Arbeitnehmer: Wann ist eine Teilzahlung für die Tarifermäßigung unschädlich?
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Keine starre Prozentgrenze
Eine starre Prozentgrenze sieht weder das Gesetz vor, noch kann eine solche Grenze die gesetzlich geforderte Prüfung der Außerordentlichkeit im Einzelfall ersetzen. Sind keine besonderen tatsächlichen Umstände erkennbar, die die Teilleistung bedingen oder prägen, ist die Frage, ob eine Teilleistung in einem anderen Veranlagungszeitraum der Außerordentlichkeit der Hauptentschädigungszahlung entgegensteht, allein ausgehend von der Höhe der Teilleistung zu beurteilen, so das FG Baden-Württemberg.
Ferner ist das FG der Ansicht, dass eine Teilleistung von unter 10 Prozent der Hauptleistung als geringfügig anzusehen ist, zumal diese Grenze durch verschiedene im Steuerrecht bestehende 10 Prozent-Grenzen (u.a. Abgrenzung notwendiges Privatvermögen zu Betriebsvermögen) bestärkt wird.
Revision ist bereits anhängig
Diese Entscheidung muss nun vom Bundesfinanzhof (BFH) im Revisionsverfahren überprüft werden. Dieser hatte im letzten Jahr entschieden, dass eine Teilleistung von über 10 Prozent der Hauptleistung nicht geringfügig ist.
Quelle: FG Baden-Württemberg, Urteil vom 3.11.2014, (Az.: 10 K 2655/13, Rev. BFH IX R 46/14); BFH, Urteil vom 8.4.2014, (Az.: IX R 28/13).
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Tenor
1. Unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 09. Juli 2013 wird der Einkommensteuerbescheid 2011 vom 11. Oktober 2012 dahingehend abgeändert, dass ein Betrag in Höhe von EUR 104.800,-- der tarifermäßigten Besteuerung nach § 34 Abs. 1 EStG unterworfen wird. Die Berechnung der Steuer wird dem beklagten Finanzamt übertragen.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
3. Die Revision wird zugelassen.
4. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Ermöglicht der Kostenfestsetzungsbeschluss eine Vollstreckung im Wert von mehr als 1.500 EUR, hat der Kläger in Höhe des vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruches Sicherheit zu leisten. Bei einem vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruch bis zur Höhe von 1.500 EUR kann der Beklagte der vorläufigen Vollstreckung widersprechen, wenn der Kläger nicht zuvor in Höhe des vollstreckbaren Kostenanspruchs Sicherheit geleistet hat, §§ 151 FGO i.V.m. 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.
Tatbestand
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Entscheidungsgründe
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Tenor
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Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Finanzgerichts Baden-Württemberg vom 3. November 2014 10 K 2655/13 wird als unbegründet zurückgewiesen.
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Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.
Tatbestand
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I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) war seit 1971 bei demselben Arbeitgeber nichtselbständig beschäftigt. Im Kalenderjahr 2009 betrug sein Bruttoarbeitslohn ca. 34.500 €. Das Arbeitsverhältnis endete durch Aufhebungsvertrag mit Wirkung zum 30. September 2010. Für den Verlust des Arbeitsplatzes sagte der Arbeitgeber dem Kläger eine betriebliche Abfindung in Höhe von 104.800 € zu sowie eine Tarifabfindung in Höhe von 10.200 €. Die Tarifabfindung floss dem Kläger im Jahr 2010 zu und wurde in voller Höhe besteuert. Der Bruttoarbeitslohn belief sich einschließlich der Tarifermäßigung im Jahr 2010 auf ca. 44.300 €. Die betriebliche Abfindung floss dem Kläger im Streitjahr (2011) zu. Der Arbeitgeber führte die Lohnsteuer ohne Berücksichtigung der Tarifermäßigung ab.
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In seiner Einkommensteuererklärung für 2011 machte der Kläger geltend, die betriebliche Abfindung sei als Entschädigung für entgangene Einnahmen mit dem ermäßigten Steuersatz zu besteuern. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) unterwarf die betriebliche Abfindung davon abweichend dem vollen Steuersatz. Der Einspruch blieb erfolglos.
