Alle Steuerzahler: Krankenversicherungsbeiträge eines Kindes bei den Eltern als Sonderausgaben abziehbar?



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Hintergrund: Grundsätzlich können eigene Beiträge des Kindes zur Basiskrankenversicherung bei den Eltern als Sonderausgaben berücksichtigt werden. Voraussetzung ist u. a., dass die Eltern Anspruch auf Kindergeld oder Kinderfreibetrag haben. Diese gesetzliche Regelung ist grundsätzlich vorteilhaft, da sich beim Kind wegen der Höhe der Einkünfte keine oder nur eine geringe steuerliche Auswirkung ergibt. Die Beiträge können zwischen den Eltern und dem Kind aufgeteilt, im Ergebnis aber nur einmal – entweder bei den Eltern oder beim Kind – berücksichtigt werden.
Die Besonderheit des vom FG entschiedenen Streitfalls war, dass die Beiträge direkt vom Arbeitslohn des Kindes einbehalten wurden. Zudem hatte der Sohn die Beiträge zur Krankenversicherung in seiner eigenen Steuererklärung ebenfalls als Sonderausgaben geltend gemacht, weshalb das Finanzamt einen Abzug bei den Eltern ablehnte. Hierbei spiele es, so das Finanzamt, keine Rolle, dass die Beiträge beim Sohn ohne steuerliche Auswirkung geblieben seien.
Nach Ansicht des FG erfasst die gesetzliche Regelung nicht die Fälle, in denen steuerlich berücksichtigte Kinder, z. B. aufgrund eines Ausbildungsverhältnisses, Beiträge von ihrem Arbeitgeber einbehalten bekommen und somit selbst tragen. Voraussetzung für den Sonderausgabenabzug sei nämlich, dass die Eltern die Beiträge im Rahmen ihrer Unterhaltsverpflichtung tatsächlich selbst tragen.
Praxishinweis: Die Rechtsprechung widerspricht der aktuellen Verwaltungsauffassung, wonach es ausreicht, dass die Eltern ihr Kind durch Unterhaltsleistungen in Form von Bar- oder Sachleistungen (z. B. Unterkunft und Verpflegung) unterstützen. Das FG hat die Revision zugelassen, da bislang keine Rechtsprechung dazu ergangen ist, ob die gesetzliche Regelung auch auf Beiträge anzuwenden ist, die vom Lohn des Kindes einbehalten werden.
Quelle: FG Köln, Urteil vom 13.5.2015, (Az.: 15 K 1965/12, Rev. BFH X R 25/15)R 10.4 Einkommensteuerrichtlinien (EStR)




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Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
1
Tatbestand
2Strittig ist die Berücksichtigung von Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen für den am ....03.1991 geborenen Sohn A.
3Die Kläger sind Eheleute und werden gemeinsam zur Einkommensteuer veranlagt. Sie machten im Rahmen ihrer Einkommensteuererklärung Krankenversicherungsbeiträge in Höhe von 394,00 € sowie Beiträge zur Pflegeversicherung in Höhe von 49,00 insgesamt 443,00 € für ihren Sohn A geltend.
4Der Sohn A war vom 01.01. bis 05.05.2010 in einem Ausbildungsverhältnis als Straßenbauer. Für diese Zeit wurden 258,60 € an Krankenversicherungsbeiträgen und 31,91€ für die Pflegeversicherung vom Arbeitgeber einbehalten und abgeführt.
5Vom 09. bis 19.08.2010 war der Sohn bei den B & Co. ...werken beschäftigt. Hier wurden 45,58 € an Krankenversicherungsbeiträgen und 5,62 € an Beiträgen zur privaten Pflegeversicherung vom Lohn einbehalten und abgeführt.
6Vom 01.12. bis 22.12.2010 war der Sohn in einem Metallverarbeitungsbetrieb beschäftigt. Hier wurden 88,88 € für Krankenversicherungsbeiträge und 10,97 € für die private Pflegeversicherung vom Lohn einbehalten.
7Am 04.04.2011 reichte der Sohn A seine Einkommensteuererklärung beim Finanzamt ein. Hierin beantragte er den Abzug von Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen als Sonderausgaben. Die Veranlagung erfolgte erklärungsgemäß. Die Einkommensteuer wurde mit Bescheid vom 06.05.2011 auf 0,00 € festgesetzt. Wegen der Höhe seines Einkommens wäre dies auch ohne Berücksichtigung der Versicherungsbeiträge erfolgt.
