingtarif). Wenn -wie im Streitfall- Einkünfte in unterschiedlicher Höhe erzielt werden, bringt die Wahl der Zusammenveranlagung für Ehegatten wegen des progressiven Einkommensteuertarifs regelmäßig Vorteile. Aus Gründen der Gleichbehandlung mit nicht miteinander verheirateten Steuerpflichtigen wird ihnen jedoch auch das Recht auf getrennte Veranlagung zugebilligt (BFH-Urteil vom 15. Juli 2004 III R 66/98, BFH/NV 2005, 186). Bei dem eingeräumten Wahlrecht handelt es sich nicht um eine Steuervergünstigung zur Minimierung der Steuer. Vielmehr handelt es sich um einen sachgerechten Kompromiss zwischen dem Schutz der ehelichen Privatsphäre und der grundsätzlich gebotenen Individualbesteuerung (BFH-Urteil vom 19. Mai 2004 III R 18/02, BStBl II 2004, 980; vgl. auch BVerfG-Beschluss vom 17. Januar 1957 1 BvL 4/54, BStBl I 1957, 193 zum Verbot der Schlechterstellung von Eheleuten durch die Zusammenveranlagung). |
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| Nach § 26 Abs. 2 Satz 1 EStG werden die Ehegatten getrennt veranlagt, wenn einer der Ehegatten die getrennte Veranlagung wählt. Dieses Wahlrecht wird weder durch den Wortlaut des § 26 EStG noch durch die Regelung in § 26a und § 26b EStG beschränkt. Nach der Rechtsprechung kann es unbefristet -bis zur Unanfechtbarkeit eines Einkommensteuerbescheides- ausgeübt und eine einmal getroffene Wahl der Veranlagungsart (auch mehrfach) geändert werden (vgl. BFH in BStBl II 2004, 980). Das Wahlrecht lebt wieder auf, wenn ein Änderungsbescheid z.B. nach § 10 d EStG (BFH-Urteil vom 19. Mai 1999 XI R 97/94, BStBl II 1999, 762), § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO (BFH-Urteil vom 20. Januar 1999 XI R 31/96, BFH/NV 1999, 1333) oder auch nach § 165 Abs. 2 AO i.V.m. § 53 EStG ergeht. Danach stand es der Klägerin frei, im Rahmen des Einspruchsverfahrens gegen die Einkommensteueränderungsbescheide vom 13. Februar 2001die getrennte Veranlagung zu wählen. Ohne Bedeutung ist in diesem Zusammenhang, ob die Einkommensteueränderungsbescheide auch gegenüber dem Konkursverwalter mit Wirkung für E wirksam bekannt gegeben worden sind. Denn nach § 155 Abs. 3 Satz 1 AO handelt es sich bei Einkommensteuer-Zusammenveranlagungsbescheiden nicht um einen einheitlichen Verwaltungsakt, sondern zwei zusammengefasste Bescheide handelt. |
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| Mit der Wahl der getrennten Veranlagung nach zuvor durchgeführter Zusammenveranlagung ist für jeden der Ehegatten ein neues Veranlagungsverfahren durchzuführen. Getrennte Veranlagung und Zusammenveranlagung stellen jeweils wesensverschiedene Veranlagungsverfahren dar (BFH-Urteil vom 03. März 2005 III R 60/03, BStBl II 2005, 564). |
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| Der Antrag eines Ehegatten statt der bisherigen Zusammenveranlagung eine getrennte Veranlagung durchzuführen, ist ein rückwirkendes Ereignis i. S. des § 175 Abs.1 Satz 1 Nr. 2 AO. Der ergangene Zusammenveranlagungsbescheid ist gegenüber beiden Ehegatten aufzuheben. Der Ablauf der Festsetzungsverjährung ist gemäß § 171 Abs. 3 AO so lange gehemmt, bis über einen innerhalb der Festsetzungsfrist gestellten Antrag auf Steuerfestsetzung oder auf Aufhebung oder Änderung der Steuerfestsetzung unanfechtbar entschieden worden ist (BFH-Urteil vom 28.07.2005 III R 48/03, BStBl II 2005, 865). |
