Kapitalanleger: Antrag auf Günstigerprüfung auch noch nachträglich möglich?
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Zum Hintergrund: Grundsätzlich ist die Einkommensteuer auf Kapitalerträge mit der Abgeltungsteuer abgegolten. Hiervon gibt es allerdings Ausnahmen. So kann z.B. bei der Einkommensteuerveranlagung die Günstigerprüfung beantragt werden. Dies lohnt sich, wenn der persönliche Grenzsteuersatz unter 25 Prozent liegt.
Grobe Richtschnur: Der persönliche Grenzsteuersatz liegt unter 25 Prozent, wenn das zu versteuernde Einkommen unter 15.700 EUR (Einzelveranlagung) bzw. 31.400 EUR (Zusammenveranlagung) liegt.
Im letzten Jahr hat das Finanzgericht Niedersachsen entschieden, dass der Anwendungsbereich für eine nachträgliche Günstigerprüfung im Streitfall nur dann eröffnet sei, wenn der Antrag nicht fristgebunden wäre. Eine Entscheidung hierzu trafen die Richter jedoch nicht. Denn selbst in diesem Fall komme, so das Finanzgericht, eine Änderung nicht in Betracht, da die Steuerpflichtige ein grobes Verschulden am nachträglichen Bekanntwerden der neuen Tatsachen treffen würde.
Hinweis: Das Finanzgericht hatte keine Revision zugelassen, sodass die Steuerpflichtige eine Nichtzulassungsbeschwerde einlegte, die schließlich Erfolg hatte. Da das Verfahren nunmehr beim Bundesfinanzhof anhängig ist, können geeignete Fälle offengehalten werden (OFD Rheinland, Kurzinfo ESt Nr. 007/2013; FG Niedersachsen, 2 K 250/11, Rev. BFH VIII R 14/13).
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Tenor
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Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 23. Mai 2012 2 K 250/11 wird als unbegründet zurückgewiesen.
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Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Tatbestand
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I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) erzielte im Streitjahr 2010 Kapitalerträge i.S. des § 20 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Die Schuldnerin der Kapitalerträge wies in der von ihr erstellten Steuerbescheinigung Einkünfte aus Kapitalvermögen in Höhe von 1.523,72 € sowie einbehaltene und abgeführte Kapitalertragsteuer in Höhe von 380,93 € zzgl. 20,95 € Solidaritätszuschlag aus. Den Sparer-Pauschbetrag nahm die Klägerin nicht in Anspruch. In der von einem Steuerberater gefertigten Einkommensteuererklärung für 2010 erklärte sie Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit und aus einer Leibrente. Zu den erzielten Kapitaleinkünften machte sie keine Angaben. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) setzte die Einkommensteuer 2010 erklärungsgemäß in Höhe von 0 € fest. Die Veranlagung erfolgte --abgesehen von das vorliegende Verfahren nicht betreffenden programmierten Vorläufigkeitsgründen-- endgültig.
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Nach Eintritt der Unanfechtbarkeit der Einkommensteuerfestsetzung für 2010 beantragte die Klägerin unter Vorlage der Steuerbescheinigung über die von ihr erzielten Kapitalerträge sowie die anrechenbaren Abzugsbeträge die sog. Günstigerprüfung nach § 32d Abs. 6 EStG. Das FA lehnte eine Änderung des bestandskräftigen Einkommensteuerbescheids und eine Anrechnung der Kapitalertragsteuer auf die Einkommensteuerschuld ab. Die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage hat das Finanzgericht (FG) mit Urteil vom 23. Mai 2012 2 K 250/11 abgewiesen.