8Die Kläger reichten ihre Einkommensteuererklärung für das Streitjahr am 05.04.2011 beim Beklagten ein. Hierin waren zunächst keine Angaben zum Abzug der Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge des Sohnes enthalten. Das Finanzamt setzte die Einkommensteuer 2010 erklärungsgemäß mit Bescheid vom 09.06.2011 auf 3.758,00 € fest.
9Hiergegen legten die steuerlichen Vertreter der Kläger Einspruch ein und begründeten diesen damit, dass die Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge des Sohnes nach § 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 Einkommensteuergesetz (EStG) im Rahmen der Vorsorgeaufwendungen als eigene Beiträge der Eltern als Sonderausgaben abzuziehen seien.
10Der Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 19.06.2012 als unbegründet zurück. Da der Sohn vorliegend Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge steuerlich im Rahmen seiner Einkommensteuererklärung 2010 geltend gemacht habe, scheide eine Berücksichtigung der Beiträge im Rahmen der Einkommensteuerfestsetzung der Eltern aus.
11Mit ihrer deshalb erhobenen Klage tragen die Kläger vor, die Intention des § 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 EStG bestehe darin, dass sich Beiträge zu einer Basiskranken- bzw. Pflegeversicherung eines unterhaltsberechtigten Kindes zumindest einmal, entweder bei dem Kind selber oder bei den Eltern, steuerlich auswirken sollten. Hierbei komme es nicht darauf an ob das Kind die Beiträge bereits in seiner eigenen Einkommensteuererklärung als Sonderausgaben geltend gemacht habe. Entscheidungserheblich sei vielmehr, ob sich diese bereits bei dem Kind ausgewirkt hätten. Dies sei vorliegend nicht der Fall. Die Kläger verweisen insoweit auf den Leitfaden „Vorsorgeaufwendungen“ des bayrischen Landesamts für Steuern.
12Die Kläger beantragen
13unter Aufhebung des Einkommensteuerbescheides vom 09.06.2011 und Änderung der Einspruchsentscheidung vom 09.06.2012 die Einkommensteuer neu festzusetzen und dabei Krankenversicherungsbeiträge in Höhe von 259,00 € und Beiträge zur gesetzlichen Pflegeversicherung in Höhe von 32,00 € als weitere Vorsorgeaufwendungen zu berücksichtigen, hilfsweise die Revision zuzulassen.
14Der Beklagte beantragt
15die Klage abzuweisen,
16hilfsweise die Revision zuzulassen.
17Der Beklagte ist der Ansicht, dass die Ausnahmeregelung des § 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 EStG vorliegend nicht zum Tragen komme, da der Sohn der Kläger die einbehaltenen Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge bereits in seiner eigenen Einkommensteuererklärung geltend gemacht habe. Hierbei spiele es keine Rolle, dass diese beim Sohn ohne steuerliche Auswirkung geblieben seien.
18Wegen der weiteren Begründung wird auf den Schriftsatz des Beklagten vom 04.10.2012 Bezug genommen.
19Entscheidungsgründe
20Die Klage ist unbegründet.
21Nach § 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 Einkommensteuergesetz in der Fassung ab dem Veranlagungszeitraum 2010 (EStG) werden als eigene Beiträge des Steuerpflichtigen auch die vom Steuerpflichtigen im Rahmen der Unterhaltsverpflichtung getragenen eigenen Beiträge im Sinne des Buchstaben a und des Buchstaben b eines Kindes behandelt, für das ein Anspruch auf einen Freibetrag nach § 32 Abs. 6 EStG oder auf Kindergeld besteht.
22Die Klage ist abzuweisen, da die Kläger keine Versicherungsbeiträge des Sohns getragen haben. Diese sind vielmehr von dessen Lohn einbehalten worden.
23Ist das Kind selbst krankenversichert durch eine eigene Mitgliedschaft in einer gesetzlichen Krankenversicherung, wie vorliegend, kann der steuerpflichtige Elternteil die Beiträge gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 EStG als Sonderausgaben geltend machen.