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| b) Die (einseitige) Wahl der getrennten Veranlagung durch die Klägerin war nicht willkürlich. Im Verhältnis der Ehegatten untereinander ist das Recht auf Wahl der getrennten Veranlagung nach der Rechtsprechung des BFH insoweit eingeschränkt, als sich ein Ehegatte nicht einseitig von der bisherigen Zusammenveranlagung lösen darf, sofern dafür keine wirtschaftlich verständlichen und vernünftigen Gründe vorliegen. Dies wird dann angenommen, wenn der antragstellende Ehegatte keine eigenen positiven oder negativen Einkünfte hat oder diese so gering sind, dass sie weder einem Steuerabzug unterlegen haben noch zur Einkommensteuerveranlagung führen können (BFH-Urteil vom 03.03.2005 III R 22/02, BStBl II 2005, 690). Da die Klägerin in den Streitjahren sowohl negative als auch positive Einkünfte, die dem Steuerabzug unterlegen haben, hatte, ist ihr Wahlrecht insoweit nicht eingeschränkt. |
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| c) Der Senat ist jedoch der Auffassung, dass der Antrag der Klägerin auf Durchführung getrennter Veranlagungen rechtsmissbräuchlich i.S. des § 42 AO und daher unbeachtlich ist. Denn es liegen außer der erstrebten hälftigen Anrechnung der im Rahmen der Zusammenveranlagungen geleisteten Steuerzahlungen auf die der Klägerin gegenüber festzusetzenden Einkommensteuern keine wirtschaftlichen oder sonstigen nicht steuerliche Gründe vor, die die Wahl der getrennten Veranlagung durch die Klägerin rechtfertigen. |
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| Nach § 42 Abs. 1 Satz 1 AO in der Fassung des Steueränderungsgesetzes 2001 kann durch Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts das Steuergesetz nicht umgangen werden. Ein Missbrauch ist nach ständiger Rechtsprechung anzunehmen, wenn eine (zivilrechtliche und/oder steuerrechtliche) Gestaltung gewählt wird, die -gemessen an dem erstrebten Ziel- unangemessen ist, der Steuervermeidung dienen soll und durch wirtschaftliche oder sonst beachtliche nicht steuerliche Gründe nicht zu rechtfertigen ist. Dem Steuerpflichtigen ist es grundsätzlich nicht verwehrt, seine rechtlichen Verhältnisse so zu gestalten, dass sich eine möglichst geringe steuerliche Belastung ergibt. Rechtsmissbräuchlich ist eine Gestaltung aber regelmäßig dann, wenn sie ausschließlich der Steuervermeidung dient, bei sinnvoller, Zweck und Ziel der Rechtsordnung berücksichtigender Auslegung vom Gesetz missbilligt wird und bei angemessener Gestaltung eine höhere Steuer festzusetzen wäre. Das Steuergesetz kann auch dadurch umgangen werden, dass aufgrund der missbräuchlichen Gestaltung das Entstehen oder die Fälligkeit der Steuerschuld hinausgeschoben oder -wie hier- die Durchsetzung der festgesetzten Steuer zeitweilig oder dauerhaft vereitelt wird (BFH in BFH/NV 2005, 186). |
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| aa) Wie sich aus den Ausführungen des Prozessbevollmächtigten in der Klagebegründung ergibt, verfolgt die Klägerin mit der Wahl der getrennten Veranlagung ausschließlich das Ziel, im Rahmen der daraufhin durchzuführenden getrennten Veranlagungen in den jeweiligen Anrechnungsverfügungen, d.h. im Erhebungsverfahren, die hälftige Anrechnung der vor dem Tod des E auf die Gesamtschuld aus der Zusammenveranlagung geleisteten Steuerzahlungen zu erreichen und gleichzeitig die Erhebung der auf E entfallenden Steuer bei den Erben durch Haftungsbeschränkung zu vermeiden. |
