Beschluß des OVG Rheinland-Pfalz, 6 B 11579/06 vom 29.01.2007

published on 28/12/2007 11:00
Beschluß des OVG Rheinland-Pfalz, 6 B 11579/06 vom 29.01.2007
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Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz

Beschluss

In dem Verwaltungsrechtsstreit

gegen

- Antragsgegnerin und Beschwerdegegnerin -

wegen kommunaler Steuern

hier: aufschiebende Wirkung

hat der 6.Senat des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz in Koblenz aufgrund der Beratung vom 29.Januar 2007, an der teilgenommen haben

Vorsitzender Richter am Oberverwaltungsgericht Hehner
Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Frey
Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Beuscher


beschlossen:

Unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Mainz vom 24.November 2006 ‑3 L 916/06.MZ‑ wird die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen den Zweitwohnungsabgaben­bescheid der Antragsgegnerin vom 14. Dezember 2005 angeordnet.

Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge zu tragen.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Verfahren beider Rechts­züge auf jeweils 219,59€ festgesetzt.

Gründe

Die Beschwerde ist begründet.

Dem Antrag des Antragstellers, die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs gegen den Zweitwohnungsabgabenbescheid der Antragsgegnerin vom 14.Dezember 2005 anzuordnen, ist stattzugeben. Das private Interesse des Antragstellers an der Anordnung des Suspensiveffektes des Rechtsbehelfs geht dem öffentlichen Interesse der Antragsgegnerin am sofortigen Vollzug des angegriffenen Abgabenbescheides aus­nahmsweise vor. Die Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der abgabenrechtli­chen Heranziehung des Antragstellers überwiegen derart, dass dessen Erfolg im Hauptsacheverfahren deutlich wahrscheinlicher ist als sein Unterliegen (vgl. OVG RP, AS 18, 381 ff.). Der angefochtene Abgabenbescheid, bei dem es der Sache nach um einen Zweitwohnungssteuerbescheid geht, kann sich nämlich auf keine tragfähige Rechtsgrundlage stützen, weil die Zweitwohnungsabgabensatzung der Antragsgegnerin vom 11.März 2005 die rechtlichen Voraussetzungen der steuer­lichen Heranziehung nicht vollständig regelt (a) und eine systemkonforme Behe­bung dieses Mangels durch Auslegung der Satzung zulasten des Personenkrei­ses, dem der Antragsteller angehört, die verfassungsrechtlich vorgegebenen Grenzen der steuerrechtlichen Typisierungsfreiheit überschreitet (b).

a)Die Zweitwohnungsabgabensatzung der Antragsgegnerin regelt die tatbestand­lichen Voraussetzungen für die Heranziehung zur Zweitwohnungssteuer nicht abschließend, so dass die Rechtsgrundlage dem abgabenrechtlichen Rechtssatz­vorbehalt nur bedingt genügt. Zwar finden sich im Satzungstext Festsetzungen zum Abgabengegenstand (§1), zum Begriff der Wohnung (§2 Abs. 4) einschließ­lich der Zweitwohnung (§ 2 Abs. 1) sowie zum Innehaben eines solchen Gegen­standes (§3 Abs. 1), die belegen, dass der Satzungsgeber insoweit keine eigen­ständige abgabenrechtliche Begrifflichkeit entwickelt, sondern sich im Wesent­lichen an der Terminologie des Melderechtes orientiert hat. Ob er mit dieser Normie­rungstechnik seiner Verpflichtung zur exakten rechtssatzmäßigen Um­schreibung der Tat­bestandsmerkmale „Innehaben einer Zweitwohnung“ gerecht geworden ist, mag schon im Hinblick auf den Steuergegenstand, hier der fehlen­den Kongruenz von Neben- und Zweitwohnung, zweifelhaft erscheinen (vgl. Winkler, Problemfragen bei der Erhebung der Zweitwohnungssteuer aus der Sicht Studierender, KStZ 2007, 5 ff. [11]). Dies kann im vorliegenden Fall aber dahinge­stellt bleiben, weil die rechtlich gebotene vollständige Umschreibung des Steuer­tatbestandes die begriffliche Einbeziehung der Merkmale „Innehaben einer Erst­wohnung“ voraussetzt, an der es hier fehlt. Denn wenn nach der Vorstellung des Satzungsgebers Gegenstand der Steuererhebung das Innehaben einer Zweitwoh­nung ist, dann gehört schon aus Gründen der begriffli­chen Logik zum Steuertatbe­stand hinzu, dass der Abgabenpflichtige sich zugleich eine Erstwohnung leistet. Deren nähere sprachliche Qualifizierung erweist sich dabei umso dringlicher, je spezieller und gegenstandsferner das Vokabular beschaffen ist, dessen sich der Satzungsgeber zur Kennzeichnung der Zweit­wohnung bedient. Dass die Vorstel­lungen des Satzungsgebers über das Inne­haben einer Erstwohnung zum Tatbe­stand der Zweitwohnungssteuererhebung gehören, leitet sich ferner aus dem Sinn und Zweck der Steuerpflicht ab. Durch diese finanzielle Last soll nämlich nur der getroffen werden, dessen wirtschaftliche Leistungsfähigkeit ihm den Aufwand gestattet, gleichzeitig zwei Wohnungen zu unterhalten (vgl. BVerfGE 65, 325 [345 ff.]; BVerwG, Buchholz 401.61 Zweitwohnungssteuer Nr. 5). Unter welchen Vor­aussetzungen das Vorliegen eines solchen Sach­verhaltes angenommen werden kann, bedarf mithin der normativen Festlegung, weil das Innehaben einer Erst­wohnung unter Aufwandsgesichtspunkten keines­falls als steuerlich neutral einge­stuft werden kann (a.A. Meier, Juhre, Aktuelle Probleme im Zusammenhang mit der Erhebung der Zweitwohnungssteuer bei Studierenden, KStZ 2005, 167 ff. [169]).