24Dies gilt jedoch nur dann, wenn er diese im Rahmen der Unterhaltsverpflichtung tatsächlich trägt (vgl. Bundestagsdrucksache 16/13429 zu § 10 Absatz 1 Nummer 3 Satz 2 –neu-) und er, wie vorliegend, Anspruch auf einen Kinderfreibetrag hat.
25Diese Ergänzung geht auf eine Forderung des Bundesrates zurück und soll insbesondere die Fälle erfassen, in denen steuerlich berücksichtigte Kinder in eigener Person Versicherungsnehmer sind, ohne selbst erwerbstätig zu sein. Das sind die in der studentischen Krankenversicherung versicherten Kinder, für die der Steuerpflichtige einen Freibetrag für Kinder oder Kindergeld erhält, sowie die Fälle, in denen ein privat krankenversicherter Steuerpflichtiger sein von Geburt an behindertes Kind mit Blick auf die Leistungsausschlüsse der privaten Krankenversicherungen in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert hat (vgl. Stöcker in Bodewin/Brandt Einkommensteuergesetz § 10 Rdnr. 599; Korn Einkommensteuergesetz § 10 Rdnr. 202.17).
26Nach Überzeugung des Gerichts werden die Fälle nicht erfasst, in denen steuerlich berücksichtigte Kinder, z.B. aufgrund eines Ausbildungsverhältnisses, Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge von ihrem Arbeitgeber einbehalten bekommen, und die Versicherungsbeiträge somit selbst tragen (Stöcker a.a.O. Rdnr. 601).
27Voraussetzung für den Abzug ist nämlich, dass der Elternteil die Beiträge im Rahmen seiner Unterhaltsverpflichtung tatsächlich selbst trägt (siehe auch Kulosa in Hermann/Heuer/Raupach Einkommensteuergesetz § 10 Rdnr 167).
28Soweit die Finanzverwaltung (vgl. OFD Magdeburg Verfügung vom 3.11.2011 –S 2221-118-St 224, Der Betrieb 2011, 2575) eine Berücksichtigung auch ohne tatsächliche Zahlung ermöglicht, liegt eine entsprechende Verfügung der Finanzverwaltung NW nicht vor, würde aber auch - wie oben gezeigt - nicht dem Sinn und Zweck des Gesetzes entsprechen.
29Die Kläger haben die Versicherungsbeiträge des Sohnes danach nicht selbst getragen.
30Denn es ist nicht vorgetragen und auch nicht erkennbar ist, dass die Kläger die Krankenversicherungsbeiträge, die vom Lohn des Sohnes einbehalten wurden, diesem erstattet hätten. Hierzu wären sie auch nicht verpflichtet gewesen. Vorliegend erbrachten die Kläger Sach-Unterhaltsleistungen an den Sohn, da dieser bei ihnen wohnte. Hierdurch genügten die Kläger wegen der Höhe der eigenen Einkünfte des Sohnes ihrer Unterhaltpflicht. Eine weitergehende Unterhaltspflicht bestand nicht.
31Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
32Die Revision war zuzulassen, da soweit erkennbar noch keine Rechtsprechung zu der Frage ergangen ist, ob § 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 EStG Anwendung findet auf Beiträge die vom Lohn des Kindes einbehalten werden.
33Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
Tenor
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Die Revision der Kläger gegen das Urteil des Finanzgerichts Köln vom 13. Mai 2015 15 K 1965/12 wird als unbegründet zurückgewiesen.
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Die Kosten des Revisionsverfahrens haben die Kläger zu tragen.
Tatbestand
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I.
- 1
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Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind die Eltern des Kindes P, geboren am 15. März 1991. Sie wurden im Streitjahr 2010 gemeinsam zur Einkommensteuer veranlagt.
- 2
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P befand sich vom 1. Januar 2010 bis zum 5. Mai 2010 in der Berufsausbildung zum Straßenbauer, wohnte aber noch bei den Klägern. Im Rahmen seines Ausbildungsdienstverhältnisses behielt der Arbeitgeber des P im Streitjahr Krankenversicherungsbeiträge in Höhe von 258,60 € und Pflegeversicherungsbeiträge in Höhe von 31,91 € von der Ausbildungsvergütung ein.