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| Nach der ständigen Rechtsprechung des für Fragen des Erhebungsverfahrens zuständigen 7. Senats des BFH ist bei in ehelicher Lebensgemeinschaft lebenden Eheleuten -sofern im Zeitpunkt der Zahlung der Steuer Anhaltspunkte für eine andere Tilgungsabsicht des zahlenden Ehegatten fehlen- davon auszugehen, dass die Zahlung der Einkommensteuer auf Rechnung beider Ehegatten als Gesamtschuldner bewirkt worden ist, mit der Folge, dass die Steuerzahlungen zwischen den Ehegatten nach Köpfen aufzuteilen sind. Zur Begründung dieser Rechtsprechung wird darauf verwiesen, dass das Finanzamt im Zeitpunkt der Vorauszahlung weder dazu in der Lage noch dazu verpflichtet ist, Vermutungen über eine bestimmte wirtschaftliche Interessenlage auf Seiten der steuerpflichtigen Eheleute für den Fall anzustellen, dass die Vorauszahlungen zu einem späteren Zeitpunkt die festgesetzte Steuer übersteigen und damit zu einem Erstattungsanspruch führen (BFH-Urteile vom 30. September 2008 VII R 18/06, BStBl II 2009, 38, vom 15. November 2005 VII R 16/05, BStBl II 2006, 453, BFH-Beschluss vom 26. Januar 2006 VII B 312/05, BFH/NV 2006, 907 jeweils mit weiteren Nachweisen, sowie FG Baden-Württemberg, Urteil vom 11. Juni 2008 2 K 73/06, EFG 2008, 1511; kritisch FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 31.03.2009 5 K 5064/08, EFG 2009, 1613). Nach diesen Grundsätzen hätte im Streitfall, da keine Nachweise vorliegen (nach Auskunft der Beteiligten auch nicht mehr vorgelegt werden können), dass die seinerzeit auf die festgesetzten Vorauszahlungen bzw. die erstmaligen Einkommensteuerfestsetzungen 1988 – 1991 (in Anbetracht der Vermögensverhältnisse der Eheleute wohl ausschließlich von E) geleisteten und (in den Jahren 1988, 1989 ausschließlich und den Jahren 1990, 1991 weitaus überwiegend) seine Einkünfte betreffenden Einkommensteuerzahlungen ausschließlich auf dessen Rechnung erfolgten, eine Aufteilung der Einkommensteuerzahlungen nach Köpfen zu erfolgen. |
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| Die Durchführung getrennter Veranlagungen für die Klägerin und E hätte danach für das Erhebungsverfahren aufgrund der nach § 36 Abs. 2 EStG bei getrennter Veranlagung vorzunehmenden hälftigen Anrechnung auf die Gesamtschuld geleisteter Einkommensteuerzahlungen zur Folge, dass sich bei der Klägerin die vom Prozessbevollmächtigten errechneten Erstattungsbeträge in Höhe von insgesamt 113.072 EUR (Gerichtsakte, Bl. 7), bei den Erben des E -d.h. auch bei ihr selbst- hingegen entsprechend höhere Abschlusszahlungen ergeben würden. |
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| bb) Andere Gründe für die Wahl der getrennten Veranlagung als die auf diese Weise erstrebten Steuererstattungen wurden von der Klägerin nicht geltend gemacht und sind auch nicht ersichtlich. Bei Durchführung getrennter Veranlagungen ergeben sich insgesamt, d.h. bei Zusammenrechnung der für beide Ehegatten festzusetzenden Beträge, jeweils höhere Steuerfestsetzungen als bei Zusammenveranlagung. Sonstige steuerliche oder wirtschaftliche Gründe für die Wahl einer getrennten Veranlagung, wie z.B. besondere Steuersätze nach § 32b oder § 34 EStG, Besonderheiten beim Verlustrücktrag nach § 10d EStG oder das Erfordernis der Einhaltung bestimmter Einkommensgrenzen bei der Klägerin (vgl. hierzu Seeger in L. Schmidt, EStG, 28. Aufl.,§ 26 Rz. 17), sind nicht erkennbar. Risiken der Klägerin aus ihrer gesamtschuldnerischen Haftung für die Steuerschulden aus der Zusammenveranlagung bestehen gleichfalls nicht, da die festgesetzten Steuerforderungen durch die hierauf geleisteten Zahlungen gemäß § 47 AO seit Jahren (jedenfalls vor Beantragung des Nachlasskonkursverfahrens im Mai 1996, da keine Anmeldung noch rückständiger Einkommensteuern 1988 – 1991 zur Tabelle erfolgte, vgl. Vollstreckungsakte Bd. 1 grüner Klebezettel) erloschen sind. |
