Internetrecht: Streitwert für 7 Musiktitel auf 70.000 Euro festgesetzt

published on 05/12/2013 15:03
Internetrecht: Streitwert für 7 Musiktitel auf 70.000 Euro festgesetzt
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Author’s summary by Film-, Medien- und Urheberrecht

Zur Störerhaftung der Erziehungsberechtigten.
Das LG Köln hat mit dem Urteil vom 28.02.2007 (Az: 28 O 10/07) folgendes entschieden:

Die einstweilige Verfügung der Kammer vom 08.01.2007 (Az.: 28 O 10/07) wird bestätigt.

Die weiteren Kosten des Verfahrens trägt die Verfügungsbeklagte.


Tatbestand

Die Verfügungsklägerin ist eine Tonträgerherstellerin und Inhaberin der ausschließlichen Vervielfältigungs- und Verbreitungsrechte für die aus dem Tenor der einstweiligen Verfügung vom 08.01.2006 ersichtlichen Musiktitel der Künstlergruppen „Lauf“, auch bekannt als „Tokio Hotel“, und „Ich #und# Ich“ für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland.

Am 07.07.2006 um 11:32 Uhr wurden unter der IP-Nummer: „XXXXXXXXXX“ 373 Audiodateien im Rahmen eines Filesharing-Systems im Internet zum Herunterladen verfügbar gemacht, darunter die aus dem Tenor der einstweiligen Verfügung vom 08.01.2007 ersichtlichen Musiktitel. Die IP-Adresse konnte dem Telefon-/Internetanschluss der Verfügungsbeklagten zugeordnet werden. Der Computer, auf dem die Audiodateien gefunden wurden, steht im Eigentum der Verfügungsbeklagten, wird jedoch in etwa gleichem Umfang von deren 17jähriger Tochter genutzt. Der Verfügungsbeklagten wurde seitens der Verfügungsklägerin keine Genehmigung erteilt, die aus dem Tenor ersichtlichen Musiktitel zu vervielfältigen, zu verbreiten oder öffentlich zugänglich zu machen.

Gegen die Verfügungsbeklagte wurde bei der Staatsanwaltschaft Bonn unter dem Aktenzeichen 400 Js 1340/06 ein Ermittlungsverfahren wegen Urheberrechtsverletzungen eingeleitet. Mit Einsichtnahme in die Ermittlungsakte am 14.12.2006 erhielt die Verfügungsklägerin erstmals Kenntnis von den vollständigen persönlichen Daten der Verfügungsbeklagten.

Die Verfügungsbeklagte wurde mit Schreiben vom 18.12.2006 unter Fristsetzung auf den 28.12.2006 abgemahnt. Die Abgabe einer Unterlassungsverpflichtungserklärung wurde seitens der Verfügungsbeklagten mit anwaltlichem Schreiben vom 27.12.2006 abgelehnt.

Die Verfügungsklägerin ist der Auffassung, die Verfügungsbeklagte hafte unabhängig davon, ob sie selbst die Rechtsverletzungen begangen habe oder ihre minderjährige Tochter jedenfalls unter dem Gesichtspunkt der Störerhaftung für die über ihren Internetanschluss begangenen Urheberrechtsverletzungen.

Auf den Antrag der Verfügungsklägerin hat die Kammer der Verfügungsbeklagten mit Beschluss vom 08.01.2007 (Az.: 28 O 10/07) unter Androhung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 € und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, der Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, für jeden Fall der Zuwiderhandlung verboten, die Musikaufnahmen: 1. Rette mich, 2. Der letzte Tag, 3. Jung und nicht mehr jugendfrei, 4. Leb die Sekunde der Künstlergruppe „Lauf“, auch bekannt als „Tokio Hotel“, sowie die Aufnahmen 5. Du erinnerst mich an Liebe, 6. Dienen, 7. Umarme mich der Künstlergruppe „Ich #und# Ich“ auf einem Computer zum Abruf durch andere Teilnehmer von Filesharing-Systemen bereitzustellen und damit der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Hiergegen richtet sich der Widerspruch der Verfügungsbeklagten.

Die Verfügungsklägerin beantragt, die einstweilige Verfügung der Kammer vom 08.01.2007 zu bestätigen.

Die Verfügungsbeklagte beantragt, die einstweilige Verfügung vom 08.01.2007 aufzuheben und den Antrag auf ihren Erlass zurückzuweisen.

Die Verfügungsbeklagte bestreitet die Passivlegitimation. Sie ist der Auffassung, sie hafte für die über ihren Computer begangenen Urheberrechtsverletzungen nicht. Hierzu trägt sie vor, sie wisse nicht, welche Programme und Dateien ihre minderjährige Tochter auf den Computer geladen habe. Sie könne auch nicht im zumutbaren Bereich der Aufsichtspflichten als Erziehungsberechtigte zur Verantwortung gezogen werden. Die Verfügungsklägerin wendet ein, sie habe ihrer Tochter vor Nutzung des Internet und damit vor Entstehung der Gefahr, durch die die Verfügungsklägerin angeblich geschädigt worden sei, ausdrücklich untersagt, kostenpflichtige Seiten im Internet anzuwählen sowie kostenpflichtige Programme zu nutzen und der Tochter auferlegt, sich bei der Nutzung des Internet an die zulässigen Verhaltensweisen zu halten. Die Verfügungsbeklagte ist der Auffassung, damit alles Zumutbare getan zu haben, um Urheberrechtsverletzungen zu unterbinden. Die Verfügungsbeklagte wendet ein, die öffentliche Diskussion über Musiktauschbörsen sei ihr nicht bekannt gewesen und auch nicht bekannt sein müssen, da sie erst Anfang 2006 einen Computer angeschafft habe. Der Computer sei von einem sachkundigen Verwandten eingerichtet worden. Die Verfügungsbeklagte habe in dem ihr erklärten Umfang alle Vorsichtsmaßnahmen eingerichtet, so habe sie zur Kostenbegrenzung eine sog. Flatrate eingerichtet. Sie kontrolliere die Tochter unregelmäßig und sie achte darauf, ob ihr etwas Neues am Computer auffalle, wenn sie selbst den Computer nutze. Konkrete Anhaltspunkte für Urheberrechtsverstöße habe sie zu keinem Zeitpunkt gehabt. Die Verfügungsbeklagte ist der Auffassung, es sei ihr nicht zumutbar, sich einen regelmäßigen Überblick über die auf dem Computer verwendeten Programme zu verschaffen. Dies übersteige auch die Kenntnisse und Möglichkeiten eines durchschnittlichen Computernutzers. Die Verfügungsklägerin ignoriere mit ihrem Verhalten den gesetzlichen Minderjährigenschutz.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze sowie die zu den Akten gereichten Urkunden Bezug genommen.


Entscheidungsgründe

Die einstweilige Verfügung der Kammer vom 08.01.2007 wird bestätigt.

Das Vorliegen eines Verfügungsgrundes sowie eines Verfügungsanspruchs sind glaubhaft gemacht.

Der Verfügungsgrund besteht. Die Verfügungsklägerin hat glaubhaft gemacht, dass sie erstmals mit Einsichtnahme in die staatsanwaltliche Ermittlungsakte am 14.12.2006 Kenntnis von den vollständigen persönlichen Daten der Verfügungsbeklagten erhielt. Am 18.12.2006 wurde die Verfügungsbeklagte unter Fristsetzung bis zum 28.12.2006 abgemahnt. Nach Verweigerung der Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungsverpflichtungserklärung unter dem 27.12.2006 ist am 05.01.2007 Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gestellt worden.