- 3
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P machte u.a. diese Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge in seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr als Sonderausgaben geltend. Die erklärungsgemäß durchgeführte Einkommensteuerveranlagung führte zu einer Einkommensteuerfestsetzung von 0 €, was jedoch auch ohne Berücksichtigung dieser Sonderausgaben der Fall gewesen wäre.
- 4
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Daraufhin verlangten die Kläger die Berücksichtigung derselben Versicherungsbeiträge im Rahmen ihrer Einkommensteuerfestsetzung als eigene Beiträge.
- 5
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Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2015, 1916 veröffentlichten Gründen als unbegründet ab. Die Kläger hätten die Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge des P nicht gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) im Rahmen ihrer Unterhaltsverpflichtung tatsächlich getragen. Von dieser Vorschrift seien lediglich die Fälle erfasst, bei denen nicht erwerbstätige Kinder in eigener Person Versicherungsnehmer seien. Behalte aber der Arbeitgeber die im Rahmen eines Ausbildungsverhältnisses zu entrichtenden Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge des Kindes ein, trage das Kind seine Beiträge selbst. Im vorliegenden Fall fehle es im Übrigen an der notwendigen unterhaltsrechtlichen Verpflichtung der Kläger, P die vom Arbeitgeber einbehaltenen Versicherungsbeiträge zu erstatten. Sie hätten ihre Unterhaltspflicht durch Naturalunterhalt erbracht, da P bei ihnen (kostenfrei) gewohnt habe. Dies reiche als Erstattungsleistung nicht aus.
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Die Kläger machen im Rahmen ihrer Revision die Verletzung materiellen Rechts geltend.
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Die im Rahmen eines Ausbildungsdienstverhältnisses vom Arbeitgeber einbehaltenen Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 EStG seien ebenfalls Beiträge des Kindes, die nach Satz 2 dieser Vorschrift von den kindergeldberechtigten Eltern im Rahmen ihrer Unterhaltsverpflichtung getragen werden könnten. Sei ein Kind nämlich nicht im Rahmen der (kostenfreien) Familienversicherung bei seinen Eltern mitversichert, habe es einen Anspruch auf Beitragsfinanzierung, soweit es unterhaltsberechtigt sei. Das eigene Einkommen des Kindes in Form der Ausbildungsvergütung mindere lediglich den von den Eltern zu zahlenden Unterhaltsbetrag, lasse aber deren Unterhaltsverpflichtung nicht entfallen. Wie die Eltern die Unterhaltsverpflichtung erfüllten, ob durch Bar- oder Naturalunterhalt, sei egal. Zu einer Doppelbegünstigung könne es nicht kommen, da nach (richtiger) Ansicht der Finanzverwaltung bei Beitragstragung durch die Eltern die Steuerfestsetzung des Kindes nach § 174 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) zu ändern sei.
- 8
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Die Kläger beantragen sinngemäß,
das FG-Urteil sowie die Einspruchsentscheidung aufzuheben und die Einkommensteuerfestsetzung 2010 dahingehend zu ändern, dass weitere Krankenversicherungs- und Pflegeversicherungsbeiträge in Höhe von insgesamt 291 € als Sonderausgaben berücksichtigt werden.
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Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
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Zwar sei die Berücksichtigung der Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge des P bei den Klägern auch möglich, wenn diese Beiträge von der Ausbildungsvergütung des Kindes bereits einbehalten worden seien. Es komme lediglich darauf an, dass die Kläger diese Beiträge wirtschaftlich getragen hätten. Entscheidend sei im Streitfall allerdings, dass P seine Beiträge bereits in seiner Einkommensteuererklärung angesetzt habe. Dass dies bei ihm zu keiner steuerlichen Auswirkung geführt habe, sei ohne Belang. Schließlich könnten die nämlichen Beiträge nur einmal steuerlich berücksichtigt werden.
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Im Ergebnis sei das FG-Urteil deshalb richtig. Entscheidend bleibe allein das wirtschaftliche Tragen der Beiträge des Kindes im Rahmen der Unterhaltsverpflichtung der Eltern. Aufgrund der Angaben des P in seiner Einkommensteuererklärung sei das FA hier zu Recht davon ausgegangen, dass allein P seine Beiträge getragen habe und deshalb nur er abzugsberechtigt sei.