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Das Finanzgericht (FG) hat der Klage stattgegeben. Zwar seien die vereinbarten Leistungen Teile einer einheitlichen Abfindung und komme die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes grundsätzlich nicht in Betracht, wenn eine einheitliche Abfindung in Teilbeträgen ausgezahlt werde. Die Auszahlung des Teilbetrags von 10.200 € im Jahr 2010 hindere hier jedoch ausnahmsweise nicht die ermäßigte Besteuerung der betrieblichen Abfindung von 104.800 € im Streitjahr. Der Zweck des Gesetzes, bei zusammengeballten Zahlungszuflüssen die Progression zu mildern, gebiete in diesem Fall die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes. Die gesondert ausgezahlte Tarifabfindung sei im Verhältnis zu der betrieblichen Abfindung unter Berücksichtigung der individuellen Steuerbelastung noch als geringfügig anzusehen und deshalb unschädlich.
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Mit der dagegen gerichteten Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts (§ 34 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes --EStG--).
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Das FA beantragt,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
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Das Bundesministerium der Finanzen ist dem Rechtsstreit beigetreten, hat sich jedoch nicht zur Sache geäußert.
Entscheidungsgründe
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II. Die Revision ist unbegründet und deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Im Ergebnis zu Recht hat das FG der Klage stattgegeben. Die im Streitjahr vom Kläger vereinnahmte betriebliche Abfindung von 104.800 € führt unter Berücksichtigung seiner individuellen Steuerbelastung zu außerordentlichen Einkünften.
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1. Sind in dem zu versteuernden Einkommen außerordentliche Einkünfte enthalten, so ist nach § 34 Abs. 1 EStG die darauf entfallende Einkommensteuer nach einem ermäßigten Steuersatz zu bemessen. Nach § 34 Abs. 2 Nr. 2 EStG kommen als außerordentliche Einkünfte u.a. Entschädigungen in Betracht, die gemäß § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen gewährt werden.
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a) Zu Recht gehen das FG und die Beteiligten übereinstimmend davon aus, dass die vom Kläger für den Verlust seines Arbeitsplatzes erhaltene einheitliche Abfindung eine Entschädigung i.S. des § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG darstellt.
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b) Außerordentliche Einkünfte i.S. des § 34 EStG setzen weiter voraus, dass die Entschädigung grundsätzlich in einem Veranlagungszeitraum zufließt und geeignet ist, zu einer einmaligen und außergewöhnlichen Progressionssteigerung zu führen. Diese abzumildern ist der Zweck der Billigkeitsregelung des § 34 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 2 EStG (vgl. ständige Rechtsprechung, z.B. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 4. März 1998 XI R 46/97, BFHE 185, 429, BStBl II 1998, 787, m.w.N.). Dass die Auszahlung der betrieblichen Abfindung beim Kläger im Streitjahr zu einer einmaligen außergewöhnlichen Progressionsspitze geführt hat, steht außer Frage. Fraglich ist allein, ob die Auszahlung in zwei verschiedenen Veranlagungszeiträumen der Anwendung des ermäßigten Steuersatzes entgegensteht.
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c) Grundsätzlich steht die Auszahlung einer einheitlichen Abfindung in zwei Veranlagungszeiträumen der Anwendung des ermäßigten Steuersatzes entgegen; denn Teilauszahlungen bewirken stets eine Progressionsmilderung. Dies schließt die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes grundsätzlich aus und zwar auch dann, wenn die Teilzahlungen jeweils mit anderen laufenden Einkünften zusammentreffen und sich daraus ein (nicht bloß einmaliger) Progressionsnachteil ergibt (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteil vom 28. Juni 2006 XI R 58/05, BFHE 214, 319, BStBl II 2006, 835, m.w.N.). Andernfalls könnte die Grenze zwischen außerordentlichen Einkünften i.S. des § 34 EStG und den nach dem Regeltarif zu versteuernden Einkünften nicht hinreichend trennscharf gezogen werden (BFH-Urteil vom 2. September 1992 XI R 63/89, BFHE 171, 416, BStBl II 1993, 831).