An einer solchen satzungsrechtlich eindeutigen Festlegung des steuerlichen Erst­wohnungsbegriffs fehlt es hier. Der Satzungsgeber lässt es vielmehr dabei bewenden, den steuerrechtlichen Wohnungsbegriff in §2 Abs. 4 Satz 1 der Satzung als Ergebnis der Kombination von Elementen des melderechtlichen Woh­nungsbegriffs (§11 Abs. 5 Satz 1 MRRG) und des abgabenrechtlichen Wohnsitz­begriffs (§8 AO) zu qualifizieren. Im Übrigen definiert er den abgabenrechtlichen Begriff der Zweitwohnung in strikter Anlehnung an den melderechtlichen Begriff der Nebenwohnung (§12 Abs. 3 MRRG) und äußert sich in §3 Abs. 1 dazu, unter welchen Voraussetzungen die Zweitwohnung im Sinne der Satzung „innegehabt“ wird.

b)Welche Vorstellungen den Satzungsgeber bezüglich des Innehabens einer Erstwohnung geleitet hätten, wenn er diesen Sachverhalt einer Normierung unter­zogen hätte, kann unter diesen Umständen nur durch eine extensive systemkon­forme Auslegung der bestehenden Satzungsbestimmungen ermittelt werden. Dabei liegt es nahe, anzunehmen, dass der Normgeber der Zweitwohnungssteuer sich an den Maßstäben des Melderechtes nicht nur partiell, bezüglich des Inne­habens einer Zweitwohnung, sondern umfassend orientiert hätte und er dem­ge­mäß auch die nicht normierten, aber regelungsbedürftigen Tatbestandsmerkmale in diese Systematik einbezogen hätte. Wenn sich sonach das Innehaben der Zweit­wohnung aus den melderechtlichen Verhältnissen über die Nebenwohnung ableiten lässt, wird man als mutmaßlichen Regelungswillen des Satzungsgebers unterstellen können, dass er eine tatbestandliche Koordination auch zwischen der melderechtlichen Hauptwohnung und der abgabenrechtlichen Erstwohnung ange­strebt hätte. Als Inhaber einer Erstwohnung stellt sich folgerichtig derjenige dar, dessen melderechtlichen Verhältnisse die Beurteilung der Wohnung als Erst­woh­nung bewirken.

Eine dergestalt ergänzte Zweitwohnungssteuersatzung verstieße jedoch in ihrer Anwendung auf den Personenkreis, dem der Antragsteller angehört, gegen den in Art.3 Abs. 1 GG angelegten Grundsatz der Steuergerechtigkeit (vgl. BVerfGE 49, 343 [360 f.]). Denn die in einer solchen Satzungsergänzung zum Ausdruck kom­mende Vorstellung, dass die melderechtlichen Verhältnisse von Haupt- und Nebenwohnung uneingeschränkt auf die steuerrechtlichen Tatbestände von Erst- und Zweitwohnung übertragbar seien, entfernt sich jedenfalls bei der zweitwoh­nungssteuerrechtlichen Veranlagung der Personengruppe der Studierenden, die am elterlichen Wohnsitz mit Hauptwohnsitz gemeldet sind und am Studienort eine Nebenwohnung gemietet haben, soweit von den sozialen Gegebenheiten und dem Rechtfertigungszweck der Zweitwohnungssteuer, dass dieser Mangel nicht durch die Befugnis des Satzungsgebers zur abgabenrechtlichen Pauschalierung und Typisierung zu kompensieren ist. Die steuerrechtlichen Vorteile der Typisie­rung stehen nämlich in keinem rechtlichen Verhältnis zu der Ungleichheit der steuerlichen Belastung, die mit der Typisierung notwendig verbunden ist (vgl. BVerfGE 31, 119 [130 f.]).