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| cc) Dem FA wird hierdurch ein Schaden entstehen. Die von den Erben des E zu fordernden Abschlusszahlungen könnten wegen der Beschränkung der Haftung der Erben auf den Nachlass und dem im Jahr 2004 aufgehobenen Nachlasskonkursverfahren dauerhaft nicht realisiert werden. Der Senat ist der Auffassung, dass das FA nicht darauf verwiesen werden kann, zur Vermeidung dieses Schadens, dem E bzw. seinen Erben aufgrund der Beantragung der getrennten Veranlagung gegen die Klägerin möglicherweise zustehende Ansprüche (z.B. Schadensersatzanspruch nach § 1353 Bürgerliches Gesetzbuch wegen Verweigerung der Zustimmung zur Zusammenveranlagung - vgl. hierzu BGH-Urteil vom 18. November 2009 XII ZR 173/06, DStR 2010, 266- oder Anspruch aufgrund des am 12. August 1992 beurkundeten Ehe- und Vermögensauseinandersetzungsvertrags -Gerichtsakte 2 K 73/06, Bl. 21ff.-) gegenüber der Klägerin durchzusetzen (so auch BFH in BFH/NV 2005, 186). |
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| Ein Schaden des FA ist auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des 7. Senats des BFH (BFH-Urteil vom 18. Dezember 2001 VII R 56/99, BStBl II 2002, 214) zur Wirkung des Wechsels der Veranlagungsart in Bezug auf vorherige Vollstreckungsmaßnahmen der Finanzverwaltung anzunehmen. Danach bleiben bereits durchgeführte Vollstreckungsmaßnahmen unbeschadet eines Wechsels von der Zusammenveranlagung zur getrennten Veranlagung bestehen, da der Zusammenveranlagungsbescheid seine Wirkung nur für die Zukunft, d.h. insoweit er noch nicht vollzogen ist, verliert. Im Streitfall hingegen wurden die festgesetzten Einkommensteuern sämtlich durch freiwillige Zahlungen auf die Steuerschuld getilgt, so dass diese Rechtsprechung keine Anwendung findet. |
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| Der Senat sieht davon ab, die Frage weiter zu vertiefen, ob in Fällen wie dem Streitfall ein Schaden des FA möglicherweise aus anderen ausschließlich das Erhebungsverfahren betreffenden Gründen zu verneinen ist. In diesem Zusammenhang könnte sich die Frage stellen, ob eine Anrechnung der hälftigen Einkommensteuerzahlungen des E auf die Steuerschuld der Klägerin nicht deshalb unterbleiben müsste, weil der Zusammenveranlagungsbescheid im Erhebungsverfahren seine Wirkung nur für die Zukunft verliert (so BFH in BStBl II 2004, 214) und daher die schuldtilgende Wirkung der auf die Gesamtschuld geleisteten Steuerzahlungen auch nach rückwirkender Aufhebung der Steuerbescheide ebenso bestehen blieben wie Vollstreckungsmaßnahmen. Letztlich würden derartige Überlegungen den Interessen der Klägerin, die die getrennte Veranlagung ausschließlich wegen ihrer Wirkung auf das Erhebungsverfahren gewählt hat und hierbei eine insgesamt höhere Steuer in Kauf nimmt, zuwider laufen und den Streit der Beteiligten lediglich auf eine andere Ebene, die des Erhebungsverfahrens verlagern. |
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| dd) Der Senat kommt bei Berücksichtigung der Umstände des Streitfalles zu dem Ergebnis, dass die Klägerin mit dem erstmaligen Wechsel zur getrennten Veranlagung nach Ergehen (abhelfender und zu Steuererstattungen führender) Änderungsbescheide das ihr nach § 26 Abs. 2 EStG zustehende Wahlrecht im Hinblick auf das zuvor beantragte Nachlasskonkursverfahren über das Vermögen des E erkennbar gegen seinen Zweck ausgeübt hat und sich damit einen Vorteil verschaffen wollte, den das Gesetz den Steuerpflichtigen mit dem -nach der Rechtsprechung unbefristeten und mehrfach änderbaren- Wahlrecht zwischen getrennter und Zusammenveranlagung nicht einräumen wollte, und der den Wertungen des Gesetzgebers, die dieser und anderen Vorschriften zugrunde liegt, zuwiderläuft. |