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Die Klägerin trägt zur Begründung ihrer Revision vor, der Antrag auf Günstigerprüfung sei unbefristet und könne auch nach der Unanfechtbarkeit der Einkommensteuerfestsetzung gestellt werden. Entgegen der Auffassung des FG sei Rechtsgrundlage für eine Korrektur des Bescheids § 173 Abs. 1 Nr. 1 und nicht Nr. 2 der Abgabenordnung (AO), da die Änderung zu einer höheren Steuer führe. Die Anrechnung der Kapitalertragsteuer dürfe bei der Frage, ob die dem FA erst nachträglich bekannt gewordenen Kapitaleinkünfte zu einer höheren oder niedrigeren Steuer führten, nicht berücksichtigt werden, da Festsetzungs- und Erhebungsverfahren getrennt zu betrachten seien. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 16. März 1990 VI R 90/86 (BFHE 160, 213, BStBl II 1990, 610), dem eine mit dem vorliegenden Fall nicht vergleichbare Nettolohnvereinbarung zugrunde gelegen habe.
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Die Klägerin beantragt,
unter Aufhebung des angefochtenen Urteils der Vorinstanz, der Einspruchsentscheidung vom 24. August 2011 und des Ablehnungsbescheids vom 10. Juni 2011 das FA zu verpflichten, den Einkommensteuerbescheid für 2010 vom 3. März 2011 dahingehend zu ändern, dass bei der Festsetzung der tariflichen Einkommensteuer die bisher nicht erklärten Kapitalerträge in Höhe von 1.523 € berücksichtigt werden.
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Das FA beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
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II. Die Revision ist unbegründet und nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen. Das FG ist im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass die von der Klägerin beantragte Günstigerprüfung nach § 32d Abs. 6 EStG zu keiner Änderung des unanfechtbaren Einkommensteuerbescheids für 2010 führt. Zwar ist der Antrag unbefristet. Jedoch liegen die Voraussetzungen für eine Änderung des bestandskräftigen Bescheids nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO oder § 175 Abs. 1 AO nicht vor.
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1. Der Antrag auf Günstigerprüfung nach § 32d Abs. 6 EStG ist unbefristet, so dass er von der Klägerin auch nach Eintritt der Unanfechtbarkeit der Einkommensteuerfestsetzung gestellt werden konnte.
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a) Dem Wortlaut des § 32d Abs. 6 EStG lässt sich eine Befristung der Antragstellung nicht entnehmen. Während bei den Antragsrechten gemäß § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 4 und Abs. 4 EStG im Gesetz ausdrücklich angeordnet wurde, dass der Antrag spätestens zusammen mit der Einkommensteuererklärung für den jeweiligen Veranlagungszeitraum zu stellen ist, findet sich eine derartige Einschränkung bei Abs. 6 der Regelung nicht. Zudem schließt dieser die Anwendung des Abs. 4 ausdrücklich aus.
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b) Für dieses Auslegungsergebnis spricht auch die Entstehungsgeschichte des Gesetzes. Zwar sollte nach der Begründung zum Gesetzentwurf (BTDrucks 16/4841, S. 62) der Steuerpflichtige die Wahlmöglichkeit im Rahmen seiner Veranlagung geltend machen. Diese zeitliche Begrenzung ist jedoch in § 32d Abs. 6 EStG, anders als in Abs. 2 Nr. 3 und Abs. 4 der Vorschrift, nicht Gesetz geworden.
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c) Danach handelt es sich bei dem Antrag auf Günstigerprüfung nach § 32d Abs. 6 EStG um ein unbefristetes Wahlrecht, das bis zum Eintritt der Festsetzungsverjährung ausgeübt werden kann (so auch Koss in Korn, § 32d EStG Rz 109; Oellerich in Bordewin/Brandt, § 32d EStG Rz 121; Hechtner, Neue Wirtschafts-Briefe --NWB-- 2011, 1769, 1770 f.; Sikorski, NWB 2011, 1064, 1067; a.A. Schmidt/Weber-Grellet, EStG, 34. Aufl., § 32d Rz 22; Blümich/Werth, § 32d EStG Rz 161; Baumgärtel/ Lange in Herrmann/Heuer/Raupach, § 32d EStG Rz 85; Harenberg/ Zöller, Abgeltungsteuer 2011, 3. Aufl., S. 137; Steinlein/ Storg/Tischbein, Die Abgeltungsteuer in der Praxis, Rz 190; Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 22. Dezember 2009 IV C 1-S 2252/08/10004, BStBl I 2010, 94, und vom 9. Oktober 2012 IV C 1-S 2252/10/10013, BStBl I 2012, 953, jeweils Rz 149).
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2. Allerdings führt der Antrag auf Günstigerprüfung nach § 32d Abs. 6 EStG nur dann dazu, dass die bislang gemäß §§ 32d Abs. 1, 43 Abs. 5 EStG abgegolten besteuerten Kapitaleinkünfte den Einkünften i.S. des § 2 EStG hinzugerechnet und der tariflichen Einkommensteuer unterworfen werden, wenn die Voraussetzungen für eine Änderung des Steuerbescheids vorliegen. Insoweit ergibt sich eine zeitliche Begrenzung der Wahlrechtsausübung aus dem allgemeinen verfahrensrechtlichen Institut der Bestandskraft. Könnten antragsgebundene Vergünstigungen des EStG ohne weiteres nach Bestandskraft der Steuerfestsetzung geltend gemacht werden, liefe dies auf eine Aushöhlung der Vorschriften der AO über die Korrektur von Steuerbescheiden hinaus (BFH-Urteile vom 28. September 1984 VI R 48/82, BFHE 141, 532, BStBl II 1985, 117; vom 21. Juli 1989 III R 303/84, BFHE 157, 488, BStBl II 1989, 960; vom 24. März 1998 I R 20/94, BFHE 185, 451, BStBl II 1999, 272; vom 30. August 2001 IV R 30/99, BFHE 196, 507, BStBl II 2002, 49).
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3. Die Regelung des § 32d Abs. 6 EStG selbst ist keine Rechtsgrundlage für eine Änderung der Einkommensteuerfestsetzung. Sie soll nicht zur Korrektur einer rechtswidrigen Einkommensteuerfestsetzung führen, sondern ist als Billigkeitsmaßnahme zu verstehen, mit der Steuerpflichtige, deren Steuersatz noch niedriger als 25 % liegt, eine weitere Begünstigung erfahren (Senatsurteil vom 28. Januar 2015 VIII R 13/13, BFHE 249, 125, BStBl II 2015, 393).
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4. Das FG ist im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass als Rechtsgrundlage für eine Korrektur der Einkommensteuerfestsetzung § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO einschlägig ist, eine Änderung jedoch aufgrund des groben Verschuldens der Klägerin am nachträglichen Bekanntwerden der Kapitaleinkünfte ausgeschlossen ist.
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a) Steuerbescheide sind nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO zu ändern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer niedrigeren Steuer führen und den Steuerpflichtigen kein grobes Verschulden daran trifft, dass die Tatsachen oder Beweismittel erst nachträglich bekannt werden. Dabei steht nach ständiger Rechtsprechung des BFH die erstmalige Ausübung eines nicht fristgebundenen steuerlichen Wahlrechts nach Bestandskraft der Einkommensteuerfestsetzung einer Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO nicht entgegen (BFH-Urteile in BFHE 141, 532, BStBl II 1985, 117; in BFHE 157, 488, BStBl II 1989, 960).