Entscheidungsgründe
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II.
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Die Revision ist unbegründet. Die Entscheidung des FG ist im Ergebnis richtig und die Revision folglich zurückzuweisen (§ 126 Abs. 4 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Zwar können auch Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge eines gesetzlich versicherungspflichtigen Kindes Teil der Unterhaltsverpflichtung der Eltern sein (unter 1.). Dies gilt selbst dann, wenn der Arbeitgeber sie von der Ausbildungsvergütung des Kindes einbehalten hat (unter 2.). Diese Beiträge werden jedoch nur dann von den Eltern im Rahmen ihrer Unterhaltsverpflichtung getragen, wenn sie zusätzlich zum Regelunterhalt tatsächlich gezahlt werden, ggf. im Wege der Erstattung an das Kind (unter 3.). Da im Streitfall die Kläger P die Beiträge nicht erstattet haben, haben sie die Versicherungsbeiträge ihres Kindes nicht getragen und können sie deshalb auch nicht als Sonderausgaben im Streitjahr geltend machen (unter 4.).
- 13
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1. Als eigene Beiträge des Steuerpflichtigen zur Basiskrankenversicherung (§ 10 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a EStG) und zur gesetzlichen Pflegeversicherung (§ 10 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b EStG) werden auch die vom Steuerpflichtigen im Rahmen der Unterhaltsverpflichtung getragenen eigenen Beiträge i.S. dieser Buchstaben eines Kindes behandelt, für das ein Anspruch auf einen Kinderfreibetrag (§ 32 Abs. 6 EStG) oder auf Kindergeld besteht (§ 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 EStG).
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a) § 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 EStG betrifft den Fall, dass das Kind selbst kranken- und pflegeversichert ist. Dies kann auf einer eigenen Mitgliedschaft in einer gesetzlichen Kranken- bzw. Pflegeversicherung oder auf einem entsprechenden eigenen Versicherungsvertrag mit einem Privatversicherer beruhen (vgl. z.B. Kulosa in Herrmann/Heuer/Raupach --HHR--, § 10 EStG Rz 97). Nicht erfasst von dieser Vorschrift sind dagegen die Fälle, bei denen der Steuerpflichtige für sein unterhaltsberechtigtes Kind aufgrund einer eigenen vertraglichen Verpflichtung an eine (seine) private Krankenversicherung Beiträge zahlt (BTDrucks 16/13429, 39 (43)).
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b) Eine (weitere) Voraussetzung für den Abzug nicht unmittelbar selbst geschuldeter Sonderausgaben ist eine entsprechende Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind. Ohne diese Unterhaltsverpflichtung scheidet eine Berücksichtigung dieser Beiträge des Kindes schon vom Wortlaut des § 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 EStG her aus. Auch entspricht es gerade dem Sinn und Zweck des Gesetzes, den Sonderausgabenabzug nur im Fall einer solchen Unterhaltsverpflichtung zu gewähren.
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Der Unterhaltsanspruch gemäß § 1610 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) i.V.m. § 1601 BGB umfasst den gesamten Lebensbedarf des Kindes einschließlich Aufwendungen für eine angemessene Kranken- wie eine Pflegeversicherung (Hammermann in: Erman, § 1610 BGB Rz 7). Bei den Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung handelt es sich um einen gegenwärtigen Bedarf, da die Versicherungen ein jederzeit bestehendes Risiko absichern (vgl. z.B. Staudinger/Klinkhammer, § 1610 BGB Rz 173). Allerdings müssen die Versicherungsbeiträge tatsächlich auch angefallen sein. So führt etwa eine Familienmitversicherung nach § 10 des Sozialgesetzbuchs --Fünftes Buch-- (SGB V) nicht zu einem höheren Unterhaltsbedarf (Staudinger/ Klinkhammer, § 1610 BGB Rz 170, m.w.N.).
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2. Fallen beim Kind in der Ausbildung eigene Versicherungsbeiträge an, haben die Eltern diese zu tragen (unter a), es sei denn, dieser Bedarf des Kindes wird von der Ausbildungsvergütung abgedeckt (unter b).