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| Das Gesetz geht davon aus, dass die Erhebung der Einkommensteuer durch die Ausübung des Wahlrechts nicht beeinflusst wird (BFH in BFH/NV 2005, 186). Diesem Anliegen wird im Festsetzungsverfahren durch die mit Ausübung des Wahlrechts eintretende Ablaufhemmung der Festsetzungsverjährung gegenüber dem anderen Ehegatten Rechnung getragen. Damit wird erreicht, dass nach Wahl der getrennten Veranlagung durch einen Ehegatten auch gegenüber dem anderen Ehegatten noch eine getrennte Veranlagung durchgeführt werden kann und die auf ihn entfallende Steuer festgesetzt und erhoben werden kann. In Bezug auf das Erhebungsverfahren wird dies dadurch erreicht, dass einem Wechsel zur getrennten Veranlagung nach vorheriger Zusammenveranlagung für Zwecke der Vollstreckung Wirkung nur für die Zukunft, d.h. insoweit, als der Zusammenveranlagungsbescheid noch nicht vollzogen ist, zugesprochen wird (BFH in BStBl II 2002, 214). Allerdings weist eine verallgemeinernde Übernahme dieser Aussage für das gesamte Erhebungsverfahren, also auch für freiwillig geleistete Einkommensteuer(voraus)zahlungen, insoweit Unstimmigkeiten auf, als im Festsetzungsverfahren der Zusammenveranlagungsbescheid nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO rückwirkend aufzuheben ist und getrennte Veranlagungen einschließlich der nach § 36 EStG vorzunehmenden Anrechnung und erstmaligen Aufteilung der geleisteten Steuerzahlungen und Steuerabzugsbeträge durchzuführen sind. |
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| Die Wahl der getrennten Veranlagung durch die Klägerin erfolgt zu einem Zeitpunkt, an dem feststeht, dass aus der Konkursmasse des Nachlasskonkursverfahrens die bis dahin angemeldeten bevorrechtigten Forderungen des Finanzamts nicht vollständig bezahlt werden können (Vollstreckungsakte Bd. 1 -rote Klebezettel-). Wirtschaftlich macht die Wahl der getrennten Veranlagung nur deshalb Sinn, weil die aus den getrennten Veranlagungen resultierenden Nachzahlungsansprüche des FA dauerhaft nicht zu realisieren sind und die Klägerin wegen des Todes des E und des abgeschlossenen Nachlasskonkursverfahrens zivilrechtliche Klagen des E auf Erteilung der Zustimmung zur Zusammenveranlagung nach § 1353 BGB oder auf Schadensersatz wegen Verweigerung der Zustimmung zur steuerlichen Zusammenveranlagung nicht befürchten muss. Tod des E und das von der Klägerin beantragte Nachlasskonkursverfahren führen zu den von der Klägerin mit dem Wechsel der Veranlagungsart beabsichtigten Folgen für das Erhebungsverfahren. Im Regelfall verhindert der insoweit vorliegende Interessengegensatz zwischen den Ehegatten, dass die getrennte Veranlagung allein aufgrund der Auswirkungen auf das Erhebungsverfahren gewählt wird. Denn kein Ehegatte wird es hinnehmen, infolge der Wahl der getrennten Veranlagung durch den anderen Ehegatten im Ergebnis zweimal zur Zahlung der Steuer herangezogen zu werden, ohne dass zivilrechtlich ein Ausgleich erfolgt. Im Streitfall hingegen versagt dieses Korrektiv aus Gründen, die der Klägerin und Erbin des E zuzurechnen bzw. von ihr zu verantworten sind. |
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| Des Weiteren ist es nicht Sinn der nach der Rechtsprechung des BFH vorzunehmenden hälftigen Aufteilung von Einkommensteuerzahlungen zwischen Ehegatten nach Durchführung getrennter Veranlagungen dem einen Ehegatten zu Lasten des Fiskus einen Vermögensvorteil zukommen zu lassen. Vielmehr soll der Finanzverwaltung die im Einzelfall schwierige Prüfung erspart bleiben, welcher Ehegatte die Zahlung auf wessen Rechnung geleistet hat. |