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d) Davon abweichend kann eine Teilauszahlung ausnahmsweise unschädlich sein, wenn andernfalls der Zweck des Gesetzes verfehlt würde. Liegen keine besonderen Umstände vor, die die Teilleistung bedingen oder prägen (z.B. soziale Motivation, persönliche Notlage), kommt es allein auf die Höhe der Teilleistung an. Die Auszahlung einer einheitlichen Abfindung in zwei Teilbeträgen steht danach der Anwendung des ermäßigten Steuersatzes ausnahmsweise nicht entgegen, wenn sich die Teilzahlungen im Verhältnis zueinander eindeutig als Haupt- und Nebenleistung darstellen und wenn die Nebenleistung geringfügig ist (grundlegend BFH-Urteil vom 25. August 2009 IX R 11/09, BFHE 226, 265, BStBl II 2011, 27).
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e) Unter welchen Umständen von einer geringfügigen Teilleistung auszugehen ist, bestimmt sich nach dem Vorliegen einer Ausnahmesituation in der individuellen Steuerbelastung des einzelnen Steuerpflichtigen. Eine starre Prozentgrenze (im Verhältnis der Teilleistungen zueinander oder zur Gesamtabfindung) sieht das Gesetz weder vor noch kann eine solche die gesetzlich geforderte Prüfung der Außerordentlichkeit im Einzelfall ersetzen (BFH-Urteile vom 26. Januar 2011 IX R 20/10, BFHE 232, 471, BStBl II 2012, 659; vom 8. April 2014 IX R 28/13, BFH/NV 2014, 1514; BFH-Beschluss vom 20. Juni 2011 IX B 59/11, BFH/NV 2011, 1682).
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2. Nach diesen Grundsätzen ist die Teilauszahlung von 10.200 € im Vorjahr unter den besonderen Bedingungen des Streitfalls noch als geringfügige Nebenleistung anzusehen.
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Die Teilauszahlung beläuft sich im Streitfall auf 8,87 % der Gesamtabfindung oder 9,73 % der Hauptleistung. Eine geringfügige Nebenleistung hat der Senat nicht mehr angenommen, wenn sie mehr als 10 % der Hauptleistung beträgt (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2014, 1514). Ergänzend ist zu berücksichtigen, dass die Nebenleistung niedriger ist als die Steuerentlastung der Hauptleistung. Mit dieser Begründung hat der BFH zwar bislang nur eine sozial motivierte, nachträgliche Zusatzleistung des Arbeitgebers der Höhe nach als unschädlich erachtet (vgl. BFH-Urteil vom 24. Januar 2002 XI R 43/99, BFHE 197, 522, BStBl II 2004, 442). Der Maßstab lässt sich jedoch zur Konkretisierung der bloßen Geringfügigkeit gleichermaßen heranziehen. Müsste unter diesen Umständen die Tarifermäßigung versagt werden, stünde der Steuerpflichtige besser da, wenn er die Teilauszahlung nicht erhalten hätte. Die Teilauszahlung würde (vor Steuern) noch nicht einmal den steuerlichen Nachteil ausgleichen, den sie verursacht hat. Dieses Ergebnis würde zu wirtschaftlich unsinnigen Gestaltungen Veranlassung geben. Dies verdeutlicht, dass die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes nach dem Zweck des Gesetzes trotz der Teilzahlung zur Abmilderung der einmaligen individuellen Progressionssteigerung im Streitjahr noch geboten ist. Zu berücksichtigen ist ferner auch, dass der Kläger auf die Höhe der Abfindung und die Modalitäten ihrer Auszahlung offenbar keinen entscheidenden Einfluss hatte.
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3. Das Urteil des FG erweist sich damit im Ergebnis als zutreffend (§ 126 Abs. 4 FGO).
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Das FA hat zur Ermittlung des Streitwerts für das Streitjahr eine Probeberechnung der Einkommensteuer unter Anwendung der Tarifermäßigung durchgeführt. Danach ermäßigt sich die Einkommensteuer im Streitfall bei Anwendung des § 34 EStG von derzeit 37.273 € um 10.806 € auf 26.467 €. Daraus ergibt sich zugleich, dass die Tarifermäßigung im Streitfall anzuwenden ist, denn die vom Kläger im Vorjahr vereinnahmte Teilzahlung von 10.200 € ist niedriger als die streitige Steuerermäßigung der Hauptleistung (10.806 €).
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.
Tatbestand
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I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist Industriekauffrau und erzielte in den Streitjahren 2007 und 2008 sowohl Einkünfte aus Gewerbebetrieb als auch Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Sie war 2006 bei der B GmbH beschäftigt. Am 20. Dezember 2006 kündigte die B das Arbeitsverhältnis zum 31. Mai 2007 aus betriebsbedingten Gründen. Für den Verlust ihres Arbeitsplatzes wurde der Klägerin eine Abfindung in Höhe von 41.453 € angeboten, die mit der letzten Entgeltrechnung ausgezahlt werden sollte. Daneben bot die B der Klägerin an, ab dem 1. Februar 2007 für längstens 12 Monate in die Transfergesellschaft X gGmbH (X) zu wechseln, dies mit Erhöhung der Abfindungssumme um 5.970 €. Die Klägerin unterzeichnete am 5. Januar 2007 einen Vertrag über den Wechsel in die X. Nach der Präambel beruht der Vertrag auf dem bei der B zwischen der Geschäftsleitung und Betriebsrat abgeschlossenen Sozialplan vom 30. November 2006 sowie dem zwischen B und X abgeschlossenen Vertrag über die Einrichtung einer Transfergesellschaft (TG). Ausweislich des Vertrages erfolgte die Einstellung zur Vermittlung der Klägerin in ein Arbeitsverhältnis bei einem anderen Arbeitgeber, welche durch Qualifizierungsmaßnahmen, durch ein Betriebspraktikum und durch Arbeitsvermittlung unterstützt werde. Die Einstellung erfolgte befristet vom 1. Februar 2007 bis 31. Januar 2008. Mit Abschluss des Transfervertrages endete das Vertragsverhältnis zwischen der B und der Klägerin einvernehmlich zum 31. Januar 2007. Zugleich verpflichtete sich die Klägerin, etwaige Kündigungs- oder Bestandsschutzklagen gegen die B zurückzunehmen. Im Vertrag zwischen der Klägerin, der X und der B wurde Folgendes vereinbart: "Der Arbeitnehmer hat beim Ausscheiden von B einen Anspruch auf eine Abfindung gemäß Sozialplan vom 30. November 2006 gemäß §§ 9, 10 KSchG. Davon erhält er beim Ausscheiden bei B eine Teilauszahlung in Höhe von € 5.970,00. Die Auszahlung der restlichen Abfindungssumme in Höhe von € 41.453,00 erfolgt durch die X beim Austritt aus der TG." Die Auszahlung durch die X erfolgt dabei im Auftrag der B. Am 19. Mai 2008 verlängerte die Klägerin ihren befristeten Arbeitsvertrag mit der X bis 22. Juni 2008. Der Klägerin wurde vereinbarungsgemäß mit der Januar-Entgeltabrechnung 2007 ein Teilbetrag in Höhe von 5.970 € ausgezahlt. Die Auszahlung der rechtlichen Abfindungssumme in Höhe von 41.453 € erfolgte durch die X beim Austritt der Klägerin aus der TG im Jahr 2008.
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In ihrer Einkommensteuererklärung 2007 vom 11. April 2008 erklärte sie bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit neben ihrem Bruttoarbeitslohn als "Entschädigung/Arbeitslohn für mehrere Jahre" einen Betrag in Höhe von 5.970 €. Die --bestandskräftige-- Veranlagung 2007 erfolgte erklärungsgemäß.
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In der am 19. März 2009 eingegangenen Einkommensteuererklärung 2008 wies die Klägerin bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit neben ihrem Bruttoarbeitslohn als "Entschädigung/ Arbeitslohn für mehrere Jahre" einen Betrag in Höhe von 41.453 € aus. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) forderte in der Folge die entsprechenden Vertragsunterlagen an. Aufgrund der im Rahmen der Bearbeitung der Steuererklärung 2008 gewonnenen Erkenntnisse erließ das FA für 2007 einen nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung geänderten Einkommensteuerbescheid, in dem es die Anwendung des § 34 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) für die Teilabfindung in Höhe von 5.970 € versagte. Dadurch erhöhte sich die ursprünglich festgesetzte Einkommensteuer von 801 € auf 1.040 €.
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Mit Einkommensteuerbescheid 2008 setzte das FA Einkommensteuer in Höhe von 10.975 € fest, wobei es die gezahlte Abfindung in Höhe von 41.453 € nicht nach § 34 EStG ermäßigt besteuerte.
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Mit ihrem Einspruch gegen die Einkommensteuerbescheide 2007 und 2008 beantragte die Klägerin die Steuerermäßigung nach § 34 EStG für die gezahlten Abfindungen. 2010 erging ein nach § 10d Abs. 1 Satz 3 EStG geänderter Einkommensteuerbescheid 2008, der die Einkommensteuer mit 8.349 € festsetzte. Die Einsprüche wies das FA wegen fehlender Zusammenballung zurück. Die hiergegen gerichtete Klage, mit der die Klägerin die Anwendung des § 34 EStG auf die Abfindungszahlungen begehrte, hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) entschied mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2013, 1669 veröffentlichten Urteil, die der Klägerin in den Streitjahren zugeflossenen Zahlungen aufgrund der Sozialplanregelung unterlägen als Einnahmen bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit keiner ermäßigten Besteuerung gemäß § 34 Abs. 1 EStG. Sie seien der Klägerin nicht zusammengeballt zugeflossen. Für die Einordnung als außerordentliche Einkünfte i.S. von §§ 24 Nr. 1, 34 Abs. 2 Nr. 2 EStG seien mehrere Zahlungen als Teil einer einheitlich zu beurteilenden Entschädigung anzusehen, wenn sie Ersatz für ein und dasselbe Schadensereignis darstellten. Dies sei vorliegend der Fall. Die Auszahlung im Jahr 2007 könne nicht mehr als geringfügig angesehen werden. Sie führe mit Blick auf einen monatlichen Bruttoarbeitslohn von knapp 3.000 € nicht zu einer derart relevanten Progressionsverschiebung, die geeignet wäre, eine Ausnahmesituation für die Klägerin hinsichtlich ihrer Progressionsbelastung in den Streitjahren anzunehmen.
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Hiergegen richtet sich die Revision der Klägerin, mit der diese die Verletzung materiellen Rechts (§§ 24, 34 EStG) rügt. Insbesondere liege keine einheitliche Entschädigungszahlung vor. Der in 2007 zugeflossene Betrag sei von der Arbeitgeberin in erster Linie gezahlt worden, weil sich die Klägerin bereit erklärt habe, ihre Kündigungsschutzklage zurückzunehmen und bereits zum 31. Januar 2007 und damit vor der kündigungsbedingten Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 31. Mai 2007 in die X zu wechseln und das Arbeitsverhältnis mit der B zu beenden. Damit sei zwar die Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit der B der Anlass für beide Zahlungen. Es hätte sich aber nicht um "ein und dasselbe Schadensereignis" gehandelt, denn den ersten Teilbetrag in 2007 habe die Klägerin nicht aufgrund der kündigungsbedingten einseitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses erhalten, sondern für ihre Mitwirkung an dem einvernehmlichen Wechsel zur X und der damit verbundenen vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses und für die Rücknahme ihrer Bestandsschutzklage. Der in 2008 zugeflossene und zudem ganz wesentliche Abfindungsbetrag sei der Klägerin dagegen unabhängig von der einvernehmlichen vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gewährt worden. Die Sonderzahlung in 2007 stelle eine Entschädigung für die Aufgabe einer Tätigkeit i.S. des § 24 Nr. 1b EStG dar. Neben der Sonderzahlung in 2007 sei von der Arbeitgeberin in 2008 allen vom Arbeitsplatzverlust betroffenen Arbeitnehmern eine weitere Abfindung für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses gewährt worden. Diese Abfindung sei Ersatz für entgehende Einnahmen i.S. des § 24 Nr. 1a EStG.
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Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des FG aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid 2007 dahingehend zu ändern, dass von den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit ein Betrag in Höhe von 5.970 € gemäß § 34 Abs. 2 Ziff. 2 EStG ermäßigt besteuert werde, sowie den Einkommensteuerbescheid 2008 dahingehend zu ändern, dass von den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit ein Betrag in Höhe von 41.453 € gemäß § 34 Abs. 2 Ziff. 2 EStG ermäßigt besteuert werde.
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Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
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II. Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Zu Recht hat das FG entschieden, dass die der Klägerin in den Streitjahren zugeflossenen Abfindungszahlungen nicht nach § 34 Abs. 1 und 2 Nr. 2 EStG ermäßigt zu besteuern sind.
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1. Sind in dem zu versteuernden Einkommen außerordentliche Einkünfte enthalten, so ist nach § 34 Abs. 1 EStG die darauf entfallende Einkommensteuer nach einem ermäßigten Steuersatz zu bemessen. Nach § 34 Abs. 2 Nr. 2 EStG kommen als außerordentliche Einkünfte u.a. Entschädigungen in Betracht, die gemäß § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen gewährt werden.
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a) Eine Entschädigung liegt vor, wenn die bisherige Grundlage für den Erfüllungsanspruch weggefallen ist und der an die Stelle der bisherigen Einnahmen getretene Ersatzanspruch auf einer neuen Rechts- oder Billigkeitsgrundlage beruht (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 10. September 2003 XI R 9/02, BFHE 204, 65, BStBl II 2004, 349, m.w.N.).
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b) Außerordentliche Einkünfte i.S. des § 34 Abs. 1 und 2 EStG werden in ständiger Rechtsprechung grundsätzlich nur bejaht, wenn die zu begünstigenden Einkünfte in einem Veranlagungszeitraum zu erfassen sind und durch die Zusammenballung von Einkünften erhöhte steuerliche Belastungen entstehen (BFH-Urteil vom 9. Oktober 2008 IX R 85/07, BFH/NV 2009, 558). Keine Zusammenballung in diesem Sinne liegt typischerweise vor, wenn eine Entschädigung in zwei oder mehreren verschiedenen Veranlagungszeiträumen gezahlt wird, auch wenn die Zahlungen jeweils mit anderen laufenden Einkünften zusammentreffen und sich ein Progressionsnachteil ergibt (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteil vom 28. Juni 2006 XI R 58/05, BFHE 214, 319, BStBl II 2006, 835, m.w.N.).
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c) Eine Ausnahme von diesem Grundsatz hält der BFH allerdings in solchen Fällen für geboten, in denen --neben der Hauptentschädigungsleistung-- in späteren Veranlagungszeiträumen aus Gründen der sozialen Fürsorge für eine gewisse Übergangszeit Entschädigungszusatzleistungen gewährt werden (vgl. dazu BFH-Urteile vom 14. August 2001 XI R 22/00, BFHE 196, 500, BStBl II 2002, 180, und vom 24. Januar 2002 XI R 43/99, BFH/NV 2002, 717). Soziale Fürsorge ist dabei allgemein im Sinne der Fürsorge des Arbeitgebers für seinen früheren Arbeitnehmer zu verstehen. Ob der Arbeitgeber zu der Fürsorge arbeitsrechtlich verpflichtet ist, ist unerheblich. Derartige ergänzende Zusatzleistungen, die Teil der einheitlichen Entschädigung sind, sind unschädlich für die Beurteilung der Hauptleistung als einer zusammengeballten Entschädigung. Diese Auslegung leitet der BFH aus einer zweckentsprechenden Auslegung des § 34 EStG unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ab (BFH-Urteil vom 14. April 2005 XI R 11/04, BFH/NV 2005, 1772).
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Der Zufluss in einem Veranlagungszeitraum ist nach dem Wortlaut von § 34 EStG kein gesetzliches Tatbestandsmerkmal. Nach seinem Zweck ist § 34 Abs. 1 EStG trotz Zuflusses in zwei Veranlagungszeiträumen auch dann anwendbar, wenn der Steuerpflichtige nur eine geringfügige Teilleistung erhalten hat und die ganz überwiegende Hauptentschädigungsleistung in einem Betrag ausgezahlt wird. Wollte man in derartigen Fällen an einem ausnahmslosen Erfordernis eines zusammengeballten Zuflusses der außerordentlichen Einkünfte in einem Veranlagungszeitraum festhalten, so würden über den Gesetzeswortlaut des § 34 Abs. 1 EStG hinaus die Voraussetzungen der Tarifermäßigung ohne sachlichen Grund verschärft und die ratio legis verfehlt (BFH-Urteil vom 25. August 2009 IX R 11/09, BFHE 226, 265, BStBl II 2011, 27).
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Der unbestimmte Rechtsbegriff der außerordentlichen Einkünfte ist im Wege der Auslegung nach Maßgabe der ratio legis zu konkretisieren. Danach sind außerordentliche Einkünfte solche, deren Zufluss in einem Veranlagungszeitraum zu einer für den jeweiligen Steuerpflichtigen im Vergleich zu seiner regelmäßigen sonstigen Besteuerung einmaligen und außergewöhnlichen Progressionsbelastung führen. Diese abzumildern ist der Zweck der Billigkeitsregelung des § 34 Abs. 1 und 2 Nr. 2 EStG (vgl. ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Urteil vom 4. März 1998 XI R 46/97, BFHE 185, 429, BStBl II 1998, 787, m.w.N.). Diese --veranlagungszeitraumbezogen betrachtet-- begünstigende Behandlung von zusammengeballt zugeflossenen Einnahmen, deren Zufluss sich beim jeweiligen Steuerpflichtigen nach dessen regelmäßiger Einkünftesituation normalerweise auf mehrere Jahre verteilt hätte (vgl. BFH-Urteil in BFHE 185, 429, BStBl II 1998, 787), verwirklicht --veranlagungszeitraumübergreifend betrachtet-- eine gleichmäßige progressive Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Dementsprechend sind solche Entschädigungen als außerordentliche Einkünfte zu behandeln, deren zusammengeballter Zufluss zu einer Ausnahmesituation in der Progressionsbelastung des jeweiligen Steuerpflichtigen führt. Zwar liegt sie typischerweise nicht vor, wenn eine einheitliche Entschädigungsleistung in mehreren Veranlagungszeiträumen zufließt; indes kann eine nur geringfügige Teilleistung in dem dem Zuflussjahr der Hauptentschädigungsleistung vorgegangenen Veranlagungszeitraum dieser Ausnahmesituation mit ihrem Bedarf nach der von § 34 EStG bezweckten Progressionsabmilderung entsprechen.
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Wann von einer solchen unschädlichen geringfügigen Teilleistung auszugehen ist, bestimmt sich nach dem Vorliegen einer Ausnahmesituation in der individuellen Steuerbelastung des einzelnen Steuerpflichtigen. Eine starre Prozentgrenze sieht das Gesetz weder vor noch kann eine solche die gesetzlich geforderte Prüfung der Außerordentlichkeit im Einzelfall ersetzen. Sind keine besonderen tatsächlichen Umstände erkennbar, die die Teilleistung bedingen oder prägen, ist die Frage, ob eine Teilleistung in einem anderen Veranlagungszeitraum der Außerordentlichkeit der Hauptentschädigungszahlung entgegensteht, alleine ausgehend von der Höhe der Teilleistung zu beurteilen.
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d) Insgesamt nicht von einer einheitlichen Entschädigungszahlung ist auszugehen, wenn zwei Entschädigungszahlungen in aufeinanderfolgenden Veranlagungszeiträumen nicht zum Ausgleich für dasselbe Schadensereignis, etwa den Verlust eines Arbeitsplatzes, gezahlt wurden.
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2. Nach diesen Grundsätzen ist im Streitfall von einer einheitlichen, nicht gemäß § 34 Abs. 1 EStG ermäßigt zu besteuernden Entschädigung für den Verlust des Arbeitsplatzes der Klägerin auszugehen.
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a) Beide streitbefangenen Teilzahlungen wurden als Ersatz für den Arbeitsplatzverlust der Klägerin geleistet. Dies gilt unabhängig davon, dass die 5.970 € speziell für Klagerücknahme, Eintritt in die TG und frühere Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit der B entschädigen sollten. Denn dabei handelt es sich lediglich um Modalitäten derselben Vertragsbeendigung. Auf diese sind beide Teilzahlungen zurückzuführen. Die erste Teilzahlung 2007 war lediglich an die Erfüllung bestimmter Einzelkonditionen der Vertragsbeendigung geknüpft. Diese Einzelkonditionen sind aber lediglich Bestandteil derselben Vertragsbeendigung. Auch spricht der Vertrag der Klägerin, der X und der B hinsichtlich der Hauptentschädigungsleistung von "der restlichen Abfindungssumme". Vereinbart war also eine einheitliche Abfindung für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Klägerin.
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b) Bei den 2007 ausgezahlten 5.970 € handelt es sich auch nicht um eine Leistung der sozialen Fürsorge und nicht um eine unschädliche geringfügige Teilleistung im Verhältnis zu den 2008 ausgezahlten 41.453 €. Eine Teilleistung von über 10 % der Hauptleistung ist nach allgemeinem Verständnis nicht geringfügig. Dass die Teilleistung 2007 für das Einverständnis in besondere Modalitäten der Beendigung des Arbeitsverhältnisses als beide Leistungen in 2007 und 2008 begründendes Schadensereignis bezahlt wurde, ändert daran wiederum nichts.