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a) Da diese Versicherungsbeiträge Teil des Unterhaltsanspruchs des Kindes sind, ist es ohne Bedeutung, ob das Kind seine eigenen Beiträge aus der Netto-Ausbildungsvergütung an seine private Kranken- bzw. Pflegeversicherung bezahlt oder --wie hier-- im Fall einer gesetzlichen Versicherungspflicht des Kindes eine um diese Beiträge reduzierte Netto-Ausbildungsvergütung ausgezahlt erhält. In beiden Fällen reduzieren diese Beiträge das Einkommen des Kindes und erhöhen seinen Lebensbedarf. Sie sind deshalb grundsätzlich vom Unterhaltsschuldner neben dem Unterhalt nach den Regelbedarfssätzen zu tragen.
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Dass die Einbehaltung der Beiträge zur gesetzlichen Kranken- wie Pflegeversicherung durch den Arbeitgeber des Kindes keinen Sonderfall im Vergleich zur Zahlung dieser Beiträge an eine private Versicherung durch das Kind darstellt, ist (mittlerweile) auch aus Sicht des Gesetzgebers selbstverständlich, wie es die wiederholten Gesetzesinitiativen des Bundesrates zur Eingrenzung des § 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 EStG in der Vergangenheit zeigen.
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b) Allerdings setzt Ausbildungsunterhalt voraus, dass das Kind unterhaltsbedürftig ist (Viefhues in: juris-PK, 8. Aufl. 2017, § 1610 BGB Rz 317). Im Rahmen der Unterhaltsbedürftigkeit ist die Ausbildungsvergütung, die ein volljähriges Kind erhält, als Einkommen zu berücksichtigen und deswegen -–nach Abzug berufsbedingter Mehraufwendungen—- in voller Höhe bedarfsmindernd anzurechnen (Urteil des Bundesgerichtshofs vom 26. Oktober 2005 XII ZR 34/03, Neue Juristische Wochenschrift 2006, 57, Rz 17, m.w.N.).
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Ob die Ausbildungsvergütung des P im vorliegenden Fall dazu führt, dass die Unterhaltsverpflichtung der Kläger ihm gegenüber entfallen ist und schon aus diesem Grunde eine Berücksichtigung der geltend gemachten Beiträge des P durch die Kläger ausscheidet, kann mangels entsprechender Feststellungen des FG vom Senat nicht überprüft werden. Allerdings kann dies im vorliegenden Fall dahinstehen. Entscheidend ist nämlich, dass die Kläger die Versicherungsbeiträge des P nicht getragen haben (dazu unter II.3.).
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3. Die Beiträge des Kindes i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 EStG werden nur dann von den Eltern getragen, wenn sie von diesen für das Kind im Veranlagungszeitraum auch tatsächlich gezahlt oder dem Kind erstattet worden sind. Es reicht nicht aus, dass Naturalunterhalt geleistet wurde.
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a) Gemäß § 1612 Abs. 1 Satz 1 BGB ist der Unterhalt durch die Entrichtung einer Geldrente zu gewähren. Wenn besondere Gründe es rechtfertigen, kann der Verpflichtete nach § 1612 Abs. 1 Satz 2 BGB verlangen, dass ihm die Gewährung des Unterhalts in anderer Art gestattet wird. § 1612 Abs. 2 Satz 1 BGB sieht bei unverheirateten Kindern ein Bestimmungsrecht der Eltern vor, sofern auf die Belange des Kindes die gebotene Rücksicht genommen wird.
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Zwar bestimmen im Fall der unverheirateten Kinder grundsätzlich die Eltern, wie sie den Unterhalt gewähren. Dabei ist die Formulierung in § 1612 Abs. 1 Satz 2 BGB hinsichtlich der "anderen Art" des Unterhalts auch sehr weit gefasst. Sie führt jedoch nicht dazu, dass bereits die Gewährung von Naturalunterhalt auch die Beiträge zu eigenen Kranken- und Pflegeversicherungen des Kindes umfasst. Schließlich bezieht sich der Regelunterhalt, auch in Form von Naturalunterhalt, wie gezeigt, nicht auf die eigenen Versicherungsbeiträge des Kindes.
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b) Für dieses Verständnis der Unterhaltsverpflichtung nach § 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 EStG spricht auch die Fassung des Gesetzes.