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b) Tatsache im Sinne dieser Vorschrift ist alles, was Merkmal oder Teilstück eines gesetzlichen Steuertatbestandes sein kann, also Zustände, Vorgänge, Beziehungen, Eigenschaften materieller oder immaterieller Art (vgl. BFH-Urteil vom 30. Oktober 2003 III R 24/02, BFHE 204, 10, BStBl II 2004, 394, m.w.N.). Der nach Eintritt der Unanfechtbarkeit der Festsetzung gestellte Antrag auf Günstigerprüfung nach § 32d Abs. 6 EStG ist als Verfahrenshandlung keine nachträglich bekannt gewordene Tatsache, wohl aber der der Steuervergünstigung zugrunde liegende Sachverhalt, der zu einer Änderung der Einkommensteuerfestsetzung führen kann (vgl. BFH-Urteile in BFHE 141, 532, BStBl II 1985, 117; in BFHE 204, 10, BStBl II 2004, 394). Dies ist im vorliegenden Fall die dem FA erst nach der Einkommensteuerfestsetzung bekannt gewordene Tatsache, dass die Klägerin Kapitaleinkünfte erzielt hat, die nach § 32d Abs. 1 EStG dem Abgeltungsteuersatz unterlegen haben. Diese Tatsache ist auch rechtserheblich, weil die Ausübung des Wahlrechts nach § 32d Abs. 6 EStG nicht fristgebunden ist (vgl. BFH-Urteil in BFHE 141, 532, BStBl II 1985, 117).
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c) Entgegen der Auffassung der Klägerin führen diese nachträglich bekannt gewordenen Tatsachen zu einer niedrigeren Steuer, so dass für eine Korrektur die Voraussetzungen des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO erfüllt sein müssen.
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aa) Dies ergibt sich aus dem Wortlaut des § 32d Abs. 6 Satz 1 EStG. Danach werden auf Antrag des Steuerpflichtigen die nach § 20 EStG ermittelten Einkünfte nur dann nicht der Abgeltungsteuer nach § 32d Abs. 1 EStG, sondern den Einkünften i.S. des § 2 EStG hinzugerechnet und der tariflichen Einkommensteuer nach § 32a EStG unterworfen, wenn dies zu einer niedrigeren Einkommensteuer einschließlich der Zuschlagsteuern führt. Das Gesetz ordnet danach für die Günstigerprüfung eine Gesamtbetrachtung an, die auch hinsichtlich der Frage, ob die nachträglich bekannt gewordene Tatsache der Erzielung von Kapitaleinkünften nach § 173 Abs. 1 AO zu einer höheren (Nr. 1) oder niedrigeren Steuer (Nr. 2) führt, nicht unberücksichtigt bleiben kann. Vergleichsmaßstab für eine Korrektur nach § 173 AO ist aufgrund der Besonderheiten, die mit der Einführung des gesonderten Tarifs für Kapitaleinkünfte nach § 32d Abs. 1 EStG als Schedule verbunden sind, in diesem Fall nicht allein die im zu ändernden Einkommensteuerbescheid festgesetzte Steuer. Zu berücksichtigen ist nach § 32d Abs. 6 Satz 1 EStG vielmehr auch die durch den Abzug vom Kapitalertrag nach § 43 Abs. 5 EStG abgegoltene Einkommensteuer.
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bb) Bei der danach anzustellenden Gesamtbetrachtung führen die nachträglich bekannt gewordenen Tatsachen im vorliegenden Fall zu einer insgesamt niedrigeren Steuer. Bisher waren bei der Einkommensteuerfestsetzung nur die von der Klägerin erklärten Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit und aus einer Leibrente erfasst worden und die Kapitaleinkünfte mit dem gesonderten Steuersatz des § 32d Abs. 1 EStG in Höhe von 25 % abgegolten besteuert worden. Dies ergibt in der Summe eine höhere Einkommensteuer als bei der Hinzurechnung der Kapitaleinkünfte zu den tariflich besteuerten Einkünften nach §§ 2, 32a EStG, da der progressive Steuersatz der Klägerin im Streitjahr unter 25 % lag. Auf die Frage, ob --wie vom FG angenommen-- aufgrund der Verklammerung von Festsetzungs- und Erhebungsverfahren durch § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG in den Vergleich auch anzurechnende Abzugsbeträge einzubeziehen sind (so BFH-Urteil in BFHE 160, 213, BStBl II 1990, 610; vgl. auch Senatsurteil vom 7. Mai 2013 VIII R 17/09, BFH/NV 2013, 1581), kommt es nicht an.
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d) Voraussetzung für eine Korrektur der Einkommensteuerfestsetzung nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO ist, dass die Klägerin kein grobes Verschulden daran trifft, dass dem FA die erzielten Kapitaleinkünfte erst nach der Einkommensteuerfestsetzung bekannt geworden sind. Dies hat das FG in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise verneint.
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aa) Grobes Verschulden im Sinne der maßgeblichen Vorschrift setzt Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit voraus. Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn ein Steuerpflichtiger die ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten und Verhältnissen zumutbare Sorgfalt in ungewöhnlichem, nicht entschuldbarem Maße verletzt. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen ist im Wesentlichen eine Tatfrage. Die hierzu vom FG aufgrund der von ihm getroffenen tatsächlichen Feststellungen vorgenommene Würdigung darf --abgesehen von zulässigen oder begründeten Verfahrensrügen-- in der Revisionsinstanz nur daraufhin überprüft werden, ob der Rechtsbegriff des Vorsatzes bzw. der groben Fahrlässigkeit richtig erkannt worden ist und ob die Würdigung der Umstände hinsichtlich des individuellen Verschuldens den Denkgesetzen und Erfahrungssätzen entspricht (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Urteil vom 8. Dezember 1998 IX R 14/97, BFH/NV 1999, 743, m.w.N.).
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bb) Danach ist die Beurteilung des FG, die Klägerin treffe grobes Verschulden, nicht zu beanstanden. Da die Steuerbescheinigung bereits vor der Abgabe der Einkommensteuererklärung vorlag, hätte die Klägerin den mit der Erstellung der Einkommensteuererklärung beauftragten Steuerberater über die erzielten Kapitaleinkünfte unterrichten müssen. Sollte sie dies getan haben, wäre dessen schuldhafte Verletzung der Pflicht, dem FA diese Tatsache vor der Unanfechtbarkeit der Steuerfestsetzung mitzuteilen, der Klägerin wie eigenes Verschulden zuzurechnen (vgl. BFH-Urteile vom 9. November 2011 X R 53/09, BFH/NV 2012, 545; vom 9. Mai 2012 I R 73/10, BFHE 238, 1, BStBl II 2013, 566).
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5. Eine Änderung der Einkommensteuerfestsetzung kommt auch nicht wegen eines rückwirkenden Ereignisses nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO in Betracht.
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a) Danach kann ein Steuerbescheid geändert werden, wenn ein Ereignis eintritt, das steuerliche Wirkung für die Vergangenheit hat. Ob ein Ereignis ausnahmsweise steuerlich in die Vergangenheit zurückwirkt, richtet sich allein nach den Normen des jeweils einschlägigen materiellen Steuerrechts (Beschluss des Großen Senats des BFH vom 19. Juli 1993 GrS 2/92, BFHE 172, 66, BStBl II 1993, 897, unter C.II.1.c, m.w.N.). Es muss ein Bedürfnis bestehen, eine schon bestandskräftig getroffene Regelung an die nachträgliche Sachverhaltsänderung anzupassen (BFH-Urteil vom 12. Juli 1989 X R 8/84, BFHE 157, 484, BStBl II 1989, 957, unter 1.a). Dies ist vorliegend jedoch nicht der Fall.
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b) Allein die Vorlage der Steuerbescheinigung über die erzielten Kapitaleinkünfte ist kein rückwirkendes Ereignis im Sinne der Vorschrift. Dies wird durch § 175 Abs. 2 Satz 2 AO ausdrücklich angeordnet. Auch der Antrag auf Günstigerprüfung nach Eintritt der Bestandskraft ist kein rückwirkendes Ereignis. Da die Voraussetzungen für eine Ausübung des Wahlrechts nach § 32d Abs. 6 EStG bereits vor Eintritt der Bestandskraft vorlagen, besteht kein Bedürfnis, den erst nach Eintritt der Bestandskraft gestellten Antrag zurückwirken zu lassen (vgl. BFH-Urteil vom 20. August 2014 X R 33/12, BFHE 247, 105, BStBl II 2015, 138).
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6. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.