Auch ein Verfügungsanspruch besteht. Die Verfügungsklägerin hat durch eidesstattliche Versicherung von Frank M. und Vorlage von Screenshots glaubhaft gemacht, dass von der IP-Adresse XXXXXXXXXX am 07.07.2006 insgesamt 373 Audio-Dateien in dem dafür vorgesehenen Verzeichnis des Computers der Verfügungsbeklagten aufgespielt waren und anderen Gnutella Nutzern verfügbar gemacht worden sind. Sie hat weiterhin durch eidesstattliche Versicherung von Frank M. glaubhaft gemacht, dass zu Zwecken der Beweissicherung zwei Musiktitel heruntergeladen worden sind. Quelle dieser beiden Musiktitel war die oben genannte IP-Adresse. Nach dem Inhalt der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakte ist die oben genannte IP-Adresse dem Internetanschluss der Verfügungsbeklagten zugeordnet. Dies hat die Verfügungsbeklagte auch nicht bestritten. Das erfolgte (vage) Bestreiten der Verfügungsbeklagten hinsichtlich der öffentlichen Zugänglichmachung der streitgegenständlichen Musiktitel ist bereits mangels hinreichender Substantiierung nicht rechtserheblich und daher nicht ausreichend, die erfolgte Glaubhaftmachung zu erschüttern. Es steht auch im Widerspruch zu der von der Verfügungsbeklagten vorgelegten eidesstattlichen Versicherung der Tochter der Verfügungsbeklagten, die erklärt hat, ein Filesharingprogramm auf den Computer geladen und die Grundeinstellungen beim erstmaligen Betrieb des Programms vorgenommen zu haben. Auf welchem Weg die Filesharing-Software und die Audiodateien auf die Festplatte des Computers der Verfügungsbeklagten gelangt sind, ist dabei rechtlich unerheblich, da nicht das - illegale - Herunterladen, sondern allein das öffentliche Zugänglichmachen der aus dem Tenor der einstweiligen Verfügung ersichtlichen Musiktitel im Rahmen eines Filesharing-Systems als konkrete Verletzungshandlung Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist.

Bei dieser Sachlage haftet die Verfügungsbeklagte jedenfalls nach den Grundsätzen der Störerhaftung auf Unterlassung. Denn auch nach dem eigenen Vortrag der Verfügungsbeklagten war es jedenfalls kein unbekannter Dritter, sondern die im Haushalt der Verfügungsbeklagten lebende minderjährige Tochter der Verfügungsbeklagten, die die Urheberrechtsverletzung über den Computer der Verfügungsbeklagten und den ihr von der Verfügungsbeklagten zur Verfügung gestellten Internetzugang begangen hat. Im Rahmen des Unterlassungsanspruchs haftet in entsprechender Anwendung des § 1004 BGB jeder als Störer für eine Schutzrechtsverletzung, der - ohne selbst Täter oder Teilnehmer zu sein - in irgendeiner Weise willentlich und

adäquat kausal an der rechtswidrigen Beeinträchtigung mitgewirkt hat. Zwar setzt die Haftung des Störers die Verletzung von Prüfungspflichten voraus, deren Umfang im Einzelfall sich danach bestimmt, ob und inwieweit dem als Störer in Anspruch Genommenen nach den Umständen eine Prüfung zuzumuten ist. Dabei wird die Störerhaftung Dritter durch Zumutbarkeitserwägungen eingegrenzt, wobei sich die Art und der Umfang der gebotenen Kontrollmaßnahmen nach Treu und Glauben bestimmen, wie sich auch die Verpflichtung, geeignete Vorkehrungen zu treffen, durch welche die Rechtsverletzungen soweit wie möglich verhindert werden, im Rahmen des Zumutbaren und Erforderlichen zu halten hat.

Wenn die Verfügungsbeklagte Dritten, auch und gerade minderjährigen Mitgliedern ihres Haushalts, innerhalb ihres Haushalts einen Computer und einen Internetzugang zur Verfügung stellte und ihnen dadurch die Teilnahme an der Musiktauschbörse ermöglichte, dann war dieses willentliche Verhalten adäquat kausal für die Schutzrechtsverletzung. Jedenfalls seit dem Auftreten der Filesharing-Software „Napster“ im Herbst 1999 ist derartiges auch nicht mehr ungewöhnlich und wird insbesondere und gerade von Jugendlichen vielfältig in Anspruch genommen. Durch die gesetzgeberischen Bemühungen, dem entgegenzuwirken, und dem verstärkten Tätigwerden der Strafverfolgungsbehörden ist dieser Umstand in den letzten Jahren auch nachhaltig in das Bewusstsein der Öffentlichkeit gerückt worden. Diese Diskussion ist auch keineswegs Ende 2005 verstummt, sondern in dem Zeitraum seit Anfang 2006 weiterhin massiv - wenn nicht sogar verstärkt - in der Öffentlichkeit geführt worden. Vor diesem Hintergrund kann niemand - auch nicht die Verfügungsbeklagte - die Augen davor verschließen, dass das Überlassen eines Internetzugangs an Dritte, insbesondere an minderjährige Jugendliche, die nicht unwahrscheinliche Möglichkeit mit sich bringt, dass von diesen derartige Rechtsverletzungen begangen werden. Dieses Risiko löst Prüf- und Handlungspflichten desjenigen aus, der den Internetzugang ermöglicht, um der Möglichkeit solcher Rechtsverletzungen vorzubeugen.