Die Distanz der satzungsrechtlichen Begrifflichkeit zu den realen Verhältnissen offenbart sich bereits in der Fiktion, dass der in der elterlichen Wohnung mit Hauptwohnsitz gemeldete Student Inhaber einer abgabenrechtlich relevanten Erstwohnung sei. Als Inhaber einer Erstwohnung kann nach allgemeinem Sprach­gebrauch und gefestigter abgabenrechtlicher Rechtsprechung (vgl. dazu OVG NRW, Urteil vom 23.April 1993 ‑22 A 3850/92‑, NVwZ‑RR 1994, 43 ff. [45 f.]; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 5.Dezember 2002 ‑16 K 3699/01‑ juris) nur der­jenige angesehen werden, dem die rechtliche und tatsächliche Verfügungsbefug­nis über die von ihm als Hauptwohnung genutzten Räumlichkeiten zusteht. Einem die elterliche Wohnung mitbenutzenden Studenten kommt daran als Besitzdiener aber nicht einmal die tatsächliche Verfügungsbefugnis zu, so dass von einer rechtlichen Verfü­gungsbefugnis umso weniger die Rede sein kann (vgl. VG Lüneburg, Urteil vom 16.Februar 2005 ‑5 A 118/04‑ juris). Damit unterscheidet sich bei einem realitätsnahen Maßstab der Personenkreis, der rechtlich und tatsächlich eine Erstwohnung innehat, in wesentlicher Hinsicht von demjenigen, der als „Erstwohnungsinhaber“ fingiert wird, so dass die abgaben­rechtliche Gleichstellung dieser Personengruppen grundsätzlich unvereinbar mit Art.3 Abs. 1 GG ist.

Dies gilt in Anbetracht des Zweckes der Zweitwohnungssteuer umso mehr. Sie legitimiert sich nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. BVerfGE 65, 325 ff.; BVerwG, Urteil vom 29.November 1991 ‑8 C 107.89‑ NVwZ 1992, 1098 f.) dadurch, dass das Innehaben einer weiteren Wohnung für den persönlichen Lebensbedarf (Zweitwohnung) neben der Hauptwohnung (hier: Erstwohnung) einen Zustand kennzeichnet, der gewöhnlich die Verwendung von finanziellen Mitteln erfordert und in der Regel wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zum Ausdruck bringt. Gemessen daran stellen Studierende, die am Standort der Universität eine Nebenwohnung unterhalten, diese während des Semesters in Anspruch nehmen, im Übrigen aber vorwiegend Wohnraum in der elterlichen Wohnung als Teil der Unterhaltsleistungen seitens der Eltern nutzen und dort mit Hauptwohnung gemel­det sind, dadurch in der Regel keine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit unter Beweis. Vielmehr muss es nach allgemeiner Lebenserfahrung bei der Feststellung sein Bewenden haben, dass derjenige, der eine Hauptwohnung zwar nutzt, diese aber nicht als Erstwohnung innehat, im Sinne der Zweitwohnungssteuer selbst dann keine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zum Ausdruck bringt, wenn er eine Nebenwohnung innehat. Die anderenfalls zu verzeichnende abgabenrechtliche Gleichstellung von realem und fiktivem Aufwand hat nämlich die Verfehlung des Gesetzeszwecks notwendig zur Folge und erweist sich damit als willkürlich.

Die Gesichtspunkte der Typisierung und der Praktikabilität vermögen die Einbe­ziehung der hier in Rede stehenden Personengruppe in den Kreis der Abgaben­pflichtigen nicht zu rechtfertigen. Denn es handelt sich um eine benachteiligende Typisierung, bei der der Gestaltungsfreiheit des Normgebers ohnehin enge Grenzen gezogen sind (vgl. BVerfGE 19, 101 [116]). Zudem wird sein Freiraum durch den Abgabenzweck eingeengt, so dass es dem typisierenden Satzungsgeber verwehrt ist, bei der Auswahl der Steuerpflichtigen zweckwidrig zu verfahren. Auch der Gesichtspunkt der Praktikabilität greift nicht durch. So dürfte die an einem Wirklichkeitsmaßstab ausgerichtete Feststellung, dass der zur Zweitwohnungssteuer zu Veranlagende tatsächlich zwei Wohnungen innehat, auf keine unzumutbaren administrativen Schwierigkeiten stoßen. Dass der dabei zu entfaltende Verwaltungsaufwand zu einer weitgehenden Aufzehrung der steuerlichen Erträge führen könnte, ist nicht ersichtlich, würde andererseits die Aufrechterhaltung der gleichheitswidrigen Steu­erveranlagung auch nicht rechtfertigen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §154 Abs. 1 VwGO.

Die Entscheidung über die Wertfestsetzung stützt sich auf die §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 1, 53 Abs. 3 Nr. 2, 63 Abs. 3 Satz 1 GKG; dabei legt der Senat wegen des bereits weitgehend abgeschlossenen Studiums des Antragstellers abweichend vom Wertansatz des Verwaltungsgerichts als steuerlichen Veranlagungszeitraum nur eine Zeitspanne von 2 Jahren und 7 Monaten zugrunde.

Hehner Dr.Frey Dr.Beuscher

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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, inn
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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, innerhalb dieser Frist Rechtsmittelanträge nicht eingereicht, ist die Beschwer maßgebend.

(2) Der Streitwert ist durch den Wert des Streitgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt. Das gilt nicht, soweit der Streitgegenstand erweitert wird.

(3) Im Verfahren über den Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels ist Streitwert der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert.