Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 24. Jan. 2018 - A 11 S 1265/17

published on 24/01/2018 00:00
Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 24. Jan. 2018 - A 11 S 1265/17
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Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 24. Februar 2017 - A 2 K 5696/16 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger begehrt die Gewährung subsidiären Schutzes, hilfsweise die Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbots.
Er ist nach eigenen Angaben ein 22 Jahre alter afghanischer Staatsangehöriger vom Volk der Hazara. Er gibt an, über keine Ausweispapiere aus Afghanistan zu verfügen. Nach seiner Asylantragstellung am 10. November 2015 wurde er am 11. Oktober 2016 zu seinem Begehren durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge angehört. Hierbei gab er an in Mangor in der Provinz Daikundi geboren zu sein. Er habe dort 15 Jahre lang gelebt. Nach dem Tod seiner Mutter habe er niemanden mehr gehabt und sei 2011 in den Iran gegangen. 2015 habe er den Iran verlassen und sei über die Türkei und sodann Griechenland und dann auf der Balkanroute nach Deutschland gekommen. Sein Vater sei 2004 verstorben, er habe weder innerhalb noch außerhalb von Afghanistan noch lebende Verwandte. Seine Eltern hätten beide keine Geschwister gehabt. Er habe nie eine Schule besucht und sei Analphabet. Er habe im Iran in verschiedenen Stadtteilen Teherans gelebt, zuletzt in Mherdamad. Afghanen litten im Iran unter den Schikanen und Repressalien der Polizei. Er habe sich auf dem Bau im Iran die Hand gebrochen, so dass ein Metallstück eingesetzt worden sei. Daher könne er keine schweren Arbeiten mehr erledigten. Das Metall sei wieder herausgenommen worden.
Mit Bescheid vom 13. Oktober 2016 lehnte das Bundesamt den Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und auf die Anerkennung als Asylberechtigter sowie auch auf die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus ab. Es stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen. Der Kläger wurde aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen. Für den Fall der nicht fristgerechten Ausreise wurde ihm die Abschiebung nach Afghanistan oder einen anderen Staat, in den er einreisen dürfe oder der zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist, angedroht. Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet.
Gegen den am 20. Oktober 2016 zugestellten Bescheid hat der Kläger am 24. Oktober 2016 Klage erhoben mit den Begehren, den Bescheid aufzuheben und ihm die Flüchtlingseigenschaft, hilfsweise subsidiären Schutz zuzuerkennen und höchsthilfsweise ein nationales Abschiebungsverbot festzustellen. Zur Begründung hat er unter anderem vorgetragen, dass er Afghanistan als 15jährer Junge verlassen habe und daher im Notfall keinerlei Zugang zu irgendeiner Art sozioökonomischen Schutzes hätte.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 24. Februar 2017 abgewiesen. Auf den Antrag des Klägers vom 28. April 2017 hat der Senat mit Beschluss vom 31. Mai 2017 die Berufung gegen das ihm am 30. März 2017 zugestellte Urteil entsprechend seinem Antrag zugelassen, soweit in dem angefochtenen Urteil die Klage auf Verpflichtung zur Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus sowie auf Feststellungen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 AufenthG abgewiesen hat.
Zur Begründung beruft er sich auf die Lage in Daikundi, weil insoweit ein Anspruch nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG erfüllt sei. Im Übrigen müsse er damit rechnen, in Afghanistan sein Existenzminimum nicht erwirtschaften zu können. Dies führe auch auf ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG iVm Art. 3 EMRK. Hinsichtlich seiner Handgelenksverletzung legt er ein Attest einer Fachärztin für Chirurgie vom 8. November 2017 vor, wonach zu vermuten sei, dass es sich ehemals um einen körperfernen Bruch der Speiche gehandelt habe, er damals mit einer Kirschnerdrahtstiftung behandelt worden sei. Ein schwer einschränkender Dauerschaden liege nicht vor, es bestünden allein leichte Belastungsschmerzen. Der Kläger macht geltend, dass dies ein entscheidendes Handicap bei der Arbeitssuche sei, wozu ein Sachverständigengutachten beantragt werde.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 24. Februar 2017 - A 2 K 5696/16 - teilweise zu ändern und die Beklagte unter entsprechender Aufhebung des Bescheids des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 13. Oktober 2016 zu verpflichten, dem Kläger subsidiären Schutz zuzuerkennen, hilfsweise, die Beklagte zu verpflichten festzustellen, dass ein nationales Abschiebungsverbot hinsichtlich Afghanistans vorliegt.
Die Beklagte beantragt,
10 
die Berufung zurückzuweisen.
11 
Zur Begründung bezieht sie sich auf ihren Bescheid sowie das angegriffene Urteil.
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Der Senat hat den Kläger in der mündlichen Verhandlung persönlich angehört. Wegen des Ergebnisses der Anhörung verweist der Senat auf das Protokoll.
13 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.
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Dem Senat liegen die Akten der Beklagten sowie die Akten des Verwaltungsgerichts Stuttgart vor.

Entscheidungsgründe

 
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Die zulässige Berufung bleibt ohne Erfolg.
16 
Dem Kläger kommt weder der geltend gemachte Anspruch auf die Zuerkennung subsidiären Schutzes noch der hilfsweise geltend gemachte Anspruch auf Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbots zu. Die ablehnende Entscheidung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge erweist sich daher als rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in eigenen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
I.
17 
Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Zuerkennung subsidiären Schutzes, da er keine stichhaltigen Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsstaat ein ernsthafter Schaden droht, § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG. Dies gilt für alle drei Varianten des ernsthaften Schadens im Sinne des § 4 AsylG, die in § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 bis Nr. 3 AsylG aufgeführt sind.
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1. Dem Kläger droht weder die Verhängung noch die Vollstreckung der Todesstrafe (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylG).
19 
2. Ebenso wenig droht ihm Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG. Der Kläger bringt nicht mit Erfolg vor, individuell unmittelbar von dem Eintritt eines ernsthaften Schadens bedroht zu sein. Soweit er sich auf die Gefährdungen beruft, die sich aus den allgemeinen Lebensbedingungen in Afghanistan ergeben, fehlt es insoweit bereits an einem Verfolgungsakteurs im Sinne des § 3c AsylG und des Art. 6 RL 2011/95/EU vom 13.12.2011, ABl EU L 337/95. Im Übrigen besteht für den Kläger derzeit keine tatsächliche Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK für den Fall seiner Rückkehr nach Afghanistan (dazu unten unter II.).
20 
a) Der Begriff der unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG ist im Gesetz nicht näher definiert. Da die Vorschrift der Umsetzung der RL 2011/95/EU dient, ist sie in Übereinstimmung mit dem entsprechenden Begriff in Art. 15b RL 2011/95/EU auszulegen. Unter Heranziehung der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zu Art. 15b RL 2011/95/EU und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Art. 3 EMRK ist unter einer unmenschlichen Behandlung die absichtliche, d.h. vorsätzliche Zufügung schwerer körperlicher oder seelischer Leiden, die im Hinblick auf Intensität und Dauer eine hinreichende Schwere aufweisen, zu verstehen.
21 
EGMR, Urteile vom 21.01.2011 - 30696/09 - (M.S.S./Belgien und Griechenland), NVwZ 2011, 413 Rn. 220 m.w.N. sowie vom 11.07.2006 - 54810/00 - (Jalloh/ Deutschland), NJW 2006, 3117 Rn. 67; BVerwG, Urteil vom 31.01.2013 - 10 C 15.12 -, NVwZ 2013, 1167 Rn. 22 ff. m.w.N.; siehe auch Hailbronner, Ausländerrecht, Mai 2017, § 4 AsylG Rn. 22 ff. und Jarass, Charta der Grundrechte, 3. Aufl. 2016, Art. 4 Rn. 9.
22 
Es muss zumindest eine erniedrigende Behandlung in der Form einer einen bestimmten Schweregrad erreichenden Demütigung oder Herabsetzung vorliegen. Diese ist dann gegeben, wenn bei dem Opfer Gefühle von Furcht, Todesangst und Minderwertigkeit verursacht werden, die geeignet sind, diese Person zu erniedrigen oder zu entwürdigen und möglicherweise ihren psychischen oder moralischen Widerstand zu brechen.
23 
Vgl. auch dazu im Einzelnen ausführlich Hailbronner, Ausländerrecht, Mai 2017, § 4 AsylG Rn. 22 ff., insbesondere Rn. 24, 25.
24 
Im Rahmen des subsidiären Schutzes gilt für die Beurteilung der Frage, ob ein ernsthafter Schaden droht, der einheitliche Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit. Dieser aus dem Tatbestandsmerkmal „... tatsächlich Gefahr liefe ..." des Art. 2f RL 2011/95/EU abzuleitende Maßstab orientiert sich an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, der bei der Prüfung des Art. 3 EMRK auf die tatsächliche Gefahr abstellt („real risk“).
25 
BVerwG, Urteil vom 17.11.2011 - 10 C 13.10 -, NVwZ 2012, 454 Rn. 20; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 20.03.2013 - 10 C 23.12 -, NVwZ 2013, 936 Rn. 32.
26 
Der Wahrscheinlichkeitsmaßstab, der der Prognose zugrunde zu legen ist, gilt unabhängig davon, ob der Betroffene bereits vor seiner Ausreise einen ernsthaften Schaden im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG erlitten hat: Ein solcher Umstand stellte aber einen ernsthafter Hinweis dar, dass er tatsächlich Gefahr läuft, ernsthaften Schaden zu erleiden. Dies folgt aus der Vermutungswirkung des Art. 4 Abs. 4 RL 2011/95/EU.
27 
b) Ausgehend von diesen Maßstäben besteht keine tatsächliche Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Hinblick auf das individuelle Vorbringen des Klägers im Falle seiner Rückkehr. Insbesondere folgt eine solche Gefahr nicht aus seiner Zugehörigkeit zum Volk der Hazara.
28 
aa) Die Volksgruppe der Hazara stellt im Vielvölkerstaat Afghanistan - nach den Paschtunen (40 %) und den Tadschiken (25 %) - mit einem Anteil von etwa 10 % der Bevölkerung eine große Minderheit dar.
29 
Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 19.10.2016 - Stand September 2016 -, S. 9; Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan, Republik Österreich Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vom 02.03.2017, aktualisiert am 27.06.2017, S. 55, 72, 94 und 96).
30 
Nach Schätzungen des Auswärtigen Amtes leben etwa drei Millionen Hazara in Afghanistan.
31 
Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 19.10.2016 - Stand September 2016 -, S. 9.
32 
Teilweise wird abweichend hiervon eine Zahl von 2,7 bis 6 Millionen bzw. ein Anteil von 9 bis 20 % der Bevölkerung angegeben.
33 
Landinfo/Norwegian Country of Origin Information Centre: Report: Hazaras and Afghan insurgent groups, 03.10.2016, S. 6 m.w.N.).
34 
Hinsichtlich der maßgeblichen Vergleichsgröße wird in diesem Zusammenhang die Einwohnerzahl für das gesamte Land zwischen etwa 27 bis 34 Millionen angegeben (siehe unten S. 27).
35 
Bei den Hazara handelt es sich um ein Volk mongolischer Abstammung. Auf Grund dieser Herkunft sind sie optisch wegen ihrer tendenziell eher zentralasiatischen Gesichtszüge meist als ihrer Volksgruppe zugehörig zu erkennen.
36 
ÖRK/Accord, Afghanistan, Dokumentation des Expertengespräches mit Thomas Ruttig und Michael Daxner, 04.05.2016, S. 7; Stahlmann, ZAR 2017, 189 (190 f.); Landinfo/Norwegian Country of Origin Information Centre: Report: Hazaras and Afghan insurgent groups, 03.10.2016, S. 6.
37 
Sie sprechen vorwiegend einen Dialekt des Persischen namens Hazaragi, der mongolische und turksprachige Wörter enthält. Die Hazara waren einst die größte ethnische Gruppe Afghanistans. Mehr als die Hälfte der Hazara-Bevölkerung war allerdings bereits im Jahr 1893 getötet worden, als die Hazara nach einem politischen Aufstand ihre Autonomie eingebüßt hatten. Die meisten Hazara leben auch heute noch im sogenannten Hazarajat (auch: Hazarestan) im zentralen Bergland Afghanistans, dem „Land der Hazara“. Dessen ca. 50.000 Quadratkilometer großes Gebiet ist in seiner exakten Abgrenzung zwar umstritten, es umfasst jedenfalls den Bereich der Provinz Bamiyan sowie Teile benachbarter Provinzen. Andere Hazara leben in den Bergen von Badachschan (eine Provinz im äußersten Nordosten Afghanistans), aber auch in weiteren Teilen Afghanistans, etwa in Daikundi und Ghazni.
38 
Landinfo/Norwegian Country of Origin Information Centre: Report: Hazaras and Afghan insurgent groups, 03.10.2016, S. 6; vgl. auch zu weiteren Distrikten Accord, Anfragebeantwortung zu Afghanistan: Lage der Hazara, Zugang zu staatlichem Schutz und Hintergründe des Konflikts zwischen Kuchis und Hazara, 02.09.2016, S. 17; vgl. auch das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan, Republik Österreich Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vom 02.03.2017, aktualisiert am 27.06.2017, S. 152, dort werden als Kernland der Region des Hazarat die Provinzen Bamiyan, Ghazni, Daikundi, der Westen der Provinz Wardak und Teile der Provinzen Ghor, Uruzgan, Parwan, Samangan, Baghlan, Balkh, Badghis und Sar-e Pol genannt.
39 
Der ganz überwiegende Teil der Hazara ist schiitischen Glaubens und stellt somit auch in religiöser Hinsicht - im Vergleich zu den mehrheitlich sunnitischen Muslimen des Landes - eine Minderheit dar.
40 
Vgl. insgesamt ausführlich: Accord, Anfragebeantwortung zu Afghanistan: Aktuelle Situation der Volksgruppe der Hazara, 27.06.2016, S. 2 und 4 m.w.N. sowie auch ÖRK/Accord, Afghanistan, Dokumentation des Expertengespräches mit Thomas Ruttig und Michael Daxner, 04.05.2016, S. 7 und UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender, 19.04.2016, S. 59.
41 
bb) Für eine staatliche Verfolgung oder Diskriminierung der Hazara gibt es keine Anhaltspunkte.
42 
In der afghanischen Verfassung ist der Gleichheitsgrundsatz verankert. Sie schützt sämtliche ethnischen Minderheiten. Auch ist eine systematische, etwa auch nach dem Merkmal der Volkszugehörigkeit diskriminierende Strafverfolgungs- oder Strafzumessungspraxis für Afghanistan nicht erkennbar.
43 
Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 19.10.2016 - Stand September 2016 -, S. 9 und S. 11; Landinfo/Norwegian Country of Origin Information Centre: Report: Hazaras and Afghan insurgent groups, 03.10.2016, S. 12 m.w.N.; Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan, Republik Österreich Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vom 02.03.2017, aktualisiert am 27.06.2017, S. 150; anschaulich auch Staatssekretariat für Migration SEM der Schweizerischen Eidgenossenschaft, Notiz Afghanistan: Alltag in Kabul. Referat von Thomas Ruttig (Afghanistan Analysts Network) am 20. April 2017, 20.06.2017, S. 17.
44 
Nachdem die Hazara zuvor unter dem Regime der sunnitischen Taliban schwerwiegenden Misshandlungen - etwa auch Massakern und dem Vorenthalten von Nahrungsmitteln - ausgesetzt gewesen waren, konnten sie neben ihrer allgemeinen sozio-ökonomische Position insbesondere ihre gesellschaftliche Stellung auch in der Politik erheblich verbessern. So besetzte ein Hazara unter Präsident Karzai verschiedene hochrangige Regierungspositionen, u.a. auch das Amt des Vizepräsidenten. Auch ansonsten finden sich in hochrangigen Position in der öffentlichen Verwaltung und der Politik sowohl auf zentraler als auch lokaler Ebene Hazara. Die Hazara gelten insgesamt als in der Zivilgesellschaft gut vertreten.
45 
Landinfo/Norwegian Country of Origin Information Centre: Report: Hazaras and Afghan insurgent groups, 03.10.2016, S. 12 m.w.N.
46 
cc) Im alltäglichen, gesellschaftlichen Leben kommt es allerdings durchaus zu Diskriminierungen von Hazara. So wird - allgemein gehalten - davon berichtet, dass Hazara beständig sozial, rassisch oder religiös motivierter gesellschaftlicher Diskriminierung in Form von Gelderpressungen durch illegale Besteuerung, Zwangsrekrutierung, Zwangsarbeit, physischer Gewalt sowie Inhaftierung betroffen seien und sie beispielsweise auch innerhalb der Afghanischen Nationalen Sicherheitskräfte (ANSF) einem stärkeren Risiko ausgesetzt seien, in unsicheren Gebieten eingesetzt zu werden, als dies bei Nicht-Hazara-Beamten der Fall ist.
47 
Accord, Anfragebeantwortung zu Afghanistan: Aktuelle Situation der Volksgruppe der Hazara, 27.06.2016, S. 5 f.; vgl. auch Accord, Anfragebeantwortung zu Afghanistan: Lage der Hazara, Zugang zu staatlichem Schutz und Hintergründe des Konflikts zwischen Kuchis und Hazara, 02.09.2016, S. 2 m.w.N.; vgl. auch UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender, 19.04.2016, S. 87 sowie S. 59 Fn. 327, 328 sowie auch Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich - Länderinformationsblatt der Staatendokumentation: Afghanistan (Gesamtaktualisierung vom 02.03.2017, letzte Kurzinformation eingefügt am 27.06.2017), S. 153; außerdem: EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City (August 2017), S. 114 m.w.N.; USDOS, Afghanistan 2016 Human Rights Report, 17.03.2017, S. 47.
48 
Ein Beispiel für die - jedenfalls als solche empfundene - Benachteiligung ist die Auseinandersetzung um den Verlauf einer Stromtrasse. Der Umstand, dass eine durch Bamiyan geplante internationale Hochspannungsleitung lediglich als Durchgangslinie angedacht war und nicht etwa das bislang nur durch eine staatliche Solaranlage (unter-) versorgte Bamiyan elektrifiziert werden sollte, wurde zum Ursprung einer Protestbewegung der Hazara, des sog. „Enlightenment Movement“.
49 
SRF, Bericht: Schiiten in Afghanistan - Das Volk der Hazara will mehr Licht; Diskriminiert - die Minderheit der Hazara in Afghanistan, 16.03.2017; vgl. auch Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 19.10.2016 - Stand September 2016 -, S. 9 f.; vgl. dazu auch im Weiteren zur Demonstration der Hazara bzw. der Enlightenment-Bewegung vom 23. Juli 2016, die zum Ziel eines verheerenden Anschlags von IS-Kräften wurde.
50 
dd) Daneben gibt es aber auch positive Entwicklungen. So stellt der Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 19. Oktober 2016 dar, dass sich die Lage der ca. 3.000.000 Hazara in Afghanistan grundsätzlich verbessert hat, auch wenn sie in der öffentlichen Verwaltung weiterhin unterrepräsentiert sind, was aber auch noch eine Nachwirkung vergangener Zeiten sein könnte.
51 
Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 19.10.2016 - Stand September 2016 -, S. 9.
52 
Ähnliches lässt sich auch der Darstellung des UNHCR entnehmen, der von erheblichen politischen und wirtschaftlichen Fortschritten der Hazara seit dem Ende des Taliban Regimes im Jahr 2001 berichtet und u.a. auf die Anzahl der schiitischen Parlamentsmitglieder verweist, die in etwa dem Anteil der Schiiten in der Bevölkerung entspreche. Die Diskriminierung von Schiiten durch Sunniten hat danach deutlich abgenommen und aus Kabul sowie aus größeren Randgebieten seien keine Vorfälle mehr gemeldet worden. In Herat würden - bei einem großen schiitischen Bevölkerungsanteil - sowohl schiitische als auch sunnitische Führer von einem weitgehend harmonischen Zusammenleben berichten.
53 
UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender, 19.04.2016, S. 87, 59, dort insbesondere auch Fn. 326 unter Verweis auf den Bericht des US Department of State vom 14.10.2015: 2014 Report on International Religious Freedom - Afghanistan vgl. zur signifikanten Verbesserung der Lage der Hazara seit dem Sturz der Taliban im Jahr 2001 auch Landinfo/Norwegian Country of Origin Information Centre,: Report: Hazaras and Afghan insurgent groups, 03.10.2016, S. 3.
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In seinen Anmerkungen zur Situation in Afghanistan auf Anfrage des deutschen Bundesministeriums des Innern von Dezember 2016
55 
- UNHCR, Anmerkung zur Situation in Afghanistan auf Anfrage des deutschen Bundesministeriums des Innern, Dezember 2016, S. 5 f. -
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berichtet der UNHCR, dass Hazara-Familien aufgrund ihrer ethnischen Zugehörigkeit als Binnenflüchtlinge in der vergleichsweise ruhigen Provinz Bamiyan aufgenommen wurden, nachdem im Herbst 2016 Dörfer von Hazara im Rahmen der Taliban-Aufstände gegen regierungsnahe Kräfte angegriffen worden sind. Auch kam es zu Verhandlungen zwischen Gruppen der Hazara und der Taliban, durch die bereits einige Angelegenheiten geklärt werden konnten. In Ghazni haben die Taliban und die Hazaras einen Nichtangriffspakt geschlossen, auf der Grundlage, dass den Taliban erlaubt wurde, bestimmte Straßen durch die Gebiete der Hazara zu nutzen.
57 
Norwegian Country of Origin Information Centre, Landinfo, Report Afghanistan: Hazaras and Afghan insurgent groups, 03.10.2016, S. 18 f., vgl. auch S. 20 f.
58 
Hieraus allerdings eine sich verfestigende Lage oder gar eine dauerhafte Entwicklung ableiten zu wollen, ist angesichts der sich ständige ändernden Verbindungen, Partei- und Fraktionswechsel der verschiedenen Akteure (etwa der Bewegungen zwischen und auch innerhalb der Taliban, der IS-Bewegungen und sonstigen Gruppen) gegenwärtig nicht angezeigt.
59 
Vgl. zu den von jeher üblichen „pragmatischen“ Doppelallianzen, Wechseln in den Loyalitäten, persönlichen Verbindungen, Meinungsunterschieden und -umschwüngen insbesondere der regierungsfeindlichen Gruppen eindrücklich: Stahlmann, ZAR 2017, 189 (S. 190 ff.), insbes. S. 192 sowie auch ÖRK/Accord, Afghanistan, Dokumentation des Expertengespräches mit Thomas Ruttig und Michael Daxner, 04.05.2016, S. 22 f.
60 
Vielmehr verbleibt es insgesamt bei einer unsicheren Situation, in der auch nicht von einer gleichförmigen Lage sämtlicher hazarischen Volkszugehörigen die Rede sein kann. So arbeiten die Hazara teilweise mit den Taliban zusammen oder gehören ihnen sogar an
61 
- EASO Country of Origin Information Report: Afghanistan - recruitment by armed groups, September 2016, S. 19 -,
62 
zuweilen findet - angesichts der üblicherweise schiitischen Religionszugehörigkeit der Hazara allerdings nur in Ausnahmefällen - sogar eine Rekrutierung von Hazara durch die (sunnitischen) Taliban statt.
63 
ÖRK/Accord, Afghanistan, Dokumentation des Expertengespräches mit Thomas Ruttig und Michael Daxner, 04.05.2016, S. 22.
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ee) Auch aus einer für Volkszugehörige der Hazara prekären Sicherheitslage lässt sich nicht auf darauf schließen, dass grundsätzlich jeder Angehöriger der Gruppe nur wegen dieser Eigenschaft mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Eingriffe in Leib oder Leben zu gewärtigen hätte.
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Die Vorfälle, durch die Hazara - oft auch als Angehörige der schiitischen Religion - betroffen waren bzw. verletzt oder sogar getötet wurden, sind zahlreich, was die nachfolgenden (nicht abschließenden) Ereignisse verdeutlichen.
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Im März 2016 wurden in der Provinz Sar-e Pol elf, im Juni 2016 17 Hazara entführt. Letztere wurden nach wenigen Tagen wieder freigelassen. Am 6. Juli 2016 töteten Taliban 22 Polizisten, die Angehörige der Hazara waren.
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Accord, Anfragebeantwortung zu Afghanistan: Lage der Hazara, Zugang zu staatlichem Schutz und Hintergründe des Konflikts zwischen Kuchis und Hazara, 02.09.2016, S. 6 f. und S. 15 f. sowie außerdem im Bericht insgesamt auch ausführlich zu weiteren Vorfällen vor 2016; US Department of State, Afghanistan 2016 Human Rights Report, 17.03.2017, S. 3.
68 
Am 23. Juli 2016 ereignete sich in Kabul äußerst gravierender und „öffentlichkeitswirksamer“ Anschlag auf Angehörige der Hazara, der im Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 19. Oktober 2016 - also aus einer Zeit vor dem schweren Anschlag vom 31. Mai 2017 - als schwerster Selbstmordanschlag in der afghanischen Geschichte bezeichnet wurde.
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Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 19.10.2016 - Stand September 2016 -, S. 10.
70 
Bei einem Angriff auf eine Kundgebung der zuvor erwähnten „Enlightenment“-Bewegung in Kabul, zu dem sich die dem Islamischen Staat (auch bezeichnet als Daesh) zugehörige Splittergruppe ISKP (Islamic State Khorasan Province, auch ISIL-KP) bekannte, starben 80 Personen.
71 
UNHCR, Anmerkung zur Situation in Afghanistan auf Anfrage des deutschen Bundesministeriums des Innern, Dezember 2016, S. 6; Accord, Anfragebeantwortung zu Afghanistan: Lage der Hazara, Zugang zu staatlichem Schutz und Hintergründe des Konflikts zwischen Kuchis und Hazara, 02.09.2016, S. 8; Norwegian Country of Origin Information Centre, Landinfo, Report Afghanistan: Hazaras and Afghan insurgent groups vom 03.10.2016, S. 25; dort auch zur IS-Gruppe ISKP als einer Splittergruppe dies Islamischen Staats (IS), der auch Daesh genannt wird, ausführlich auf S. 22 ff. des Berichts sowie auch: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich - Länderinformationsblatt der Staatendokumentation: Afghanistan (Gesamtaktualisierung vom 02.03.2017, letzte Kurzinformation eingefügt am 27.06.2017), S. 18 und 30;
72 
Am 11. Oktober 2016 kam es zu zwei Angriffen auf schiitische Einrichtungen (einen Schrein und die Azrat-Moschee), bei denen mindestens 13 Zivilisten getötet wurden. Am 21. November 2016 wurde eine weitere schiitische Moschee in Kabul (Baqir-Ul-Olum) angegriffen, wobei 27 Zivilisten getötet und mindestens 30 verletzt wurden.
73 
Zu den (jeweils auch abweichenden) Zahlen: UK Home Office, Country Policy and Information Note - Afghanistan: Security and humanitarian situation, August 2017, S. 25; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Schnellrecherche der SFH-Länderanalyse vom 19. Juni 2017 zu Afghanistan: Sicherheitslage in Kabul, 19.06.2017, S. 5 f., 11 und 16 f. m.w.N.; Ecoi.net, Themendossier: Allgemeine Sicherheitslage in Afghanistan und Chronologie für Kabul, 11.04.2017, S. 10; Ecoi.net, Themendossier: Allgemeine Sicherheitslage in Afghanistan und Chronologie für Kabul, 11.04.2017, S. 10.
74 
Im Gegensatz zu den Selbstmordanschlägen und komplexen Attacken der Taliban richten sich vom ISKP durchgeführte Anschläge auch absichtlich gegen Zivilisten, insbesondere gegen die Hazara als schiitische Minderheit, da diese auch wegen der Teilnahme afghanischer Schiiten am Kampf gegen den IS auf Seiten des syrischen Regimes im Fokus des ISKP steht.
75 
Vgl. dazu den Bericht des Auswärtigen Amts zur Lagebeurteilung für Afghanistan nach dem Anschlag am 31. Mai 2017 - Stand Juli 2017 -, S. 10.
76 
Die Vorfälle zum Nachteil von Hazara setzten sich auch im Jahr 2017 fort. Bereits am 1. Januar 2017 forderte eine Sprengstoffexplosion in einer schiitischen Moschee in Herat ein Todesopfer. Fünf Menschen wurden verletzt. Regierungsfeindliche Kräfte hielten am 6. Januar 2017 in der Provinz Baghlan einen Bus mit Minenarbeitern, die hauptsächlich Hazara waren, an. Sie töteten acht Passagiere und verletzten drei weitere. In Sar-e Pol wurden durch Anhänger des ISKP am 15. März 2017 drei Hazara getötet. Sie wurden erschossen und anschließend geköpft. Am 12. Mai 2017 verübte der Daesh/ISKP mittels einer ferngesteuerten Sprengvorrichtung einen Anschlag auf eine Bäckerei in einem schiitisch geprägten Stadtviertel vom Herat nahe einer religiösen Versammlung, bei dem sieben Menschen getötet und 17 verletzt wurden. Auch zu einem weiteren Anschlag auf eine schiitische Moschee in Kabul am 15. Juni 2017, bei dem fünf Zivilisten getötet und sieben weitere verletzt worden waren, bekannte sich der ISKP.
77 
UNAMA Midyear Report 2017: Afghanistan - protection of civilians in armed conflict, Juli 2017, S. 46 und 49.
78 
Bei zwei weiteren Angriffen auf schiitische Moscheen in Kabul und in der Provinz Ghor am 20. Oktober 2017 wurden in Kabul mindestens 39 Personen, möglicherweise sogar 65 Personen getötet und 67 weitere verletzt; in Ghor wurden bis zu 33 Menschen getötet. Bei gegen die schiitische Minderheit gerichteten Anschlägen wurden im Zeitraum zwischen Januar und Ende Oktober 2017 insgesamt mindestens 149 Menschen getötet und 300 verletzt, wobei für den überwiegenden Anteil vermutlich der ISKP verantwortlich ist.
79 
Human Rights Watch: The Pain Behind the Numbers of Afghanistan’s Deadly Attacks, 23.10.2017; Spiegel-online, Terror in Afghanistan - Mehr als 50 Tote bei Attentaten auf Moscheen, 20.10.2017.
80 
Angesichts der vorstehenden Ausführungen und auch im Hinblick auf die im Verhältnis zur Gesamtzahl der in Afghanistan lebenden Hazara nicht ausreichend gewichtigen Anzahl vermag der Senat insgesamt trotz der dargestellten Vielzahl sicherheitsrelevanter Vorfälle zum Nachteil von Hazara nicht festzustellen, dass über eine „nur“ latente oder potentielle Gefährdung hinausgehend jeder Angehörige der Gruppe mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Eingriffe in Leib oder Leben zu gewärtigen hätte und ein Grad erreicht wäre, der den Rückschluss darauf zuließe, dass allein aus der Zugehörigkeit zu der Volksgruppe eine tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens iSd. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG bestünde.
81 
Dabei kann schon nicht aus dem Umstand, dass die Opfer der Vorfälle hazarische Volkszugehörige sind, ohne weiteres darauf geschlossen werden, dass diese Vorfälle ihren Grund gerade in der Volks- oder auch in der schiitischen Religionszugehörigkeit der Geschädigten haben, auch wenn dies für einzelne Ereignisse klar ist oder jedenfalls naheliegend.
82 
Vgl. etwa für den Anschlag auf die Demonstration vom 23. Juli 2016 oder die Anschläge auf schiitische Moscheen in der zweiten Hälfte des Jahrs 2016, vgl. dazu UNAMA, Annual Report 2016: Afghanistan - protection of civilians in armed conflict, Februar 2017, S. 41 f. sowie auch UK Home Office, Country Policy and Information Note. Afghanistan: Security and humanitarian situation Office, August 2017, S. 19. Vgl. zur verneinten Frage einer Gruppenverfolgung im Übrigen auch: BayVGH, Beschlüsse vom 20.01.2017 - 13a ZB 16.30996 -, juris Rn. 11 f.; vom 04.01.2017 - 13a ZB 16.30600 -, juris Rn. 6; und vom 19.12.2016 - 13a ZB 16.30581 -, juris Rn. 4; außerdem auch jüngere untergerichtliche Entscheidungen: eingehend VG Lüneburg, Urteile vom 15.05.2017 - 3 A 156/16 -, juris Rn. 24 ff. und vom 13.06.2017 - 3 A 136/16 -, juris Rn. 25 ff.; außerdem VG Cottbus, Urteil vom 01.08.2017 - 5 K 1488/16.A -, juris Rn. 21 ff.; VG Berlin, Urteil vom 14.06.2017 - 16 K 207/17 A -, juris Rn. 20; VG Osnabrück, Urteil vom 15.03.2017 - 1 A 19/17 -, asyl.net, S. 8 UA; VG Düsseldorf, Urteil vom 05.01.2017 - 18 K 2043/15.A -, juris Rn. 28 ff.
83 
Der Senat verkennt nicht, dass unter den sicherheitsrelevanten Vorfällen in Kabul in jüngerer Zeit wiederholt solche zu verzeichnen waren, die sich gegen Volkszugehörige der Hazara bzw. Angehörige des schiitischen Glaubens gerichtet haben, etwa der bereits mehrfach erwähnte Anschlag vom 23. Juli 2016 (80 Tote) sowie die genannten Angriffe auf schiitische Moscheen bzw. Einrichtungen am 11. Oktober 2016 (mindestens 13 Tote), am 21. November 2016 (27 Tote), am 15. Juni 2017 (5 Tote) und am 20. Oktober 2017 (mindestens 39 Tote). Angesichts der über eine Million Hazara, die in Kabul leben, vermag auch dies die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens im Falle der Abschiebung nicht zu begründen.
84 
c) Die Gewährung subsidiären Schutzes auf Grundlage von § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG kommt auch nicht unter dem allgemeinen Gesichtspunkt der schlechten humanitären Situation in Afghanistan in Betracht. Denn es fehlt am erforderlichen Akteur § 4 Abs. 3 Satz 1 AsylG i.V.m. § 3c AsylG.
85 
Trotz der inhaltlichen Kongruenz von § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG („Als ernsthafter Schaden gilt:... Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung ...“) und Art. 3 EMRK („Niemand darf der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.“)
86 
- vgl. dazu sowie auch zu Unterschieden: Storey, in: Hailbronner/Thym, EU Immigration and Asylum Law, 2. Aufl. 2016, Part D III, Art. 15 Rn. 3 f. -
87 
führt das Vorliegen der tatsächlichen Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK nicht zwingend zu einer Zuerkennung subsidiären Schutzes. Denn es reicht nicht aus, dass die Voraussetzungen eines Tatbestandes nach § 4 Abs. 1 AsylG erfüllt sind. Vielmehr sind - neben § 4 Abs. 2 AsylG - gemäß § 4 Abs. 3 AsylG auch die Anforderungen der § 3c bis 3e AsylG zu beachten, die für den subsidiären Schutz entsprechend gelten. Erforderlich ist daher, dass die Gefahr eines ernsthaften Schadens von einem der in § 3c AsylG genannten Akteure ausgeht, also vom Staat, von Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen, oder von nichtstaatlichen Akteuren, sofern die vorgenannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor einem ernsthaften Schaden beziehungsweise der tatsächlichen Gefahr eines ernsthaften Schadens zu bieten.
88 
VGH Bad.-Württ., Urteil vom 03.11.2017 - A 11 S 1704/17 -, juris
89 
Es ist in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union geklärt, dass ein ernsthafter Schaden im Sinne des Art. 15b RL 2011/95/EU eine Situation nicht erfasst, in der eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung auf fehlende Behandlungsmöglichkeiten einer Krankheit im Herkunftsstaat zurückzuführen ist, solange die notwendige Versorgung nicht absichtlich verweigert wird. Dies folgt u.a. daraus, dass Art. 6 RL 2011/95/EU eine Liste der Akteure enthält, von denen ein ernsthafter Schaden ausgehen kann. Schäden im Sinne des Art. 15 RL 2011/95/EU müssen daher von bestimmten Dritten verursacht werden.
90 
EuGH, Urteil vom 18.12.2014 - C-542/13 - (M´Bodj), NVwZ-RR 2015, 158, insb. Rn. 35 und 41.
91 
Dies bekräftigend hat auch Generalanwalt ausgeführt, aus der Auslegung von Art. 6 RL 2004/83/EG - der Fall betrifft das Vereinigte Königreich - folge, dass die in Rede stehenden ernsthaften Schäden durch das Verhalten eines Dritten verursacht werden müssen. Ein Anspruch auf subsidiären Schutz ist nämlich nicht schon dann begründet, wenn nachgewiesen wird, dass für den Betroffenen bei einer Rückkehr in sein Herkunftsland die Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung bestünde. Es muss auch nachgewiesen werden, dass diese Gefahr auf Faktoren beruht, die den Behörden dieses Landes direkt oder indirekt anzulasten und ihnen stets bewusst sind, und zwar entweder weil die Behörden des Staates, dem der Betroffene angehört, ihn persönlich bedrohen oder diese Bedrohung tolerieren, oder weil diese Bedrohung auf unabhängige Gruppen zurückgeht, vor denen die Behörden ihre Staatsangehörigen nicht wirksam schützen können.
92 
GA Bot, Schlussanträge vom 24.10.2017 - C-353/16 - (MP/Vereinigtes Königreich), Rn. 28 - 30.
93 
Insbesondere trifft es nicht zu, dass Art. 3 EMRK eine erweiternde Auslegung von Art 15b RL 2011/95/EU gebieten würde
94 
so aber: Giesler/Wohnig, Uneinheitliche Entscheidungspraxis zu Afghanistan - Eine Untersuchung zur aktuellen Afghanistan-Entscheidungspraxis des BAMF und der Gerichte (Ergänzte Fassung zur Kurzfassung aus Asylmagazin 2017, 223) (asyl.net), dort S. 11,
95 
denn mit einer möglichen Versagung internationalen Schutzes wird unionsrechtlich nicht abschließend darüber entschieden, ob eine Rückführung in den Herkunftsstaat rechtlich zulässig ist, was sich u.a. aus Art. 5 RL 2008/115/EG ergibt. Der zu prüfende Grundsatz der Nichtzurückweisung ist hier umfassend und damit auch auf Art. 3 EMRK bezogen zu verstehen und damit weiter als derjenige aus Art. 33 Abs. 1 GFK.
96 
Vgl. Lutz, in: Hailbronner/Thym, EU Immigration and Asylum Law, 2. Aufl. 2016, Part C VII, Art. 5 Rn. 9.
97 
Diese Auslegung von Art. 15b RL 2011/95/EU, die der ständigen Rechtsprechung des Senats entspricht,
98 
VGH Bad.-Württ., Urteil vom 03.11.2017 - A 11 S 1704/17 -, juris, vom 05.12.2017 - A 11 S 1144/17 -, juris und vom 17.01.2018 - A 11 S 241/17 -, juris
99 
steht im Einklang mit der herrschenden Lehre und Rechtsprechung.
100 
VG Berlin, Urteil vom 10.07.2017 - VG 34 K 197.16 A -, juris Rn. 54; VG Lüneburg, Urteil vom 15.05.2017 - 3 A 156/16 -, juris Rn. 51 f.; VG Osnabrück, Urteil vom 15.05.2017 - 1 A 19/17 -, asyl.net; außerdem: EASO, Qualification for International Protection Directive 2011/95/EU) - A judicial analysis, Dezember 2016, S. 109; vgl. auch Hinterberger/Klammer, Abschiebungsverbote aus gesundheitlichen Gründen: Die aktuelle EGMR- und EuGH-Rechtsprechung zum Non-Refoulement und deren Auswirkungen auf die deutsche Rechtslage, NVwZ 2017, 1180 [1181 f.] sowie wohl auch Marx, AsylG, 9. Aufl. 2017, § 4 Rn. 32 und Hailbronner, Ausländerrecht, Mai 2017, § 60 Rn. 57 zum „nicht in vollem Umfang“ identischen Schutzbereich von § 60 Abs. 5 AufenthG und von § 60 Abs. 2 AufenthG i.V.m. Art. 15 RL 2011/95/EU/§ 4 AsylG.
101 
An einem somit erforderlichen Akteur fehlt es vorliegend. Denn die humanitäre Lage und die prekären Lebensumstände sind keinem der genannten Akteure nach § 3c AsylG zuzurechnen.
102 
Vgl. zu dem Umstand, dass die schwierige humanitäre Situation in Afghanistan nicht unmittelbar dem afghanischen Staat zuzurechnen ist bereits VGH Bad.-Württ., Urteil vom 24.07.2013 - A 11 S 697/13 -, juris Rn. 108, dort zu § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK, sowie auch - anknüpfend an die vorgenannte Entscheidung: VGH Bad.-Württ., Urteil vom 26.02.2014 - A 11 S 2519/12 -, juris.
103 
Die schlechte Versorgungslage (betreffend Nahrung, Wohnraum, Gesundheitsversorgung) wird durch die schlechte wirtschaftliche Entwicklung Afghanistans, die dort herrschenden Umweltbedingungen (also insbesondere die schwierigen klimatischen Bedingungen sowie Naturkatastrophen) sowie maßgeblich durch die volatile Sicherheitslage negativ beeinflusst und bestimmt. Insofern ist nicht festzustellen, dass einem der in Betracht kommenden Akteure ein wesentlicher Beitrag direkt oder indirekt anzulasten wäre und eine Verhaltensänderung zu einer unmittelbaren Verbesserung der Lage führen könnte. Insbesondere wird weder die notwendige medizinische oder humanitäre Versorgung gezielt vorenthalten noch werden all diese Umstände gezielt herbeigeführt.
104 
Vgl. dazu im Folgenden die Darstellungen zu den Lebensverhältnissen im Rahmen von § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK.
105 
Soweit teilweise in der Rechtsprechung vertreten wird, die schlechte humanitäre Lage sei überwiegend durch die seit Jahrzehnten herrschenden bewaffneten Konflikte und damit im Sinne von § 3c AsylG auf Aktionen staatlicher und nicht-staatlicher Konfliktparteien, gegen die der Staat keinen Schutz bieten könne, zurückzuführen,
106 
VG Köln, Urteil vom 12.12.2017 - 5 K 3637/17.A -
107 
übersieht dieser Ansatz gerade, dass die Anwendung von § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG und damit auch Art. 15b RL 2011/95/EU eine gewisse Zielgerichtetheit des Verhaltens des Akteurs erfordert
108 
EASO, Qualification for International Protection (Directive 2011/95/EU) - A judicial analysis, Dezember 2016, S. 109;
109 
und daher reine Kausalitätserwägungen hier nicht anspruchsbegründend wirken können. Daher scheidet die Zuerkennung subsidiären Schutzes auf Grundlage des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG in Ermangelung eines tauglichen Akteurs aus.
110 
3. Auch die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG liegen nicht vor.
111 
Nach dieser Vorschrift ist subsidiärer Schutz zuzuerkennen, wenn der Ausländer stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden in Gestalt einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts droht.
112 
a) aa) Ein innerstaatlich bewaffneter Konflikt liegt vor, wenn die Streitkräfte eines Staates auf eine oder mehrere bewaffnete Gruppen treffen oder wenn zwei oder mehrere bewaffnete Gruppen aufeinandertreffen, ohne dass dieser Konflikt als bewaffneter Konflikt, der keinen internationalen Charakter aufweist, im Sinne des humanitären Völkerrechts eingestuft zu werden braucht und ohne dass die Intensität der bewaffneten Auseinandersetzungen, der Organisationsgrad der vorhandenen bewaffneten Streitkräfte oder die Dauer des Konflikts Gegenstand einer anderen Beurteilung als der des im betreffenden Gebiet herrschenden Grads an Gewalt ist.
113 
EuGH, Urteil vom 30.01.2014 - C-285/12 - Diakité, NVwZ 2014, 573 Rn. 35
114 
bb) Die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens für jedermann aufgrund eines solchen Konflikts ist erst dann gegeben, wenn der bewaffnete Konflikt eine solche Gefahrendichte für Zivilpersonen mit sich bringt, dass alle Bewohner des maßgeblichen, betroffenen Gebiets ernsthaft individuell bedroht sind. Das Vorherrschen eines so hohen Niveaus willkürlicher Gewalt, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass eine Zivilperson bei einer Rückkehr in das betreffende Land bzw. in die betreffende Region allein durch ihre Anwesenheit tatsächlich Gefahr liefe, einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit ausgesetzt zu sein, bleibt aber außergewöhnlichen Situationen vorbehalten, die durch einen sehr hohen Gefahrengrad gekennzeichnet sind. Eine Individualisierung kann sich insbesondere aus gefahrerhöhenden persönlichen Umständen in der Person des Schutzsuchenden ergeben, die ihn von der allgemeinen, ungezielten Gewalt stärker betroffenen erscheinen lassen.
115 
EuGH, Urteil vom 17.02.2009 - C-465/07 – Elgafaji -, NVwZ 2009, 705 Rn. 43 und vom 30.01.2014 - C-285/12 – Diakité - NVwZ 2014, 573 Rn. 30.
116 
Der für die Annahme einer individuellen Gefahr in diesem Sinne erforderliche Grad willkürlicher Gewalt wird daher umso geringer sein, je mehr der Schutzsuchende zu belegen vermag, dass er aufgrund solcher individueller gefahrerhöhender Umstände spezifisch betroffen ist. Solche persönlichen Umstände können sich z.B. aus dem Beruf des Schutzsuchenden etwa als Arzt oder Journalist ergeben, da diese regelmäßig gezwungen sind, sich nahe an einer Gefahrenquelle aufzuhalten. Ebenso können solche Umstände aber auch aus einer religiösen oder ethnischen Zugehörigkeit herrühren, aufgrund derer der Schutzsuchende zusätzlich der Gefahr gezielter Gewalttaten ausgesetzt ist.
117 
Liegen keine gefahrerhöhenden persönlichen Umstände vor, ist ein besonders hohes Niveau willkürlicher Gewalt erforderlich, welches mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit („real risk“) gegeben sein muss. So kann die notwendige Individualisierung ausnahmsweise bei einer außergewöhnlichen Situation eintreten, die durch einen so hohen Gefahrengrad gekennzeichnet ist, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit in dem betroffenen Gebiet einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt wäre.
118 
BVerwG, Urteil vom 17.11.2011 - 10 C 13.10 -, NVwZ 2012, 454 Rn. 19 m.w.N.; OVG NRW, Beschluss vom 09.03.2017 - 13 A 2575/16.A -, juris Rn. 13; NdsOVG Urteil vom 19.09.2016 - 9 LB 100/15 -, juris.
119 
Das besonders hohe Niveau kann nicht allein deshalb bejaht werden, weil ein Zustand permanenter Gefährdungen der Bevölkerung und schwerer Menschenrechtsverletzungen im Rahmen des innerstaatlichen Konflikts festgestellt werden. Vielmehr erfordert die Bestimmung der Gefahrendichte eine quantitative Ermittlung der Verletzten und getöteten Zivilpersonen im Verhältnis zur Einwohnerzahl (Gewaltniveau). Außerdem muss eine wertende Gesamtbetrachtung - etwa auch im Hinblick auf die medizinische Versorgungslage - erfolgen.
120 
BVerwG, Urteile vom 17.11.2011 - 10 C 13.10 -, juris Rn. 23 und vom 13.02.2014 - 10 C 6.13 -, juris Rn. 24; OVG LSA, Urteil vom 23.07.2014 - 3 L 53/12 -, juris Rn. 24 ff.; NdsOVG, Urteil vom 19.09.2016 - 9 LB 100/15 -, juris.
121 
Das Bundesverwaltungsgericht hatte in den Urteilen vom 17. November 2011
122 
10 C 13.10, Rn. 22 und 10 C 11.10, Rn. 20
123 
- bezogen auf die Zahl der Opfer von willkürlicher Gewalt eines Jahres - ein Risiko von 1:800 (0,125 %) bzw. 1:1.000 (0,1 %) verletzt oder getötet zu werden, als weit von der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit entfernt angesehen.
124 
Vgl. hieran anknüpfend auch: NdsOVG, Urteil vom 19.09.2016 - 9 LB 100/15 -, juris; OVG LSA, Urteil vom 23.07.2014 – 3 L 53/12 –, Rn. 26, juris.
125 
cc) Maßgeblicher Bezugspunkt für die Beurteilung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 3 AsylG ist die Herkunftsregion des Betroffenen, in die er typischerweise zurückkehren wird. Denn für die Frage, welche Region als Zielort der Rückkehr eines Ausländers anzusehen ist, kommt es weder darauf an, für welche Region sich ein unbeteiligter Betrachter vernünftigerweise entscheiden würde, noch darauf, in welche Region der betroffene Ausländer aus seinem subjektiven Blickwinkel strebt. Der Begriff des „tatsächlichen Zielortes der Rückkehr“ im Sinne der Rechtsprechung des EuGH
126 
EuGH, Urteil vom 17.02.2009 - C-465/07 - Elgafaji -, NVwZ 2009, 705 Rn. 40, vgl. auch BVerwG, Urteil vom 31.01.2013 - 10 C 15.12 -, NVwZ 2013, 1167
127 
ist daher kein rein empirischer Begriff, bei dem auf die tatsächlich wahrscheinlichste oder subjektiv gewollte Rückkehrregion abzustellen ist. Da § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG vor den Gefahren eines - nicht notwendig landesweiten - bewaffneten Konflikts im Heimatstaat schützt, kommt bei der Bestimmung des Ortes der (voraussichtlichen) tatsächlichen Rückkehr der Herkunft als Ordnungs- und Zuschreibungsmerkmal eine besondere Bedeutung zu. Ein Abweichen von der Herkunftsregion kann daher auch nicht damit begründet werden, dass der Ausländer infolge eines bewaffneten Konflikts den personalen Bezug zu seiner Herkunftsregion verloren hat. Auch eine nachlassende subjektive Bindung zur Herkunftsregion durch Umstände, die mittelbare Folgen des bewaffneten Konflikts sind (z.B. Beeinträchtigung der sozialen und wirtschaftlichen Infrastruktur, nachhaltige Verschlechterung der Versorgungslage) ändert nichts daran, dass diese für die schutzrechtliche Betrachtung grundsätzlich ihre Relevanz behält. Allerdings ist jedenfalls dann nicht (mehr) auf die Herkunftsregion abzustellen, wenn sich der Ausländer schon vor der Ausreise und unabhängig von den fluchtauslösenden Umständen von dieser gelöst und in einem anderen Landesteil mit dem Ziel niedergelassen hatte, dort auf unabsehbare Zeit zu leben. Durch eine solche freiwillige Ablösung verliert die Herkunftsregion ihre Bedeutung als Ordnungs- und Zurechnungsmerkmal und scheidet damit als Anknüpfungspunkt für die Gefahrenprognose bei § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG aus.
128 
Vgl. BVerwG, Urteil vom 31.01.2013 - 10 C 15.12 -, NVwZ 2013, 1167.
129 
b) Ausgehend von den Angaben des Klägers, wonach er aus Daikundi stammen und diese Region nach dem Tod seiner Mutter Anfang der 2010er Jahre verlassen haben und nach Teheran übergesiedelt sein will, ist auf diese Provinz für die Beurteilung des Anspruchs auf subsidiären Schutz nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG abzustellen. Das dort vorherrschende Ausmaß an Gewalt genügt auch unter Berücksichtigung der Volkszugehörigkeit des Klägers eindeutig nicht, um eine tatsächliche Gefahr des Erleidens eines ernsthaften Schadens anzunehmen.
130 
In der Provinz Daikundi gab es zwischen 2015 und 2017 immer wieder Auseinandersetzungen zwischen Taliban oder anderen regierungsfeindlichen Kräften im Sinne der Definition von UNAMA einerseits und regierungsfreundlichen Gruppen und Truppen andererseits.
131 
EASO, Country of Origin Information Report – Afghanistan Security Situation, December 2017 S. 98 f.
132 
Zwischen dem 1. September 2016 und dem 31. Mai 2017 ließen sich 153 sicherheitsrelevante Zwischenfälle in der Provinz feststellen. Davon gingen 57 auf bewaffnete Auseinandersetzungen oder Luftangriffe, 12 auf Explosionen und 12 auf gegen Einzelpersonen gerichtete Gewalt zurück.
133 
EASO, Country of Origin Information Report – Afghanistan Security Situation, December 2017 S. 100.
134 
Nachdem UNAMA für das Jahr 2015 in den beiden Provinzen Bamyan und Daikundi zusammen 58 Opfer in der Zivilbevölkerung festgestellt hatte (davon 30 Todesopfer) und 2016 für die beiden Provinzen einen Anstieg auf 115 Opfer (davon 25 Todesopfer) auswies
135 
UNAMA, Annual Report 2016: Afghanistan - protection of civilians in armed conflict, Februar 2017 S. 5.
136 
geht UNAMA für die Zeit vom 01.01.2017 bis zum 30.06.2017 von 21 Opfern (davon 7 Todesopfer) aus, wobei die meisten dieser Zivilpersonen Opfer explosiver Kampfmittelrückstände waren.
137 
UNAMA, Midyear Report 2017: Afghanistan - protection of civilians in armed conflict, Juli 2017 S. 73.
138 
Die Opferzahlen sind im Verhältnis von einer Bevölkerungszahl von rund 460.000 Personen
139 
EASO, Country of Origin Information Report – Afghanistan Security Situation, December 2017 S. 98.
140 
gesehen erkennbar nicht geeignet, eine hinreichende Wahrscheinlichkeit für die Annahme, dass eine jede Zivilperson bei einer Rückkehr in das betreffende Land bzw. in die betreffende Region allein durch ihre Anwesenheit tatsächlich Gefahr liefe, einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit ausgesetzt zu sein, zu begründen. Die Opferzahlen sind auch dann, wenn man davon ausginge, dass die Annahmen von UNAMA von unzutreffend geringen Opferzahlen ausgingen, weit davon entfernt, in einem Bereich zu sein, in dem das Bestehen einer tatsächlichen Gefahr des ernsthaften Schadens im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG entweder für jedermann oder aber auch für bestimmte, besonders gefährdete Gruppen auch nur in Erwägungen gezogen werden könnte.
II.
141 
Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbots, weder auf der Grundlage von § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK (1.), noch auf der Grundlage von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG.
142 
1. Ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK auf Grund der schlechten humanitären Bedingungen in Afghanistan besteht nicht. Denn die rechtlichen Voraussetzungen (a)) hierfür sind unter Berücksichtigung der Lebensverhältnisse in Afghanistan insgesamt (b)) und der in Kabul als Ankunfts- bzw. Endort der Abschiebung (c)) sowie in Ansehung der der persönlichen Situation des Klägers und insbesondere auch seiner Zugehörigkeit zu den Hazaras nicht gegeben (d)).
143 
a) Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten - EMRK - ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Gemäß Art. 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden. Im Falle einer Abschiebung wird eine Verantwortlichkeit der Bundesrepublik Deutschland nach Art. 3 EMRK dann begründet, wenn erhebliche Gründe für die Annahme bestehen, dass der Betroffene im Fall der Abschiebung tatsächlich Gefahr läuft, einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu sein.
144 
aa) Unter dem Begriff der unmenschlichen Behandlung ist die vorsätzliche und beständige Verursachung körperlicher Verletzungen oder physischen oder psychischen Leids zu verstehen, während bei einer erniedrigenden Behandlung nicht die Zufügung von Schmerzen, sondern die Demütigung im Vordergrund steht.
145 
Auch schlechte humanitäre Verhältnisse können eine Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK darstellen.
146 
Vgl. dazu bereits VGH Bad.-Württ., Urteil vom 24.07.2013 - A 11 S 697/13 -, Leitsatz 4 sowie insbesondere auch juris Rn. 71 m.w.N.
147 
Dieses ist immer dann anzunehmen, wenn diese Verhältnisse ganz oder überwiegend auf staatlichem Handeln, auf Handlungen von Parteien eines innerstaatlichen Konflikts oder auf Handlungen sonstiger, nicht staatlicher Akteure, die dem Staat zurechenbar sind, beruhen, weil er der Zivilbevölkerung keinen ausreichenden Schutz bieten kann oder will.
148 
EGMR, Urteile vom 21.01.2011 - 30696/09 - (M.S.S./Belgien und Griechenland), NVwZ 2011, 413 und vom 28.06.2011 - 8319/07 und 11449/07 - (Sufi und Elmi/Vereinigtes Königreich), NVwZ 2012, 681.
149 
Aber auch dann, wenn diese Voraussetzungen nicht gegeben sind, weil es an einem verantwortlichen Akteur fehlt, können schlechte humanitäre Bedingungen im Zielgebiet dennoch als Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK zu qualifizieren sein, wenn ganz außerordentliche individuelle Umstände hinzutreten. Es sind also im Rahmen von § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK nicht nur Gefahren für Leib und Leben berücksichtigungsfähig, die seitens eines Staates oder einer staatsähnlichen Organisation drohen, sondern auch „nichtstaatliche“ Gefahren auf Grund prekärer Lebensbedingungen, wobei dies aber nur in ganz außergewöhnlichen Einzelfällen in Betracht kommt.
150 
BVerwG, Urteil vom 13.06.2013 - 10 C 13.12 -, NVwZ 2013, 1167, Rn. 24 f.; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 24.07.2013 - A 11 S 697/13 -, Leitsatz 5 sowie insbesondere auch juris Rn. 79 ff.; EGMR, Urteile vom 02.05.1997 - 146/1996/767/ 964 - (D./Vereinigtes Königreich), NVwZ 1998, 161; vom 27.05.2008 - 26565/05 - (N./Vereinigtes Königreich), NVwZ 2008, 1334; vom 21.01.2011 - 30696/09 - (M.S.S./Belgien und Griechenland) - NVwZ 2011, 413; vom 28.06.2011 - 8319/07 und 11449/07 - (Sufi und Elmi/Vereinigtes Königreich), NVwZ 2012, 681 und vom 13.10.2011 - 10611/09 - (Husseini/Schweden), NJOZ 2012, 952.
151 
Wenn der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte im Urteil vom 13. Dezember 2016
152 
- 41738/10 - (Paposhvili/Belgien), NVwZ 2017, 1187 Rn. 187 und 189,
153 
aber nunmehr ausdrücklich wiederholt auf die allgemeinen Verhältnisse im Zielstaat der Abschiebung hinweist, auf deren Hintergrund die besondere Lage des Betroffenen zu beurteilen ist, wird hinreichend deutlich, dass außergewöhnliche individuelle Umstände bzw. Merkmale auch solche sein können, die eine Person mit anderen Personen teilt, die Träger des gleichen Merkmals sind bzw. sich in einer im Wesentlichen vergleichbaren Lage befinden. Auch in einem solchen Fall kann ausnahmsweise ein Verstoß gegen Art. 3 EMRK zu bejahen sein, wenn die Abschiebung zu einer ernsthaften, schnellen und irreversiblen Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Betroffenen führen würde, die ein schweres Leiden oder eine erhebliche Verringerung der Lebenserwartung zur Folge hätte.
154 
VGH Bad.-Württ., Urteil vom 03.11.2017 - A 11 S 1704/17 -, juris.
155 
Bei entsprechenden Rahmenbedingungen können schlechte humanitäre Verhältnisse eine Gefahrenlage begründen, die zu einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinn von Art. 3 EMRK führt. Hierbei sind indes eine Vielzahl von Faktoren zu berücksichtigen, darunter etwa der Zugang für Rückkehrer zu Arbeit, Wasser, Nahrung, Gesundheitsversorgung sowie die Chance, eine adäquate Unterkunft zu finden, der Zugang zu sanitären Einrichtungen und nicht zuletzt die finanziellen Mittel zur Befriedigung elementarer Bedürfnisse, auch unter Berücksichtigung von Rückkehrhilfen usw.
156 
Vgl. dazu jüngst wieder ausführlich BayVGH, Urteil vom 23.03.2017 - 13a B 17.30030 -, BeckRS 2017, 113717; dieser bereits zuvor in seinen beiden Urteilen vom 21.11.2014 – 13a B 14.30285 -, BeckRS 2015, 41010 und - 13a B 14.30284 -; dort jeweils eingehend zur Bejahung von § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK wegen schlechter humanitärer Bedingungen bezüglich Familien mit minderjährigen Kindern wegen der Rahmenbedingungen in Afghanistan (m.w.N.).
157 
Vorliegend sind allein die hohen Anforderungen der letztgenannten Fallgestaltung maßgeblich, da die hier unter dem Gesichtspunkt des Art. 3 EMRK relevanten humanitären Verhältnisse in Afghanistan keinem Akteur zuzuordnen sind, sondern auf einer Vielzahl von Faktoren beruhen, darunter die allgemeinen wirtschaftlichen Lage und die Versorgungslage betreffend Nahrung, Wohnraum, Gesundheitsversorgung, Umweltbedingungen wie Klima und Naturkatastrophen sowie die Sicherheitslage. Wie bereits ausgeführt ist nicht festzustellen, dass der afghanische Staat, die in Afghanistan aktiven internationalen Streitkräfte oder ein sonstiger (etwa nichtstaatlicher) Akteur die maßgebliche Verantwortung hierfür trügen, insbesondere, dass etwa die notwendige medizinische oder humanitäre Versorgung gezielt vorenthalten würde.
158 
Vgl. dazu im Folgenden die Darstellungen zu den Lebensverhältnissen; so auch schon VGH Bad.-Württ., Urteil vom 24.07.2013 - A 11 S 697/13 -, juris Rn. 108 sowie auch anknüpfend an die vorgenannte Entscheidung: VGH Bad.-Württ., Urteil vom 26.02.2014 - A 11 S 2519/12 -, juris.
159 
bb) Sowohl die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte als auch die des Bundesverwaltungsgerichts
160 
- EGMR, Urteil vom 28.06.2011 - 8319/07 und 11449/07 - (Sufi und Elmi/Vereinigtes Königreich), NVwZ 2012, 681 Rn. 278, 282 f. und BVerwG, Urteil vom 31.01.2013 - 10 C 15.12 -, NVwZ 2013, 1167 -
161 
machen deutlich, dass ein sehr hohes Schädigungsniveau erforderlich ist, da nur dann ein außergewöhnlicher Fall vorliegt, in dem die humanitären Gründe entsprechend den Anforderungen des Art. 3 EMRK „zwingend“ sind. So hat das Bundesverwaltungsgericht in der Vergangenheit, als es die allgemeine Lage in Afghanistan als nicht ausreichend ernst für die Feststellung einer Verletzung des Art. 3 EMRK eingestuft hat, die Notwendigkeit einer besonderen Ausnahmesituation betont.
162 
BVerwG, Urteil vom 31.01.2013 - 10 C 15.12 -, NVwZ 2013, 1167, insb. Leitsatz 3 -; vgl. auch: BayVGH, Urteil vom 21.11.2014 - 13a B 14.30284 -, juris Rn. 19.
163 
Dabei kann aber - schon nach der Gesetzessystematik - der nationale Maßstab für eine Extremgefahr nach § 60 Abs. 7 Satz 1 und 5 AufenthG nicht, insbesondere auch nicht analog, herangezogen werden. Da die Sachverhalte nicht vergleichbar sind, lassen sich die ggf. erhöhten Anforderungen an eine ausreichende Lebensgrundlage im Fall einer internen Schutzalternative gemäß § 3e AsylG ebenfalls nicht übertragen.
164 
VGH Bad.-Württ., Urteil vom 03.11.2017 - A 11 S 1704/17 -, juris Rn. 180. BayVGH, Urteil vom 21.11.2014 - 13a B 14.30284 -, juris Rn. 19.
165 
Ein Zusammenhang zwischen Art. 3 EMRK und § 3e AsylG besteht lediglich dergestalt, dass für den Fall, dass die Situation am vermeintlichen Schutzort einen Verstoß gegen Art. 3 EMRK darstellte, dieser Schutzort den Anforderungen des § 3e AsylG nicht genügen würde.
166 
Vgl. dazu VGH Bad.-Württ., Urteil vom 16.10.2017 - A 11 S 512/17 -, juris Rn. 85 m.w.N.
167 
cc) Auch im Rahmen des Art. 3 EMRK ist nach der Rechtsprechung des EGMR eine tatsächliche Gefahr („real risk“) erforderlich, d.h. es muss eine ausreichende reale, nicht nur auf bloßen Spekulationen, denen eine hinreichende Tatsachengrundlage fehlt, gegründete Gefahr („a sufficiently real risk“) bestehen. Die tatsächliche Gefahr einer Art. 3 EMRK zuwiderlaufenden Behandlung muss danach aufgrund aller Umstände des Falles hinreichend sicher und darf nicht hypothetisch sein.
168 
EGMR, Urteil vom 28.06.2011 - 8319/07 und 11449/07 - (Sufi und Elmi/Vereinigtes Königreich), NVwZ 2012, 681; Entscheidung vom 22.09.2009 - 30471/08 - (Abdolkhani und Karimnia/Türkei), InfAuslR 2010, 47; Urteil vom 17.07.2008 - 25904/07 - (NA./Vereinigtes Königreich), juris; Urteil vom 28.02.2008 - 37201/06 - (Saadi/Italien), NVwZ 2008, 1330; vom 27.05.2008 - 26565/05 - (N./Vereinigtes Königreich), NVwZ 2008, 1334 sowie Urteil vom 06.02.2001 - 44599/98 - (Bensaid/Vereinigtes Königreich), NVwZ 2002, 453.
169 
Erforderlich ist danach die konkrete Gefahr der Folter oder unmenschlichen Behandlung. Es gilt - wie bei § 60 Abs. 1 AufenthG - der Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit, d.h. die für eine Schädigung sprechenden Umstände müssen ein größeres Gewicht haben als die dagegen sprechenden Tatsachen.
170 
BVerwG, Urteil vom 27.04.2010 - 10 C 5.09 -, NVwZ 2011, 51; EGMR, Urteil vom 17.07.2008 - 25904/07 - (NA./Vereinigtes Königreich), juris.
171 
Zu beachten ist allerdings, dass ein gewisser Grad an Mutmaßung dem präventiven Schutzzweck des Art. 3 EMRK immanent sein muss und es hier also nicht um den eindeutigen, über allen Zweifeln erhabenen Beweis gehen kann, dass der Betroffene im Falle seiner Rückkehr einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt wäre.
172 
EGMR, Urteil vom 09.01.2018 - 36417/16 - (X/Schweden) Rn. 50.
173 
dd) Des Weiteren ist für die Beurteilung, ob außerordentliche Umstände vorliegen, die - wie hier - nicht in die unmittelbare Verantwortung des Abschiebungszielstaates fallen und die dem abschiebenden Staat nach Art. 3 EMRK eine Abschiebung des Ausländers verbieten, grundsätzlich auf den gesamten Abschiebungszielstaat abzustellen und zunächst zu prüfen, ob solche Umstände an dem Ort vorliegen, an dem die Abschiebung endet.
174 
BVerwG, Urteil vom 31.01.2013 - 10 C 15.12 -, NVwZ 2013, 1167, Leitsatz 2 und EGMR, Urteil vom 28.06.2011 - 8319/07 und 11449/07 - (Sufi und Elmi/Vereinigtes Königreich), NVwZ 2012, 681, Rn. 265, 301, 309.
175 
Dieser Ankunfts- bzw. Endort der Abschiebung ist hier Kabul.
176 
Vgl. zu den Flugverbindungen nach Afghanistan: Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 19.10.2016 - Stand: September 2016, S. 25 sowie zu den bislang durchgeführten Abschiebungen nach Kabul (etwa am 15. Dezember 2016, 24. Januar 2017, 23. Februar 2017 und am 28. März 2017): Afghanistan Analysts Network - voluntary and forced returns to Afghanistan in 2016/17: trends, statistics and experiences, 19.05.2017, S. 3; Asylos - research for asylum, Afghanistan: Situation of young male „Westernised“ returnees to Kabul, August 2017, S. 12 m.w.N.
177 
Unter Berücksichtigung der landesweiten Lebensverhältnisse in Afghanistan und gerade der in Kabul ergibt sich, dass unter Berücksichtigung der persönlichen Situation des Klägers kein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK vorliegt.
178 
b) Die landesweiten Lebensverhältnisse in Afghanistan und die Situation von Rückkehrern gestalten sich wie folgt:
179 
Afghanistan hat insgesamt etwa 27 bis 34 Millionen Einwohner.
180 
Vgl. dazu Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan, Republik Österreich Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vom 02.03.2017, aktualisiert am 27.06.2017, S. 150: 33,3 Millionen; so auch UK Home Office, Country Policy and Information Note. Afghanistan: Security and humanitarian situation, August 2017, S. 11; vgl. auch „the world fact book“ - Afghanistan auf https://www.cia.gov/ für Juli 2017 geschätzt 34,124,811 Einwohner; ProAsyl, Afghanistan - No safe country for refugees - Mai 2017 -, S. 55: mindestens 31,5 Millionen; Schuster, Risks on return to Kabul, 12.08.2016, S. 18/Rn. 48: mindestens 30 Millionen; Islamic Republic of Afghanistan Central Statistics Organization - Estimated Population of Afghanistan 2017-2018, April 2017, S. 2: 29.724.323; Auswärtiges Amt, Zwischenbericht: Lagebeurteilung für Afghanistan nach dem Anschlag am 31. Mai 2017 - Stand Juli 2017, S. 8/Rn. 30: 27 bis 32 Millionen.
181 
Über 40 % der Bevölkerung sind unter 15 Jahre, zwei Drittel unter 25 Jahre alt.
182 
Sam Hall, Urban displaced youth in Kabul - mental health matters, Juni 2016, S. 7.
183 
Geprägt wird das Leben der Menschen im Land von einer schwierigen wirtschaftlichen Situation (aa)) und Versorgungslage (bb)), von prekären humanitären Gegebenheiten (cc)) sowie von einer volatilen Sicherheitslage (dd)). Zudem sehen sich Rückkehrer aus dem westlichen Ausland zusätzlichen Gefahren ausgesetzt (ee)). Andererseits ist zu berücksichtigen, dass Rückkehrer unter bestimmten Umständen spezielle Unterstützungsmaßnahmen erhalten können (ff)).
184 
aa) Afghanistan ist eines der ärmsten Länder der Welt. Es belegte im Jahr 2015 den Platz 171 und im Jahr 2016 den Platz 169 von 187 im Human Development Index. Mindestens 36 % der Bevölkerung des Landes leben unter der Armutsgrenze. Teils wird auch von einer Steigerung von 36 % für die Jahre 2007/2008 auf 39 % für die Jahre 2013/2014 berichtet, wobei ein Leben in Armut nach dem hier verfolgten Ansatz vorliegt, wenn das Einkommen unter der Armutsgrenze von 1.150 Afghani (20 US$) pro Monat liegt. Afghanistan weist im Vergleich mit allen asiatischen Ländern den höchsten Anteil armer Menschen auf. Die Zahl derjenigen, die humanitärer Unterstützung bedurften, hat sich von 2016 bis zum Beginn des Jahres 2017 um 13 % auf 9,3 Millionen erhöht. Dabei gibt es regionale Unterschiede. Sie reichen von einem Anteil von 27,7 % der Bevölkerung, die unter der Armutsgrenze lebt, im Südwesten bis zu 49,7 % im Nordosten.
185 
Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 19.10.2016 - Stand: September 2016, S. 21; vgl. auch Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich - Länderinformationsblatt der Staatendokumentation: Afghanistan (Gesamtaktualisierung vom 02.03.2017, letzte Kurzinformation eingefügt am 27.06.2017), S. 176; EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City (August 2017), S. 31 f. m.w.N.; Giesler/Wohnig, Uneinheitliche Entscheidungspraxis zu Afghanistan - Eine Untersuchung zur aktuellen Afghanistan-Entscheidungspraxis des BAMF und der Gerichte (Ergänzte Fassung zur Kurzfassung aus Asylmagazin 2017, 223) (asyl.net), S. 3 Fn. 17; World Food Programme, Country Brief, WFP Assistance, Juli 2017.
186 
Bei einer ohnehin schon zuvor schlechten Lage ist seit dem Jahr 2012 ein massiver Einbruch der Wirtschaft zu verzeichnen.
187 
Dazu Stahlmann, Asylmagazin 2017, 73 (74) m.w.N.
188 
Sie sieht sich in der Übergangsphase nach Beendigung des NATO-Kampfeinsatzes zum Jahresende 2014 konfrontiert mit sinkenden internationalen Investitionen und der stark schrumpfenden Nachfrage durch den Rückgang internationaler Truppen um etwa 90 % (von 140.000 internationalen Soldaten auf rund 14.000). Die Abwertung des Afghani gegenüber dem US-Dollar schreitet - bei gleichzeitiger Deflation - immer weiter voran. Ein selbsttragendes Wirtschaftswachstum ist kurzfristig nicht in Sicht.
189 
Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 19.10.2016 - Stand: September 2016, S. 21.
190 
Zudem beruht die Wirtschaft zu großen Teilen auf irregulären und illegalen Aktivitäten, darunter der Opiumhandel.
191 
UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender, 19.04.2016, S. 15.
192 
Der Vergleich des Wachstums des Bruttoinlandsprodukts für das Jahr 2012 von 14,4 % mit dem des Jahres 2015, in dem nur noch 0,8 % Wachstum zu verzeichnen waren, macht den für das gesamte Land zu verzeichnenden Einbruch deutlich.
193 
Vgl. dazu Stahlmann, Asylmagazin 2017, 73 (74) m.w.N. sowie dies. auch in ihrer landeskundlichen Stellungnahme Afghanistan vom 30.05.2017, S. 12 m.w.N.; siehe auch Staatssekretariat für Migration SEM der Schweizerischen Eidgenossenschaft, Notiz Afghanistan: Alltag in Kabul. Referat von Thomas Ruttig (Afghanistan Analysts Network) am 20. April 2017, 20.06.2017, S. 5.
194 
Bis zum Jahr 2016 blieb es bei einem Wachstum von unter 2 %. Auf Grund der abgeschwächten Konjunktur, unter anderem wegen der mangelnden Sicherheit und der politischen Ungewissheit, wird erwartet, dass das Bruttoinlandsprodukt allenfalls geringfügig wächst.
195 
EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City (August 2017), S. 19 m.w.N.
196 
Diese Wirtschaftslage spiegelt sich auch im Arbeitsmarkt wider, für den uneinheitliche Zahlen vorliegen.
197 
Vgl. EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City (August 2017), S. 21 zur Bezeichnung der Arbeitsmarktzahlen als schwach und kontrovers ("weak and controversial").
198 
Je nach Quelle und Erfassungsweise werden etwa für das Jahr 2014 Arbeitslosenzahlen von 9,1 % bis 24 % genannt, teils wird - unter Berücksichtigung eines Anteils von 15,3 % unterbeschäftigter Personen - der Anteil der nicht erwerbstätigen Personen sogar mit 40 % angegeben.
199 
Im Einzelnen m.w.N.: EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City (August 2017), S. 21.
200 
Im Jahr 2015 lag die landesweite Arbeitslosenquote bei 40 %. Der Anteil in den Städten war deutlich höher, da die Landwirtschaft, in der rund 60 % - in ländlichen Regionen sogar 70 % der erwerbstätigen Bevölkerung - tätig sind, weiterhin der stabilste Beschäftigungssektor ist.
201 
Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 19.10.2016 - Stand: September 2016, S. 21; Stahlmann, Asylmagazin 2017, 73 (76) m.w.N. sowie dies. auch in ihrer landeskundlichen Stellungnahme Afghanistan vom 30.05.2017, S. 13 m.w.N.; IOM, Länderinformationsblatt Afghanistan 2017, S. 2; IOM, Länderinformationsblatt Afghanistan 2016, S. 2.
202 
Auch für den Zeitraum Ende des Jahres 2016 wurde ein Arbeitslosenanteil mit etwa 40 % geschätzt und die Aussichten als sehr düster bezeichnet.
203 
EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City (August 2017), S. 21; UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender, 19.04.2016, S. 15.
204 
Ebenso werden für die Jugendarbeitslosigkeit sehr unterschiedliche Größenordnungen genannt. So gibt die Weltbank für das Jahr 2014 einen Anteil von 23 % bezüglich junger Frauen und 16 % hinsichtlich junger Männern an (bei 9,1 % für dieses Jahr im Allgemeinen). Die Jugendarbeitslosigkeit in den Städten soll um 50 % höher sein als die städtische Arbeitslosigkeit insgesamt.
205 
EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City (August 2017), S. 22.
206 
Es findet sich sogar die Angabe einer Jugendarbeitslosigkeit von 82 %.
207 
Stahlmann, Landeskundliche Stellungnahme Afghanistan vom 30.05.2017, S. 14 m.w.N.; dies., Asylmagazin 2017, 73 (76).
208 
Gerade der städtische Arbeitsmarkt ist durch die bereits erwähnten Änderungen des internationalen Engagements geprägt. Dort waren mit der plötzlichen Ankunft internationaler Organisationen zunächst Qualifikationen gefragt, die auf dem lokalen Arbeitskräftemarkt nach den langen Kriegsjahren tatsächlich Mangelware waren – darunter Englischkenntnisse, Arbeitserfahrung mit der in internationalen Organisationen gepflegten Bürokratie und formelle Ausbildungs- und Studienabschlüsse. Außerdem hatte der Bauboom in den Städten, insbesondere im grundlegend zerstörten und rapide wachsenden Kabul, zunächst einen Markt für ungelernte Arbeitskräfte geschaffen.
209 
Stahlmann, Landeskundliche Stellungnahme Afghanistan vom 30.05.2017, S. 13 f. m.w.N.; dies., Asylmagazin 2017, S. 73 (74); zum Arbeitsmarkt in Kabul auch Kohler, InfAuslR 2017, 99 (101) mit Verweis auf Islamic Republic of Afghanistan - Central Statistics Organisation, Socio-Demographic and Economic Survey, Figure 11 und Figure 12, dort allerdings nur für das Jahr 2013.
210 
Damals hatten - in begrenztem Maße - selbst die traditionell familiär organisierten privatwirtschaftlichen Betriebe externe Arbeitskräfte aufgenommen (wenn auch in den Grenzen kriegsbedingter Freund-/Feindschemata, so dass Fremde im Sinne ethnischer, religiöser oder lokaler Zugehörigkeit weiterhin weitgehend ausgeschlossen waren). Diese Entwicklung hat sich allerdings durch den bereits als prägend erwähnten Abzug der internationalen Truppen wieder verflüchtigt. Der Bauboom hat sich als kurzfristig erwiesen und auch der Dienstleistungsbereich ist eingebrochen. Geblieben ist der Umstand, dass zur Erlangung einer der wenigen vorhandenen Arbeitsplätze nicht die schulische oder berufliche Ausbildung, Qualifikation oder Erfahrung ausschlaggebend sind, sondern Beziehungen. Dies gilt für den gesamten Arbeitsmarkt, insbesondere auch für Arbeitsplätze im Staatsdienst.
211 
Stahlmann, Landeskundliche Stellungnahme Afghanistan vom 30.05.2017, S. 14 f. m.w.N.; dies., Asylmagazin 2017, 73 (76); anschaulich hierzu auch die Beispiele von Schuster zur allein durch (teils verwandtschaftliche) Beziehungen gekennzeichnete Einstellungspraxis ohne Rücksicht auf die Qualifikation an der Kabuler Universität und verschiedenen Ministerien: Schuster, Report for the Upper Tribunal in the case of XXXX YYYY, 08.11.2016, S. 15/Rn. 44; vgl. auch EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City (August 2017), S. 23 und 68; vgl. auch die Beispiele zu Rückkehrern, die trotz Qualifikation mangels Beziehungen keine Beschäftigung fanden: Asylos - research for asylum, Afghanistan: Situation of young male „Westernised“ returnees to Kabul, August 2017, S. 65 ff. m.w.N.; zur „untergeordneten“ Rolle von Eignung, Befähigung und Leistung bei der Verteilung administrativer Ämter auch Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 19.10.2016 - Stand: September 2016, S. 7.
212 
Das vor dem Hintergrund jahrzehntelanger Kriegs- und Konflikterfahrungen und anhaltender Alltagskriminalität als notwendig und bewährt erachtete System von Beziehungen bzw. Netzwerken ist geprägt durch eine Gegenseitigkeit, eine langfristige und belastbare Reziprozität. Wer in der Lage ist, einen Vorteil - etwa einen Arbeitsplatz - zu verschaffen, verknüpft hiermit die Erwartung, jedenfalls langfristig seinerseits einen Vorteil zu erlangen. Ist vom Arbeitssuchenden keine Gegenleistung zu erwarten, weil dieser nicht über die erforderlichen Beziehungen verfügt, ist nicht oder weniger zu erwarten, dass ihm eine Arbeitsstelle vermittelt wird. Ein entsprechendes Netzwerk ist daher der Schlüssel zum Arbeitsmarkt. Zudem gewährleistet das System der Empfehlungen, dass der Arbeitgeber sich sicher sein kann, dass der Arbeitssuchende, dessen örtliche und ethnische Herkunft sowie familiären Hintergrund er auf Grund der Empfehlung kennt, vertrauenswürdig ist.
213 
EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City (August 2017), S. 67 f.: „Network as key to the job market“; Stahlmann, Landeskundliche Stellungnahme Afghanistan vom 30.05.2017, S. 12. m.w.N.; Schuster, Report for the Upper Tribunal in the case of XXXX YYYY, 08.11.2016, S. 4/Rn. 12.
214 
So äußerten die meisten Arbeitgeber in einer Befragung zu ihrer Einstellungspraxis, sie nutzten das traditionellste System: Freunde (62,6 %) und Familie (57,9 %). Entsprechend beklagen die Arbeitssuchenden unabhängig von ihren Qualifikationen, dass die Vergabe von Arbeitsstellen von persönliche Verbindungen, sog. „wasita“ (wechselseitige Verbindungen zu Personen mit Macht oder Einfluss), abhängig sei. Erforderlich sind „shanaktht“ (jemanden kennen) und „safarish“ (eine Art Empfehlung). Nur etwa 15 % der Arbeitnehmer werden über den örtlichen Bazar angeworben, der größte Teil der Arbeitsplätze wird über Freunde oder Verwandte erlangt.
215 
EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City (August 2017), S. 67.
216 
Die Beziehungen oder Netzwerke sind vielschichtig. Für manche besteht ihr Netzwerk aus nahen Verwandten, für andere ist es breiter angelegt und kann auch aus Freunden bestehen. Bei Angehörigen der Hazara kommt es vor, dass beim Zuzug in eine neue Stadt ein Netzwerk um die örtliche Moschee oder eine religiöse oder Wohlfahrtseinrichtung konzentriert ist. Ganz allgemein genügt die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Ethnie allein noch nicht, um ein solides Netzwerk für die Arbeitssuche zu begründen.
217 
EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City (August 2017), S. 68.
218 
Eine staatliche Arbeitsvermittlung oder gar eine Arbeitslosenunterstützung nach westlichen Vorstellungen gibt es nicht. Allerdings werden freie Stellen im öffentlichen Sektor vom Civil Service Commission Management Directorate der Kommission für Öffentlichen Dienst und Verwaltungsreform online angekündigt. Außerdem bietet eine Nichtregierungsorganisation (ACBAR) Unterstützung für Arbeitssuchende an. Sie befindet sich in Charahi Shaheed, Sherpoor Bezirk in Kabul. Auf ihrer Website besteht die Möglichkeit, sich mit einem Lebenslauf und Motivationsschreiben auf relevante Jobs zu bewerben.
219 
BAMF/ZIRF/IOM, ZIRF-Anfrage: Medizinische Versorgung in Afghanistan, Unterstützung für Rückkehrer bei Arbeits- und Wohnungssuche, 21.09.2016; IOM, Länderinformationsblatt Afghanistan 2017, S. 2; IOM, Länderinformationsblatt Afghanistan 2016, S. 2.
220 
Soweit eine Arbeitsstelle gefunden werden kann
221 
- dazu Staatssekretariat für Migration SEM der Schweizerischen Eidgenossenschaft, Notiz Afghanistan: Alltag in Kabul - Referat von Thomas Ruttig (Afghanistan Analysts Network) am 12.04.2017, 20.06.2017, S.10; siehe auch EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City (August 2017), S. 22 zum „vulnerable employment“ -,
222 
ist das durchschnittliche Einkommen (insbesondere im Vergleich zu den Lebenshaltungskosten, dazu sogleich) gering. Das durchschnittliche monatliche Einkommen in Afghanistan wird in verschiedenen Quellen mit 80 bis 120 US$ angegeben, teilweise wird ein Mindestlohn von 95 US$ für nur vorübergehend beschäftigte Arbeitskräfte genannt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass - wie ausgeführt – bei 36 % der afghanischen Bevölkerung der Lohn bei unter 20 US$ pro Monat liegt.
223 
IOM, Länderinformationsblatt Afghanistan 2017, S. 2; IOM, Länderinformationsblatt Afghanistan 2016, S. 2; EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City (August 2017), S. 23 f.
224 
Afghanistan bleibt eine hauptsächlich ländliche Gesellschaft, deren Wirtschaft maßgeblich auf der Landwirtschaft basiert. 76 % der Bevölkerung leben in ländlichen Gebieten. Mehr als die Hälfte der Arbeitskräfte des Landes ist im Bereich der Landwirtschaft beschäftigt. 96 % der Produktion bewegt sich im Bereich der Nahrungsmittelverarbeitung, also einem Bereich, der in hohem Maße von der Landwirtschaft abhängig ist.
225 
EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City (August 2017), S. 22, 32.
226 
Einen nicht unwesentlichen Anteil in der Landwirtschaft hat allerdings auch der Opiumanbau (siehe auch S. 43), da dieser zum einen eine große Gewinnmarge verspricht und zum anderen die Mohnpflanzen mit den widrigen Bedingungen (etwa der schlechten Bodenqualität) verhältnismäßig gut zurechtkommen.
227 
Zum Opiumanbau allgemein: General Assembly Security Council, The situation in Afghanistan and its implications for international peace and security - report of the Secretary-General, 03.03.2017, S. 11; ProAsyl, Afghanistan - No safe country for refugees, Mai 2017, S. 50; UNHCR, Anmerkungen zur Situation in Afghanistan auf Anfrage des deutschen Bundesministerium des Inneren - Dezember 2016, S. 15; zur Verteilung des Opiumanbaus in den einzelnen Provinzen vgl. ausführlich EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Security Situation (November 2016): zu Daikundi, S. 70 f.; zu Kandahar, S. 73 -; zu Helmand, S. 77 („Afghanistan’s single largest opium poppy cultivating province in 2015, accounting for 47 % of the total area under opium poppy cultivation in the country.“); zu Uruzgan, S. 87 („opium poppy as a dominant crop“); zu Zabul - S. 90; zu Badakhshan, S. 133; zu Ghor, S. 171.
228 
Die Landwirtschaft leidet allerdings - neben der problematischen Sicherheitssituation - insbesondere auch unter vielfältigen Naturkatastrophen, weswegen das World Food Programme das ganze Jahr hindurch in verschiedenen Landesteilen auf Krisen bzw. Notsituationen wie Dürre, Überschwemmungen oder extremen Kälteeinbruch reagiert. Gerade der Norden - eigentlich die „Kornkammer“ des Landes - ist extremen Natureinflüssen wie Trockenheit, Überschwemmungen und Erdrutschen ausgesetzt
229 
- Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 19.10.2016 - Stand: September 2016, S. 23; UNOCHA, Humanitarian Needs Overview 2018, Dezember 2017, S. 16 -
230 
(vgl. im Weiteren ausführlicher bei den Darstellungen zur Versorgungslage und zur humanitären Situation unter lit. bb) und cc)).
231 
bb) Die Versorgungslage in Afghanistan ist schlecht. Wie bereits ausgeführt ist Afghanistan eines der ärmsten Länder der Welt, mit 9,3 Mio. Menschen, die Anfang 2017 auf humanitäre Hilfe angewiesen waren (s.o.). Für das Jahr 2018 geht UNOCHA - United Nations Office for the Coordination of Humanitarian Affairs - von 3,3 Millionen Personen aus, bei denen ein akuter Bedarf an unmittelbar lebensrettender humanitärer Hilfe besteht sowie weiterer 8,7 Millionen Menschen, die einen chronischen Bedarf an Unterstützungsleistungen aufweisen. Dabei kann aus dem Unterschied in der Darstellung von 9,3 Millionen (2017) zu nun 3,3 Millionen (2018) Personen mit dringenden Bedarfen in den Angaben zum Angewiesensein auf humanitäre Hilfe nicht auf eine Verbesserung der Lage geschlossen werden. Denn der Unterschied geht auf eine abweichende Methode der Datenerfassung zurück
232 
UNOCHA, Humanitarian Needs Overview 2018, Dezember 2017, S. 15.
233 
Im Jahr 2016 waren etwa 1,6 Millionen Afghanen (nach den Daten von UNOCHA ein Anteil von 6 %) schwerwiegender Ernährungsunsicherheit („severely food insecure“) betroffen, bei weiteren 9,7 Millionen Menschen (34 %) war dies in mäßiger Weise der Fall („moderately food insecure“).
234 
UNOCHA, Humanitarian Needs Overview 2017, November 2016, S. 5 f. und 26 sowie die Aufteilung nach Regionen auf S. 21; EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City (August 2017), S. 42 m.w.N.; vgl. auch UK Home Office, Country Policy and Information Note - Afghanistan: Security and humanitarian situation, August 2017, S. 28; dort auch unter Bezugnahme auf UNOCHA der Hinweis auf die Wechselwirkung mit der steigenden Anzahl intern Vertriebener und Rückkehrer, die sich in den städtischen Zentren und Randgebieten sammeln sowie zur erwarteten Anzahl von mehr als einer Million neuer Rückkehrer im Sommer 2017); Ernährungsunsicherheit in den Vorjahren vgl. auch Sam Hall, Urban Poverty Report - A study of poverty, food insecurity and resilience in Afghan Cities, November 2014: S. 6 f., 43, 54 und 56 - die Hälfte der Haushalte in Städten und 68 % der intern Vertriebenen werden als ernsthaft von Ernährungsunsicherheit betroffen beschrieben.
235 
Für das Jahr 2017 war ein Anstieg auf 1,9 Millionen Personen, bei denen von einer schwerwiegenden Ernährungsunsicherheit auszugehen ist, zu verzeichnen. Ausgehend von der ernährungssicherheitsbezogenen Klassifizierung IPC (Integrated food security phase classification) bedeutet dies, dass sie mit einer extremen Nahrungsmittelunterversorgung konfrontiert sind, die zu akuter Mangel- oder Unterernährung mit einer überhöhten Sterblichkeitsrate führt. Weitere 5,6 Millionen Menschen werden der Gruppe zugeordnet, bei der eine akuter Nahrungsmittel und Existenzkrise angenommen wird, was bedeutet, dass eine beachtliche Nahrungsmittelunterversorgung vorliegt oder dass diese Unterversorgung nur durch den Verkauf letzter Vermögenswerte noch abgewendet werden kann. Schließlich ist bei weiteren 10 Millionen Menschen festzustellen, dass diese allein das Minimum der erforderlichen Nahrungsmittelversorgung sicherstellen können und damit eine vollständige Sicherung der Existenzgrundlage nicht gesichert erscheint.
236 
UNOCHA, Humanitarian Needs Overview 2018, Dezember 2017, S. 24.
237 
48 % der Haushalte von intern vertriebenen Personen, die in informellen Siedlungen in Kabul lebten, waren im Dezember 2015 ernsthaft von Ernährungsunsicherheit betroffen.
238 
UNOCHA, Humanitarian Needs Overview 2017, November 2016, S. 7.
239 
Insbesondere die aus Konflikten und chronischer Unterentwicklung resultierenden Folgeerscheinungen im Süden und Osten haben dazu geführt, dass dort ca. eine Million oder fast ein Drittel aller Kinder als akut unterernährt gelten.
240 
Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 19.10.2016 - Stand: September 2016, S. 23.
241 
In den Städten allgemein und insbesondere der Hauptstadt Kabul sind die Lebenshaltungskosten im Verhältnis zum Einkommen hoch. So finden sich - jeweils auch abhängig vom Lebensstil - Angaben von 100 bis 150 EUR oder 150 bis 250 US$ für einen alleinstehenden Mann in Kabul
242 
- BAMF/ZIRF/IOM, ZIRF-Anfrage Wohnraumsituation I: Lebenshaltungskosten in Kabul für alleinstehenden Mann, 09.05.2017; BAMF/ZIRFIOM, ZIRF-Anfrage: Lebenshaltungs-/Mietkosten in Kabul; Taxilizenz, 22.04.2016; Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation: Afghanistan (Gesamtaktualisierung vom 02.03.2017, letzte Kurzinformation eingefügt am 27.06.2017, S. 188 -
243 
und mindestens 250 bis zu 600 EUR pro Monat für eine Familie, bestehend aus einem Vater und drei Kindern
244 
- BAMF/ZIRF/IOM, ZIRF-Anfrage Wohnraumsituation II: Lebenshaltungskosten in Kabul für Familie mit Vater und 3 Kindern, 09.05.2017 -,
245 
wobei jeweils noch keine Unterbringungs-/Mietkosten enthalten sind.
246 
Für die Kosten von Wohnraum finden sich - auch abhängig von der Lage - Angaben von einer Monatsmiete für ein Zimmer in Höhe von 100 US$, für ein Einzimmerapartment in Kabul von 88 US$/6.000 Afghani bis zu 146 US$/10.000 Afghani oder auch in Höhe von 160 bis 180 EUR (zuzüglich Nebenkosten von etwa 20 bis 25 EUR/Monat) sowie auch 300 US$. Die Miete für eine Dreizimmerwohnung in Kabul wird mit ca. 300 EUR/Monat bei Nebenkosten in Höhe von etwa 30 EUR angegeben, aber auch Preise von 400 bis 600 US$ zuzüglich Nebenkosten von etwa 40 US$ pro Monat werden genannt.
247 
Schuster, Report for the Upper Tribunal, 08.11.2016, S. 14/Rn. 41; BAMF/ZIRFIOM, ZIRF-Anfrage: Lebenshaltungs-/Mietkosten in Kabul; Taxilizenz, 22.04.2016; Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation: Afghanistan (Gesamtaktualisierung vom 02.03.2017, letzte Kurzinformation eingefügt am 27.06.2017, S. 188; BAMF/ZIRF/IOM, ZIRF-Anfrage Wohnraumsituation I: Lebenshaltungskosten in Kabul für alleinstehenden Mann, 09.05.2017; BAMF/ZIRF/IOM, ZIRF-Anfrage Wohnraumsituation II: Lebenshaltungskosten in Kabul für Familie mit Vater und 3 Kindern, 09.05.2017; IOM, Länderinformationsblatt Afghanistan 2017, S. 3; IOM, Länderinformationsblatt Afghanistan 2016, S. 2; Stahlmann, Landeskundliche Stellungnahme Afghanistan vom 30.05.2017, S. 16; dies., Asylmagazin 2017, S. 73 (76); vgl. auch Schuster, Risks on return to Kabul, 12.08.2016, S. 16/Rn. 42: Einzelzimmer für 4.000 bis 6.000 Afghani, bei einem Lohnniveau von 4.000 bis 4.500 Afghani pro Monat; EASO, Country of Origin Information Query - Query concerning the situations of returnees to Afghanistan, 22.06.2017, S. 7 m.w.N.: 300 US$.
248 
Die im Vergleich zum realistischer Weise zu erzielenden Einkommen immensen Unterbringungskosten bei gleichzeitig großem Zustrom neuer Einwohner erklären, dass etwa drei Viertel der Menschen in Slums lebt.
249 
Dazu ProAsyl, Afghanistan - No safe country for refugees, Mai 2017, S. 4; Stahlmann, Landeskundliche Stellungnahme Afghanistan vom 30.05.2017, S. 16; dies., Asylmagazin 2017, S. 73 (76 f.).
250 
Sofern Wohnraum auf dem freien Markt verfügbar ist, haben in aller Regel wiederum nur diejenigen eine Chance darauf, die einen Bürgen beibringen können und in der Lage sind, bis zu sechs Monatsmieten im Voraus zu bezahlen. Im Rahmen der Wohnungssuche benötigt man also außergewöhnliche finanzielle Ressourcen, um eine Chance auf eine winterfeste Unterkunft zu haben, aber auch die beschriebenen sozialen Netzwerke. Diese sowie der Umstand, dass sich jemand für den künftigen Mieter und dessen vertrauenswürdigen Charakter gleichsam verbürgt, gewährleisten aus Sicht des Vermieters eine gewisse Sicherheit sowie insbesondere auch, dass der Mieter kein „unmoralisches“ Verhalten an den Tag legt und seine Miete zahlen wird.
251 
Stahlmann, Landeskundliche Stellungnahme Afghanistan vom 30.05.2017, S. 16; dies., Asylmagazin 2017, S. 73 (76 f.); Schuster, Report for the Upper Tribunal, 08.11.2016, S. 4/Rn. 12 und auch S. 14/Rn. 41 und S. 15/ Rn. 44 m.w.N.
252 
Es gibt keine NGOs oder öffentliche Organisationen, die bei der Wohnungssuche unterstützen. Immobilienmakler bieten einen entsprechenden Service im Austausch für eine Monatsmiete von Mieter und Vermieter an.
253 
BAMF/ZIRF/IOM, ZIRF-Anfrage: Medizinische Versorgung in Afghanistan, Unterstützung für Rückkehrer bei Arbeits- und Wohnungssuche, 21.09.2016.
254 
Zwischen den Verhältnissen in den urbanen Zentren und den ländlichen Gebieten Afghanistans herrscht ein eklatantes Gefälle. Es fehlt außerhalb der Hauptstadt Kabul und der Provinzhauptstädte vielerorts an grundlegender Infrastruktur für Energie, Trinkwasser und Transport. Der Anteil der Bevölkerung, der Zugang zu Trinkwasser hat, beträgt nur 46 %.
255 
Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage vom 19.10.2016 - Stand September 2016 -, S. 21; UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender, 19.04.2016, S. 31.
256 
cc) Verschärft wird die Lage - insbesondere auf dem Arbeits- und dem Wohnungsmarkt - nicht zuletzt aufgrund erheblicher Migrationsbewegungen.
257 
Für das gesamte Land ist eine erhebliche, zudem stetig ansteigende Anzahl an Migranten festzustellen. Es handelt sich sowohl um Binnenvertriebene (internally displaced persons - IDPs), Rückkehrer (insbesondere aus Iran und Pakistan sowie aus dem westlichen Ausland) und Wirtschaftsmigranten.
258 
EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City (August 2017), S. 40.
259 
Im Jahr 2015 gab es in ganz Afghanistan mindestens 1,1 Millionen Binnenvertriebene.
260 
Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 19.10.2016 - Stand: September 2016, S. 21: zwischen 1,1 und 1,2 konfliktinduzierte Binnenflüchtlinge.
261 
Im April 2016 war deren Zahl auf 1,2 Millionen geschätzt worden.
262 
Stahlmann, Asylmagazin 2017, S. 73 (74 f.) m.w.N.;. a.i., My children will die this winter - Afghanistan´s broken promise to the displaced, 31.05.2016, S. 7.
263 
Bis Jahresende wurden 2016 insgesamt 620.000 bis 650.000 Menschen als kriegsbedingt vertrieben ausdrücklich und aktenkundig registriert - das sind dreimal so viele wie 2014 und sechsmal so viele wie 2012. Im Zeitraum seit Anfang 2017 bis ca. Juli 2017 haben etwa 150.000 Personen auf Grund innerstaatlicher Konflikte ihren Wohnort verlassen. Sie suchen mehrheitlich innerhalb ihrer Provinz Zuflucht, es sind aber auch Fluchtbewegungen in die Provinz Kabul zu verzeichnen.
264 
Stahlmann, Asylmagazin 2017, S. 73 (74) m.w.N.: 623.345; General Assembly Security Council, The situation in Afghanistan and its implications for international peace and security - report of the Secretary-General, 03.03.2017: S. 9 zur Verschlechterung bis ins Jahr 2017 mit Rekordzahlen neuer, konfliktbedingter Binnenvertreibung in Höhe von 651.751 Personen; vgl. auch Bericht des Auswärtigen Amts zur Lagebeurteilung für Afghanistan nach dem Anschlag am 31. Mai 2017 - Stand Juli 2017 -, S. 10.
265 
Daneben sind im Jahr 2016 etwa eine Million Menschen aus Iran und Pakistan nach Afghanistan zurückgekehrt, wobei als Rückkehrende auch jene gelten, deren Eltern schon im benachbarten Ausland geboren wurden. Hintergrund ist, dass der Iran vermehrt afghanische Staatsangehörige abschiebt und Pakistan im letzten Herbst 2016 entschieden hat, ab April 2017 keine afghanischen Personen mehr im Land zu dulden. Zusätzlich zu den 1,6 Millionen afghanischen Staatsangehörigen, die in Pakistan bisher einen Flüchtlingsstatus hatten, betrifft diese Entscheidung nach Schätzungen der pakistanischen Regierung zumindest eine weitere Million illegal dort lebender afghanischer Personen.
266 
UNHCR, Anmerkungen zur Situation in Afghanistan auf Anfrage des deutschen Bundesministerium des Inneren - Dezember 2016, S. 4 zum Rekordniveau von interner Flucht und Vertreibung für das Jahr 2016: ca. 372.000 + 242.000 Flüchtlinge aus Pakistan und 420.000 aus dem Iran sowie eine Prognose für das Jahr 2017 mit 650.000 zurückkehrenden Flüchtlingen; Stahlmann, Asylmagazin 2017, S. 73 (74): 1.034.000 Rückkehrer aus Iran und Pakistan; a.i., Amnesty Report 2017 - Afghanistan (Berichtszeitraum 1. Januar 2016 bis 31. Dezember 2016): S. 1; Schuster, Risks on return to Kabul, 12.08.2016, S. 16 f./Rn. 43; ProAsyl, Afghanistan - No safe country for refugees, Mai 2017, S. 4: mehr als eine Million; General Assembly Security Council, The situation in Afghanistan and its implications for international peace and security - report of the Secretary-General, 03.03.2017: S. 9 zur Rückkehr von 620.000 Flüchtlingen und nicht dokumentierten Afghanen aus Pakistan.
267 
Plastisch hat der UNHCR die Versorgungs- und humanitäre Situation zusammengefasst. Er beschreibt, dass infolge des allgemein gestiegenen Sicherheitsrisikos - einschließlich der Zunahme der die Mitarbeiter von Hilfsorganisationen betreffenden Sicherheitsvorfälle - der Zugang zu den betroffenen Menschen für humanitäre Hilfsorganisationen begrenzt ist. Die begrenzte Präsenz jener Organisationen in den vom Konflikt betroffenen Gebieten behindert insbesondere den Zugang zu lebensrettender Unterstützung für die besonders schutzbedürftigen Teile der Bevölkerung. Jahrzehnte der Konflikte und wiederkehrender Naturkatastrophen haben die afghanische Bevölkerung in einen Zustand großer Schutzbedürftigkeit versetzt und die Überlebensmechanismen vieler Menschen erschöpft. Der fortwährende Konflikt greift durch die Zerstörung von Lebensgrundlagen und von Viehbestand, steigende Raten ansteckender Krankheiten, verstärkte Vertreibung, ständige Menschenrechtsverletzungen und höhere Kriminalitätsraten diese Schwachstellen weiter an. Ebenso haben der andauernde Konflikt, schwache Regierungsgewalt sowie ineffiziente oder korrupte Institutionen dazu geführt, dass Vorbereitungsmaßnahmen im Hinblick auf Katastrophen, Risikoreduzierung und Notfallmechanismen Berichten zufolge nicht oder kaum vorhanden sind. In der Folge stellen Naturkatastrophen wie Überflutungen, Schlammlawinen, Erdbeben, Dürren und harte Winter eine weitere Belastung für die Bevölkerung dar, deren Widerstandskraft ohnehin bereits geschwächt wird.
268 
UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender, 19.04.2016, S. 30 f.; vgl. auch UNOCHA, Humanitarian Needs Overview 2017, November 2016, S. 8.
269 
dd) Des Weiteren ist die Situation der Menschen in Afghanistan bestimmt durch eine anhaltend schlechte Sicherheitslage.
270 
Sie wird - bei starken regionalen Unterschieden - allgemein als anhaltend volatil beschrieben.
271 
Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 19.10.2016 - Stand: September 2016, S. 4. Ruttig in Staatssekretariat für Migration SEM der Schweizerischen Eidgenossenschaft, Notiz Afghanistan: Alltag in Kabul - Referat von Thomas Ruttig (Afghanistan Analysts Network) am 12.04.2017, 20.06.2017, S. 4 ff. spricht von der dreifachen Krise im Hinblick auf die Sicherheitslage, die sozio-ökonomische und die politische Situation in Afghanistan
272 
Afghanistan besetzt auf dem Global Peace Index (GPI) des Jahres 2017 bei den am wenigsten friedlichen Ländern den zweiten Platz hinter Syrien. In der weiteren Beschreibung des GPI wird dazu ausgeführt, die Gesamtbewertung Afghanistans habe sich das sechste Jahr in Folge weiter verschlechtert. Die Anzahl an sicherheitsrelevanten Vorfällen hat auch in den ersten Monaten des Jahres 2017 wieder zugenommen, insbesondere im Vergleich zu derselben Zeitspanne des Vorjahres.
273 
UK Home Office, Country Policy and Information Note - Afghanistan: Security and humanitarian situation, August 2017, S. 14 m.w.N. Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation: Afghanistan (Gesamtaktualisierung vom 02.03.2017, letzte Kurzinformation eingefügt am 27.06.2017), S. 13 f.
274 
Eine Bedrohung für Leib und Leben von Zivilisten geht von den Kampfhandlungen der Konfliktparteien, aber auch von improvisierten Sprengkörpern, von Selbstmordanschlägen und komplexen Angriffen auf staatliche Einrichtungen aus. UNAMA gab im Bericht betreffend den Schutz von Zivilisten im bewaffneten Konflikt für das Jahr 2016 eine Zahl von 11.418 zivilen Opfern an, davon 7.920 Verletzte und 3.498 Tote. Der Halbjahresbericht vom Juli 2017 geht für das erste Halbjahr 2017 von einer Gesamtopferzahl (Tote und Verletzte) von 5.243 im Vergleich zu 5.267 im Vorjahreszeitraum aus. Die überwiegende Zahl von zivilen Opfern ist dabei auf Kampfhandlungen am Boden (38 % im Jahr 2016, 34 % im ersten Halbjahr 2017) und improvisierte Sprengsätze (19 % im Jahr 2016, 18 % im ersten Halbjahr 2017) zurückzuführen. Dabei ist die Bevölkerung immer dann gefährdet, wenn sie bei Kämpfen der Konfliktparteien zwischen die Fronten gerät oder Opfer improvisierter Sprengsätze wird, die für andere Ziele gedacht waren. Weniger ausschlaggebend ist dagegen, ob die afghanischen Sicherheitskräfte oder die Taliban die Kontrolle über einen Raum ausüben.
275 
Auswärtiges Amt, Zwischenbericht: Lagebeurteilung für Afghanistan nach dem Anschlag am 31. Mai 2017 - Stand Juli 2017, S. 8 f.; UNAMA, Midyear Report 2017: Afghanistan - protection of civilians in armed conflict, Juli 2017. S. 3; UNAMA, Annual Report 2016: Afghanistan - protection of civilians in armed conflict, Februar 2017, S. 10.
276 
Während zivile Opfer in ländlichen Gebieten vor allem auf Kampfhandlungen, Landminen, improvisierte Sprengsätze und Übergriffe von nicht-staatlichen Gruppen zurückzuführen sind, stellen für die städtische Bevölkerung vor allem Selbstmordanschläge, komplexe Attacken, gezielte Tötungen und Entführungen Bedrohungen dar. Dies gilt insbesondere für Kabul.
277 
Auswärtiges Amt, Zwischenbericht: Lagebeurteilung für Afghanistan nach dem Anschlag am 31. Mai 2017 - Stand Juli 2017, S. 9.
278 
Ein großer Teil des Landes wird von regierungsfeindlichen Kräften beherrscht, wobei die jeweilige Vorherrschaft der unterschiedlichen Kräfte ständigem Wandel unterworfen ist. Im ersten Quartal 2017 waren nur etwa 60 % der 407 Distrikte des Landes unter der Kontrolle oder dem Einfluss der afghanischen Regierung, was einen Anstieg um 2,5 Prozentpunkte im Vergleich zum Stand Mitte November 2016, aber einen Rückgang um 11 Prozentpunkte im Vergleich zum ersten Quartal 2016 bedeutet. Die Taliban behaupten, 16 der 34 Provinzen Afghanistans zu kontrollieren und in nur 89 Distrikten nicht präsent zu sein. In den südlichen Provinzen Helmand, Nimroz, Uruzgan, Zabul, Ghazni würden beinahe alle Distrikte von ihnen kontrolliert bzw. seien zumindest „umkämpft“.
279 
UK Home Office, Country Policy and Information Note - Afghanistan: Security and humanitarian situation, August 2017, S. 22 f. m.w.N.; siehe auch Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation: Afghanistan (Gesamtaktualisierung vom 02.03.2017, letzte Kurzinformation eingefügt am 27.06.2017), S. 27.
280 
Unter dem direkten Einfluss der Taliban standen im dritten Quartal 2016 etwa 2,9 Millionen Menschen, im vierten Quartal waren es noch ungefähr 2,5 Millionen.
281 
Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation: Afghanistan (Gesamtaktualisierung vom 02.03.2017, letzte Kurzinformation eingefügt am 27.06.2017), S. 26 f.
282 
Die afghanische Regierung konnte dabei die Kontrolle über Kabul sowie die Hauptbevölkerungszentren, die meisten Schlüsselverbindungsstrecken, Provinzhauptstädte und die Mehrzahl der Distriktzentren behalten, wobei Distriktzentren und Provinzhauptstädte von Taliban bekämpft bzw. bedroht und diese sich zeitweise der Hauptkommunikationsverbindungen im Land bemächtigt haben, insbesondere in den Provinzen Kunduz und Helmand.
283 
UK Home Office, Country Policy and Information Note - Afghanistan: Security and humanitarian situation, August 2017, S. 23 m.w.N.; Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation: Afghanistan (Gesamtaktualisierung vom 02.03.2017, letzte Kurzinformation eingefügt am 27.06.2017), S. 24.
284 
In Afghanistan - aber auch grenzüberschreitend Richtung Pakistan - sind mehr als 20 aufständische Gruppen bzw. terroristische Netzwerke aktiv, darunter die Taliban, das Haqqani Netzwerk (verbündet mit den Taliban, aber nicht Teil von deren Kernbewegung), der Islamische Staat (auch Daesh) in Gestalt des IS-Zweigs ISKP (auch ISIL-KP) sowie al-Qaida.
285 
Zu den einzelnen Gruppen ausführlich u.a.: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation: Afghanistan (Gesamtaktualisierung vom 02.03.2017, letzte Kurzinformation eingefügt am 27.06.2017), S. 10 ff. und 27 ff.
286 
Die Sicherheitslage wird außerdem durch den Opiumanbau in Afghanistan beeinträchtigt. Die Einkünfte aus dem Drogenschmuggel versorgen sowohl die Aufständischen als auch daneben bestehende kriminelle Netzwerke. Die Anbaufläche für Opium vergrößerte sich im Jahr 2016 im Vergleich zum Vorjahr um 10 % auf etwa 201.000 Hektar. Das für das Jahr 2016 geschätzte Volumen der Opiumproduktion betrug 4.800 Tonnen, was eine Steigerung von etwa 43 % im Vergleich zum Vorjahr bedeutet. Die im Vergleich zur Ausweitung der Produktionsfläche auffallend hohe Steigerung der Produktionsmenge erklärt sich aus guten Anbaubedingungen bei zugleich weniger effektiven staatlichen Bekämpfungsmaßnahmen aufgrund von fehlenden finanziellen Ressourcen hierfür sowie der schlechten Sicherheitslage.
287 
Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation: Afghanistan (Gesamtaktualisierung vom 02.03.2017, letzte Kurzinformation eingefügt am 27.06.2017), S. 31; General Assembly Security Council, The situation in Afghanistan and its implications for international peace and security - report of the Secretary-General, 03.03.2017, S. 11; zur Instabilität infolge des Opiumhandels: UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender, 19.04.2016, S. 15.
288 
ee) Rückkehrer aus dem westlichen Ausland - freiwillig Zurückgekehrte aber insbesondere auch Abgeschobene - sind zusätzlichen Risiken ausgesetzt. Sie sehen sich dem generellen Verdacht gegenüber, ihr Land und ihre religiöse Pflicht verraten zu haben.
289 
Stahlmann, ZAR 2017, 189 (196); dies., Landeskundliche Stellungnahme Afghanistan vom 30.05.2017, S. 4, je m.w.N.; UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender, 19.04.2016, S. 97, insb. Rn. 545.
290 
Ein Aufenthalt im westlichen Ausland wird vermehrt dahin wahrgenommen, der Zurückkehrende habe sich der europäischen Kultur und dem Lebensstil angepasst. Es herrscht die Erwartung, der Betroffene werde entsprechendes (Fehl-) Verhalten auch in Afghanistan weiter an den Tag legen, etwa außereheliche Beziehungen, Alkohol- und Drogenkonsum und alle möglichen Varianten von Apostasie. Schon entsprechende Gerüchte können ausreichen, um staatliche Verfolgung, jedenfalls aber Selbstjustiz bis hin zur Bestrafung mit dem Tod - auch durch Angehörige - wegen des vermeintlichen Bruchs kultureller und religiöser Normen auszulösen.
291 
Stahlmann, Landeskundliche Stellungnahme Afghanistan vom 30.05.2017, S. 7 ff. m.w.N., dies., Asylmagazin 2017, 82 (83); Schweizerische Flüchtlingshilfe, Schnellrecherche der SFH-Länderanalyse vom 22. Januar 2016 zu Afghanistan: Situation einer ledigen Mutter der Hazara-Ethnie in Kabul, 22.01.2016, S. 9 f. sowie US Department of State, Afghanistan 2016 Human Rights Report, 17.03.2017, S. 11; zum Risiko der vermeintlichen „Kontamination“ durch die westliche Lebensweise: Schuster, Report for the Upper Tribunal in the case of XXXX YYYY, 08.11.2016, S. S. 4 f./Rn. 13 und dies., Risks on return to Kabul, 12.08.2016, S. 19/Rn. 49; Asylos - research for asylum, Afghanistan: Situation of young male „Westernised“ returnees to Kabul, August 2017, S. 29 ff. m.w.N.; zur Problematik der vermeintlichen „Verwestlichung“ bei Frauen ausführlich Giesler/Wohnig, Uneinheitliche Entscheidungspraxis zu Afghanistan - Eine Untersuchung zur aktuellen Afghanistan-Entscheidungspraxis des BAMF und der Gerichte (Ergänzte Fassung zur Kurzfassung aus Asylmagazin 2017, 223) (asyl.net), S. 13 f. m.w.N.
292 
Die Unterstützung durch Angehörige und Familie - soweit vorhanden - ist darüber hinaus des Öfteren eingeschränkt, weil die Rückkehr nach Afghanistan als Ausdruck des Versagens trotz des vermeintlich leichten Lebens im Westen verstanden wird und gleichzeitig der Verdacht schwelt, der Zurückkehrende habe womöglich eine schwere Straftat in Europa begangen. Denn nach einer in Afghanistan weit verbreiteten Auffassung schiebt Europa nur Straftäter ab, weshalb ein Abgeschobener im vermeintlich regellosen Europa ein schweres Verbrechen verübt haben müsse.
293 
Stahlmann, Landeskundliche Stellungnahme Afghanistan vom 30.05.2017, S. 9; zum Stigma des Versagens auch Naber, Asylmagazin 2016, 3 (7) und auch Asylos - research for asylum, Afghanistan: Situation of young male „Westernised“ returnees to Kabul, August 2017, S. 35 sowie S. 36 zur Assoziation der Rückkehr mit Kriminalität, je m.w.N.
294 
Außerdem kann einer Unterstützung durch die Familie entgegenstehen, dass diese erhebliche Mittel aufgewendet oder sogar Geld geliehen hat, um die Reise zu finanzieren. Neben dem Vorwurf, der Zurückkehrende habe die erwartete (Versorgungs-) Leistung nicht erbracht, droht auch die Rückforderung durch Kreditgeber, mit der Folge, dass ein Rückkehrer seiner Familie nicht willkommen, sondern „bestenfalls“ nur eine Belastung für diese ist.
295 
Asylos - research for asylum, Afghanistan: Situation of young male „Westernised“ returnees to Kabul, August 2017, S. 38 und 41.
296 
Des Weiteren wird als Gefahr beschrieben, dass die Taliban die Flucht als ein Verhalten werten, mit dem man sich ihrem Machtanspruch entziehen will. Nachvollziehbar erscheint angesichts dessen, dass von Seiten der Taliban das Interesse bestehen soll, zur allgemeinen Abschreckung diejenigen zur Rechenschaft zu ziehen, die sich ihnen entzogen haben.
297 
Stahlmann, ZAR 2017, 189 (196); dies., Landeskundliche Stellungnahme Afghanistan vom 30.05.2017, S. 4 ff., je m.w.N.; UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender, 19.04.2016, S. 41 f.; Asylos - research for asylum, Afghanistan: Situation of young male „Westernised“ returnees to Kabul, August 2017, S. 33 f. m.w.N.
298 
Entsprechend wird die ohnehin allgemein übliche Überprüfung der Biographie der Rückkehrer durch das neue soziale Umfeld noch sorgfältiger als üblich vorgenommen, da sie wegen ihrer Flucht grundsätzlich verdächtigt werden, sich persönlicher Verfolgung entzogen zu haben - sei es durch militante Gruppierungen oder Privatpersonen.
299 
Stahlmann, Landeskundliche Stellungnahme Afghanistan vom 30.05.2017, S. 5, m.w.N.; ähnlich Asylos - research for asylum, Afghanistan: Situation of young male „Westernised“ returnees to Kabul, August 2017, S. 40 und 43 m.w.N. vgl. auch S. 35 m.w.N. zur Problematik der Diskriminierung/Entlassung bei Bekanntwerden eines vorangegangenen Aufenthalts im westlichen Ausland.
300 
Zudem wird angesichts des - grob verzerrt und übersteigert wahrgenommenen - Reichtums in Europa („Jeder Europäer ist (Euro-)Millionär“) in Afghanistan oft davon ausgegangen, dass Rückkehrer während ihrer Zeit im Westen zu Wohlstand gekommen sind. Sowohl sie selbst als auch ihre Familien laufen daher Gefahr, Opfer von Entführungen zu werden, die lebensbedrohlich sein können, insbesondere wenn nicht gezahlt wird oder werden kann. Das gleiche gilt für bekanntgewordenen Kontakt mit Ausländern.
301 
Stahlmann, ZAR 2017, 189 (198); dies., Landeskundliche Stellungnahme Afghanistan vom 30.05.2017, S. 10 f., je m.w.N.; Schuster, Report for the Upper Tribunal in the case of XXXX YYYY, 08.11.2016, S. 6 f./Rn. 18 sowie Schuster, Risks on return to Kabul, 12.08.2016, S. 20/Rn. 52; Asylos - research for asylum, Afghanistan: Situation of young male „Westernised“ returnees to Kabul, August 2017, S. 29 f. und S. 40, je m.w.N.
302 
Schließlich berichten Rückkehrer von Problemen mit Behörden oder Sicherheitskräften, insbesondere weil sie als anders aussehend wahrgenommen werden, weil sie keine Tazkira haben, aber auch, weil sie als Sicherheitsrisiko empfunden werden, da sie mangels Ausbildung und mangels Chancen auf Arbeit als potentielle Drogenhändler oder durch bewaffnete regierungsfeindliche Kräfte leicht zu rekrutierende Personen gesehen werden.
303 
Asylos - research for asylum, Afghanistan: Situation of young male „Westernised“ returnees to Kabul, August 2017, S. 18.
304 
ff) Andererseits können Rückkehrer - anders als die übrige Bevölkerung - von Unterstützungsmaßnahmen profitieren.
305 
Zusammenfassend hierzu: Afghanistan Analysts Network - voluntary and forced returns to Afghanistan in 2016/17: trends, statistics and experiences, 19.05.2017, S. 6 f. und Asylos - research for asylum, Afghanistan: Situation of young male „Westernised“ returnees to Kabul, August 2017, S. 19 bis 29.
306 
Die Internationale Organisation für Migration (IOM) bietet in Deutschland verschiedene Rückkehrhilfen an. Unterstützung in Gestalt von Geldzahlungen können afghanische Rückkehrer, die sich freiwillig in ihr Heimatland zurückbegeben, über zwei Programme des IOM erlangen.
307 
Das REAG/GARP-Programm 2017 („Reintegration and Emigration Program for Asylum-Seekers in Germany“/„Government Assisted Repatriation Program“) gewährt eine Reisebeihilfe (etwa die Übernahme der Beförderungskosten) sowie eine Starthilfe, die für Erwachsene und Jugendliche 500 EUR und für Kinder unter zwölf Jahren 250 EUR beträgt.
308 
IOM, REAG/GARP-Programm 2017, Informationsblatt Projekt „Bundesweite finanzielle Unterstützung freiwilliger Rückkehrer/Innen“ (Juli 2017), S. 1; IOM, REAG/GARP-Programm 2017, Projekt „Bundesweite finanzielle Unterstützung freiwilliger Rückkehrer/Innen“, Merkblatt für deutsche Behörden, Mitglieder der Wohlfahrtsverbände, Fachberatungsstellen, zentrale Rückkehrberatungsstellen, Ausländerbeauftragte und den Hohen Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (UNHCHR) (Juli 2017), S. 5); IOM, REAG/GARP-Programm 2017, Projekt „Bundesweite finanzielle Unterstützung freiwilliger Rückkehrer/Innen“, Merkblatt für deutsche Behörden, Mitglieder der Wohlfahrtsverbände, Fachberatungsstellen, zentrale Rückkehrberatungsstellen, Ausländerbeauftragte und den Hohen Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (UNHCHR) (Januar 2017), S. 5.
309 
Das „StarthilfePlus-Programm 2017“, das zum Dezember 2017 aktualisiert und erweitert wurde, gewährt Personen, die freiwillig in ihr Heimatland zurückkehren, eine zusätzliche finanzielle Unterstützung. Bei Entscheidung zur Ausreise und Rücknahme des Asylantrags vor Abschluss des Asylverfahrens werden 1.200 EUR, für Kinder unter 12 Jahren 600 EUR pro Kind geleistet („Stufe 1“). Nach Zustellung eines negativen Asylerstbescheids verringert sich der Betrag auf 800 EUR bzw. für Kinder auf 400 EUR, sofern die verbindliche Entscheidung zur freiwilligen Ausreise innerhalb der im Bescheid gesetzten Ausreisefrist erfolgt und keine Rechtsbehelfe bzw. Rechtsmittel eingelegt bzw. bereits eingelegte zurückgenommen werden („Stufe 2“). Die zum Dezember 2017 neu eingeführten „Stufe S“ betrifft Leistungen an Personen mit Schutzstatus, die freiwillig auf ihren Schutzstatus verzichten („Stufe S“). Die Übergangsregelung der „Stufe Ü“, die bereits im Vorgängerprogramm der StarthilfePlus vom Januar 2017 enthalten war, sieht Leistungen ebenfalls im Umfang 800 EUR (bzw. 400 EUR pro Kind) vor. Sie betrifft Rückkehrwillige, die entweder vollziehbar ausreisepflichtig sind, auch wenn eine Abschiebungsandrohung noch nicht oder nicht mehr vollziehbar ist, oder solche, die eine Duldung besitzen, einen Folgeantrag oder einen Zweitantrag gestellt haben. Anders als im Vorgängerprogramm setzt die Gewährung der StarthilfePlus nun nicht mehr voraus, dass die Entscheidung zur freiwilligen Ausreise vor einem Stichtag (dies war bislang der 31. Juli 2017) zu erfolgen hat. Erforderlich ist lediglich, dass die betroffene Person vor dem 1. Februar 2017 in Deutschland registriert wurde und eine vollziehbare Ausreisepflicht, eine Duldung oder die Stellung eines Folge- oder Zweitantrags vor dem 1. August 2017 vorlag. Bei gemeinsamem Antrag von mehr als vier Familienmitgliedern ist zudem bei allen vier Stufen ein Familienzuschlag von 500 EUR vorgesehen. Ein Rechtsanspruch auf finanzielle Unterstützung besteht allerdings nicht.
310 
BAMF/IOM, StarthilfePlus-Programm 2017, Merkblatt für deutsche Behörden, Mitglieder der Wohlfahrtsverbände, Fachberatungsstellen, zentrale Rückkehrberatungsstellen, Ausländerbeauftragte und den Hohen Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (UNHCHR) (Dezember 2017), S. 2; BAMF/IOM, StarthilfePlus-Programm 2017, Merkblatt für deutsche Behörden, Mitglieder der Wohlfahrtsverbände, Fachberatungsstellen, zentrale Rückkehrberatungsstellen, Ausländerbeauftragte und den Hohen Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (UNHCHR) (Februar 2017), S. 2; BAMF/IOM, Übersichtsblatt zur StarthilfePlus 2017:Zusätzliche finanzielle Unterstützung bei der freiwilligen Rückkehr, Februar 2017.
311 
Die Auszahlung der Gelder aus dem Programm REAG/GARP erfolgt noch in Deutschland, die des StarthilfePlus-Programms 2017 je zur Hälfte am Abflughafen und zur Hälfte in Afghanistan nach etwa sechs bis acht Monaten. Ansonsten erfolgen Bargeldzahlungen durch die IOM üblicherweise unmittelbar nach der Ankunft am Flughafen oder in einem der IOM-Büros vor Ort.
312 
BAMF/IOM, StarthilfePlus-Programm 2017, Merkblatt für deutsche Behörden, Mitglieder der Wohlfahrtsverbände, Fachberatungsstellen, zentrale Rückkehrberatungsstellen, Ausländerbeauftragte und den Hohen Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (UNHCHR) (Dezember 2017), S. 3; IOM/ZIRF, Mitteilung vom 14.08.2017 zu den Programmen des IOM für freiwillige Rückkehrer (StarthilfePlus, REAG/GARP) auf eine Anfrage des VGH Bad.-Württ. vom 10.07.2017 (A 11 S 512/17); BAMF/IOM, Übersichtsblatt zur StarthilfePlus 2017: Zusätzliche finanzielle Unterstützung bei der freiwilligen Rückkehr, Februar 2017; Asylos - research for asylum, Afghanistan: Situation of young male „Westernised“ returnees to Kabul, August 2017, S. 13, 17 und 25 m.w.N.
313 
Darüber hinaus bietet die IOM über das European Reintegration Network (ERIN) das Unterstützungsprogramm ERIN Specific Action Program für Rückkehrer nach Afghanistan an. Dieses hat allerdings - anders als die vorgenannten Programme - keine Geldleistungen zum Gegenstand. Es gewährt Unterstützung nach der Ankunft und bei der Reintegration in Afghanistan, wobei freiwillige Rückkehrer eine umfangreichere Unterstützung („larger re-integration packages”) erhalten als diejenigen, die nicht freiwillig zurückgekehrt sind. Die Inanspruchnahme setzt eine Bewerbung vor der Rückkehr voraus. Angeboten werden ein Empfangs- und Orientierungsservice bei der Ankunft am Flughafen, Unterstützung beim Weitertransport, Empfehlungen zur Sicherstellung der durchgehenden Versorgung mit dringender ärztlicher Behandlung und eine Notfallunterbringung von mindestens einer Woche. Zur weiteren Wiedereingliederung kann die Beratung durch einen IOM-Mitarbeiter in Anspruch genommen werden, der den Rückkehrern und ihren Familien etwa bei der Planung einer Strategie zur Reintegration helfen kann und auch dazu, wie sie die ihnen gewährten nationalen Zuschüsse sinnvoll verwenden können. Möglich sind Hilfestellungen bei Existenzgründungen, die Beratung bei der Suche und Vermittlung von Arbeitsstellen, die Vermittlung in Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen, Unterstützung in sozialen, medizinischen und rechtlichen Angelegenheit oder die Unterstützung bei der Wohnraumbeschaffung. Unterstützungsleistungen werden nicht durch Direktzahlungen, sondern durch Beratungs- und Sachleistungen erbracht. Bei rückgeführten Personen können diese höchstens einen Wert von 700 EUR haben. Als „berücksichtigungsfähige Kriterien“ bei der Prüfung werden existenzsichernde Maßnahmen, individueller medizinischer Bedarf, die Rückkehr weiterer Familienangehöriger, die Dauer des Aufenthalts in Deutschland bzw. der Abwesenheit im Heimatland sowie die Vulnerabilität des Betroffenen genannt. Die Reintegrationsmaßnahmen legen der Rückkehrer und der Mitarbeiter vor Ort individuell fest. Die Unterstützung soll nach drei bis sechs Monaten weitgehend abgeschlossen sein.
314 
Siehe insgesamt: BAMF/ERIN, Programmsteckbrief ERIN - European Reintegration Network, Rückkehrerhilfen (Projektdauer Juni 2016 bis Dezember 2021), 14.08.2017; IOM/ ERIN - European Reintegration Network, Specific Action Program, Afghanistan Briefing Note, 13.03.2017; ERIN/IOM, ERIN - European Reintegration Network, Specific Action Program, Afghanistan Leaflet, 13.03.2017.
315 
Sachleistungen können freiwillige Rückkehrer außerdem im Rahmen eines für den Zeitraum zwischen 1. Dezember 2017 und 28. Februar 2018 geltenden Sonderprogramms der StarthilfePlus zur Reintegrationsunterstützung beantragen. Diese umfassen u.a. Bau-, Renovierungs- und Instandhaltungsmaßnahmen, Basismobiliar und Grundausstattung für Küche und sanitäre Anlagen. Die Leistungen sind auf den Wert von 1.000 EUR pro Einzelperson und 3.000 EUR pro Familie begrenzt. Die konkrete Ausgestaltung der Reintegrationsunterstützung ist abhängig von einem nach der Rückkehr im Zielland zu erarbeitenden Reintegrationsplan.
316 
BAMF/IOM, Informationsblatt „Reintegrationsunterstützung im Bereich Wohnen im Bundesprogramm StarthilfePlus“ (Dezember 2017).
317 
IOM-Programme werden allerdings nur in geringem Umfang in Anspruch genommen. Dies scheint vor allem an technischen und bürokratischen Hürden zu liegen. Im Falle abgeschobener Personen kann hinzukommen, dass diese die Ankunft und Rückkehr am Flughafen in Kabul als demütigend empfinden, deswegen nicht das Bedürfnis verspüren, dort zu verweilen und entsprechend auch nicht den Kontakt zu dem dortigen IOM-Mitarbeiter suchen. Wenn der Umstand der Rückkehr als erdrückend empfunden wird, hat dies unter Umständen zur Folge, dass sie ihre Zeit mit dem Versuch verbringen, sich anzupassen, sie auf Grund von Depressionen nicht die Kraft für Verwaltungsaufgaben aufbringen, sie die Weitergabe von Informationen an die Behörden fürchten oder es ihnen an einem Telefon oder dem Geld für die Reise zu einem der IOM-Büros mangelt. Als maßgeblicher Grund wird auch vermutet, dass die Betroffenen nicht auf die Notwendigkeit der Kontaktaufnahme zu dem IOM-Mitarbeiter hingewiesen werden.
318 
Afghanistan Analysts Network - voluntary and forced returns to Afghanistan in 2016/17: trends, statistics and experiences, 19.05.2017, S. 9 f., Asylos - research for asylum, Afghanistan: Situation of young male „Westernised“ returnees to Kabul, August 2017, S. 26 f. m.w.N.; dort auch auf S. 48 zur Problematik, dass von Teilnehmern des IOM-Programms bemängelt worden sei, keine individualisierte Beratung statt, sondern die Beratung zur Planung eines Geschäftsbetriebs sei immer gleich („one-size-fits-all“).
319 
Auch von Seiten der afghanischen Regierung gibt es Unterstützungsprogramme für Rückkehrer aus Europa.
320 
Im April 2015 hat die afghanische Regierung zunächst eine Hohe Kommission für Migration gegründet und im November 2016 dann ein gesondert auf die Belange von Rückkehrern gerichtetes Komitee (Displacement and Returnees Executive Committee). Dessen Funktion ist es, eine Strategie zur Koordination von humanitären und Entwicklungsprogrammen festzulegen sowie die Entwicklung von Richtlinien zur Unterstützung (u.a.) von Rückkehrern. Dabei geht es nicht nur um die finanzielle Unterstützung des Einzelnen. Damit die Rückkehrer nicht als gescheitert und unfähig zur Leistung des von ihnen erwarteten Beitrags erscheinen, ist auch die finanzielle Unterstützung des familiären bzw. sozialen Umfelds angedacht. Der Ansatz ist allerdings kritisiert worden, etwa weil er die örtliche Korruption nicht berücksichtige.
321 
Asylos - research for asylum, Afghanistan: Situation of young male „Westernised“ returnees to Kabul, August 2017, S. 28, dort auch zu Unterstützungsangeboten für das Umfeld bzw. die Gemeinschaft der Rückkehrer („a more community-oriented financial support“).
322 
Die derzeit von Seiten der afghanischen Regierung gewährten Hilfen umfassen die Bereiche der Arbeitsvermittlung, des rechtlichen Beistands sowie Fragen von Grund und Boden und Obdach. Die Unterstützung wird nicht von einer einzelnen Institution gewährt, vielmehr muss der Rückkehrer selbst die Initiative ergreifen und sich an die jeweils zuständige Stelle wenden - etwa an das Arbeitsministerium, wenn er Hilfe bei der Arbeitssuche erhalten will. Rückkehrer aus Europa berichten, dass sie nur wenig Unterstützung in irgendeiner Art erhalten hätten, mit Ausnahme einer zweiwöchigen Unterbringung durch die Regierung.
323 
Afghanistan Analysts Network - voluntary and forced returns to Afghanistan in 2016/17: trends, statistics and experiences, 19.05.2017, S. 7; Asylos - research for asylum, Afghanistan: Situation of young male „Westernised“ returnees to Kabul, August 2017, S. 28.
324 
Schließlich gibt es lokale nichtstaatliche Organisationen, die freiwillige und abgeschobene Rückkehrer unterstützen, etwa IPSO (International Psychosocial Organisation) und AMASO (Afghanistan Migrants Advice & Support Organisation). IPSO ist eine in Deutschland ansässige Organisation mit psychosozialen Unterstützungsangeboten (Selbsterfahrungsgruppen, Übungen zum Leben in Afghanistan, Eins-zu-Eins-Beratung, Malen und Handarbeit). AMASO gewährt Rückkehrern - vorwiegend aus nordischen Ländern - die Möglichkeit einer Unterkunft für mehr als zwei Wochen. Außerdem bietet eine örtliche Anwaltskanzlei (freiwilligen) Rückkehrern aus Norwegen ihre Dienstleistungen an. Etablierte Koordinationsmechanismen zur Sicherstellung der benötigten Unterstützung für alle Rückkehrer oder zu deren Gleichbehandlung scheint es allerdings insgesamt nicht zu geben.
325 
Afghanistan Analysts Network - voluntary and forced returns to Afghanistan in 2016/17: trends, statistics and experiences, 19.05.2017, S. 7, dort auch S. 10 zu AMASO und IPSO; Asylos - research for asylum, Afghanistan: Situation of young male „Westernised“ returnees to Kabul, August 2017, S. 28 f., dort auf S. 53 auch ausführlicher zu IPSO sowie auf S. 64 ausführlicher zur AMASO, dort auch zur Betreuung eines aus Deutschland abgeschobenen, bei einem Bombenanschlag verletzten Rückkehrers.
326 
Eine weitere Unterstützungsleistung können Rückkehrer zudem in Form einer kurzfristigen Unterbringung erlangen. Die IOM bietet in einem sogenannten Empfangszentrum (Jangalak reception centre) eine vorübergehende Unterkunft für höchstens zwei Wochen. Es handelt sich um ein Gebäude auf dem Gelände des Ministeriums für Flüchtlinge und Neuverteilung auf dem Gelände der früheren Jangalak-Fabrik. Dort gibt es 24 Zimmer mit je zwei bis drei Betten. Sowohl freiwillige als auch abgeschobene Rückkehrer können dort unterkommen. Zwölf Mitarbeiter betreuen die Rückkehrer. 2016 nutzten 43 Personen das Angebot. Sie blieben durchschnittlich für sieben Nächte.
327 
Afghanistan Analysts Network - voluntary and forced returns to Afghanistan in 2016/17: trends, statistics and experiences, 19.05.2017, S. 9.
328 
Im Rahmen einer entsprechenden Befragung erklärten mehrere Rückkehrer, sie wollten auf das Angebot nicht zurückgreifen, weil sie glaubten, der Aufenthalt dort berge das Risiko, dass sie als Rückkehrer identifiziert würden.
329 
Asylos - research for asylum, Afghanistan: Situation of young male „Westernised“ returnees to Kabul, August 2017, S. 63.
330 
c) In Kabul als Ankunfts- bzw. Endort der Abschiebung gestalten sich die Lebensverhältnisse in Teilen ähnlich, es gibt allerdings auch Unterschiede zu den für das gesamte Land erläuterten Lebensverhältnissen.
331 
Wie bereits im Zusammenhang mit dem städtischen Wohnungsmarkt allgemein dargestellt, ist der Wohnungsmarkt in Kabul teuer und (insbesondere auch auf Grund der großen Zahl intern Vertriebener und Rückkehrern aus dem benachbarten Ausland) sehr angespannt. Denn die Stadt Kabul hat von der erheblichen, stetig ansteigenden Anzahl an Migranten einen unverhältnismäßig großen Anteil aufgenommen.
332 
EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City (August 2017), S. 40.
333 
Kabul ist der Hauptzielort der größten Rückkehrbewegung und zugleich auch traditionell ein Zufluchtsgebiet der vom Konflikt betroffenen Binnenvertriebenen insbesondere aus der Zentralregion. Ein erheblicher Anteil der insgesamt 5,7 Millionen Menschen, die nach dem Fall der Taliban aus dem Iran und Pakistan zurückgekehrt waren, und der genannten 1,2 Millionen Binnenvertriebenen hat sich in bzw. um Kabul herum niedergelassen. Zu diesen kommen noch weitere Personen hinzu, etwa ein erheblicher Anteil der im Jahr 2016 aus Pakistan Zurückgekehrten. Ihre Zahl wurde zur Jahresmitte 2016 noch mit 54.600 bemessen. Zum Ende des Jahres 2016 nannte der UNHCR die Zahl ca. 625.000 Rückkehrern aus Pakistan allein für die letzten vier Monate des Jahres 2016. In Zusammenhang mit dieser Entwicklung wird auch die Verlautbarung eines Ministers der afghanischen Regierung (Balkhi) gebracht, Kabul könne nicht alle Personen aus gefährlichen Provinzen aufnehmen, verbunden mit der Bitte, Abschiebungen zu beenden.
334 
Schuster, Report for the Upper Tribunal in the case of XXXX YYYY, 08.11.2016, S. 18/Rn. 53; Schuster, Risks on return to Kabul, 12.08.2016, S. 16 f./Rn. 43; Stahlmann, Asylmagazin 2017, S. 73 (75); UNHCR, Anmerkungen zur Situation in Afghanistan auf Anfrage des deutschen Bundesministerium des Inneren - Dezember 2016, S. 5 zur starken Betroffenheit u.a. von Kabul von der hohen Anzahl an Rückkehrern sowie S. 7 zu Kabul als traditionellem Zufluchtsort.
335 
Ein nicht unerheblicher Teil der Migranten, aber auch der von jeher in Kabul ansässigen Bevölkerung, gehört dabei der Volksgruppe der Hazara an. In Kabul sollen nach Schätzungen über eine Million bzw. bis zu 1,5 Millionen Hazara leben. Die meisten davon sind Vertriebene, die sich erst vor Kurzem dort niedergelassen haben. Sie sind von den negativen Auswirkungen des hohen Arbeitslosigkeit in gleichem Maße wie auch die übrige Bevölkerung betroffen.
336 
Immigration and Refugee Board of Canada, Afghanistan: Situation of Hazara people living in Kabul City, including treatment by society, security situation, and access to employment; security situation for Hazara traveling to areas surrounding Kabul City to access employment, 20.04.2016.
337 
Fast einem Viertel der 55.000 registrierten zurückkehrenden Familien und ein ähnlicher Anteil an nicht dokumentierten Rückkehrern aus Pakistan hat sich in den überfüllten informellen Siedlungen Kabuls niedergelassen. Deswegen bewertet auch der UNHCR im Hinblick auf den Rückgang der wirtschaftlichen Entwicklung in Kabul als Folge des massiven Abzugs der internationalen Streitkräfte im Jahr 2014 die Aufnahmekapazität der Stadt aufgrund begrenzter Möglichkeiten der Existenzsicherung, Marktliquidität, der fehlenden Verfügbarkeit angemessener Unterbringung sowie des mangelnden Zugangs zu grundlegenden Versorgungsleistungen insbesondere im Gesundheits- und Bildungswesen, als äußerst eingeschränkt.
338 
UNHCR, Anmerkungen zur Situation in Afghanistan auf Anfrage des deutschen Bundesministerium des Inneren - Dezember 2016, S. 7.
339 
Als Folge des großen Zustroms nach Kabul wird beschrieben, dass die Migranten in besonderem Maße benachteiligt seien und oft in den überfüllten informellen Siedlungen endeten, für die insbesondere für den Winter die Zustände als schrecklich geschildert werden. Diese bestehen großteils aus behelfsmäßigen Zelten oder Lehmhütten ohne geeigneten Schutz vor Kälte und mit beschränktem Zugang zu sauberem Wasser und medizinischer Versorgung. Es wird von mehreren Dutzend Menschen, insbesondere Kindern und älteren Personen, berichtet, die in den Wintermonaten der Jahre 2012 und 2017 wegen der Kälte gestorben sind. Zum Anderen führt der immense Zuzug dazu, dass die existenziellen Ressourcen noch stärker umkämpft sind, die Arbeitslosigkeit und die Alltagskriminalität zunehmen.
340 
EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City (August 2017), S.40; Stahlmann, Landeskundliche Stellungnahme Afghanistan vom 30.05.2017, S. 15 f.; zu den Zuständen in den informellen Siedlungen auch EASO Country of Origin Information Query - Query concerning the situations of returnees to Afghanistan, 22.06.2015, S. 5 f. m.w.N.; a.i., My children will die this winter - Afghanistan´s broken promise to the displaced, 31.05.2016, S. 17.
341 
Im Übrigen bedeutet eine Wohnung in Kabul zu haben nicht automatisch den Zugang zu Wasser und Strom. Dieser hat sich zwar in den letzten 15 Jahren generell verbessert. Allerdings ist bei der zentralen Wasserversorgung die Wasserqualität schlecht geworden, da Infrastruktur ursprünglich für weit weniger Einwohner ausgelegt war. So funktioniert das öffentliche Wasserleitungssystem nur stundenweise. Zugang zu Leitungswasser haben nur ungefähr 34 % der Einwohner. Die meisten Menschen leben in den Slums und beziehen das Wasser entweder von öffentlichen Pumpen oder selbst angelegten Brunnen, mit denen das Grundwasser angezapft wird. Dessen Stand hat sich zwischenzeitlich von drei bis fünf Metern auf 70 bis 80 Meter Tiefe abgesenkt.
342 
Staatssekretariat für Migration SEM der Schweizerischen Eidgenossenschaft, Notiz Afghanistan: Alltag in Kabul - Referat von Thomas Ruttig (Afghanistan Analysts Network) am 12.04.2017, 20.06.2017, S. 7; Sam Hall, Urban Poverty Report - A study of poverty, food insecurity and resilience in Afghan Cities, November 2014, S. 49.
343 
Schließlich ist auch die Sicherheitslage in Kabul prekär.
344 
Vgl. dazu die Übersicht: UK Home Office, Country Policy and Information Note - Afghanistan: Security and humanitarian situation, August 2017, S. 24 f.
345 
Sie war bereits in den vergangenen Jahren geprägt von zahlreichen Anschlägen, insbesondere auf medienwirksame Ziele ausländischer Streitkräfte und Organisationen sowie Regierungseinrichtungen.
346 
Dazu die ausführliche Darstellung bei Schuster, Report for the Upper Tribunal in the case of XXXX YYYY, 08.11.2016, S. 21 ff./Rn. 59 ff. und dies. Risks on return to Kabul, 12.08.2016, S. 7/Rn. 18 sowie auch Schweizerische Flüchtlingshilfe, Schnellrecherche der SFH-Länderanalyse vom 6. Juni 2016: Sicherheitslage in der Stadt Kabul, 06.06.2016; vgl. auch die genannte Entscheidung OVG NRW, Urteil vom 26.08.2014 - 13 A 2998/11 Rn. 207 bis 230 zur damaligen - vor Abzug internationalen der Streitkräfte liegenden - Sicherheitslage (Rn. 217: „aktuell als stabil eingeschätzt“) und der diesbezüglichen Rolle der Taliban.
347 
In jüngerer Zeit erweist sich die Sicherheitslage weiter als volatil. UNAMA hat für das Jahr 2016 für die gesamte Provinz Kabul 1.758 zivile Opfer registriert (376 Tote und 1.382 Verletzte). Kabul war damit die Provinz mit der höchsten Anzahl ziviler Opfer. Zur ersten Hälfte des Jahrs 2017 berichtete UNAMA, die Provinz Kabul weise weiterhin die höchste Zahl an zivilen Opfern auf, vorwiegend in Kabul City. Von den 1.048 zivilen Opfern (219 Tote und 829 Verletzte) in der Provinz Kabul waren 94 % die Folge von Selbstmordattentaten und komplexen Angriffen in Kabul City durch regierungsfeindliche Kräfte.
348 
UNAMA, Midyear Report 2017: Afghanistan - protection of civilians in armed conflict, Juli 2017, Annex III, S. 73 und S. 5, dort auch Fn. 11 zur Stadt Kabul: 986 zivile Opfer in den ersten sechs Monaten des Jahres (209 Todesopfer und 777 Verletzte); EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City (August 2017), S. 83; UK Home Office, Country Policy and Information Note - Afghanistan: Security and humanitarian situation, August 2017, S. 24.
349 
Vom Dezember 2016 bis zum 31. Mai 2017 gab es insgesamt acht öffentlichkeitswirksame Angriffe in Kabul (bei 42 Angriffen an anderen Orten in Afghanistan). So waren beispielsweise bereits bei einem Angriff durch Aufständische auf einen Stützpunkt der Afghanische Nationalarmee 144 Mitarbeiter getötet und 65 weitere Personen verletzt worden. Der Vorfall, der bei Weitem die schwersten Folgen hatte und gleichzeitig die meiste Aufmerksamkeit in den Medien erfuhr, war allerdings der Anschlag vom 31. Mai 2017.
350 
UK Home Office, Country Policy and Information Note - Afghanistan: Security and humanitarian situation, August 2017, S. 24 f.; Auswärtiges Amt, Zwischenbericht: Lagebeurteilung für Afghanistan nach dem Anschlag am 31. Mai 2017 - Stand Juli 2017, S. 2; Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation: Afghanistan (Gesamtaktualisierung vom 02.03.2017, letzte Kurzinformation eingefügt am 27.06.2017); S. 8 f. vgl. zu den weiteren zahlreichen Vorfällen die Darstellung in der Entscheidung des Senats: VGH Bad.-Württ., Urteil vom 16.10.2017 - A 11 S 512/17 -, juris Rn. 206 ff.
351 
Wie bei dem Vorfall vom 31. Mai 2017 wurden auch bei weiteren Anschlägen in Kabul, die erklärtermaßen gegen Regierungsinstitutionen, internationale Organisationen und Einrichtungen der afghanischen Armee und Polizei gerichtet waren, viele Angehörige der afghanischen Zivilbevölkerung (u.a. Passanten, Kinder usw.) verletzt und getötet.
352 
Schweizerische Flüchtlingshilfe, Schnellrecherche der SFH-Länderanalyse vom 19. Juni 2017 zu Afghanistan: Sicherheitslage in Kabul, 19.06.2017, S. 3 m.w.N.; vgl. auch dazu die Entscheidung des Senats: VGH Bad.-Württ., Urteil vom 16.10.2017 - A 11 S 512/17 -, juris Rn. 206 ff.
353 
Auch im vergangenen Herbst - am 20. Oktober 2017- kam es wieder zu einem Selbstmordattentat, bei dem mindestens 39 Personen, möglicherweise auch 65 Personen getötet wurden.
354 
Spiegel-online, Terror in Afghanistan - Mehr als 50 Tote bei Attentaten auf Moscheen, 20.10.2017.
355 
Im Unterschied zu den vergangen Jahren kommt es nun zu einer Zunahme ziviler Opfer. Dieser Anstieg ist auf zahlreiche Selbstmordattentate und komplexe Angriffe in Kabul zurückzuführen. Anders als früher häufen sich nun auch Anschläge, die sich gezielt gegen Zivilpersonen richten. So beklagt UNAMA, dass sich zwischen dem 1. Januar und dem 30. Juni 2017 mindestens 40 % der von UNAMA dokumentierten zivilen, regierungsfeindlichen Elementen zuzuschreibenden Opfern (und 26 % der Gesamtzahl der zivilen Opfer) das Ergebnis von Angriffen oder Vorfällen sind, die sich gezielt gegen Zivilisten richteten.
356 
UNAMA, Midyear Report 2017: Afghanistan - protection of civilians in armed conflict, Juli 2017, S. 44; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Schnellrecherche der SFH-Länderanalyse vom 19. Juni 2017 zu Afghanistan: Sicherheitslage in Kabul, 19.06.2017, S. 3; dort auch der Hinweis auf die drei schweren Anschläge vom 23. Juli 2016, vom 11. Oktober 2016 und vom 21. November 2016, dazu sogleich; vgl. zur vermehrt gezielt auf die Zivilbevölkerung gerichtete Anschläge, insbesondere der ISKP: Auswärtiges Amt, Zwischenbericht: Lagebeurteilung für Afghanistan nach dem Anschlag am 31. Mai 2017 - Stand Juli 2017, S. 10.
357 
Zusammenfassend ist hinsichtlich der allgemeinen Sicherheitslage in Kabul
358 
- vgl. hierzu ergänzend die Ausführungen im Urteil des Senats vom 16.10.2017 - A 11 S 512/17 -, juris Rn. 193, sowie auch zu den Verhältnissen in Kabul allgemein: juris Rn. 99 ff. -
359 
festzuhalten, dass sich nicht nur die Anzahl der sicherheitsrelevanten Vorfälle gehäuft hat, sondern - wohl maßgeblich auch wegen „neuen“ regierungsfeindlichen Kräfte (IS/Daesh/ISKP) - als weitere Tendenz festzustellen ist, dass bei Anschlägen nun vermehrt zivile Opfer in Kauf genommen werden und sogar gerade auf die Zivilbevölkerung zielen.
360 
Vgl. zum Argument, Angriffe auf die Zivilbevölkerung lägen nicht im Fokus bzw. im Interesse der Taliban, noch das Urteil des OVG NRW vom 26.08.2014 - 13 A 2998/11.A -, NVwZ-RR 2014, 939.
361 
d) Ausgehend von den dargestellten Verhältnissen in Afghanistan insgesamt sowie insbesondere in der Stadt Kabul als End- bzw. Ankunftsort einer Abschiebung ist im Falle der Kläger ein ganz außergewöhnlicher Fall, in dem humanitäre Gründe seiner Abschiebung zwingend entgegensprächen im Sinne von Art. 3 EMRK, nicht festzustellen.
362 
aa) Der Senat konnte sich keine Überzeugungsgewissheit (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) davon bilden, dass der Kläger im Falle seiner Rückkehr auf sich allein gestellt wäre und keine Verwandten oder andere Anlaufstellen in Kabul hätte.
363 
(1) Das Gericht trifft seine Entscheidung gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Auch im Asylverfahren muss die danach gebotene Überzeugungsgewissheit dergestalt bestehen, dass das Gericht die volle Überzeugung von der Wahrheit (nicht etwa nur von der Wahrscheinlichkeit) des vom Kläger behaupteten individuellen Schicksals erlangt hat. Wegen des sachtypischen Beweisnotstandes, in dem sich der Betroffene insbesondere hinsichtlich der von ihm vorgetragenen Vorgänge im vielfach befinden, genügt für diese Vorgänge in der Regel die Glaubhaftmachung, wodurch allerdings das Gericht nicht von einer Überzeugungsbildung im Sinne des § 108 Abs. 1 VwGO enthoben ist. Vielmehr darf das Gericht keine unerfüllbaren Beweisanforderungen stellen und keine unumstößliche Gewissheit verlangen. Es muss sich in tatsächlich zweifelhaften Fällen mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit begnügen, der den Zweifeln Schweigen gebietet, auch wenn sie nicht völlig auszuschließen sind.
364 
Unter Berücksichtigung des beschriebenen Beweisnotstands kommt dem persönlichen Vorbringen des Klägers und dessen Würdigung gesteigerte Bedeutung zu, weswegen allein der Tatsachenvortrag des Schutzsuchenden zum Erfolg der Klage führen kann, sofern seine Behauptungen unter Berücksichtigung aller sonstigen Umstände in dem Sinne „glaubhaft" sind, dass sich das Gericht von ihrer Wahrheit überzeugen kann.
365 
Grundlegend: BVerwG, Urteile vom 16.04.1985 - 9 C 109.84 -, NVwZ 1985, 567, juris Rn. 16 und vom 29.11.1977 - I C 33.71 -, juris, beide m.w.N.; außerdem: BVerwG, Beschlüsse vom 08.02.2011 - 10 B 1.11 -, NVwZ-RR 2011, 382 und vom 08.03.2007 - 1 B 101.06 -, BeckRS 2007, 22701; vgl. dazu auch Stuhlfauth, in: Bader, u.a., VwGO, 6. Aufl. 2014, § 108 VwGO Rn. 8, m.w.N.
366 
So sieht auch Art. 4 Abs. 5 RL 2011/95EU - der hier bezogen auf das nationale Abschiebungsverbot keine unmittelbare Anwendung finden kann - unter bestimmten Umständen vor, dass die Einlassung des Schutzsuchenden ausreichend sein kann und es keiner Nachweise seiner Aussagen bedarf. Und zwar dann, wenn dieser sich offenkundig bemüht hat, seinen Antrag zu begründen, alle ihm verfügbaren Anhaltspunkte vorliegen, und er eine hinreichende Erklärung für das Fehlen anderer relevanter Anhaltspunkte gegeben hat, festgestellt wurde, dass seine Aussagen kohärent und plausibel sind und sie zu den für seinen Fall relevanten, verfügbaren besonderen und allgemeinen Informationen nicht in Widerspruch stehen, er internationalen Schutz zum frühestmöglichen Zeitpunkt beantragt hat (es sei denn, er kann gute Gründe dafür vorbringen, dass dies nicht möglich war) und schließlich auch seine generelle Glaubwürdigkeit festgestellt worden ist.
367 
Vgl. dazu EuGH, Urteil vom 22.11.2012 - C-277/11 - (M.M./Irland), NVwZ 2013, 59.
368 
Es ist demzufolge zunächst Sache des Schutzsuchenden, die Gründe für seine Furcht vor Verfolgung schlüssig vorzutragen. Dazu hat er unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern, aus dem sich bei verständiger Würdigung ergibt, dass ihm in seinem Heimatstaat Verfolgung droht. Hierzu gehört, dass er zu den in seine Sphäre fallenden Ereignissen, insbesondere zu seinen persönlichen Erlebnissen, eine Schilderung gibt, die geeignet ist, den behaupteten Anspruch lückenlos zu tragen. Erhebliche Widersprüche und Unstimmigkeiten im Vorbringen können dem entgegenstehen, es sei denn, diese können überzeugend aufgelöst werden. Bei der Bewertung der Stimmigkeit des Sachverhalts müssen u.a. Persönlichkeitsstruktur, Wissensstand und Herkunft des Schutzsuchenden berücksichtigt werden.
369 
Dazu BVerwG, Beschluss vom 21.07.1989 - 9 B 239.89 -, NVwZ 1990, 171, juris Rn. 3 und 4 sowie auch OVG NRW, Urteil vom 02.07.2013 - 8 A 2632/06.A -, BeckRS 2013, 55090 juris Rn. 59.
370 
Mit anderen Worten: Für die richterliche Überzeugungsbildung ist eine bewertende Gesamtschau des gesamten Vorbringens des Schutzsuchenden unter Berücksichtigung seiner individuellen Aussagekompetenz und seiner Glaubwürdigkeit erforderlich, die die Stimmigkeit des Vorbringens an sich, dessen Detailtiefe und Individualität, sowie dessen Übereinstimmung mit den relevanten und verfügbaren Erkenntnismitteln ebenso berücksichtigt wie die Plausibilität des Vorbringens, an der es etwa fehlen kann, wenn nachvollziehbare Erklärungen fehlen oder unterbleiben, falsche oder missverständliche Urkunden nicht erklärt werden können bzw. wenn Beweise oder Vorbringen ohne nachvollziehbaren Grund verspätet vorgebracht werden.
371 
Vgl. insgesamt auch VGH Bad.-Württ., Urteil vom 19.04.2017 - A 11 S 1411/16 -, BeckRS 2017, 127389 Rn. 23 ff. sowie International Association of Refugee Law Judges, Assessment of Credibility in Refugee and Subsidiary Protection claims under the EU Qualification Directive, Judicial criteria and standards, https://www.iarlj.org/images /stories/Credo/Credo_Paper_March 2013-rev1.pdf, Seite 33 f.).
372 
Diese Maßstäbe sind auch bei der Prüfung des geltend gemachten Anspruchs auf Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbots anzuwenden, soweit es um Tatsachenfeststellungen geht, die sich unmittelbar auf das Herkunftsland des Betroffenen beziehen. Denn insoweit sind die Interessenlage und der mögliche Beweisnotstand sehr ähnlich zu der Situation, in der sich ein Kläger befindet, der internationalen Schutz begehrt.
373 
(2) Ein großer Teil der Angaben des Klägers zu seiner Herkunft, Familie und Bildung erweisen sich nicht als kohärent im Sinne des Art. 4 Abs. 5 Buchstabe c) RL 2011/95/EU. Die Angaben in der Anhörung durch das Bundesamt, durch das Verwaltungsgericht und nunmehr durch den erkennenden Senat weisen erhebliche Widersprüche auf, die der Kläger nicht hat erläutern können und die teilweise auch nur dahingehend erklärbar sind, dass die Angaben nicht der Wahrheit entsprechen. Der Senat konnte nicht feststellen, ob eine der verschiedenen Varianten in den Schilderungen der Wahrheit entspricht.
374 
(a) Gegenüber dem Bundesamt behauptete der Kläger ausweislich der Niederschrift über die Anhörung vom 11. Oktober 2016, er sei Analphabet und weder in Afghanistan noch im Iran zur Schule gegangen. Hingegen gab er beim Verwaltungsgericht und gegenüber dem Senat an, sechs Jahre in Afghanistan zur Schule gegangen zu sein. Seine Einlassung, dass er die Angaben beim Bundesamt nicht so wie protokolliert gemacht habe, überzeugen den Senat jedenfalls deswegen nicht, weil der Kläger einmal ausweislich S. 46 der Bundesamtsakten bestätigt hat, dass ihm das Protokoll rückübersetzt worden sei und es den gemachten Angaben und zum anderen auch bei weiteren Unstimmigkeiten (dazu unten) allein auf eine unzutreffende Protokollierung verwiesen hat oder gar keine Erklärung für das inkohärente Aussageverhalten liefern konnte.
375 
(b) Hinsichtlich seiner Tätigkeiten im Iran nach der Handgelenksverletzung hatte er beim Bundesamt angegeben, bei einem anderen Arbeitgeber als Bauwächter gearbeitet zu haben. Beim Verwaltungsgericht ließ er sich dahin ein, als Reinigungskraft tätig gewesen zu sein. Er habe sauber gemacht. Gegenüber dem Senat hat er zunächst ebenfalls angegeben, Reinigungskraft gewesen zu sein um auf den Vorhalt seiner Angaben gegenüber dem Bundesamt zu behaupten, dass er beide Tätigkeiten verfolgt habe. Reinigungstätigkeiten und Security seien für ihn das Gleiche. Sowohl die Abweichungen als auch der Erklärungsversuch, der sich dem Senat als Schutzbehauptung darstellt, zeigen auf, dass sich der Kläger hier nicht bemüht hat, hinsichtlich seines persönlichen Schicksals im Iran die Wahrheit zu berichten. Denn die unterschiedlichen Angaben lassen sich unter keinen Umständen miteinander vereinbaren.
376 
(c) Während der Kläger sowohl beim Bundesamt als auch beim Verwaltungsgericht angegeben hatte, seine beiden Eltern seien jeweils Einzelkinder, hat er vor dem Senat erklärt, er habe einen Onkel in Pakistan. Auf den Vorhalt seiner Einlassung vor dem Bundesamt behauptete er, dort sei er nur gefragt worden, ob er Eltern habe. Dies stimmt zum einen nicht mit dem Protokollinhalt überein (siehe auch oben unter (a)) und vermag erst recht nicht die Einlassung gegenüber dem Verwaltungsgericht zu erklären. Der Senat kann sich daher über die Familienverhältnisse des Klägers keine Überzeugung bilden. Die Aussage gegenüber dem Verwaltungsgericht, es könne sein, dass er Verwandte gehabt habe, diese seien aber alle bereits verstorben, passt in das Bild des Einlassungsverhaltens des Klägers, der offenkundig darum bemüht ist, keine wahrheitsgemäßen Angaben zur Familiensituation zu machen.
377 
(d) Weiter sind die Angaben zur Motivation, Afghanistan zu verlassen und in den Iran überzusiedeln, in einer Weise widersprüchlich, dass sie keine Rückschlüsse auf die tatsächlichen Beweggründe zulassen. Gegenüber dem Bundesamt gab der Kläger an, nach dem Tod seiner Mutter in den Iran gegangen zu sein, um sich zu ernähren, da er in Afghanistan niemanden mehr gehabt und praktisch kein Zuhause mehr gehabt habe. Beim Verwaltungsgericht ließ er sich dahin ein, dass er sich nach dem Tod der Mutter auf den Weg nach Kabul gemacht habe, um sich als Soldat zu melden. Dort habe er auch seine Unterlagen abgegeben. Auf dem Weg sei er von Taliban kontrolliert und geschubst worden. In der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat war hingegen davon keine Rede mehr. Hier hat er sich dahingehend eingelassen, dass er nicht in Afghanistan bei den Nachbarn habe bleiben wollen. Andere substanzielle Angaben machte er auch auf Nachfragen nicht.
378 
(e) Diese vielen Unstimmigkeiten in wesentlichen Bereichen der Angaben und die aufgezeigten Unvereinbarkeiten der verschiedenen Aussagen mit- und untereinander führen dazu, dass sich der Senat zur Familiensituation des Klägers keine Überzeugung bilden kann. Da die Angaben hier - wie ausgeführt -in sich widersprüchlich sind, ohne dass dies erklärlich wäre, der Kläger aber andererseits auch keinen Nachweis über seine Identität führen kann oder will, kann der Senat nicht davon ausgehen, dass der Kläger in Kabul auf sich alleine gestellt wäre. Denn es ergibt zur Überzeugung des Senats nur dann Sinn, seine familiären Verhältnisse und damit einen Teil seiner Identität nicht Preis zu geben, wenn diese für ihn im Falle der Rückkehr günstig und damit für den geltend gemachten Anspruch ungünstig sind. Aufgrund der vielen Unstimmigkeiten im Vortrag lässt sich für den Kläger auch keine generelle Glaubwürdigkeit feststellen, so dass der Senat auch keine hinreichende Überzeugung davon gewinnen konnte, ob der Kläger tatsächlich vier oder fünf Jahre vor seiner Ausreise im Iran gelebt hat oder nicht. Daher lässt sich für den Senat auch die finanzielle Leistungsfähigkeit des Klägers nicht feststellen, was zur Folge hat, dass der Senat nicht davon ausgehen kann, dass der Kläger zur Begleichung der Lebenshaltungskosten in Kabul zwingend und unmittelbar nach Verbrauch etwaiger Rückkehr- und Starthilfen auf eine sofortige Erwerbstätigkeit angewiesen wäre.
379 
bb) Doch auch dann, wenn man zugunsten des Klägers unterstellt, er wäre allein stehend, hätte keine familiären Beziehungen in Kabul und habe mehrere Jahre im Iran gelebt und gearbeitet, führte dies nicht auf ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG.
380 
Der Senat geht in seiner Rechtsprechung (vgl. Urteil vom 09.11.2017 - A 11 S 789/17) davon aus, dass im Falle leistungsfähiger, erwachsener Männer ohne Unterhaltsverpflichtungen und ohne familiäres oder soziales Netzwerk bei der Rückkehr aus dem westlichen Ausland in Kabul die hohen Anforderungen des Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG, Art. 3 EMRK nicht erfüllt sind.
381 
(1) Zwar ist die Lage in Kabul - wie im gesamten Land - prekär. Wie sich aus den vorstehenden Darstellungen ersehen lässt, sind sowohl die wirtschaftlichen Voraussetzungen als auch die humanitären Umstände schlecht. Dasselbe gilt für die in den letzten Jahren stetig schlechter gewordene Sicherheitslage. Dennoch kann nicht gleichsam für sämtliche Rückkehrer aus dem westlichen Ausland, denen es in Kabul oder in Afghanistan insgesamt an (familiären oder sonstigen) Beziehungen oder an Unterstützungsnetzwerken fehlt, angenommen werden, die schlechten Bedingungen im Land könnten generell und bei allen diesen Rückkehrern ganz außerordentliche individuelle Umstände darstellen und die hohen Anforderungen zur Bejahung des Art. 3 EMRK trotz fehlenden Akteurs erfüllen.
382 
Afghanistan und insbesondere Kabul sind gerade auch in jüngster Zeit mit der Rückkehr einer Vielzahl von Menschen aus dem benachbarten und westlichen Ausland konfrontiert. Dabei stellt sich deren Lage, obwohl die Situation für Rückkehrer schwierig ist, nicht für alle gleichermaßen problematisch dar. Berichte dahin, dass Rückkehrer generell oder aber jedenfalls in sehr großer Zahl und unabhängig von ihrer persönlichen Disposition ihr Existenzminimum nicht sichern könnten, gibt es nicht. Vielmehr sind bestimmte, vulnerable Gruppen wie etwa Familien mit jüngeren Kindern, alleinstehende Frauen, Kranke oder ältere Menschen in besonderem Maße gefährdet, ohne dass aber insgesamt festzustellen wäre, dass die Existenzsicherung oder gar das Überleben für sämtliche Rückkehrer nicht gewährleistet wäre.
383 
Insbesondere trifft dies auch nicht für Rückkehrer aus dem westlichen Ausland, aus Europa oder gar aus Deutschland zu, zumal beispielsweise mit Unterstützung der IOM seit dem Jahr 2003 insgesamt 15.041 Personen aus verschiedenen Ländern Europas (darunter das Vereinigte Königreich, Norwegen, die Niederlande, Deutschland, Schweden, Dänemark, Frankreich, Belgien und Österreich) freiwillig nach Afghanistan zurückgekehrt sind. Allein im Jahr 2016 unterstützte die IOM 6.864 Personen bei ihrer freiwilligen Rückkehr nach Afghanistan, davon über 3.000 aus Deutschland. Die meisten Rückkehrer (78 % oder 5.382) waren dabei junge Männer, von denen wiederum ein erheblicher Anteil zwischen 19 und 26 Jahren alt war (2.781) oder sogar Jugendliche mit bis zu 18 Jahren (2.101). Die Zahl der zurückgekehrten Familien wird mit 733 angegeben.
384 
Asylos - research for asylum, Afghanistan: Situation of young male „Westernised“ returnees to Kabul, August 2017, S. 16; Afghanistan Analysts Network - voluntary and forced returns to Afghanistan in 2016/17: trends, statistics and experiences, 19.05.2017, S. 2; UN General Assembly Security Council, The situation in Afghanistan and its implications for international peace and security - report of the Secretary-General, 03.03.2017, S. 10.
385 
Neben diesen zahlreichen freiwilligen Rückkehrern gab und gibt es Abschiebungen aus Europa. So wurden im Zeitraum zwischen Oktober 2016 und April 2017 insgesamt 176 Personen aus Europa nach Afghanistan abgeschoben, darunter 106 aus Deutschland, von denen wiederum auch einige keine Verwandten in Kabul oder in Afghanistan insgesamt hatten (etwa, weil sie zuvor lange Jahre im Iran gelebt hatten).
386 
Afghanistan Analysts Network - voluntary and forced returns to Afghanistan in 2016/17: trends, statistics and experiences, 19.05.2017, S. 3 ff.
387 
Obwohl diese Rückkehrer sich - wie dargestellt - in Afghanistan vielen Belastungen gegenübersehen und die Situation im Land äußerst schwierig ist, sind den umfangreichen Erkenntnismitteln zur Lage in Afghanistan keine Informationen zu entnehmen, aus denen geschlossen werden könnte, allein der Umstand einer Rückkehr aus dem westlichen Ausland bei fehlenden Netzwerken vor Ort stehe einer Existenzsicherung in Afghanistan bzw. in Kabul (auch nur auf niedriger Stufe) entgegen. Zwar gibt es vereinzelte Rückkehrerberichte, die die oben geschilderte Bandbreite von Problemen betreffen. Erfahrungsberichte oder Schilderungen dahin, dass gerade auch leistungsfähige erwachsene männliche Rückkehrer ohne Unterhaltsverpflichtungen gegenüber Kindern sowie kinderlose Ehepaare in großer Zahl oder sogar typischerweise von Obdachlosigkeit, Hunger, Krankheit betroffen oder infolge solcher Umstände gar verstorben wären, liegen hingegen nicht vor. Zwar lassen sich für den Senat Nachteile bei Unterkunfts- und Arbeitssuche durchaus nicht ausschließen, eine tatsächliche Gefahr, dass sie eintreten werden, besteht indes nicht. Eine beachtliche Wahrscheinlichkeit, dass sich diese Situation auch im Falle des Klägers realisieren würde - dass also auch der Kläger entsprechend erkannt würde, dass er infolge dessen tatsächlich keinen Zugang zu einer auch nur einfachen Unterkunft haben würde oder vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen wäre -, vermag der Senat daher nicht festzustellen.
388 
(2) Insbesondere lässt sich aus dem Fehlen eines bereits bestehenden familiären oder sozialen Netzwerks in Kabul nicht die beachtliche Wahrscheinlichkeit eines Verstoßes gegen Art. 3 EMRK herleiten. Ein solches traditionelles Unterstützungsnetzwerk, das durch (unterstützungsfähige und - willige) Mitglieder der (erweiterten) Familie oder ihrer größeren ethnischen Gruppe gebildet wird, ist auch nach Auffassung von UNHCR im Falle von alleinstehenden, leistungsfähigen Männern ohne besonderen Schutzbedarf trotz der schlechten Lebensbedingungen in Afghanistan nicht geboten, um zu verhindern, dass im Falle der Rückkehr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit ein kontinuierlicher Prozess in Gang gesetzt wird, in dem sie verelenden und bleibende schwere physische und seelische Schäden davontragen. Denn von diesen kann erwartet werden, ohne Unterstützung von Familie und Gemeinschaft in urbanen und semi-urbanen Umgebungen zu leben, die die notwendige Infrastruktur sowie Erwerbsmöglichkeiten zur Sicherung der Grundversorgung bieten und unter tatsächlicher staatlicher Kontrolle stehen, wobei allerdings dennoch immer eine einzelfallbezogene Analyse vorzunehmen ist.
389 
UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender, 19.04.2016, S. 10 und S. 99, wobei in der nachfolgenden Stellungnahme des UNHCR vom Dezember 2016 (Anmerkungen zur Situation in Afghanistan auf Anfrage des deutschen Bundesministerium des Inneren - Dezember 2016) insofern keine Änderungen der Bewertung vorgenommen wurden (vgl. dort zur Aufrechterhaltung der Erwägungen der Richtlinien vom 19.04.2016: S. 7 f.).
390 
Von nicht unerheblicher Bedeutung kann allerdings sein, ob die Betroffenen eine der beiden in Afghanistan gesprochenen Sprachen (Paschtu und Dari) beherrschen und sich somit hinreichend verständigen können.
391 
Zu diesem Kriterium vgl. BayVGH, Urteil vom 16.01.2014 - 13a B 13.30025 -, Leitsatz sowie juris Rn. 25 (Sicherung des Existenzminimums für einen afghanischen Rückkehrer ohne Kenntnisse einer der Landessprachen verneint, wenn kein Vermögen vorhanden und keine familiäre Unterstützung zu erlangen ist).
392 
Dies ist bei dem Kläger der Fall. Weiter ist zu beachten, dass der den Erkenntnismitteln zu entnehmende Zusammenhalt unter den Volkszugehörigen der Hazara dem Kläger bei einer Rückkehr nach Kabul zugutekommen kann, da für Hazara beim Zuzug in eine neue Stadt die Möglichkeit besteht, auf ein Netzwerk um die örtliche Moschee oder eine religiöse bzw. eine Wohlfahrtseinrichtung zurückzugreifen.
393 
EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City (August 2017), S. 68.
394 
Bereits aus dieser Möglichkeit ergibt sich, dass die Volkszugehörigkeit des Klägers seiner Existenzsicherung nicht entgegensteht. Aus den obigen Ausführungen unter I. 2. b) folgt weiter, dass die mögliche Alltagsdiskriminierung der Hazara sich nicht mit der hier zu prüfenden beachtlichen Wahrscheinlichkeit existenzbedrohend für den Kläger auswirkt. Insbesondere gibt es trotz der großen Zahl der Hazara in Kabul keine Berichte darüber, dass Hazara typischerweise keine Arbeit und/oder keine Unterkunft erhalten würden.
395 
(3) Das Erwirtschaften eines - wenn auch womöglich sehr geringen - Einkommens wird dem Kläger trotz des angespannten Arbeitsmarkts wenigstens als Tagelöhner möglich sein. Insbesondere vermag der Senat aus dem diagnostizierten „Zustand nach einer Extensionsfraktur des distalen Radius rechts“ nicht den Schluss zu ziehen, dass der Kläger in erheblicher Weise bei der Arbeitsplatzsuche eingeschränkt wäre. Denn die von ihm beauftragte Fachärztin für Chirurgie kommt in ihrer Bescheinigung vom 8. November 2011 zu dem Ergebnis, dass kein schwer einschränkender Dauerschaden vorläge sondern nur leichte Belastungsschmerzen zu verzeichnen seien. Ausgehend von diesen fachärztlichen Aussagen lässt sich eine mögliche, erhebliche Einschränkung bei der Arbeitsplatzsuche – etwa weil bereits eine Vielzahl von Angeboten aus körperlichen Gründen abgelehnt werden müssten – nicht feststellen.
396 
Unterstellt man die Angaben des Klägers zu seiner Beschäftigung und seinen Lebensumständen im Iran, so hat er dort im Übrigen bewiesen, dass er auf sich allein gestellt auch unmittelbar nach dem Handgelenksbruch flexibel genug reagieren konnte und Tätigkeiten im Reinigungs- und Bewachungsgewerbe finden konnte. Dies lässt jedenfalls nicht den Schluss zu, dass er zu einer erfolgreichen Arbeitsplatzsuche nicht in der Lage wäre.
397 
(4) Zwar sind die Lebenshaltungskosten für den Kläger in Kabul hoch. Ausgehend von vorstehenden Ausführungen (ohne Unterbringungskosten) sind sie mit mindestens 100 EUR pro Monat zu bemessen, die Mietkosten werden mit mindestens 88 US$ bzw. 4.000 Afghani bzw. 75 EUR pro Monat angegeben
398 
S.o., insbesondere zu den monatlichen Lebenshaltungskosten von mindestens 100 EUR: BAMF/ZIRF/IOM, ZIRF-Anfrage Wohnraumsituation I: Lebenshaltungskosten in Kabul für alleinstehenden Mann, 09.05.2017 sowie zum Preis von ab 4.000 Afghani für ein Einzelzimmer: Schuster, Risks on return to Kabul, 12.08.2016, S. 16/Rn. 42.
399 
Der Kläger hat die Möglichkeit, zunächst im Jangalak-Zentrum zu wohnen, sich von dort um Arbeit und Unterkunft - beides ggf. auf niedrigem Niveau - zu bemühen und - sollte es nicht anders gehen - vorübergehend in einer der informellen Siedlungen unterzukommen. Dass die fraglos beklagenswerten Zustände in solchen Siedlungen insgesamt flächendeckend derart desolat sind, dass sie gleichsam für jeden Bewohner und damit auch für die kinderlosen Kläger mit den hohen Anforderungen des Art. 3 EMRK nicht zu vereinbaren wären, vermag der Senat nicht festzustellen.
400 
(5) Der Senat geht dabei allerdings davon aus, dass die dargestellten Rückkehrerhilfen für die Frage der Existenzsicherung der Kläger keine nachhaltige Bedeutung haben können, da sie bestenfalls eine anfängliche Unterstützung bzw. einen nur vorübergehenden Ausgleich schaffen können. Die 500,- EUR, die die Kläger bei einer Entscheidung zur freiwilligen Rückkehr über das REAG/GARP-Programm erhalten würden, vermögen ihnen nur eine überschaubare Erleichterung zu bieten. Auch die Leistungen des ERIN-Programms stellt der Senat nicht in die Beurteilung ein. So besteht kein Rechtsanspruch auf diese Leistungen, weswegen unklar ist, ob der Kläger überhaupt Leistungen erhalten würd. Im Übrigen ist auch nicht im Voraus bestimmbar, welche Leistungen im Falle einer Leistungsgewährung vor Ort in Betracht gezogen werden könnten.
401 
Vgl. dazu VGH Bad.-Württ., Urteil vom 03.11.2017 - A 11 S 1704/17 -.
402 
Gleiches gilt für die Geldleistungen des im Dezember 2017 neu aufgelegten StarthilfePlus-Programms, auf die ein Rechtsanspruch nicht besteht. Auch welche Sachleistungen im Rahmen des bis 28. Februar 2018 befristeten Reintegrations-Programms der StarthilfePlus womöglich gewährt werden könnten, ist angesichts des erst vor Ort auszuarbeitenden Reintegrationsplans völlig offen.
403 
(6) Schließlich ist auch im Hinblick auf die durchaus schwierige Sicherheitslage in Kabul ein Verstoß im Sinne von § 60 Abs. 5 AufenthG, Art. 3 EMRK nicht festzustellen. So entspricht die Gefahrendichte in der Provinz Kabul insbesondere nicht der, wie sie im Rahmen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts zur Gewährung subsidiären Schutzes (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG) erforderlich wäre, was oben bereits erläutert worden ist.
404 
Zur Heranziehung dieses Kriteriums im Rahmen des Art. 3 EMRK bzw. des § 60 Abs. 5 AufenthG vgl. etwa VGH Bad.-Württ., Urteile vom 09.11.2017 - A 11 S 789/17 -, juris; vom 26.02.2014 - A 11 S 2519/19 -, vom 14.08.2013 - A 11 S 688/13 - und vom 24.07.2013 - A 11 S 727/13 -.
405 
2. Auch auf der Grundlage von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ist ein nationales Abschiebungsverbot nicht gegeben.
406 
a) Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht.
407 
Dies kann aus individuellen Gründen - etwa wegen drohender An- oder Übergriffe Dritter oder auf Grund von Krankheit - der Fall sein (a)), kommt aber ausnahmsweise auch infolge einer allgemein unsicheren oder wirtschaftlich schlechten Lage im Zielstaat in Betracht (b)).
408 
aa) Vom Tatbestand des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG werden existentielle Gefahren wie Tötung, Folter, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung umfasst
409 
- Koch, in: BeckOK Ausländerrecht, Stand 15.08.2016, § 60 Rn. 40; Möller/Stiegeler, in: Hofmann u.a., Ausländerrecht, 2. Aufl. 2016, § 60 Rn. 33 -,
410 
sowie insbesondere auch solche auf Grund von Krankheit.
411 
Vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 12.07.2015 - 1 B 84.16 - Rn. 4 m.w.N. sowie insgesamt auch BVerwG, Urteile vom 17.10.2006 - 1 C 18.05 - NVwZ 2007, 712, juris Rn. 14 ff.; vom 29.10.2002 - 1 C 1.02 - NVwZ 2003, Beilage Nr. I 7, 53 juris Rn. 9; vom 29.07.1999 - 9 C 2.99 -, juris Rn. 7 und vom 25.11.1997 - 9 C 58.96 -, NVwZ 1998, 524.
412 
Dabei reicht es entsprechend dem Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit nicht aus, wenn eine Verfolgung oder sonstige Rechtsgutverletzung im Bereich des Möglichen liegt. Vielmehr muss sie bei zusammenfassender Bewertung des Sachverhalts und verständiger Würdigung aller objektiven Umstände dahingehend vorliegen, dass bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen eine ernsthafte Furcht vor der Rechtsgutverletzung gerechtfertigt ist, die für eine Rechtsgutverletzung sprechenden Umstände also größeres Gewicht haben als die dagegen sprechenden Tatsachen, wobei auch die Zumutbarkeit eines mit der Rückkehr verbundenen Risikos und der Rang des gefährdeten Rechtsguts von Bedeutung sind.
413 
Vgl. zusammenfassend HTK-AuslR/§ 60 AufenthG/zu Abs. 7 Satz 1 bis 4/ Rn. 8 und Möller/Stiegeler, in: Hofmann u.a., Ausländerrecht, 2. Aufl. 2016, § 60 Rn. 32, beide m.w.N., sowie zum Maßstab bei individuellen Gründen u.a. auch BVerwG, Beschluss vom 18.07.2001 - 1 B 71.01 -, juris sowie Urteile vom 17.10.2006 – 1 C 18.05 -, NVwZ 2007, 712, juris Rn. 20 und vom 17.10.1995 – 9 C 9.95 -, NVwZ 1996, 1999, juris Rn. 16.
414 
bb) Neben den genannten individuellen Gefahren für Leib und Leben können unter bestimmten Voraussetzungen ausnahmsweise auch die generell herrschenden Lebensbedingungen im Zielstaat ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG begründen.
415 
Zwar sind allgemeine Gefahren - also auch die die Bevölkerung insgesamt treffenden (schlechten) Lebensbedingungen in einem Land - gemäß § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG bei Anordnungen zur vorübergehenden Aussetzung von Abschiebungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen und begründen demnach grundsätzlich kein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Eine Ausnahme liegt aber bei einer extremen Gefahrenlage vor, welche sich wiederum auch aus den den Ausländer erwartenden Lebensbedingungen ergeben kann. So können die im Zielstaat herrschenden wirtschaftlichen Existenzbedingungen und die damit zusammenhängende Versorgungslage einen Abschiebungsschutz in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ausnahmsweise begründen, wenn bei einer Rückkehr aufgrund dieser Bedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit eine extreme Gefahrenlage vorläge. Denn dann gebieten es die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, trotz einer fehlenden politischen Leitentscheidung nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu gewähren. Ob dies der Fall ist, hängt wesentlich von den Umständen des Einzelfalles ab und entzieht sich einer rein quantitativen oder statistischen Betrachtung. Die drohenden Gefahren müssen jedoch nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht sein, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung für den Ausländer die begründete Furcht ableiten lässt, selbst in erheblicher Weise ein Opfer der extremen allgemeinen Gefahrenlage zu werden.
416 
Bezüglich der Wahrscheinlichkeit des Eintritts der drohenden Gefahren ist von einem im Vergleich zum Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit strengeren Maßstab auszugehen. Diese Gefahren müssen dem Ausländer daher mit hoher Wahrscheinlichkeit drohen. Dieser Wahrscheinlichkeitsgrad markiert die Grenze, ab der seine Abschiebung in den Heimatstaat verfassungsrechtlich unzumutbar erscheint. Dieser hohe Wahrscheinlichkeitsgrad ist ohne Unterschied in der Sache in der Formulierung mit umschrieben, dass die Abschiebung dann ausgesetzt werden müsse, wenn der Ausländer ansonsten gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde. Schließlich müssen sich diese Gefahren alsbald nach der Rückkehr realisieren. Das bedeutet nicht, dass im Falle der Abschiebung der Tod oder schwerste Verletzungen sofort, gewissermaßen noch am Tag der Abschiebung, eintreten müssen. Vielmehr besteht eine extreme Gefahrenlage beispielsweise auch dann, wenn der Ausländer mangels jeglicher Lebensgrundlage dem baldigen sicheren Hungertod ausgeliefert werden würde.
417 
Dazu u.a. BVerwG, Urteile 13.06.2013 – 10 C 13.12 -, NVwZ 2013, 1489 Rn. 12 f.; vom 31.01.2013 – 10 C 15.12 -, Rn. 38.; vom 29.09.2011 – 10 C 24.10 -, NVwZ 2012, 451 Rn. 20; vom 08.09.2011 - 10 C 14.10 -, NVwZ 2012, 240 Rn. 22 f. und vom 29.06.2010 - 10 C 10.09 -, juris Rn. 14 f.; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 31.01.2013 – 10 C 15.12 -, Rn. 28 zu den unterschiedlichen rechtlichen Maßstäben von § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG60 Abs. 2 AufenthG a.F.) sowie auch Art. 3 EMRK einerseits und § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG andererseits.
418 
Von diesem Maßstab ausgehend gewährt § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG unter dem Gesichtspunkt der extremen Gefahrenlage keinen weitergehenden Schutz, als es § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK tut. Liegen also die Voraussetzungen eines nationalen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK wegen schlechter humanitärer Bedingungen nicht vor, so scheidet auch eine im Rahmen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG relevante, extreme Gefahrenlage aus.
419 
b) Danach hat der Kläger keinen Anspruch auf die Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG.
420 
aa) Zum einen besteht keine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit des Klägers aus individuellen Gründen. Insbesondere führen die vorhandenen leichten Belastungsschmerzen am Handgelenk nicht auf eine solche Gefahr.
421 
bb) Zum anderen lässt sich auch aus den dargestellten, schlechten Lebensverhältnissen in Afghanistan ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht begründen. Denn die beschriebenen hohen Anforderungen, aus denen wegen einer extremen Gefahrenlage ausnahmsweise ein solches Abschiebungsverbot hergeleitet werden könnte, liegen nicht vor. So vermögen die - fraglos schlechten - Lebensverhältnisse vorliegend schon keinen Verstoß gegen Art. 3 EMRK zu begründen (s.o.). Dass gerade der Kläger als leistungsfähiger, erwachsener Mann ohne Unterhaltsverpflichtungen im Falle einer Rückkehr alsbald sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert sein würde, kann der Senat danach nicht festzustellen. So liegen etwa Anhaltspunkte dahin, dass der Kläger mangels jeglicher Lebensgrundlage dem baldigen sicheren Hungertod preisgegeben wäre, nicht vor.
III.
422 
Die Berufung ist daher insgesamt mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2, zurückzuweisen. Die Gerichtskostenfreiheit folgt aus § 83b AsylG.
423 
Gründe im Sinne des § 132 Abs. 2 VwGO, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.

Gründe

 
15 
Die zulässige Berufung bleibt ohne Erfolg.
16 
Dem Kläger kommt weder der geltend gemachte Anspruch auf die Zuerkennung subsidiären Schutzes noch der hilfsweise geltend gemachte Anspruch auf Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbots zu. Die ablehnende Entscheidung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge erweist sich daher als rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in eigenen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
I.
17 
Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Zuerkennung subsidiären Schutzes, da er keine stichhaltigen Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsstaat ein ernsthafter Schaden droht, § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG. Dies gilt für alle drei Varianten des ernsthaften Schadens im Sinne des § 4 AsylG, die in § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 bis Nr. 3 AsylG aufgeführt sind.
18 
1. Dem Kläger droht weder die Verhängung noch die Vollstreckung der Todesstrafe (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylG).
19 
2. Ebenso wenig droht ihm Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG. Der Kläger bringt nicht mit Erfolg vor, individuell unmittelbar von dem Eintritt eines ernsthaften Schadens bedroht zu sein. Soweit er sich auf die Gefährdungen beruft, die sich aus den allgemeinen Lebensbedingungen in Afghanistan ergeben, fehlt es insoweit bereits an einem Verfolgungsakteurs im Sinne des § 3c AsylG und des Art. 6 RL 2011/95/EU vom 13.12.2011, ABl EU L 337/95. Im Übrigen besteht für den Kläger derzeit keine tatsächliche Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK für den Fall seiner Rückkehr nach Afghanistan (dazu unten unter II.).
20 
a) Der Begriff der unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG ist im Gesetz nicht näher definiert. Da die Vorschrift der Umsetzung der RL 2011/95/EU dient, ist sie in Übereinstimmung mit dem entsprechenden Begriff in Art. 15b RL 2011/95/EU auszulegen. Unter Heranziehung der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zu Art. 15b RL 2011/95/EU und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Art. 3 EMRK ist unter einer unmenschlichen Behandlung die absichtliche, d.h. vorsätzliche Zufügung schwerer körperlicher oder seelischer Leiden, die im Hinblick auf Intensität und Dauer eine hinreichende Schwere aufweisen, zu verstehen.
21 
EGMR, Urteile vom 21.01.2011 - 30696/09 - (M.S.S./Belgien und Griechenland), NVwZ 2011, 413 Rn. 220 m.w.N. sowie vom 11.07.2006 - 54810/00 - (Jalloh/ Deutschland), NJW 2006, 3117 Rn. 67; BVerwG, Urteil vom 31.01.2013 - 10 C 15.12 -, NVwZ 2013, 1167 Rn. 22 ff. m.w.N.; siehe auch Hailbronner, Ausländerrecht, Mai 2017, § 4 AsylG Rn. 22 ff. und Jarass, Charta der Grundrechte, 3. Aufl. 2016, Art. 4 Rn. 9.
22 
Es muss zumindest eine erniedrigende Behandlung in der Form einer einen bestimmten Schweregrad erreichenden Demütigung oder Herabsetzung vorliegen. Diese ist dann gegeben, wenn bei dem Opfer Gefühle von Furcht, Todesangst und Minderwertigkeit verursacht werden, die geeignet sind, diese Person zu erniedrigen oder zu entwürdigen und möglicherweise ihren psychischen oder moralischen Widerstand zu brechen.
23 
Vgl. auch dazu im Einzelnen ausführlich Hailbronner, Ausländerrecht, Mai 2017, § 4 AsylG Rn. 22 ff., insbesondere Rn. 24, 25.
24 
Im Rahmen des subsidiären Schutzes gilt für die Beurteilung der Frage, ob ein ernsthafter Schaden droht, der einheitliche Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit. Dieser aus dem Tatbestandsmerkmal „... tatsächlich Gefahr liefe ..." des Art. 2f RL 2011/95/EU abzuleitende Maßstab orientiert sich an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, der bei der Prüfung des Art. 3 EMRK auf die tatsächliche Gefahr abstellt („real risk“).
25 
BVerwG, Urteil vom 17.11.2011 - 10 C 13.10 -, NVwZ 2012, 454 Rn. 20; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 20.03.2013 - 10 C 23.12 -, NVwZ 2013, 936 Rn. 32.
26 
Der Wahrscheinlichkeitsmaßstab, der der Prognose zugrunde zu legen ist, gilt unabhängig davon, ob der Betroffene bereits vor seiner Ausreise einen ernsthaften Schaden im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG erlitten hat: Ein solcher Umstand stellte aber einen ernsthafter Hinweis dar, dass er tatsächlich Gefahr läuft, ernsthaften Schaden zu erleiden. Dies folgt aus der Vermutungswirkung des Art. 4 Abs. 4 RL 2011/95/EU.
27 
b) Ausgehend von diesen Maßstäben besteht keine tatsächliche Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Hinblick auf das individuelle Vorbringen des Klägers im Falle seiner Rückkehr. Insbesondere folgt eine solche Gefahr nicht aus seiner Zugehörigkeit zum Volk der Hazara.
28 
aa) Die Volksgruppe der Hazara stellt im Vielvölkerstaat Afghanistan - nach den Paschtunen (40 %) und den Tadschiken (25 %) - mit einem Anteil von etwa 10 % der Bevölkerung eine große Minderheit dar.
29 
Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 19.10.2016 - Stand September 2016 -, S. 9; Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan, Republik Österreich Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vom 02.03.2017, aktualisiert am 27.06.2017, S. 55, 72, 94 und 96).
30 
Nach Schätzungen des Auswärtigen Amtes leben etwa drei Millionen Hazara in Afghanistan.
31 
Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 19.10.2016 - Stand September 2016 -, S. 9.
32 
Teilweise wird abweichend hiervon eine Zahl von 2,7 bis 6 Millionen bzw. ein Anteil von 9 bis 20 % der Bevölkerung angegeben.
33 
Landinfo/Norwegian Country of Origin Information Centre: Report: Hazaras and Afghan insurgent groups, 03.10.2016, S. 6 m.w.N.).
34 
Hinsichtlich der maßgeblichen Vergleichsgröße wird in diesem Zusammenhang die Einwohnerzahl für das gesamte Land zwischen etwa 27 bis 34 Millionen angegeben (siehe unten S. 27).
35 
Bei den Hazara handelt es sich um ein Volk mongolischer Abstammung. Auf Grund dieser Herkunft sind sie optisch wegen ihrer tendenziell eher zentralasiatischen Gesichtszüge meist als ihrer Volksgruppe zugehörig zu erkennen.
36 
ÖRK/Accord, Afghanistan, Dokumentation des Expertengespräches mit Thomas Ruttig und Michael Daxner, 04.05.2016, S. 7; Stahlmann, ZAR 2017, 189 (190 f.); Landinfo/Norwegian Country of Origin Information Centre: Report: Hazaras and Afghan insurgent groups, 03.10.2016, S. 6.
37 
Sie sprechen vorwiegend einen Dialekt des Persischen namens Hazaragi, der mongolische und turksprachige Wörter enthält. Die Hazara waren einst die größte ethnische Gruppe Afghanistans. Mehr als die Hälfte der Hazara-Bevölkerung war allerdings bereits im Jahr 1893 getötet worden, als die Hazara nach einem politischen Aufstand ihre Autonomie eingebüßt hatten. Die meisten Hazara leben auch heute noch im sogenannten Hazarajat (auch: Hazarestan) im zentralen Bergland Afghanistans, dem „Land der Hazara“. Dessen ca. 50.000 Quadratkilometer großes Gebiet ist in seiner exakten Abgrenzung zwar umstritten, es umfasst jedenfalls den Bereich der Provinz Bamiyan sowie Teile benachbarter Provinzen. Andere Hazara leben in den Bergen von Badachschan (eine Provinz im äußersten Nordosten Afghanistans), aber auch in weiteren Teilen Afghanistans, etwa in Daikundi und Ghazni.
38 
Landinfo/Norwegian Country of Origin Information Centre: Report: Hazaras and Afghan insurgent groups, 03.10.2016, S. 6; vgl. auch zu weiteren Distrikten Accord, Anfragebeantwortung zu Afghanistan: Lage der Hazara, Zugang zu staatlichem Schutz und Hintergründe des Konflikts zwischen Kuchis und Hazara, 02.09.2016, S. 17; vgl. auch das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan, Republik Österreich Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vom 02.03.2017, aktualisiert am 27.06.2017, S. 152, dort werden als Kernland der Region des Hazarat die Provinzen Bamiyan, Ghazni, Daikundi, der Westen der Provinz Wardak und Teile der Provinzen Ghor, Uruzgan, Parwan, Samangan, Baghlan, Balkh, Badghis und Sar-e Pol genannt.
39 
Der ganz überwiegende Teil der Hazara ist schiitischen Glaubens und stellt somit auch in religiöser Hinsicht - im Vergleich zu den mehrheitlich sunnitischen Muslimen des Landes - eine Minderheit dar.
40 
Vgl. insgesamt ausführlich: Accord, Anfragebeantwortung zu Afghanistan: Aktuelle Situation der Volksgruppe der Hazara, 27.06.2016, S. 2 und 4 m.w.N. sowie auch ÖRK/Accord, Afghanistan, Dokumentation des Expertengespräches mit Thomas Ruttig und Michael Daxner, 04.05.2016, S. 7 und UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender, 19.04.2016, S. 59.
41 
bb) Für eine staatliche Verfolgung oder Diskriminierung der Hazara gibt es keine Anhaltspunkte.
42 
In der afghanischen Verfassung ist der Gleichheitsgrundsatz verankert. Sie schützt sämtliche ethnischen Minderheiten. Auch ist eine systematische, etwa auch nach dem Merkmal der Volkszugehörigkeit diskriminierende Strafverfolgungs- oder Strafzumessungspraxis für Afghanistan nicht erkennbar.
43 
Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 19.10.2016 - Stand September 2016 -, S. 9 und S. 11; Landinfo/Norwegian Country of Origin Information Centre: Report: Hazaras and Afghan insurgent groups, 03.10.2016, S. 12 m.w.N.; Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan, Republik Österreich Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vom 02.03.2017, aktualisiert am 27.06.2017, S. 150; anschaulich auch Staatssekretariat für Migration SEM der Schweizerischen Eidgenossenschaft, Notiz Afghanistan: Alltag in Kabul. Referat von Thomas Ruttig (Afghanistan Analysts Network) am 20. April 2017, 20.06.2017, S. 17.
44 
Nachdem die Hazara zuvor unter dem Regime der sunnitischen Taliban schwerwiegenden Misshandlungen - etwa auch Massakern und dem Vorenthalten von Nahrungsmitteln - ausgesetzt gewesen waren, konnten sie neben ihrer allgemeinen sozio-ökonomische Position insbesondere ihre gesellschaftliche Stellung auch in der Politik erheblich verbessern. So besetzte ein Hazara unter Präsident Karzai verschiedene hochrangige Regierungspositionen, u.a. auch das Amt des Vizepräsidenten. Auch ansonsten finden sich in hochrangigen Position in der öffentlichen Verwaltung und der Politik sowohl auf zentraler als auch lokaler Ebene Hazara. Die Hazara gelten insgesamt als in der Zivilgesellschaft gut vertreten.
45 
Landinfo/Norwegian Country of Origin Information Centre: Report: Hazaras and Afghan insurgent groups, 03.10.2016, S. 12 m.w.N.
46 
cc) Im alltäglichen, gesellschaftlichen Leben kommt es allerdings durchaus zu Diskriminierungen von Hazara. So wird - allgemein gehalten - davon berichtet, dass Hazara beständig sozial, rassisch oder religiös motivierter gesellschaftlicher Diskriminierung in Form von Gelderpressungen durch illegale Besteuerung, Zwangsrekrutierung, Zwangsarbeit, physischer Gewalt sowie Inhaftierung betroffen seien und sie beispielsweise auch innerhalb der Afghanischen Nationalen Sicherheitskräfte (ANSF) einem stärkeren Risiko ausgesetzt seien, in unsicheren Gebieten eingesetzt zu werden, als dies bei Nicht-Hazara-Beamten der Fall ist.
47 
Accord, Anfragebeantwortung zu Afghanistan: Aktuelle Situation der Volksgruppe der Hazara, 27.06.2016, S. 5 f.; vgl. auch Accord, Anfragebeantwortung zu Afghanistan: Lage der Hazara, Zugang zu staatlichem Schutz und Hintergründe des Konflikts zwischen Kuchis und Hazara, 02.09.2016, S. 2 m.w.N.; vgl. auch UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender, 19.04.2016, S. 87 sowie S. 59 Fn. 327, 328 sowie auch Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich - Länderinformationsblatt der Staatendokumentation: Afghanistan (Gesamtaktualisierung vom 02.03.2017, letzte Kurzinformation eingefügt am 27.06.2017), S. 153; außerdem: EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City (August 2017), S. 114 m.w.N.; USDOS, Afghanistan 2016 Human Rights Report, 17.03.2017, S. 47.
48 
Ein Beispiel für die - jedenfalls als solche empfundene - Benachteiligung ist die Auseinandersetzung um den Verlauf einer Stromtrasse. Der Umstand, dass eine durch Bamiyan geplante internationale Hochspannungsleitung lediglich als Durchgangslinie angedacht war und nicht etwa das bislang nur durch eine staatliche Solaranlage (unter-) versorgte Bamiyan elektrifiziert werden sollte, wurde zum Ursprung einer Protestbewegung der Hazara, des sog. „Enlightenment Movement“.
49 
SRF, Bericht: Schiiten in Afghanistan - Das Volk der Hazara will mehr Licht; Diskriminiert - die Minderheit der Hazara in Afghanistan, 16.03.2017; vgl. auch Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 19.10.2016 - Stand September 2016 -, S. 9 f.; vgl. dazu auch im Weiteren zur Demonstration der Hazara bzw. der Enlightenment-Bewegung vom 23. Juli 2016, die zum Ziel eines verheerenden Anschlags von IS-Kräften wurde.
50 
dd) Daneben gibt es aber auch positive Entwicklungen. So stellt der Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 19. Oktober 2016 dar, dass sich die Lage der ca. 3.000.000 Hazara in Afghanistan grundsätzlich verbessert hat, auch wenn sie in der öffentlichen Verwaltung weiterhin unterrepräsentiert sind, was aber auch noch eine Nachwirkung vergangener Zeiten sein könnte.
51 
Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 19.10.2016 - Stand September 2016 -, S. 9.
52 
Ähnliches lässt sich auch der Darstellung des UNHCR entnehmen, der von erheblichen politischen und wirtschaftlichen Fortschritten der Hazara seit dem Ende des Taliban Regimes im Jahr 2001 berichtet und u.a. auf die Anzahl der schiitischen Parlamentsmitglieder verweist, die in etwa dem Anteil der Schiiten in der Bevölkerung entspreche. Die Diskriminierung von Schiiten durch Sunniten hat danach deutlich abgenommen und aus Kabul sowie aus größeren Randgebieten seien keine Vorfälle mehr gemeldet worden. In Herat würden - bei einem großen schiitischen Bevölkerungsanteil - sowohl schiitische als auch sunnitische Führer von einem weitgehend harmonischen Zusammenleben berichten.
53 
UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender, 19.04.2016, S. 87, 59, dort insbesondere auch Fn. 326 unter Verweis auf den Bericht des US Department of State vom 14.10.2015: 2014 Report on International Religious Freedom - Afghanistan vgl. zur signifikanten Verbesserung der Lage der Hazara seit dem Sturz der Taliban im Jahr 2001 auch Landinfo/Norwegian Country of Origin Information Centre,: Report: Hazaras and Afghan insurgent groups, 03.10.2016, S. 3.
54 
In seinen Anmerkungen zur Situation in Afghanistan auf Anfrage des deutschen Bundesministeriums des Innern von Dezember 2016
55 
- UNHCR, Anmerkung zur Situation in Afghanistan auf Anfrage des deutschen Bundesministeriums des Innern, Dezember 2016, S. 5 f. -
56 
berichtet der UNHCR, dass Hazara-Familien aufgrund ihrer ethnischen Zugehörigkeit als Binnenflüchtlinge in der vergleichsweise ruhigen Provinz Bamiyan aufgenommen wurden, nachdem im Herbst 2016 Dörfer von Hazara im Rahmen der Taliban-Aufstände gegen regierungsnahe Kräfte angegriffen worden sind. Auch kam es zu Verhandlungen zwischen Gruppen der Hazara und der Taliban, durch die bereits einige Angelegenheiten geklärt werden konnten. In Ghazni haben die Taliban und die Hazaras einen Nichtangriffspakt geschlossen, auf der Grundlage, dass den Taliban erlaubt wurde, bestimmte Straßen durch die Gebiete der Hazara zu nutzen.
57 
Norwegian Country of Origin Information Centre, Landinfo, Report Afghanistan: Hazaras and Afghan insurgent groups, 03.10.2016, S. 18 f., vgl. auch S. 20 f.
58 
Hieraus allerdings eine sich verfestigende Lage oder gar eine dauerhafte Entwicklung ableiten zu wollen, ist angesichts der sich ständige ändernden Verbindungen, Partei- und Fraktionswechsel der verschiedenen Akteure (etwa der Bewegungen zwischen und auch innerhalb der Taliban, der IS-Bewegungen und sonstigen Gruppen) gegenwärtig nicht angezeigt.
59 
Vgl. zu den von jeher üblichen „pragmatischen“ Doppelallianzen, Wechseln in den Loyalitäten, persönlichen Verbindungen, Meinungsunterschieden und -umschwüngen insbesondere der regierungsfeindlichen Gruppen eindrücklich: Stahlmann, ZAR 2017, 189 (S. 190 ff.), insbes. S. 192 sowie auch ÖRK/Accord, Afghanistan, Dokumentation des Expertengespräches mit Thomas Ruttig und Michael Daxner, 04.05.2016, S. 22 f.
60 
Vielmehr verbleibt es insgesamt bei einer unsicheren Situation, in der auch nicht von einer gleichförmigen Lage sämtlicher hazarischen Volkszugehörigen die Rede sein kann. So arbeiten die Hazara teilweise mit den Taliban zusammen oder gehören ihnen sogar an
61 
- EASO Country of Origin Information Report: Afghanistan - recruitment by armed groups, September 2016, S. 19 -,
62 
zuweilen findet - angesichts der üblicherweise schiitischen Religionszugehörigkeit der Hazara allerdings nur in Ausnahmefällen - sogar eine Rekrutierung von Hazara durch die (sunnitischen) Taliban statt.
63 
ÖRK/Accord, Afghanistan, Dokumentation des Expertengespräches mit Thomas Ruttig und Michael Daxner, 04.05.2016, S. 22.
64 
ee) Auch aus einer für Volkszugehörige der Hazara prekären Sicherheitslage lässt sich nicht auf darauf schließen, dass grundsätzlich jeder Angehöriger der Gruppe nur wegen dieser Eigenschaft mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Eingriffe in Leib oder Leben zu gewärtigen hätte.
65 
Die Vorfälle, durch die Hazara - oft auch als Angehörige der schiitischen Religion - betroffen waren bzw. verletzt oder sogar getötet wurden, sind zahlreich, was die nachfolgenden (nicht abschließenden) Ereignisse verdeutlichen.
66 
Im März 2016 wurden in der Provinz Sar-e Pol elf, im Juni 2016 17 Hazara entführt. Letztere wurden nach wenigen Tagen wieder freigelassen. Am 6. Juli 2016 töteten Taliban 22 Polizisten, die Angehörige der Hazara waren.
67 
Accord, Anfragebeantwortung zu Afghanistan: Lage der Hazara, Zugang zu staatlichem Schutz und Hintergründe des Konflikts zwischen Kuchis und Hazara, 02.09.2016, S. 6 f. und S. 15 f. sowie außerdem im Bericht insgesamt auch ausführlich zu weiteren Vorfällen vor 2016; US Department of State, Afghanistan 2016 Human Rights Report, 17.03.2017, S. 3.
68 
Am 23. Juli 2016 ereignete sich in Kabul äußerst gravierender und „öffentlichkeitswirksamer“ Anschlag auf Angehörige der Hazara, der im Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 19. Oktober 2016 - also aus einer Zeit vor dem schweren Anschlag vom 31. Mai 2017 - als schwerster Selbstmordanschlag in der afghanischen Geschichte bezeichnet wurde.
69 
Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 19.10.2016 - Stand September 2016 -, S. 10.
70 
Bei einem Angriff auf eine Kundgebung der zuvor erwähnten „Enlightenment“-Bewegung in Kabul, zu dem sich die dem Islamischen Staat (auch bezeichnet als Daesh) zugehörige Splittergruppe ISKP (Islamic State Khorasan Province, auch ISIL-KP) bekannte, starben 80 Personen.
71 
UNHCR, Anmerkung zur Situation in Afghanistan auf Anfrage des deutschen Bundesministeriums des Innern, Dezember 2016, S. 6; Accord, Anfragebeantwortung zu Afghanistan: Lage der Hazara, Zugang zu staatlichem Schutz und Hintergründe des Konflikts zwischen Kuchis und Hazara, 02.09.2016, S. 8; Norwegian Country of Origin Information Centre, Landinfo, Report Afghanistan: Hazaras and Afghan insurgent groups vom 03.10.2016, S. 25; dort auch zur IS-Gruppe ISKP als einer Splittergruppe dies Islamischen Staats (IS), der auch Daesh genannt wird, ausführlich auf S. 22 ff. des Berichts sowie auch: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich - Länderinformationsblatt der Staatendokumentation: Afghanistan (Gesamtaktualisierung vom 02.03.2017, letzte Kurzinformation eingefügt am 27.06.2017), S. 18 und 30;
72 
Am 11. Oktober 2016 kam es zu zwei Angriffen auf schiitische Einrichtungen (einen Schrein und die Azrat-Moschee), bei denen mindestens 13 Zivilisten getötet wurden. Am 21. November 2016 wurde eine weitere schiitische Moschee in Kabul (Baqir-Ul-Olum) angegriffen, wobei 27 Zivilisten getötet und mindestens 30 verletzt wurden.
73 
Zu den (jeweils auch abweichenden) Zahlen: UK Home Office, Country Policy and Information Note - Afghanistan: Security and humanitarian situation, August 2017, S. 25; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Schnellrecherche der SFH-Länderanalyse vom 19. Juni 2017 zu Afghanistan: Sicherheitslage in Kabul, 19.06.2017, S. 5 f., 11 und 16 f. m.w.N.; Ecoi.net, Themendossier: Allgemeine Sicherheitslage in Afghanistan und Chronologie für Kabul, 11.04.2017, S. 10; Ecoi.net, Themendossier: Allgemeine Sicherheitslage in Afghanistan und Chronologie für Kabul, 11.04.2017, S. 10.
74 
Im Gegensatz zu den Selbstmordanschlägen und komplexen Attacken der Taliban richten sich vom ISKP durchgeführte Anschläge auch absichtlich gegen Zivilisten, insbesondere gegen die Hazara als schiitische Minderheit, da diese auch wegen der Teilnahme afghanischer Schiiten am Kampf gegen den IS auf Seiten des syrischen Regimes im Fokus des ISKP steht.
75 
Vgl. dazu den Bericht des Auswärtigen Amts zur Lagebeurteilung für Afghanistan nach dem Anschlag am 31. Mai 2017 - Stand Juli 2017 -, S. 10.
76 
Die Vorfälle zum Nachteil von Hazara setzten sich auch im Jahr 2017 fort. Bereits am 1. Januar 2017 forderte eine Sprengstoffexplosion in einer schiitischen Moschee in Herat ein Todesopfer. Fünf Menschen wurden verletzt. Regierungsfeindliche Kräfte hielten am 6. Januar 2017 in der Provinz Baghlan einen Bus mit Minenarbeitern, die hauptsächlich Hazara waren, an. Sie töteten acht Passagiere und verletzten drei weitere. In Sar-e Pol wurden durch Anhänger des ISKP am 15. März 2017 drei Hazara getötet. Sie wurden erschossen und anschließend geköpft. Am 12. Mai 2017 verübte der Daesh/ISKP mittels einer ferngesteuerten Sprengvorrichtung einen Anschlag auf eine Bäckerei in einem schiitisch geprägten Stadtviertel vom Herat nahe einer religiösen Versammlung, bei dem sieben Menschen getötet und 17 verletzt wurden. Auch zu einem weiteren Anschlag auf eine schiitische Moschee in Kabul am 15. Juni 2017, bei dem fünf Zivilisten getötet und sieben weitere verletzt worden waren, bekannte sich der ISKP.
77 
UNAMA Midyear Report 2017: Afghanistan - protection of civilians in armed conflict, Juli 2017, S. 46 und 49.
78 
Bei zwei weiteren Angriffen auf schiitische Moscheen in Kabul und in der Provinz Ghor am 20. Oktober 2017 wurden in Kabul mindestens 39 Personen, möglicherweise sogar 65 Personen getötet und 67 weitere verletzt; in Ghor wurden bis zu 33 Menschen getötet. Bei gegen die schiitische Minderheit gerichteten Anschlägen wurden im Zeitraum zwischen Januar und Ende Oktober 2017 insgesamt mindestens 149 Menschen getötet und 300 verletzt, wobei für den überwiegenden Anteil vermutlich der ISKP verantwortlich ist.
79 
Human Rights Watch: The Pain Behind the Numbers of Afghanistan’s Deadly Attacks, 23.10.2017; Spiegel-online, Terror in Afghanistan - Mehr als 50 Tote bei Attentaten auf Moscheen, 20.10.2017.
80 
Angesichts der vorstehenden Ausführungen und auch im Hinblick auf die im Verhältnis zur Gesamtzahl der in Afghanistan lebenden Hazara nicht ausreichend gewichtigen Anzahl vermag der Senat insgesamt trotz der dargestellten Vielzahl sicherheitsrelevanter Vorfälle zum Nachteil von Hazara nicht festzustellen, dass über eine „nur“ latente oder potentielle Gefährdung hinausgehend jeder Angehörige der Gruppe mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Eingriffe in Leib oder Leben zu gewärtigen hätte und ein Grad erreicht wäre, der den Rückschluss darauf zuließe, dass allein aus der Zugehörigkeit zu der Volksgruppe eine tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens iSd. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG bestünde.
81 
Dabei kann schon nicht aus dem Umstand, dass die Opfer der Vorfälle hazarische Volkszugehörige sind, ohne weiteres darauf geschlossen werden, dass diese Vorfälle ihren Grund gerade in der Volks- oder auch in der schiitischen Religionszugehörigkeit der Geschädigten haben, auch wenn dies für einzelne Ereignisse klar ist oder jedenfalls naheliegend.
82 
Vgl. etwa für den Anschlag auf die Demonstration vom 23. Juli 2016 oder die Anschläge auf schiitische Moscheen in der zweiten Hälfte des Jahrs 2016, vgl. dazu UNAMA, Annual Report 2016: Afghanistan - protection of civilians in armed conflict, Februar 2017, S. 41 f. sowie auch UK Home Office, Country Policy and Information Note. Afghanistan: Security and humanitarian situation Office, August 2017, S. 19. Vgl. zur verneinten Frage einer Gruppenverfolgung im Übrigen auch: BayVGH, Beschlüsse vom 20.01.2017 - 13a ZB 16.30996 -, juris Rn. 11 f.; vom 04.01.2017 - 13a ZB 16.30600 -, juris Rn. 6; und vom 19.12.2016 - 13a ZB 16.30581 -, juris Rn. 4; außerdem auch jüngere untergerichtliche Entscheidungen: eingehend VG Lüneburg, Urteile vom 15.05.2017 - 3 A 156/16 -, juris Rn. 24 ff. und vom 13.06.2017 - 3 A 136/16 -, juris Rn. 25 ff.; außerdem VG Cottbus, Urteil vom 01.08.2017 - 5 K 1488/16.A -, juris Rn. 21 ff.; VG Berlin, Urteil vom 14.06.2017 - 16 K 207/17 A -, juris Rn. 20; VG Osnabrück, Urteil vom 15.03.2017 - 1 A 19/17 -, asyl.net, S. 8 UA; VG Düsseldorf, Urteil vom 05.01.2017 - 18 K 2043/15.A -, juris Rn. 28 ff.
83 
Der Senat verkennt nicht, dass unter den sicherheitsrelevanten Vorfällen in Kabul in jüngerer Zeit wiederholt solche zu verzeichnen waren, die sich gegen Volkszugehörige der Hazara bzw. Angehörige des schiitischen Glaubens gerichtet haben, etwa der bereits mehrfach erwähnte Anschlag vom 23. Juli 2016 (80 Tote) sowie die genannten Angriffe auf schiitische Moscheen bzw. Einrichtungen am 11. Oktober 2016 (mindestens 13 Tote), am 21. November 2016 (27 Tote), am 15. Juni 2017 (5 Tote) und am 20. Oktober 2017 (mindestens 39 Tote). Angesichts der über eine Million Hazara, die in Kabul leben, vermag auch dies die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens im Falle der Abschiebung nicht zu begründen.
84 
c) Die Gewährung subsidiären Schutzes auf Grundlage von § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG kommt auch nicht unter dem allgemeinen Gesichtspunkt der schlechten humanitären Situation in Afghanistan in Betracht. Denn es fehlt am erforderlichen Akteur § 4 Abs. 3 Satz 1 AsylG i.V.m. § 3c AsylG.
85 
Trotz der inhaltlichen Kongruenz von § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG („Als ernsthafter Schaden gilt:... Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung ...“) und Art. 3 EMRK („Niemand darf der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.“)
86 
- vgl. dazu sowie auch zu Unterschieden: Storey, in: Hailbronner/Thym, EU Immigration and Asylum Law, 2. Aufl. 2016, Part D III, Art. 15 Rn. 3 f. -
87 
führt das Vorliegen der tatsächlichen Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK nicht zwingend zu einer Zuerkennung subsidiären Schutzes. Denn es reicht nicht aus, dass die Voraussetzungen eines Tatbestandes nach § 4 Abs. 1 AsylG erfüllt sind. Vielmehr sind - neben § 4 Abs. 2 AsylG - gemäß § 4 Abs. 3 AsylG auch die Anforderungen der § 3c bis 3e AsylG zu beachten, die für den subsidiären Schutz entsprechend gelten. Erforderlich ist daher, dass die Gefahr eines ernsthaften Schadens von einem der in § 3c AsylG genannten Akteure ausgeht, also vom Staat, von Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen, oder von nichtstaatlichen Akteuren, sofern die vorgenannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor einem ernsthaften Schaden beziehungsweise der tatsächlichen Gefahr eines ernsthaften Schadens zu bieten.
88 
VGH Bad.-Württ., Urteil vom 03.11.2017 - A 11 S 1704/17 -, juris
89 
Es ist in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union geklärt, dass ein ernsthafter Schaden im Sinne des Art. 15b RL 2011/95/EU eine Situation nicht erfasst, in der eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung auf fehlende Behandlungsmöglichkeiten einer Krankheit im Herkunftsstaat zurückzuführen ist, solange die notwendige Versorgung nicht absichtlich verweigert wird. Dies folgt u.a. daraus, dass Art. 6 RL 2011/95/EU eine Liste der Akteure enthält, von denen ein ernsthafter Schaden ausgehen kann. Schäden im Sinne des Art. 15 RL 2011/95/EU müssen daher von bestimmten Dritten verursacht werden.
90 
EuGH, Urteil vom 18.12.2014 - C-542/13 - (M´Bodj), NVwZ-RR 2015, 158, insb. Rn. 35 und 41.
91 
Dies bekräftigend hat auch Generalanwalt ausgeführt, aus der Auslegung von Art. 6 RL 2004/83/EG - der Fall betrifft das Vereinigte Königreich - folge, dass die in Rede stehenden ernsthaften Schäden durch das Verhalten eines Dritten verursacht werden müssen. Ein Anspruch auf subsidiären Schutz ist nämlich nicht schon dann begründet, wenn nachgewiesen wird, dass für den Betroffenen bei einer Rückkehr in sein Herkunftsland die Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung bestünde. Es muss auch nachgewiesen werden, dass diese Gefahr auf Faktoren beruht, die den Behörden dieses Landes direkt oder indirekt anzulasten und ihnen stets bewusst sind, und zwar entweder weil die Behörden des Staates, dem der Betroffene angehört, ihn persönlich bedrohen oder diese Bedrohung tolerieren, oder weil diese Bedrohung auf unabhängige Gruppen zurückgeht, vor denen die Behörden ihre Staatsangehörigen nicht wirksam schützen können.
92 
GA Bot, Schlussanträge vom 24.10.2017 - C-353/16 - (MP/Vereinigtes Königreich), Rn. 28 - 30.
93 
Insbesondere trifft es nicht zu, dass Art. 3 EMRK eine erweiternde Auslegung von Art 15b RL 2011/95/EU gebieten würde
94 
so aber: Giesler/Wohnig, Uneinheitliche Entscheidungspraxis zu Afghanistan - Eine Untersuchung zur aktuellen Afghanistan-Entscheidungspraxis des BAMF und der Gerichte (Ergänzte Fassung zur Kurzfassung aus Asylmagazin 2017, 223) (asyl.net), dort S. 11,
95 
denn mit einer möglichen Versagung internationalen Schutzes wird unionsrechtlich nicht abschließend darüber entschieden, ob eine Rückführung in den Herkunftsstaat rechtlich zulässig ist, was sich u.a. aus Art. 5 RL 2008/115/EG ergibt. Der zu prüfende Grundsatz der Nichtzurückweisung ist hier umfassend und damit auch auf Art. 3 EMRK bezogen zu verstehen und damit weiter als derjenige aus Art. 33 Abs. 1 GFK.
96 
Vgl. Lutz, in: Hailbronner/Thym, EU Immigration and Asylum Law, 2. Aufl. 2016, Part C VII, Art. 5 Rn. 9.
97 
Diese Auslegung von Art. 15b RL 2011/95/EU, die der ständigen Rechtsprechung des Senats entspricht,
98 
VGH Bad.-Württ., Urteil vom 03.11.2017 - A 11 S 1704/17 -, juris, vom 05.12.2017 - A 11 S 1144/17 -, juris und vom 17.01.2018 - A 11 S 241/17 -, juris
99 
steht im Einklang mit der herrschenden Lehre und Rechtsprechung.
100 
VG Berlin, Urteil vom 10.07.2017 - VG 34 K 197.16 A -, juris Rn. 54; VG Lüneburg, Urteil vom 15.05.2017 - 3 A 156/16 -, juris Rn. 51 f.; VG Osnabrück, Urteil vom 15.05.2017 - 1 A 19/17 -, asyl.net; außerdem: EASO, Qualification for International Protection Directive 2011/95/EU) - A judicial analysis, Dezember 2016, S. 109; vgl. auch Hinterberger/Klammer, Abschiebungsverbote aus gesundheitlichen Gründen: Die aktuelle EGMR- und EuGH-Rechtsprechung zum Non-Refoulement und deren Auswirkungen auf die deutsche Rechtslage, NVwZ 2017, 1180 [1181 f.] sowie wohl auch Marx, AsylG, 9. Aufl. 2017, § 4 Rn. 32 und Hailbronner, Ausländerrecht, Mai 2017, § 60 Rn. 57 zum „nicht in vollem Umfang“ identischen Schutzbereich von § 60 Abs. 5 AufenthG und von § 60 Abs. 2 AufenthG i.V.m. Art. 15 RL 2011/95/EU/§ 4 AsylG.
101 
An einem somit erforderlichen Akteur fehlt es vorliegend. Denn die humanitäre Lage und die prekären Lebensumstände sind keinem der genannten Akteure nach § 3c AsylG zuzurechnen.
102 
Vgl. zu dem Umstand, dass die schwierige humanitäre Situation in Afghanistan nicht unmittelbar dem afghanischen Staat zuzurechnen ist bereits VGH Bad.-Württ., Urteil vom 24.07.2013 - A 11 S 697/13 -, juris Rn. 108, dort zu § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK, sowie auch - anknüpfend an die vorgenannte Entscheidung: VGH Bad.-Württ., Urteil vom 26.02.2014 - A 11 S 2519/12 -, juris.
103 
Die schlechte Versorgungslage (betreffend Nahrung, Wohnraum, Gesundheitsversorgung) wird durch die schlechte wirtschaftliche Entwicklung Afghanistans, die dort herrschenden Umweltbedingungen (also insbesondere die schwierigen klimatischen Bedingungen sowie Naturkatastrophen) sowie maßgeblich durch die volatile Sicherheitslage negativ beeinflusst und bestimmt. Insofern ist nicht festzustellen, dass einem der in Betracht kommenden Akteure ein wesentlicher Beitrag direkt oder indirekt anzulasten wäre und eine Verhaltensänderung zu einer unmittelbaren Verbesserung der Lage führen könnte. Insbesondere wird weder die notwendige medizinische oder humanitäre Versorgung gezielt vorenthalten noch werden all diese Umstände gezielt herbeigeführt.
104 
Vgl. dazu im Folgenden die Darstellungen zu den Lebensverhältnissen im Rahmen von § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK.
105 
Soweit teilweise in der Rechtsprechung vertreten wird, die schlechte humanitäre Lage sei überwiegend durch die seit Jahrzehnten herrschenden bewaffneten Konflikte und damit im Sinne von § 3c AsylG auf Aktionen staatlicher und nicht-staatlicher Konfliktparteien, gegen die der Staat keinen Schutz bieten könne, zurückzuführen,
106 
VG Köln, Urteil vom 12.12.2017 - 5 K 3637/17.A -
107 
übersieht dieser Ansatz gerade, dass die Anwendung von § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG und damit auch Art. 15b RL 2011/95/EU eine gewisse Zielgerichtetheit des Verhaltens des Akteurs erfordert
108 
EASO, Qualification for International Protection (Directive 2011/95/EU) - A judicial analysis, Dezember 2016, S. 109;
109 
und daher reine Kausalitätserwägungen hier nicht anspruchsbegründend wirken können. Daher scheidet die Zuerkennung subsidiären Schutzes auf Grundlage des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG in Ermangelung eines tauglichen Akteurs aus.
110 
3. Auch die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG liegen nicht vor.
111 
Nach dieser Vorschrift ist subsidiärer Schutz zuzuerkennen, wenn der Ausländer stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden in Gestalt einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts droht.
112 
a) aa) Ein innerstaatlich bewaffneter Konflikt liegt vor, wenn die Streitkräfte eines Staates auf eine oder mehrere bewaffnete Gruppen treffen oder wenn zwei oder mehrere bewaffnete Gruppen aufeinandertreffen, ohne dass dieser Konflikt als bewaffneter Konflikt, der keinen internationalen Charakter aufweist, im Sinne des humanitären Völkerrechts eingestuft zu werden braucht und ohne dass die Intensität der bewaffneten Auseinandersetzungen, der Organisationsgrad der vorhandenen bewaffneten Streitkräfte oder die Dauer des Konflikts Gegenstand einer anderen Beurteilung als der des im betreffenden Gebiet herrschenden Grads an Gewalt ist.
113 
EuGH, Urteil vom 30.01.2014 - C-285/12 - Diakité, NVwZ 2014, 573 Rn. 35
114 
bb) Die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens für jedermann aufgrund eines solchen Konflikts ist erst dann gegeben, wenn der bewaffnete Konflikt eine solche Gefahrendichte für Zivilpersonen mit sich bringt, dass alle Bewohner des maßgeblichen, betroffenen Gebiets ernsthaft individuell bedroht sind. Das Vorherrschen eines so hohen Niveaus willkürlicher Gewalt, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass eine Zivilperson bei einer Rückkehr in das betreffende Land bzw. in die betreffende Region allein durch ihre Anwesenheit tatsächlich Gefahr liefe, einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit ausgesetzt zu sein, bleibt aber außergewöhnlichen Situationen vorbehalten, die durch einen sehr hohen Gefahrengrad gekennzeichnet sind. Eine Individualisierung kann sich insbesondere aus gefahrerhöhenden persönlichen Umständen in der Person des Schutzsuchenden ergeben, die ihn von der allgemeinen, ungezielten Gewalt stärker betroffenen erscheinen lassen.
115 
EuGH, Urteil vom 17.02.2009 - C-465/07 – Elgafaji -, NVwZ 2009, 705 Rn. 43 und vom 30.01.2014 - C-285/12 – Diakité - NVwZ 2014, 573 Rn. 30.
116 
Der für die Annahme einer individuellen Gefahr in diesem Sinne erforderliche Grad willkürlicher Gewalt wird daher umso geringer sein, je mehr der Schutzsuchende zu belegen vermag, dass er aufgrund solcher individueller gefahrerhöhender Umstände spezifisch betroffen ist. Solche persönlichen Umstände können sich z.B. aus dem Beruf des Schutzsuchenden etwa als Arzt oder Journalist ergeben, da diese regelmäßig gezwungen sind, sich nahe an einer Gefahrenquelle aufzuhalten. Ebenso können solche Umstände aber auch aus einer religiösen oder ethnischen Zugehörigkeit herrühren, aufgrund derer der Schutzsuchende zusätzlich der Gefahr gezielter Gewalttaten ausgesetzt ist.
117 
Liegen keine gefahrerhöhenden persönlichen Umstände vor, ist ein besonders hohes Niveau willkürlicher Gewalt erforderlich, welches mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit („real risk“) gegeben sein muss. So kann die notwendige Individualisierung ausnahmsweise bei einer außergewöhnlichen Situation eintreten, die durch einen so hohen Gefahrengrad gekennzeichnet ist, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit in dem betroffenen Gebiet einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt wäre.
118 
BVerwG, Urteil vom 17.11.2011 - 10 C 13.10 -, NVwZ 2012, 454 Rn. 19 m.w.N.; OVG NRW, Beschluss vom 09.03.2017 - 13 A 2575/16.A -, juris Rn. 13; NdsOVG Urteil vom 19.09.2016 - 9 LB 100/15 -, juris.
119 
Das besonders hohe Niveau kann nicht allein deshalb bejaht werden, weil ein Zustand permanenter Gefährdungen der Bevölkerung und schwerer Menschenrechtsverletzungen im Rahmen des innerstaatlichen Konflikts festgestellt werden. Vielmehr erfordert die Bestimmung der Gefahrendichte eine quantitative Ermittlung der Verletzten und getöteten Zivilpersonen im Verhältnis zur Einwohnerzahl (Gewaltniveau). Außerdem muss eine wertende Gesamtbetrachtung - etwa auch im Hinblick auf die medizinische Versorgungslage - erfolgen.
120 
BVerwG, Urteile vom 17.11.2011 - 10 C 13.10 -, juris Rn. 23 und vom 13.02.2014 - 10 C 6.13 -, juris Rn. 24; OVG LSA, Urteil vom 23.07.2014 - 3 L 53/12 -, juris Rn. 24 ff.; NdsOVG, Urteil vom 19.09.2016 - 9 LB 100/15 -, juris.
121 
Das Bundesverwaltungsgericht hatte in den Urteilen vom 17. November 2011
122 
10 C 13.10, Rn. 22 und 10 C 11.10, Rn. 20
123 
- bezogen auf die Zahl der Opfer von willkürlicher Gewalt eines Jahres - ein Risiko von 1:800 (0,125 %) bzw. 1:1.000 (0,1 %) verletzt oder getötet zu werden, als weit von der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit entfernt angesehen.
124 
Vgl. hieran anknüpfend auch: NdsOVG, Urteil vom 19.09.2016 - 9 LB 100/15 -, juris; OVG LSA, Urteil vom 23.07.2014 – 3 L 53/12 –, Rn. 26, juris.
125 
cc) Maßgeblicher Bezugspunkt für die Beurteilung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 3 AsylG ist die Herkunftsregion des Betroffenen, in die er typischerweise zurückkehren wird. Denn für die Frage, welche Region als Zielort der Rückkehr eines Ausländers anzusehen ist, kommt es weder darauf an, für welche Region sich ein unbeteiligter Betrachter vernünftigerweise entscheiden würde, noch darauf, in welche Region der betroffene Ausländer aus seinem subjektiven Blickwinkel strebt. Der Begriff des „tatsächlichen Zielortes der Rückkehr“ im Sinne der Rechtsprechung des EuGH
126 
EuGH, Urteil vom 17.02.2009 - C-465/07 - Elgafaji -, NVwZ 2009, 705 Rn. 40, vgl. auch BVerwG, Urteil vom 31.01.2013 - 10 C 15.12 -, NVwZ 2013, 1167
127 
ist daher kein rein empirischer Begriff, bei dem auf die tatsächlich wahrscheinlichste oder subjektiv gewollte Rückkehrregion abzustellen ist. Da § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG vor den Gefahren eines - nicht notwendig landesweiten - bewaffneten Konflikts im Heimatstaat schützt, kommt bei der Bestimmung des Ortes der (voraussichtlichen) tatsächlichen Rückkehr der Herkunft als Ordnungs- und Zuschreibungsmerkmal eine besondere Bedeutung zu. Ein Abweichen von der Herkunftsregion kann daher auch nicht damit begründet werden, dass der Ausländer infolge eines bewaffneten Konflikts den personalen Bezug zu seiner Herkunftsregion verloren hat. Auch eine nachlassende subjektive Bindung zur Herkunftsregion durch Umstände, die mittelbare Folgen des bewaffneten Konflikts sind (z.B. Beeinträchtigung der sozialen und wirtschaftlichen Infrastruktur, nachhaltige Verschlechterung der Versorgungslage) ändert nichts daran, dass diese für die schutzrechtliche Betrachtung grundsätzlich ihre Relevanz behält. Allerdings ist jedenfalls dann nicht (mehr) auf die Herkunftsregion abzustellen, wenn sich der Ausländer schon vor der Ausreise und unabhängig von den fluchtauslösenden Umständen von dieser gelöst und in einem anderen Landesteil mit dem Ziel niedergelassen hatte, dort auf unabsehbare Zeit zu leben. Durch eine solche freiwillige Ablösung verliert die Herkunftsregion ihre Bedeutung als Ordnungs- und Zurechnungsmerkmal und scheidet damit als Anknüpfungspunkt für die Gefahrenprognose bei § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG aus.
128 
Vgl. BVerwG, Urteil vom 31.01.2013 - 10 C 15.12 -, NVwZ 2013, 1167.
129 
b) Ausgehend von den Angaben des Klägers, wonach er aus Daikundi stammen und diese Region nach dem Tod seiner Mutter Anfang der 2010er Jahre verlassen haben und nach Teheran übergesiedelt sein will, ist auf diese Provinz für die Beurteilung des Anspruchs auf subsidiären Schutz nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG abzustellen. Das dort vorherrschende Ausmaß an Gewalt genügt auch unter Berücksichtigung der Volkszugehörigkeit des Klägers eindeutig nicht, um eine tatsächliche Gefahr des Erleidens eines ernsthaften Schadens anzunehmen.
130 
In der Provinz Daikundi gab es zwischen 2015 und 2017 immer wieder Auseinandersetzungen zwischen Taliban oder anderen regierungsfeindlichen Kräften im Sinne der Definition von UNAMA einerseits und regierungsfreundlichen Gruppen und Truppen andererseits.
131 
EASO, Country of Origin Information Report – Afghanistan Security Situation, December 2017 S. 98 f.
132 
Zwischen dem 1. September 2016 und dem 31. Mai 2017 ließen sich 153 sicherheitsrelevante Zwischenfälle in der Provinz feststellen. Davon gingen 57 auf bewaffnete Auseinandersetzungen oder Luftangriffe, 12 auf Explosionen und 12 auf gegen Einzelpersonen gerichtete Gewalt zurück.
133 
EASO, Country of Origin Information Report – Afghanistan Security Situation, December 2017 S. 100.
134 
Nachdem UNAMA für das Jahr 2015 in den beiden Provinzen Bamyan und Daikundi zusammen 58 Opfer in der Zivilbevölkerung festgestellt hatte (davon 30 Todesopfer) und 2016 für die beiden Provinzen einen Anstieg auf 115 Opfer (davon 25 Todesopfer) auswies
135 
UNAMA, Annual Report 2016: Afghanistan - protection of civilians in armed conflict, Februar 2017 S. 5.
136 
geht UNAMA für die Zeit vom 01.01.2017 bis zum 30.06.2017 von 21 Opfern (davon 7 Todesopfer) aus, wobei die meisten dieser Zivilpersonen Opfer explosiver Kampfmittelrückstände waren.
137 
UNAMA, Midyear Report 2017: Afghanistan - protection of civilians in armed conflict, Juli 2017 S. 73.
138 
Die Opferzahlen sind im Verhältnis von einer Bevölkerungszahl von rund 460.000 Personen
139 
EASO, Country of Origin Information Report – Afghanistan Security Situation, December 2017 S. 98.
140 
gesehen erkennbar nicht geeignet, eine hinreichende Wahrscheinlichkeit für die Annahme, dass eine jede Zivilperson bei einer Rückkehr in das betreffende Land bzw. in die betreffende Region allein durch ihre Anwesenheit tatsächlich Gefahr liefe, einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit ausgesetzt zu sein, zu begründen. Die Opferzahlen sind auch dann, wenn man davon ausginge, dass die Annahmen von UNAMA von unzutreffend geringen Opferzahlen ausgingen, weit davon entfernt, in einem Bereich zu sein, in dem das Bestehen einer tatsächlichen Gefahr des ernsthaften Schadens im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG entweder für jedermann oder aber auch für bestimmte, besonders gefährdete Gruppen auch nur in Erwägungen gezogen werden könnte.
II.
141 
Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbots, weder auf der Grundlage von § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK (1.), noch auf der Grundlage von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG.
142 
1. Ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK auf Grund der schlechten humanitären Bedingungen in Afghanistan besteht nicht. Denn die rechtlichen Voraussetzungen (a)) hierfür sind unter Berücksichtigung der Lebensverhältnisse in Afghanistan insgesamt (b)) und der in Kabul als Ankunfts- bzw. Endort der Abschiebung (c)) sowie in Ansehung der der persönlichen Situation des Klägers und insbesondere auch seiner Zugehörigkeit zu den Hazaras nicht gegeben (d)).
143 
a) Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten - EMRK - ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Gemäß Art. 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden. Im Falle einer Abschiebung wird eine Verantwortlichkeit der Bundesrepublik Deutschland nach Art. 3 EMRK dann begründet, wenn erhebliche Gründe für die Annahme bestehen, dass der Betroffene im Fall der Abschiebung tatsächlich Gefahr läuft, einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu sein.
144 
aa) Unter dem Begriff der unmenschlichen Behandlung ist die vorsätzliche und beständige Verursachung körperlicher Verletzungen oder physischen oder psychischen Leids zu verstehen, während bei einer erniedrigenden Behandlung nicht die Zufügung von Schmerzen, sondern die Demütigung im Vordergrund steht.
145 
Auch schlechte humanitäre Verhältnisse können eine Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK darstellen.
146 
Vgl. dazu bereits VGH Bad.-Württ., Urteil vom 24.07.2013 - A 11 S 697/13 -, Leitsatz 4 sowie insbesondere auch juris Rn. 71 m.w.N.
147 
Dieses ist immer dann anzunehmen, wenn diese Verhältnisse ganz oder überwiegend auf staatlichem Handeln, auf Handlungen von Parteien eines innerstaatlichen Konflikts oder auf Handlungen sonstiger, nicht staatlicher Akteure, die dem Staat zurechenbar sind, beruhen, weil er der Zivilbevölkerung keinen ausreichenden Schutz bieten kann oder will.
148 
EGMR, Urteile vom 21.01.2011 - 30696/09 - (M.S.S./Belgien und Griechenland), NVwZ 2011, 413 und vom 28.06.2011 - 8319/07 und 11449/07 - (Sufi und Elmi/Vereinigtes Königreich), NVwZ 2012, 681.
149 
Aber auch dann, wenn diese Voraussetzungen nicht gegeben sind, weil es an einem verantwortlichen Akteur fehlt, können schlechte humanitäre Bedingungen im Zielgebiet dennoch als Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK zu qualifizieren sein, wenn ganz außerordentliche individuelle Umstände hinzutreten. Es sind also im Rahmen von § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK nicht nur Gefahren für Leib und Leben berücksichtigungsfähig, die seitens eines Staates oder einer staatsähnlichen Organisation drohen, sondern auch „nichtstaatliche“ Gefahren auf Grund prekärer Lebensbedingungen, wobei dies aber nur in ganz außergewöhnlichen Einzelfällen in Betracht kommt.
150 
BVerwG, Urteil vom 13.06.2013 - 10 C 13.12 -, NVwZ 2013, 1167, Rn. 24 f.; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 24.07.2013 - A 11 S 697/13 -, Leitsatz 5 sowie insbesondere auch juris Rn. 79 ff.; EGMR, Urteile vom 02.05.1997 - 146/1996/767/ 964 - (D./Vereinigtes Königreich), NVwZ 1998, 161; vom 27.05.2008 - 26565/05 - (N./Vereinigtes Königreich), NVwZ 2008, 1334; vom 21.01.2011 - 30696/09 - (M.S.S./Belgien und Griechenland) - NVwZ 2011, 413; vom 28.06.2011 - 8319/07 und 11449/07 - (Sufi und Elmi/Vereinigtes Königreich), NVwZ 2012, 681 und vom 13.10.2011 - 10611/09 - (Husseini/Schweden), NJOZ 2012, 952.
151 
Wenn der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte im Urteil vom 13. Dezember 2016
152 
- 41738/10 - (Paposhvili/Belgien), NVwZ 2017, 1187 Rn. 187 und 189,
153 
aber nunmehr ausdrücklich wiederholt auf die allgemeinen Verhältnisse im Zielstaat der Abschiebung hinweist, auf deren Hintergrund die besondere Lage des Betroffenen zu beurteilen ist, wird hinreichend deutlich, dass außergewöhnliche individuelle Umstände bzw. Merkmale auch solche sein können, die eine Person mit anderen Personen teilt, die Träger des gleichen Merkmals sind bzw. sich in einer im Wesentlichen vergleichbaren Lage befinden. Auch in einem solchen Fall kann ausnahmsweise ein Verstoß gegen Art. 3 EMRK zu bejahen sein, wenn die Abschiebung zu einer ernsthaften, schnellen und irreversiblen Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Betroffenen führen würde, die ein schweres Leiden oder eine erhebliche Verringerung der Lebenserwartung zur Folge hätte.
154 
VGH Bad.-Württ., Urteil vom 03.11.2017 - A 11 S 1704/17 -, juris.
155 
Bei entsprechenden Rahmenbedingungen können schlechte humanitäre Verhältnisse eine Gefahrenlage begründen, die zu einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinn von Art. 3 EMRK führt. Hierbei sind indes eine Vielzahl von Faktoren zu berücksichtigen, darunter etwa der Zugang für Rückkehrer zu Arbeit, Wasser, Nahrung, Gesundheitsversorgung sowie die Chance, eine adäquate Unterkunft zu finden, der Zugang zu sanitären Einrichtungen und nicht zuletzt die finanziellen Mittel zur Befriedigung elementarer Bedürfnisse, auch unter Berücksichtigung von Rückkehrhilfen usw.
156 
Vgl. dazu jüngst wieder ausführlich BayVGH, Urteil vom 23.03.2017 - 13a B 17.30030 -, BeckRS 2017, 113717; dieser bereits zuvor in seinen beiden Urteilen vom 21.11.2014 – 13a B 14.30285 -, BeckRS 2015, 41010 und - 13a B 14.30284 -; dort jeweils eingehend zur Bejahung von § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK wegen schlechter humanitärer Bedingungen bezüglich Familien mit minderjährigen Kindern wegen der Rahmenbedingungen in Afghanistan (m.w.N.).
157 
Vorliegend sind allein die hohen Anforderungen der letztgenannten Fallgestaltung maßgeblich, da die hier unter dem Gesichtspunkt des Art. 3 EMRK relevanten humanitären Verhältnisse in Afghanistan keinem Akteur zuzuordnen sind, sondern auf einer Vielzahl von Faktoren beruhen, darunter die allgemeinen wirtschaftlichen Lage und die Versorgungslage betreffend Nahrung, Wohnraum, Gesundheitsversorgung, Umweltbedingungen wie Klima und Naturkatastrophen sowie die Sicherheitslage. Wie bereits ausgeführt ist nicht festzustellen, dass der afghanische Staat, die in Afghanistan aktiven internationalen Streitkräfte oder ein sonstiger (etwa nichtstaatlicher) Akteur die maßgebliche Verantwortung hierfür trügen, insbesondere, dass etwa die notwendige medizinische oder humanitäre Versorgung gezielt vorenthalten würde.
158 
Vgl. dazu im Folgenden die Darstellungen zu den Lebensverhältnissen; so auch schon VGH Bad.-Württ., Urteil vom 24.07.2013 - A 11 S 697/13 -, juris Rn. 108 sowie auch anknüpfend an die vorgenannte Entscheidung: VGH Bad.-Württ., Urteil vom 26.02.2014 - A 11 S 2519/12 -, juris.
159 
bb) Sowohl die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte als auch die des Bundesverwaltungsgerichts
160 
- EGMR, Urteil vom 28.06.2011 - 8319/07 und 11449/07 - (Sufi und Elmi/Vereinigtes Königreich), NVwZ 2012, 681 Rn. 278, 282 f. und BVerwG, Urteil vom 31.01.2013 - 10 C 15.12 -, NVwZ 2013, 1167 -
161 
machen deutlich, dass ein sehr hohes Schädigungsniveau erforderlich ist, da nur dann ein außergewöhnlicher Fall vorliegt, in dem die humanitären Gründe entsprechend den Anforderungen des Art. 3 EMRK „zwingend“ sind. So hat das Bundesverwaltungsgericht in der Vergangenheit, als es die allgemeine Lage in Afghanistan als nicht ausreichend ernst für die Feststellung einer Verletzung des Art. 3 EMRK eingestuft hat, die Notwendigkeit einer besonderen Ausnahmesituation betont.
162 
BVerwG, Urteil vom 31.01.2013 - 10 C 15.12 -, NVwZ 2013, 1167, insb. Leitsatz 3 -; vgl. auch: BayVGH, Urteil vom 21.11.2014 - 13a B 14.30284 -, juris Rn. 19.
163 
Dabei kann aber - schon nach der Gesetzessystematik - der nationale Maßstab für eine Extremgefahr nach § 60 Abs. 7 Satz 1 und 5 AufenthG nicht, insbesondere auch nicht analog, herangezogen werden. Da die Sachverhalte nicht vergleichbar sind, lassen sich die ggf. erhöhten Anforderungen an eine ausreichende Lebensgrundlage im Fall einer internen Schutzalternative gemäß § 3e AsylG ebenfalls nicht übertragen.
164 
VGH Bad.-Württ., Urteil vom 03.11.2017 - A 11 S 1704/17 -, juris Rn. 180. BayVGH, Urteil vom 21.11.2014 - 13a B 14.30284 -, juris Rn. 19.
165 
Ein Zusammenhang zwischen Art. 3 EMRK und § 3e AsylG besteht lediglich dergestalt, dass für den Fall, dass die Situation am vermeintlichen Schutzort einen Verstoß gegen Art. 3 EMRK darstellte, dieser Schutzort den Anforderungen des § 3e AsylG nicht genügen würde.
166 
Vgl. dazu VGH Bad.-Württ., Urteil vom 16.10.2017 - A 11 S 512/17 -, juris Rn. 85 m.w.N.
167 
cc) Auch im Rahmen des Art. 3 EMRK ist nach der Rechtsprechung des EGMR eine tatsächliche Gefahr („real risk“) erforderlich, d.h. es muss eine ausreichende reale, nicht nur auf bloßen Spekulationen, denen eine hinreichende Tatsachengrundlage fehlt, gegründete Gefahr („a sufficiently real risk“) bestehen. Die tatsächliche Gefahr einer Art. 3 EMRK zuwiderlaufenden Behandlung muss danach aufgrund aller Umstände des Falles hinreichend sicher und darf nicht hypothetisch sein.
168 
EGMR, Urteil vom 28.06.2011 - 8319/07 und 11449/07 - (Sufi und Elmi/Vereinigtes Königreich), NVwZ 2012, 681; Entscheidung vom 22.09.2009 - 30471/08 - (Abdolkhani und Karimnia/Türkei), InfAuslR 2010, 47; Urteil vom 17.07.2008 - 25904/07 - (NA./Vereinigtes Königreich), juris; Urteil vom 28.02.2008 - 37201/06 - (Saadi/Italien), NVwZ 2008, 1330; vom 27.05.2008 - 26565/05 - (N./Vereinigtes Königreich), NVwZ 2008, 1334 sowie Urteil vom 06.02.2001 - 44599/98 - (Bensaid/Vereinigtes Königreich), NVwZ 2002, 453.
169 
Erforderlich ist danach die konkrete Gefahr der Folter oder unmenschlichen Behandlung. Es gilt - wie bei § 60 Abs. 1 AufenthG - der Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit, d.h. die für eine Schädigung sprechenden Umstände müssen ein größeres Gewicht haben als die dagegen sprechenden Tatsachen.
170 
BVerwG, Urteil vom 27.04.2010 - 10 C 5.09 -, NVwZ 2011, 51; EGMR, Urteil vom 17.07.2008 - 25904/07 - (NA./Vereinigtes Königreich), juris.
171 
Zu beachten ist allerdings, dass ein gewisser Grad an Mutmaßung dem präventiven Schutzzweck des Art. 3 EMRK immanent sein muss und es hier also nicht um den eindeutigen, über allen Zweifeln erhabenen Beweis gehen kann, dass der Betroffene im Falle seiner Rückkehr einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt wäre.
172 
EGMR, Urteil vom 09.01.2018 - 36417/16 - (X/Schweden) Rn. 50.
173 
dd) Des Weiteren ist für die Beurteilung, ob außerordentliche Umstände vorliegen, die - wie hier - nicht in die unmittelbare Verantwortung des Abschiebungszielstaates fallen und die dem abschiebenden Staat nach Art. 3 EMRK eine Abschiebung des Ausländers verbieten, grundsätzlich auf den gesamten Abschiebungszielstaat abzustellen und zunächst zu prüfen, ob solche Umstände an dem Ort vorliegen, an dem die Abschiebung endet.
174 
BVerwG, Urteil vom 31.01.2013 - 10 C 15.12 -, NVwZ 2013, 1167, Leitsatz 2 und EGMR, Urteil vom 28.06.2011 - 8319/07 und 11449/07 - (Sufi und Elmi/Vereinigtes Königreich), NVwZ 2012, 681, Rn. 265, 301, 309.
175 
Dieser Ankunfts- bzw. Endort der Abschiebung ist hier Kabul.
176 
Vgl. zu den Flugverbindungen nach Afghanistan: Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 19.10.2016 - Stand: September 2016, S. 25 sowie zu den bislang durchgeführten Abschiebungen nach Kabul (etwa am 15. Dezember 2016, 24. Januar 2017, 23. Februar 2017 und am 28. März 2017): Afghanistan Analysts Network - voluntary and forced returns to Afghanistan in 2016/17: trends, statistics and experiences, 19.05.2017, S. 3; Asylos - research for asylum, Afghanistan: Situation of young male „Westernised“ returnees to Kabul, August 2017, S. 12 m.w.N.
177 
Unter Berücksichtigung der landesweiten Lebensverhältnisse in Afghanistan und gerade der in Kabul ergibt sich, dass unter Berücksichtigung der persönlichen Situation des Klägers kein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK vorliegt.
178 
b) Die landesweiten Lebensverhältnisse in Afghanistan und die Situation von Rückkehrern gestalten sich wie folgt:
179 
Afghanistan hat insgesamt etwa 27 bis 34 Millionen Einwohner.
180 
Vgl. dazu Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan, Republik Österreich Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vom 02.03.2017, aktualisiert am 27.06.2017, S. 150: 33,3 Millionen; so auch UK Home Office, Country Policy and Information Note. Afghanistan: Security and humanitarian situation, August 2017, S. 11; vgl. auch „the world fact book“ - Afghanistan auf https://www.cia.gov/ für Juli 2017 geschätzt 34,124,811 Einwohner; ProAsyl, Afghanistan - No safe country for refugees - Mai 2017 -, S. 55: mindestens 31,5 Millionen; Schuster, Risks on return to Kabul, 12.08.2016, S. 18/Rn. 48: mindestens 30 Millionen; Islamic Republic of Afghanistan Central Statistics Organization - Estimated Population of Afghanistan 2017-2018, April 2017, S. 2: 29.724.323; Auswärtiges Amt, Zwischenbericht: Lagebeurteilung für Afghanistan nach dem Anschlag am 31. Mai 2017 - Stand Juli 2017, S. 8/Rn. 30: 27 bis 32 Millionen.
181 
Über 40 % der Bevölkerung sind unter 15 Jahre, zwei Drittel unter 25 Jahre alt.
182 
Sam Hall, Urban displaced youth in Kabul - mental health matters, Juni 2016, S. 7.
183 
Geprägt wird das Leben der Menschen im Land von einer schwierigen wirtschaftlichen Situation (aa)) und Versorgungslage (bb)), von prekären humanitären Gegebenheiten (cc)) sowie von einer volatilen Sicherheitslage (dd)). Zudem sehen sich Rückkehrer aus dem westlichen Ausland zusätzlichen Gefahren ausgesetzt (ee)). Andererseits ist zu berücksichtigen, dass Rückkehrer unter bestimmten Umständen spezielle Unterstützungsmaßnahmen erhalten können (ff)).
184 
aa) Afghanistan ist eines der ärmsten Länder der Welt. Es belegte im Jahr 2015 den Platz 171 und im Jahr 2016 den Platz 169 von 187 im Human Development Index. Mindestens 36 % der Bevölkerung des Landes leben unter der Armutsgrenze. Teils wird auch von einer Steigerung von 36 % für die Jahre 2007/2008 auf 39 % für die Jahre 2013/2014 berichtet, wobei ein Leben in Armut nach dem hier verfolgten Ansatz vorliegt, wenn das Einkommen unter der Armutsgrenze von 1.150 Afghani (20 US$) pro Monat liegt. Afghanistan weist im Vergleich mit allen asiatischen Ländern den höchsten Anteil armer Menschen auf. Die Zahl derjenigen, die humanitärer Unterstützung bedurften, hat sich von 2016 bis zum Beginn des Jahres 2017 um 13 % auf 9,3 Millionen erhöht. Dabei gibt es regionale Unterschiede. Sie reichen von einem Anteil von 27,7 % der Bevölkerung, die unter der Armutsgrenze lebt, im Südwesten bis zu 49,7 % im Nordosten.
185 
Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 19.10.2016 - Stand: September 2016, S. 21; vgl. auch Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich - Länderinformationsblatt der Staatendokumentation: Afghanistan (Gesamtaktualisierung vom 02.03.2017, letzte Kurzinformation eingefügt am 27.06.2017), S. 176; EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City (August 2017), S. 31 f. m.w.N.; Giesler/Wohnig, Uneinheitliche Entscheidungspraxis zu Afghanistan - Eine Untersuchung zur aktuellen Afghanistan-Entscheidungspraxis des BAMF und der Gerichte (Ergänzte Fassung zur Kurzfassung aus Asylmagazin 2017, 223) (asyl.net), S. 3 Fn. 17; World Food Programme, Country Brief, WFP Assistance, Juli 2017.
186 
Bei einer ohnehin schon zuvor schlechten Lage ist seit dem Jahr 2012 ein massiver Einbruch der Wirtschaft zu verzeichnen.
187 
Dazu Stahlmann, Asylmagazin 2017, 73 (74) m.w.N.
188 
Sie sieht sich in der Übergangsphase nach Beendigung des NATO-Kampfeinsatzes zum Jahresende 2014 konfrontiert mit sinkenden internationalen Investitionen und der stark schrumpfenden Nachfrage durch den Rückgang internationaler Truppen um etwa 90 % (von 140.000 internationalen Soldaten auf rund 14.000). Die Abwertung des Afghani gegenüber dem US-Dollar schreitet - bei gleichzeitiger Deflation - immer weiter voran. Ein selbsttragendes Wirtschaftswachstum ist kurzfristig nicht in Sicht.
189 
Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 19.10.2016 - Stand: September 2016, S. 21.
190 
Zudem beruht die Wirtschaft zu großen Teilen auf irregulären und illegalen Aktivitäten, darunter der Opiumhandel.
191 
UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender, 19.04.2016, S. 15.
192 
Der Vergleich des Wachstums des Bruttoinlandsprodukts für das Jahr 2012 von 14,4 % mit dem des Jahres 2015, in dem nur noch 0,8 % Wachstum zu verzeichnen waren, macht den für das gesamte Land zu verzeichnenden Einbruch deutlich.
193 
Vgl. dazu Stahlmann, Asylmagazin 2017, 73 (74) m.w.N. sowie dies. auch in ihrer landeskundlichen Stellungnahme Afghanistan vom 30.05.2017, S. 12 m.w.N.; siehe auch Staatssekretariat für Migration SEM der Schweizerischen Eidgenossenschaft, Notiz Afghanistan: Alltag in Kabul. Referat von Thomas Ruttig (Afghanistan Analysts Network) am 20. April 2017, 20.06.2017, S. 5.
194 
Bis zum Jahr 2016 blieb es bei einem Wachstum von unter 2 %. Auf Grund der abgeschwächten Konjunktur, unter anderem wegen der mangelnden Sicherheit und der politischen Ungewissheit, wird erwartet, dass das Bruttoinlandsprodukt allenfalls geringfügig wächst.
195 
EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City (August 2017), S. 19 m.w.N.
196 
Diese Wirtschaftslage spiegelt sich auch im Arbeitsmarkt wider, für den uneinheitliche Zahlen vorliegen.
197 
Vgl. EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City (August 2017), S. 21 zur Bezeichnung der Arbeitsmarktzahlen als schwach und kontrovers ("weak and controversial").
198 
Je nach Quelle und Erfassungsweise werden etwa für das Jahr 2014 Arbeitslosenzahlen von 9,1 % bis 24 % genannt, teils wird - unter Berücksichtigung eines Anteils von 15,3 % unterbeschäftigter Personen - der Anteil der nicht erwerbstätigen Personen sogar mit 40 % angegeben.
199 
Im Einzelnen m.w.N.: EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City (August 2017), S. 21.
200 
Im Jahr 2015 lag die landesweite Arbeitslosenquote bei 40 %. Der Anteil in den Städten war deutlich höher, da die Landwirtschaft, in der rund 60 % - in ländlichen Regionen sogar 70 % der erwerbstätigen Bevölkerung - tätig sind, weiterhin der stabilste Beschäftigungssektor ist.