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Die von den Steuerpflichtigen "getragenen eigenen Beiträge" des Kindes müssen in Form von Barunterhalt erbracht werden.
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Ansonsten fehlte es an der vom Wortsinn her notwendigen Unterstützung des Kindes. Sie bliebe rein fiktiv.
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Nur die Kostenübernahme durch eine Zahlung der Eltern entspricht darüber hinaus der systematischen Stellung des § 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 EStG, der eine Ausnahmevorschrift im Bereich des Sonderausgabenabzugs darstellt.
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aa) Sonderausgaben sind nach § 10 Abs. 1 EStG "Aufwendungen", also Vermögensminderungen, die einen tatsächlichen Abfluss, also eine Zahlung, voraussetzen. Es gilt bei Sonderausgaben das (strenge) Abflussprinzip (vgl. Senatsurteil vom 21. Juli 2016 X R 43/13, BFHE 255, 27, BStBl II 2017, 256, Rz 15, m.w.N.).
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bb) Aus der Verwendung des Begriffs "Aufwendungen" und aus dem Zweck des § 10 EStG, bestimmte die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen mindernde Privatausgaben vom Abzugsverbot des § 12 Nr. 1 EStG auszunehmen, folgt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs weiter, dass nur solche Ausgaben als Sonderausgaben berücksichtigt werden dürfen, durch die der Steuerpflichtige tatsächlich und endgültig wirtschaftlich belastet ist (vgl. Senatsurteil in BFHE 255, 27, BStBl II 2017, 256, Rz 15, m.w.N.).
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cc) Zusätzlich setzt die Abzugsberechtigung im Fall von Sonderausgaben die Rechtsposition eines rechtlichen Schuldners voraus (vgl. nur HHR/Kulosa, § 10 EStG Rz 33). Folglich ist Drittaufwand beim Abzug von Versicherungsbeiträgen als Sonderausgaben grundsätzlich nicht abziehbar (Senatsurteil vom 19. April 1989 X R 2/84, BFHE 157, 101, BStBl II 1989, 683).
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Wenn nach § 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 EStG Sonderausgaben abziehbar sind, die der Steuerpflichtige rechtlich nicht schuldet und damit ausnahmsweise Drittaufwand im Rahmen des Sonderausgabenabzugs berücksichtigt werden kann, muss sichergestellt sein, dass der Steuerpflichtige, hierdurch wirklich belastet ist.
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Dieses auf eine tatsächliche Zahlung beschränkte Verständnis des Begriffs des Tragens eines Beitrags in § 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 EStG führt dazu, dass dem Abflussprinzip Genüge getan wird und darüber hinaus die richtige zeitliche Zuordnung der Sonderausgaben bei den Eltern sichert.
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c) Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die gefundene Darlegung von § 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 EStG bestehen nicht. Dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 13. Februar 2008 2 BvL 1/06 (BVerfGE 120, 125) wird Genüge getan. Aufgrund dieses Beschlusses hat der Gesetzgeber die Verpflichtung, Beiträge zu Versicherungen, die den Schutz des Lebensstandards des Steuerpflichtigen in Höhe des Existenzminimums gewährleisten, steuerlich freizustellen. Aus Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes leitet sich dieses Prinzip der Steuerfreiheit des Existenzminimums (subjektives Nettoprinzip) ab. Hierzu gehören die Kranken- und Pflegeversicherung (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 120, 125, unter D.II.3.).
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Übernimmt der Steuerpflichtige tatsächlich, nämlich durch Gewährung von Barunterhalt, Beiträge von unterhaltsberechtigten Kindern, ist sein subjektives Existenzminimum betroffen. Die übernommenen Beiträge sind folglich steuerlich freizustellen. Ein darüber hinaus bestehender Anspruch des Steuerpflichtigen existiert nicht.
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d) Dieses Abstellen auf die tatsächliche Zahlung der Versicherungsbeiträge des Kindes durch die Eltern schließt im Übrigen eine Doppelberücksichtigung der gleichen Beiträge bei den Eltern und dem Kind aus.
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4. Da die Kläger die Beiträge des P nicht geleistet haben, scheidet die Anwendung des § 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 EStG aus. Folglich ist die Entscheidung des FG im Ergebnis richtig und die Revision nach § 126 Abs. 4 FGO zurückzuweisen.
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5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.