Diesen ist die Verfügungsbeklagte bereits nach ihrem eigenen Vortrag nicht hinreichend nachgekommen. Denn insoweit hätte es der Verfügungsbeklagten nicht nur oblegen, ihrer Tochter ausdrücklich und konkret zu untersagen, Musik mittels Filesharing-Software aus dem Internet herunterzuladen, sondern weiterhin, wirksame Maßnahmen zur Verhinderung der Rechtsverletzungen zu ergreifen, wozu sie als Inhaberin des Internetanschlusses auch unzweifelhaft in der Lage war, z.B. durch Einrichten eines eigenen Benutzerkontos für ihre Tochter. Hinsichtlich dieses Benutzerkontos hätten individuelle Nutzungsbefugnisse festgelegt und dadurch etwa ein Herunterladen der Filesharing-Software verhindert werden können. Des Weiteren wäre auch die Einrichtung einer sog. „firewall“ möglich und zumutbar gewesen, durch die die Nutzung einer Filesharing-Software verhindert werden kann. Dies alles hat die Verfügungsbeklagte unstreitig nicht getan, so dass die von der Verfügungsbeklagten aufgeworfene Diskussion über die Frage, was im Falle der Ergreifung sämtlicher gebotener Vorsichtsmaßnahmen und der Überwindung derselben durch die Tochter zu gelten hat, müßig ist. Dass die oben genannten Sicherheitsmaßnahmen getroffen wurden, hat die insoweit darlegungs- und beweisbelastete Verfügungsbeklagte weder substantiiert behauptet noch glaubhaft gemacht. Der angebotene Zeugenbeweis ist im einstweiligen Verfügungsverfahren unzulässig, sofern der Zeuge - was nicht geschehen ist - nicht als präsenter Zeuge im Termin zur mündlichen Verhandlung gestellt wird. Er stellte sich zudem im vorliegenden Fall mangels substantiierter Behauptung als Ausforschungsbeweis dar. Die Verfügungsbeklagte hat vielmehr nach ihrem eigenen Vortrag den in ihrem Privathaushalt genutzten und in ihrer Verfügungsgewalt stehenden Internetanschluss ihrer im Privathaushalt lebenden Tochter zur Verfügung gestellt und dieser über den Internetanschluss einen ungehinderten und ungeschützten Zugang zum Internet zur Verfügung gestellt. Sofern die Verfügungsbeklagte selbst nur über begrenzte Computerkenntnisse verfügen sollte und daher nicht in der Lage gewesen sein sollte, die vorgenannten Sicherungsmaßnahmen zu ergreifen, hätte sie sich insoweit fachkundiger Hilfe bedienen müssen. Dieser fachkundigen Hilfe hätte dann auch konkret aufgetragen werden müssen, geeignete Sicherungsmaßnahmen zur Verhinderung der Nutzung von Filesharing-Software zu ergreifen. Dass dies geschehen wäre, ist seitens der Verfügungsbeklagten wiederum weder substantiiert vorgetragen noch glaubhaft gemacht worden. Die Beauftragung eines fachkundigen Dritten wäre auch mit zumutbarem finanziellen Aufwand verbunden gewesen.

Soweit die Verfügungsbeklagte die Auffassung vertritt, der Minderjährigenschutz werde unterlaufen, vermag die Kammer dem nicht zu folgen. Denn die einstweilige Verfügung richtet sich nicht gegen die minderjährige Tochter, sondern gegen die - volljährige - Verfügungsbeklagte, die für sich Minderjährigenschutz nicht in Anspruch nehmen kann.

Es besteht auch die für den Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr. Die Wiederholungsgefahr wird durch die vorangegangene Rechtsverletzung indiziert und kann im Regelfall nur durch Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung ausgeräumt werden. Eine auf Unterlassung gerichtete Erklärung hat die Verfügungsbeklagte indes unstreitig nicht abgegeben.

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(1) Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der
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(1) Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der Eigentümer auf Unterlassung klagen.

(2) Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der Eigentümer zur Duldung verpflichtet ist.