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| Schließlich ist zu berücksichtigen, dass im Erhebungsverfahren eine Frist von fünf Jahren für die Verjährung von Zahlungsansprüchen gilt, die mit Ablauf des Kalenderjahres beginnt, in dem der Anspruch erstmals fällig geworden ist (§ 228 AO). Das Institut der Zahlungsverjährung soll dafür sorgen, dass nach Ablauf einer angemessenen Frist endgültig Rechtssicherheit darüber einkehrt, was der Steuerpflichtige aufgrund einer Steuerfestsetzung unter Berücksichtigung anzurechnender Vorauszahlungen und Abzugssteuern noch zu zahlen hat bzw. was ihm zu erstatten ist. Das schließt es nicht nur aus, fällig gewordene steuerliche Ansprüche nach Ablauf der vom Gesetz in diesem Zusammenhang festgelegten Fünf-Jahres-Frist noch geltend zu machen, sondern auch, auf fällig gewordene Steuern nach Ablauf dieser Frist etwas anzurechnen und dadurch Erstattungsansprüche i.S. des § 37 Abs. 2 AO auszulösen (BFH-Urteil 12. Februar 2008 VII R 33/06, BStBl II 2008, 504). Auch dieser gesetzlichen Wertung widerspricht es, wenn mit einem nach Erlass begünstigender Bescheide erfolgten Wechsel zur getrennten Veranlagung zum einen Erstattungsansprüche zur Entstehung gebracht werden, die auf über fünf Jahre davor festgesetzten und geleisteten Steuerzahlungen beruhen, zum andern bereits gezahlte Steuern zwar ein zweites Mal gefordert, jedoch nicht beigetrieben werden könnten. |
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| Angesichts der nicht in Übereinstimmung mit den Wertungen des Gesetzes stehenden und von daher als unangemessen zu bewertenden Steuervorteile aufgrund der Wahl der getrennten Veranlagung, kann sich die Klägerin nicht darauf berufen, dass sie von einer im Steuergesetz vorgesehenen Gestaltungsmöglichkeit Gebrauch macht. Denn § 42 AO erfasst gerade die Fälle, in denen gesetzlich zulässige rechtliche Gestaltungen gewählt werden, die im Einzelnen nicht zu beanstanden sind, in ihrer Gesamtheit aber nur dazu dienen, Steuern zu vermeiden, sei es durch eine niedrigere Steuerfestsetzung oder durch eine Vereitelung der Beitreibung. Das nur unter steuerlichen Aspekten sinnvolle Zusammentreffen mehrerer im Einzelnen gesetzmäßiger Verhaltensweisen oder Gestaltungen in der ausschließlichen Absicht, die Festsetzung der Steuer oder die Steuerzahlung zu vermeiden, soll nach § 42 AO steuerrechtlich wirkungslos bleiben. Diesem Gesetzeszweck kann nicht mit Erfolg die Rechtmäßigkeit jedes Einzelaktes des Gesamtwerkes entgegengehalten werden, andernfalls liefe die Vorschrift als Ganzes ins Leere (BFH in BFH/NV 2005, 186). Gerade weil das Gesetz es Eheleuten ohne Bindung an zeitliche Grenzen ermöglicht, die Veranlagungsart zu wechseln, ist nach Maßgabe des § 42 AO zu überprüfen, ob ein solcher Antrag im Einzelfall mit den Wertungen des Gesetzgebers in Übereinstimmung steht oder nicht. |
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| ee) Bei missbräuchlichen Gestaltungen entsteht der Steueranspruch so, wie er bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen rechtlichen Gestaltung entsteht (§ 42 Satz 2 AO). Da die Zusammenveranlagungen im Streitfall insgesamt jeweils zu niedrigeren Steuerfestsetzungen führen als getrennte Veranlagungen, ist die Zusammenveranlagung den wirtschaftlichen Vorgängen angemessen. |
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