201 
Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 19.10.2016 - Stand: September 2016, S. 21; Stahlmann, Asylmagazin 2017, 73 (76) m.w.N. sowie dies. auch in ihrer landeskundlichen Stellungnahme Afghanistan vom 30.05.2017, S. 13 m.w.N.; IOM, Länderinformationsblatt Afghanistan 2017, S. 2; IOM, Länderinformationsblatt Afghanistan 2016, S. 2.
202 
Auch für den Zeitraum Ende des Jahres 2016 wurde ein Arbeitslosenanteil mit etwa 40 % geschätzt und die Aussichten als sehr düster bezeichnet.
203 
EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City (August 2017), S. 21; UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender, 19.04.2016, S. 15.
204 
Ebenso werden für die Jugendarbeitslosigkeit sehr unterschiedliche Größenordnungen genannt. So gibt die Weltbank für das Jahr 2014 einen Anteil von 23 % bezüglich junger Frauen und 16 % hinsichtlich junger Männern an (bei 9,1 % für dieses Jahr im Allgemeinen). Die Jugendarbeitslosigkeit in den Städten soll um 50 % höher sein als die städtische Arbeitslosigkeit insgesamt.
205 
EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City (August 2017), S. 22.
206 
Es findet sich sogar die Angabe einer Jugendarbeitslosigkeit von 82 %.
207 
Stahlmann, Landeskundliche Stellungnahme Afghanistan vom 30.05.2017, S. 14 m.w.N.; dies., Asylmagazin 2017, 73 (76).
208 
Gerade der städtische Arbeitsmarkt ist durch die bereits erwähnten Änderungen des internationalen Engagements geprägt. Dort waren mit der plötzlichen Ankunft internationaler Organisationen zunächst Qualifikationen gefragt, die auf dem lokalen Arbeitskräftemarkt nach den langen Kriegsjahren tatsächlich Mangelware waren – darunter Englischkenntnisse, Arbeitserfahrung mit der in internationalen Organisationen gepflegten Bürokratie und formelle Ausbildungs- und Studienabschlüsse. Außerdem hatte der Bauboom in den Städten, insbesondere im grundlegend zerstörten und rapide wachsenden Kabul, zunächst einen Markt für ungelernte Arbeitskräfte geschaffen.
209 
Stahlmann, Landeskundliche Stellungnahme Afghanistan vom 30.05.2017, S. 13 f. m.w.N.; dies., Asylmagazin 2017, S. 73 (74); zum Arbeitsmarkt in Kabul auch Kohler, InfAuslR 2017, 99 (101) mit Verweis auf Islamic Republic of Afghanistan - Central Statistics Organisation, Socio-Demographic and Economic Survey, Figure 11 und Figure 12, dort allerdings nur für das Jahr 2013.
210 
Damals hatten - in begrenztem Maße - selbst die traditionell familiär organisierten privatwirtschaftlichen Betriebe externe Arbeitskräfte aufgenommen (wenn auch in den Grenzen kriegsbedingter Freund-/Feindschemata, so dass Fremde im Sinne ethnischer, religiöser oder lokaler Zugehörigkeit weiterhin weitgehend ausgeschlossen waren). Diese Entwicklung hat sich allerdings durch den bereits als prägend erwähnten Abzug der internationalen Truppen wieder verflüchtigt. Der Bauboom hat sich als kurzfristig erwiesen und auch der Dienstleistungsbereich ist eingebrochen. Geblieben ist der Umstand, dass zur Erlangung einer der wenigen vorhandenen Arbeitsplätze nicht die schulische oder berufliche Ausbildung, Qualifikation oder Erfahrung ausschlaggebend sind, sondern Beziehungen. Dies gilt für den gesamten Arbeitsmarkt, insbesondere auch für Arbeitsplätze im Staatsdienst.
211 
Stahlmann, Landeskundliche Stellungnahme Afghanistan vom 30.05.2017, S. 14 f. m.w.N.; dies., Asylmagazin 2017, 73 (76); anschaulich hierzu auch die Beispiele von Schuster zur allein durch (teils verwandtschaftliche) Beziehungen gekennzeichnete Einstellungspraxis ohne Rücksicht auf die Qualifikation an der Kabuler Universität und verschiedenen Ministerien: Schuster, Report for the Upper Tribunal in the case of XXXX YYYY, 08.11.2016, S. 15/Rn. 44; vgl. auch EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City (August 2017), S. 23 und 68; vgl. auch die Beispiele zu Rückkehrern, die trotz Qualifikation mangels Beziehungen keine Beschäftigung fanden: Asylos - research for asylum, Afghanistan: Situation of young male „Westernised“ returnees to Kabul, August 2017, S. 65 ff. m.w.N.; zur „untergeordneten“ Rolle von Eignung, Befähigung und Leistung bei der Verteilung administrativer Ämter auch Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 19.10.2016 - Stand: September 2016, S. 7.
212 
Das vor dem Hintergrund jahrzehntelanger Kriegs- und Konflikterfahrungen und anhaltender Alltagskriminalität als notwendig und bewährt erachtete System von Beziehungen bzw. Netzwerken ist geprägt durch eine Gegenseitigkeit, eine langfristige und belastbare Reziprozität. Wer in der Lage ist, einen Vorteil - etwa einen Arbeitsplatz - zu verschaffen, verknüpft hiermit die Erwartung, jedenfalls langfristig seinerseits einen Vorteil zu erlangen. Ist vom Arbeitssuchenden keine Gegenleistung zu erwarten, weil dieser nicht über die erforderlichen Beziehungen verfügt, ist nicht oder weniger zu erwarten, dass ihm eine Arbeitsstelle vermittelt wird. Ein entsprechendes Netzwerk ist daher der Schlüssel zum Arbeitsmarkt. Zudem gewährleistet das System der Empfehlungen, dass der Arbeitgeber sich sicher sein kann, dass der Arbeitssuchende, dessen örtliche und ethnische Herkunft sowie familiären Hintergrund er auf Grund der Empfehlung kennt, vertrauenswürdig ist.
213 
EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City (August 2017), S. 67 f.: „Network as key to the job market“; Stahlmann, Landeskundliche Stellungnahme Afghanistan vom 30.05.2017, S. 12. m.w.N.; Schuster, Report for the Upper Tribunal in the case of XXXX YYYY, 08.11.2016, S. 4/Rn. 12.
214 
So äußerten die meisten Arbeitgeber in einer Befragung zu ihrer Einstellungspraxis, sie nutzten das traditionellste System: Freunde (62,6 %) und Familie (57,9 %). Entsprechend beklagen die Arbeitssuchenden unabhängig von ihren Qualifikationen, dass die Vergabe von Arbeitsstellen von persönliche Verbindungen, sog. „wasita“ (wechselseitige Verbindungen zu Personen mit Macht oder Einfluss), abhängig sei. Erforderlich sind „shanaktht“ (jemanden kennen) und „safarish“ (eine Art Empfehlung). Nur etwa 15 % der Arbeitnehmer werden über den örtlichen Bazar angeworben, der größte Teil der Arbeitsplätze wird über Freunde oder Verwandte erlangt.
215 
EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City (August 2017), S. 67.
216 
Die Beziehungen oder Netzwerke sind vielschichtig. Für manche besteht ihr Netzwerk aus nahen Verwandten, für andere ist es breiter angelegt und kann auch aus Freunden bestehen. Bei Angehörigen der Hazara kommt es vor, dass beim Zuzug in eine neue Stadt ein Netzwerk um die örtliche Moschee oder eine religiöse oder Wohlfahrtseinrichtung konzentriert ist. Ganz allgemein genügt die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Ethnie allein noch nicht, um ein solides Netzwerk für die Arbeitssuche zu begründen.
217 
EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City (August 2017), S. 68.
218 
Eine staatliche Arbeitsvermittlung oder gar eine Arbeitslosenunterstützung nach westlichen Vorstellungen gibt es nicht. Allerdings werden freie Stellen im öffentlichen Sektor vom Civil Service Commission Management Directorate der Kommission für Öffentlichen Dienst und Verwaltungsreform online angekündigt. Außerdem bietet eine Nichtregierungsorganisation (ACBAR) Unterstützung für Arbeitssuchende an. Sie befindet sich in Charahi Shaheed, Sherpoor Bezirk in Kabul. Auf ihrer Website besteht die Möglichkeit, sich mit einem Lebenslauf und Motivationsschreiben auf relevante Jobs zu bewerben.
219 
BAMF/ZIRF/IOM, ZIRF-Anfrage: Medizinische Versorgung in Afghanistan, Unterstützung für Rückkehrer bei Arbeits- und Wohnungssuche, 21.09.2016; IOM, Länderinformationsblatt Afghanistan 2017, S. 2; IOM, Länderinformationsblatt Afghanistan 2016, S. 2.
220 
Soweit eine Arbeitsstelle gefunden werden kann
221 
- dazu Staatssekretariat für Migration SEM der Schweizerischen Eidgenossenschaft, Notiz Afghanistan: Alltag in Kabul - Referat von Thomas Ruttig (Afghanistan Analysts Network) am 12.04.2017, 20.06.2017, S.10; siehe auch EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City (August 2017), S. 22 zum „vulnerable employment“ -,
222 
ist das durchschnittliche Einkommen (insbesondere im Vergleich zu den Lebenshaltungskosten, dazu sogleich) gering. Das durchschnittliche monatliche Einkommen in Afghanistan wird in verschiedenen Quellen mit 80 bis 120 US$ angegeben, teilweise wird ein Mindestlohn von 95 US$ für nur vorübergehend beschäftigte Arbeitskräfte genannt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass - wie ausgeführt – bei 36 % der afghanischen Bevölkerung der Lohn bei unter 20 US$ pro Monat liegt.
223 
IOM, Länderinformationsblatt Afghanistan 2017, S. 2; IOM, Länderinformationsblatt Afghanistan 2016, S. 2; EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City (August 2017), S. 23 f.
224 
Afghanistan bleibt eine hauptsächlich ländliche Gesellschaft, deren Wirtschaft maßgeblich auf der Landwirtschaft basiert. 76 % der Bevölkerung leben in ländlichen Gebieten. Mehr als die Hälfte der Arbeitskräfte des Landes ist im Bereich der Landwirtschaft beschäftigt. 96 % der Produktion bewegt sich im Bereich der Nahrungsmittelverarbeitung, also einem Bereich, der in hohem Maße von der Landwirtschaft abhängig ist.
225 
EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City (August 2017), S. 22, 32.
226 
Einen nicht unwesentlichen Anteil in der Landwirtschaft hat allerdings auch der Opiumanbau (siehe auch S. 43), da dieser zum einen eine große Gewinnmarge verspricht und zum anderen die Mohnpflanzen mit den widrigen Bedingungen (etwa der schlechten Bodenqualität) verhältnismäßig gut zurechtkommen.
227 
Zum Opiumanbau allgemein: General Assembly Security Council, The situation in Afghanistan and its implications for international peace and security - report of the Secretary-General, 03.03.2017, S. 11; ProAsyl, Afghanistan - No safe country for refugees, Mai 2017, S. 50; UNHCR, Anmerkungen zur Situation in Afghanistan auf Anfrage des deutschen Bundesministerium des Inneren - Dezember 2016, S. 15; zur Verteilung des Opiumanbaus in den einzelnen Provinzen vgl. ausführlich EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Security Situation (November 2016): zu Daikundi, S. 70 f.; zu Kandahar, S. 73 -; zu Helmand, S. 77 („Afghanistan’s single largest opium poppy cultivating province in 2015, accounting for 47 % of the total area under opium poppy cultivation in the country.“); zu Uruzgan, S. 87 („opium poppy as a dominant crop“); zu Zabul - S. 90; zu Badakhshan, S. 133; zu Ghor, S. 171.
228 
Die Landwirtschaft leidet allerdings - neben der problematischen Sicherheitssituation - insbesondere auch unter vielfältigen Naturkatastrophen, weswegen das World Food Programme das ganze Jahr hindurch in verschiedenen Landesteilen auf Krisen bzw. Notsituationen wie Dürre, Überschwemmungen oder extremen Kälteeinbruch reagiert. Gerade der Norden - eigentlich die „Kornkammer“ des Landes - ist extremen Natureinflüssen wie Trockenheit, Überschwemmungen und Erdrutschen ausgesetzt
229 
- Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 19.10.2016 - Stand: September 2016, S. 23; UNOCHA, Humanitarian Needs Overview 2018, Dezember 2017, S. 16 -
230 
(vgl. im Weiteren ausführlicher bei den Darstellungen zur Versorgungslage und zur humanitären Situation unter lit. bb) und cc)).
231 
bb) Die Versorgungslage in Afghanistan ist schlecht. Wie bereits ausgeführt ist Afghanistan eines der ärmsten Länder der Welt, mit 9,3 Mio. Menschen, die Anfang 2017 auf humanitäre Hilfe angewiesen waren (s.o.). Für das Jahr 2018 geht UNOCHA - United Nations Office for the Coordination of Humanitarian Affairs - von 3,3 Millionen Personen aus, bei denen ein akuter Bedarf an unmittelbar lebensrettender humanitärer Hilfe besteht sowie weiterer 8,7 Millionen Menschen, die einen chronischen Bedarf an Unterstützungsleistungen aufweisen. Dabei kann aus dem Unterschied in der Darstellung von 9,3 Millionen (2017) zu nun 3,3 Millionen (2018) Personen mit dringenden Bedarfen in den Angaben zum Angewiesensein auf humanitäre Hilfe nicht auf eine Verbesserung der Lage geschlossen werden. Denn der Unterschied geht auf eine abweichende Methode der Datenerfassung zurück
232 
UNOCHA, Humanitarian Needs Overview 2018, Dezember 2017, S. 15.
233 
Im Jahr 2016 waren etwa 1,6 Millionen Afghanen (nach den Daten von UNOCHA ein Anteil von 6 %) schwerwiegender Ernährungsunsicherheit („severely food insecure“) betroffen, bei weiteren 9,7 Millionen Menschen (34 %) war dies in mäßiger Weise der Fall („moderately food insecure“).
234 
UNOCHA, Humanitarian Needs Overview 2017, November 2016, S. 5 f. und 26 sowie die Aufteilung nach Regionen auf S. 21; EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City (August 2017), S. 42 m.w.N.; vgl. auch UK Home Office, Country Policy and Information Note - Afghanistan: Security and humanitarian situation, August 2017, S. 28; dort auch unter Bezugnahme auf UNOCHA der Hinweis auf die Wechselwirkung mit der steigenden Anzahl intern Vertriebener und Rückkehrer, die sich in den städtischen Zentren und Randgebieten sammeln sowie zur erwarteten Anzahl von mehr als einer Million neuer Rückkehrer im Sommer 2017); Ernährungsunsicherheit in den Vorjahren vgl. auch Sam Hall, Urban Poverty Report - A study of poverty, food insecurity and resilience in Afghan Cities, November 2014: S. 6 f., 43, 54 und 56 - die Hälfte der Haushalte in Städten und 68 % der intern Vertriebenen werden als ernsthaft von Ernährungsunsicherheit betroffen beschrieben.
235 
Für das Jahr 2017 war ein Anstieg auf 1,9 Millionen Personen, bei denen von einer schwerwiegenden Ernährungsunsicherheit auszugehen ist, zu verzeichnen. Ausgehend von der ernährungssicherheitsbezogenen Klassifizierung IPC (Integrated food security phase classification) bedeutet dies, dass sie mit einer extremen Nahrungsmittelunterversorgung konfrontiert sind, die zu akuter Mangel- oder Unterernährung mit einer überhöhten Sterblichkeitsrate führt. Weitere 5,6 Millionen Menschen werden der Gruppe zugeordnet, bei der eine akuter Nahrungsmittel und Existenzkrise angenommen wird, was bedeutet, dass eine beachtliche Nahrungsmittelunterversorgung vorliegt oder dass diese Unterversorgung nur durch den Verkauf letzter Vermögenswerte noch abgewendet werden kann. Schließlich ist bei weiteren 10 Millionen Menschen festzustellen, dass diese allein das Minimum der erforderlichen Nahrungsmittelversorgung sicherstellen können und damit eine vollständige Sicherung der Existenzgrundlage nicht gesichert erscheint.
236 
UNOCHA, Humanitarian Needs Overview 2018, Dezember 2017, S. 24.
237 
48 % der Haushalte von intern vertriebenen Personen, die in informellen Siedlungen in Kabul lebten, waren im Dezember 2015 ernsthaft von Ernährungsunsicherheit betroffen.
238 
UNOCHA, Humanitarian Needs Overview 2017, November 2016, S. 7.
239 
Insbesondere die aus Konflikten und chronischer Unterentwicklung resultierenden Folgeerscheinungen im Süden und Osten haben dazu geführt, dass dort ca. eine Million oder fast ein Drittel aller Kinder als akut unterernährt gelten.
240 
Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 19.10.2016 - Stand: September 2016, S. 23.
241 
In den Städten allgemein und insbesondere der Hauptstadt Kabul sind die Lebenshaltungskosten im Verhältnis zum Einkommen hoch. So finden sich - jeweils auch abhängig vom Lebensstil - Angaben von 100 bis 150 EUR oder 150 bis 250 US$ für einen alleinstehenden Mann in Kabul
242 
- BAMF/ZIRF/IOM, ZIRF-Anfrage Wohnraumsituation I: Lebenshaltungskosten in Kabul für alleinstehenden Mann, 09.05.2017; BAMF/ZIRFIOM, ZIRF-Anfrage: Lebenshaltungs-/Mietkosten in Kabul; Taxilizenz, 22.04.2016; Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation: Afghanistan (Gesamtaktualisierung vom 02.03.2017, letzte Kurzinformation eingefügt am 27.06.2017, S. 188 -
243 
und mindestens 250 bis zu 600 EUR pro Monat für eine Familie, bestehend aus einem Vater und drei Kindern
244 
- BAMF/ZIRF/IOM, ZIRF-Anfrage Wohnraumsituation II: Lebenshaltungskosten in Kabul für Familie mit Vater und 3 Kindern, 09.05.2017 -,
245 
wobei jeweils noch keine Unterbringungs-/Mietkosten enthalten sind.
246 
Für die Kosten von Wohnraum finden sich - auch abhängig von der Lage - Angaben von einer Monatsmiete für ein Zimmer in Höhe von 100 US$, für ein Einzimmerapartment in Kabul von 88 US$/6.000 Afghani bis zu 146 US$/10.000 Afghani oder auch in Höhe von 160 bis 180 EUR (zuzüglich Nebenkosten von etwa 20 bis 25 EUR/Monat) sowie auch 300 US$. Die Miete für eine Dreizimmerwohnung in Kabul wird mit ca. 300 EUR/Monat bei Nebenkosten in Höhe von etwa 30 EUR angegeben, aber auch Preise von 400 bis 600 US$ zuzüglich Nebenkosten von etwa 40 US$ pro Monat werden genannt.
247 
Schuster, Report for the Upper Tribunal, 08.11.2016, S. 14/Rn. 41; BAMF/ZIRFIOM, ZIRF-Anfrage: Lebenshaltungs-/Mietkosten in Kabul; Taxilizenz, 22.04.2016; Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation: Afghanistan (Gesamtaktualisierung vom 02.03.2017, letzte Kurzinformation eingefügt am 27.06.2017, S. 188; BAMF/ZIRF/IOM, ZIRF-Anfrage Wohnraumsituation I: Lebenshaltungskosten in Kabul für alleinstehenden Mann, 09.05.2017; BAMF/ZIRF/IOM, ZIRF-Anfrage Wohnraumsituation II: Lebenshaltungskosten in Kabul für Familie mit Vater und 3 Kindern, 09.05.2017; IOM, Länderinformationsblatt Afghanistan 2017, S. 3; IOM, Länderinformationsblatt Afghanistan 2016, S. 2; Stahlmann, Landeskundliche Stellungnahme Afghanistan vom 30.05.2017, S. 16; dies., Asylmagazin 2017, S. 73 (76); vgl. auch Schuster, Risks on return to Kabul, 12.08.2016, S. 16/Rn. 42: Einzelzimmer für 4.000 bis 6.000 Afghani, bei einem Lohnniveau von 4.000 bis 4.500 Afghani pro Monat; EASO, Country of Origin Information Query - Query concerning the situations of returnees to Afghanistan, 22.06.2017, S. 7 m.w.N.: 300 US$.
248 
Die im Vergleich zum realistischer Weise zu erzielenden Einkommen immensen Unterbringungskosten bei gleichzeitig großem Zustrom neuer Einwohner erklären, dass etwa drei Viertel der Menschen in Slums lebt.
249 
Dazu ProAsyl, Afghanistan - No safe country for refugees, Mai 2017, S. 4; Stahlmann, Landeskundliche Stellungnahme Afghanistan vom 30.05.2017, S. 16; dies., Asylmagazin 2017, S. 73 (76 f.).
250 
Sofern Wohnraum auf dem freien Markt verfügbar ist, haben in aller Regel wiederum nur diejenigen eine Chance darauf, die einen Bürgen beibringen können und in der Lage sind, bis zu sechs Monatsmieten im Voraus zu bezahlen. Im Rahmen der Wohnungssuche benötigt man also außergewöhnliche finanzielle Ressourcen, um eine Chance auf eine winterfeste Unterkunft zu haben, aber auch die beschriebenen sozialen Netzwerke. Diese sowie der Umstand, dass sich jemand für den künftigen Mieter und dessen vertrauenswürdigen Charakter gleichsam verbürgt, gewährleisten aus Sicht des Vermieters eine gewisse Sicherheit sowie insbesondere auch, dass der Mieter kein „unmoralisches“ Verhalten an den Tag legt und seine Miete zahlen wird.
251 
Stahlmann, Landeskundliche Stellungnahme Afghanistan vom 30.05.2017, S. 16; dies., Asylmagazin 2017, S. 73 (76 f.); Schuster, Report for the Upper Tribunal, 08.11.2016, S. 4/Rn. 12 und auch S. 14/Rn. 41 und S. 15/ Rn. 44 m.w.N.
252 
Es gibt keine NGOs oder öffentliche Organisationen, die bei der Wohnungssuche unterstützen. Immobilienmakler bieten einen entsprechenden Service im Austausch für eine Monatsmiete von Mieter und Vermieter an.
253 
BAMF/ZIRF/IOM, ZIRF-Anfrage: Medizinische Versorgung in Afghanistan, Unterstützung für Rückkehrer bei Arbeits- und Wohnungssuche, 21.09.2016.
254 
Zwischen den Verhältnissen in den urbanen Zentren und den ländlichen Gebieten Afghanistans herrscht ein eklatantes Gefälle. Es fehlt außerhalb der Hauptstadt Kabul und der Provinzhauptstädte vielerorts an grundlegender Infrastruktur für Energie, Trinkwasser und Transport. Der Anteil der Bevölkerung, der Zugang zu Trinkwasser hat, beträgt nur 46 %.
255 
Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage vom 19.10.2016 - Stand September 2016 -, S. 21; UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender, 19.04.2016, S. 31.
256 
cc) Verschärft wird die Lage - insbesondere auf dem Arbeits- und dem Wohnungsmarkt - nicht zuletzt aufgrund erheblicher Migrationsbewegungen.
257 
Für das gesamte Land ist eine erhebliche, zudem stetig ansteigende Anzahl an Migranten festzustellen. Es handelt sich sowohl um Binnenvertriebene (internally displaced persons - IDPs), Rückkehrer (insbesondere aus Iran und Pakistan sowie aus dem westlichen Ausland) und Wirtschaftsmigranten.
258 
EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City (August 2017), S. 40.
259 
Im Jahr 2015 gab es in ganz Afghanistan mindestens 1,1 Millionen Binnenvertriebene.
260 
Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 19.10.2016 - Stand: September 2016, S. 21: zwischen 1,1 und 1,2 konfliktinduzierte Binnenflüchtlinge.
261 
Im April 2016 war deren Zahl auf 1,2 Millionen geschätzt worden.
262 
Stahlmann, Asylmagazin 2017, S. 73 (74 f.) m.w.N.;. a.i., My children will die this winter - Afghanistan´s broken promise to the displaced, 31.05.2016, S. 7.
263 
Bis Jahresende wurden 2016 insgesamt 620.000 bis 650.000 Menschen als kriegsbedingt vertrieben ausdrücklich und aktenkundig registriert - das sind dreimal so viele wie 2014 und sechsmal so viele wie 2012. Im Zeitraum seit Anfang 2017 bis ca. Juli 2017 haben etwa 150.000 Personen auf Grund innerstaatlicher Konflikte ihren Wohnort verlassen. Sie suchen mehrheitlich innerhalb ihrer Provinz Zuflucht, es sind aber auch Fluchtbewegungen in die Provinz Kabul zu verzeichnen.
264 
Stahlmann, Asylmagazin 2017, S. 73 (74) m.w.N.: 623.345; General Assembly Security Council, The situation in Afghanistan and its implications for international peace and security - report of the Secretary-General, 03.03.2017: S. 9 zur Verschlechterung bis ins Jahr 2017 mit Rekordzahlen neuer, konfliktbedingter Binnenvertreibung in Höhe von 651.751 Personen; vgl. auch Bericht des Auswärtigen Amts zur Lagebeurteilung für Afghanistan nach dem Anschlag am 31. Mai 2017 - Stand Juli 2017 -, S. 10.
265 
Daneben sind im Jahr 2016 etwa eine Million Menschen aus Iran und Pakistan nach Afghanistan zurückgekehrt, wobei als Rückkehrende auch jene gelten, deren Eltern schon im benachbarten Ausland geboren wurden. Hintergrund ist, dass der Iran vermehrt afghanische Staatsangehörige abschiebt und Pakistan im letzten Herbst 2016 entschieden hat, ab April 2017 keine afghanischen Personen mehr im Land zu dulden. Zusätzlich zu den 1,6 Millionen afghanischen Staatsangehörigen, die in Pakistan bisher einen Flüchtlingsstatus hatten, betrifft diese Entscheidung nach Schätzungen der pakistanischen Regierung zumindest eine weitere Million illegal dort lebender afghanischer Personen.
266 
UNHCR, Anmerkungen zur Situation in Afghanistan auf Anfrage des deutschen Bundesministerium des Inneren - Dezember 2016, S. 4 zum Rekordniveau von interner Flucht und Vertreibung für das Jahr 2016: ca. 372.000 + 242.000 Flüchtlinge aus Pakistan und 420.000 aus dem Iran sowie eine Prognose für das Jahr 2017 mit 650.000 zurückkehrenden Flüchtlingen; Stahlmann, Asylmagazin 2017, S. 73 (74): 1.034.000 Rückkehrer aus Iran und Pakistan; a.i., Amnesty Report 2017 - Afghanistan (Berichtszeitraum 1. Januar 2016 bis 31. Dezember 2016): S. 1; Schuster, Risks on return to Kabul, 12.08.2016, S. 16 f./Rn. 43; ProAsyl, Afghanistan - No safe country for refugees, Mai 2017, S. 4: mehr als eine Million; General Assembly Security Council, The situation in Afghanistan and its implications for international peace and security - report of the Secretary-General, 03.03.2017: S. 9 zur Rückkehr von 620.000 Flüchtlingen und nicht dokumentierten Afghanen aus Pakistan.
267 
Plastisch hat der UNHCR die Versorgungs- und humanitäre Situation zusammengefasst. Er beschreibt, dass infolge des allgemein gestiegenen Sicherheitsrisikos - einschließlich der Zunahme der die Mitarbeiter von Hilfsorganisationen betreffenden Sicherheitsvorfälle - der Zugang zu den betroffenen Menschen für humanitäre Hilfsorganisationen begrenzt ist. Die begrenzte Präsenz jener Organisationen in den vom Konflikt betroffenen Gebieten behindert insbesondere den Zugang zu lebensrettender Unterstützung für die besonders schutzbedürftigen Teile der Bevölkerung. Jahrzehnte der Konflikte und wiederkehrender Naturkatastrophen haben die afghanische Bevölkerung in einen Zustand großer Schutzbedürftigkeit versetzt und die Überlebensmechanismen vieler Menschen erschöpft. Der fortwährende Konflikt greift durch die Zerstörung von Lebensgrundlagen und von Viehbestand, steigende Raten ansteckender Krankheiten, verstärkte Vertreibung, ständige Menschenrechtsverletzungen und höhere Kriminalitätsraten diese Schwachstellen weiter an. Ebenso haben der andauernde Konflikt, schwache Regierungsgewalt sowie ineffiziente oder korrupte Institutionen dazu geführt, dass Vorbereitungsmaßnahmen im Hinblick auf Katastrophen, Risikoreduzierung und Notfallmechanismen Berichten zufolge nicht oder kaum vorhanden sind. In der Folge stellen Naturkatastrophen wie Überflutungen, Schlammlawinen, Erdbeben, Dürren und harte Winter eine weitere Belastung für die Bevölkerung dar, deren Widerstandskraft ohnehin bereits geschwächt wird.
268 
UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender, 19.04.2016, S. 30 f.; vgl. auch UNOCHA, Humanitarian Needs Overview 2017, November 2016, S. 8.
269 
dd) Des Weiteren ist die Situation der Menschen in Afghanistan bestimmt durch eine anhaltend schlechte Sicherheitslage.
270 
Sie wird - bei starken regionalen Unterschieden - allgemein als anhaltend volatil beschrieben.
271 
Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 19.10.2016 - Stand: September 2016, S. 4. Ruttig in Staatssekretariat für Migration SEM der Schweizerischen Eidgenossenschaft, Notiz Afghanistan: Alltag in Kabul - Referat von Thomas Ruttig (Afghanistan Analysts Network) am 12.04.2017, 20.06.2017, S. 4 ff. spricht von der dreifachen Krise im Hinblick auf die Sicherheitslage, die sozio-ökonomische und die politische Situation in Afghanistan
272 
Afghanistan besetzt auf dem Global Peace Index (GPI) des Jahres 2017 bei den am wenigsten friedlichen Ländern den zweiten Platz hinter Syrien. In der weiteren Beschreibung des GPI wird dazu ausgeführt, die Gesamtbewertung Afghanistans habe sich das sechste Jahr in Folge weiter verschlechtert. Die Anzahl an sicherheitsrelevanten Vorfällen hat auch in den ersten Monaten des Jahres 2017 wieder zugenommen, insbesondere im Vergleich zu derselben Zeitspanne des Vorjahres.
273 
UK Home Office, Country Policy and Information Note - Afghanistan: Security and humanitarian situation, August 2017, S. 14 m.w.N. Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation: Afghanistan (Gesamtaktualisierung vom 02.03.2017, letzte Kurzinformation eingefügt am 27.06.2017), S. 13 f.
274 
Eine Bedrohung für Leib und Leben von Zivilisten geht von den Kampfhandlungen der Konfliktparteien, aber auch von improvisierten Sprengkörpern, von Selbstmordanschlägen und komplexen Angriffen auf staatliche Einrichtungen aus. UNAMA gab im Bericht betreffend den Schutz von Zivilisten im bewaffneten Konflikt für das Jahr 2016 eine Zahl von 11.418 zivilen Opfern an, davon 7.920 Verletzte und 3.498 Tote. Der Halbjahresbericht vom Juli 2017 geht für das erste Halbjahr 2017 von einer Gesamtopferzahl (Tote und Verletzte) von 5.243 im Vergleich zu 5.267 im Vorjahreszeitraum aus. Die überwiegende Zahl von zivilen Opfern ist dabei auf Kampfhandlungen am Boden (38 % im Jahr 2016, 34 % im ersten Halbjahr 2017) und improvisierte Sprengsätze (19 % im Jahr 2016, 18 % im ersten Halbjahr 2017) zurückzuführen. Dabei ist die Bevölkerung immer dann gefährdet, wenn sie bei Kämpfen der Konfliktparteien zwischen die Fronten gerät oder Opfer improvisierter Sprengsätze wird, die für andere Ziele gedacht waren. Weniger ausschlaggebend ist dagegen, ob die afghanischen Sicherheitskräfte oder die Taliban die Kontrolle über einen Raum ausüben.
275 
Auswärtiges Amt, Zwischenbericht: Lagebeurteilung für Afghanistan nach dem Anschlag am 31. Mai 2017 - Stand Juli 2017, S. 8 f.; UNAMA, Midyear Report 2017: Afghanistan - protection of civilians in armed conflict, Juli 2017. S. 3; UNAMA, Annual Report 2016: Afghanistan - protection of civilians in armed conflict, Februar 2017, S. 10.
276 
Während zivile Opfer in ländlichen Gebieten vor allem auf Kampfhandlungen, Landminen, improvisierte Sprengsätze und Übergriffe von nicht-staatlichen Gruppen zurückzuführen sind, stellen für die städtische Bevölkerung vor allem Selbstmordanschläge, komplexe Attacken, gezielte Tötungen und Entführungen Bedrohungen dar. Dies gilt insbesondere für Kabul.
277 
Auswärtiges Amt, Zwischenbericht: Lagebeurteilung für Afghanistan nach dem Anschlag am 31. Mai 2017 - Stand Juli 2017, S. 9.
278 
Ein großer Teil des Landes wird von regierungsfeindlichen Kräften beherrscht, wobei die jeweilige Vorherrschaft der unterschiedlichen Kräfte ständigem Wandel unterworfen ist. Im ersten Quartal 2017 waren nur etwa 60 % der 407 Distrikte des Landes unter der Kontrolle oder dem Einfluss der afghanischen Regierung, was einen Anstieg um 2,5 Prozentpunkte im Vergleich zum Stand Mitte November 2016, aber einen Rückgang um 11 Prozentpunkte im Vergleich zum ersten Quartal 2016 bedeutet. Die Taliban behaupten, 16 der 34 Provinzen Afghanistans zu kontrollieren und in nur 89 Distrikten nicht präsent zu sein. In den südlichen Provinzen Helmand, Nimroz, Uruzgan, Zabul, Ghazni würden beinahe alle Distrikte von ihnen kontrolliert bzw. seien zumindest „umkämpft“.
279 
UK Home Office, Country Policy and Information Note - Afghanistan: Security and humanitarian situation, August 2017, S. 22 f. m.w.N.; siehe auch Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation: Afghanistan (Gesamtaktualisierung vom 02.03.2017, letzte Kurzinformation eingefügt am 27.06.2017), S. 27.
280 
Unter dem direkten Einfluss der Taliban standen im dritten Quartal 2016 etwa 2,9 Millionen Menschen, im vierten Quartal waren es noch ungefähr 2,5 Millionen.
281 
Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation: Afghanistan (Gesamtaktualisierung vom 02.03.2017, letzte Kurzinformation eingefügt am 27.06.2017), S. 26 f.
282 
Die afghanische Regierung konnte dabei die Kontrolle über Kabul sowie die Hauptbevölkerungszentren, die meisten Schlüsselverbindungsstrecken, Provinzhauptstädte und die Mehrzahl der Distriktzentren behalten, wobei Distriktzentren und Provinzhauptstädte von Taliban bekämpft bzw. bedroht und diese sich zeitweise der Hauptkommunikationsverbindungen im Land bemächtigt haben, insbesondere in den Provinzen Kunduz und Helmand.
283 
UK Home Office, Country Policy and Information Note - Afghanistan: Security and humanitarian situation, August 2017, S. 23 m.w.N.; Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation: Afghanistan (Gesamtaktualisierung vom 02.03.2017, letzte Kurzinformation eingefügt am 27.06.2017), S. 24.
284 
In Afghanistan - aber auch grenzüberschreitend Richtung Pakistan - sind mehr als 20 aufständische Gruppen bzw. terroristische Netzwerke aktiv, darunter die Taliban, das Haqqani Netzwerk (verbündet mit den Taliban, aber nicht Teil von deren Kernbewegung), der Islamische Staat (auch Daesh) in Gestalt des IS-Zweigs ISKP (auch ISIL-KP) sowie al-Qaida.
285 
Zu den einzelnen Gruppen ausführlich u.a.: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation: Afghanistan (Gesamtaktualisierung vom 02.03.2017, letzte Kurzinformation eingefügt am 27.06.2017), S. 10 ff. und 27 ff.
286 
Die Sicherheitslage wird außerdem durch den Opiumanbau in Afghanistan beeinträchtigt. Die Einkünfte aus dem Drogenschmuggel versorgen sowohl die Aufständischen als auch daneben bestehende kriminelle Netzwerke. Die Anbaufläche für Opium vergrößerte sich im Jahr 2016 im Vergleich zum Vorjahr um 10 % auf etwa 201.000 Hektar. Das für das Jahr 2016 geschätzte Volumen der Opiumproduktion betrug 4.800 Tonnen, was eine Steigerung von etwa 43 % im Vergleich zum Vorjahr bedeutet. Die im Vergleich zur Ausweitung der Produktionsfläche auffallend hohe Steigerung der Produktionsmenge erklärt sich aus guten Anbaubedingungen bei zugleich weniger effektiven staatlichen Bekämpfungsmaßnahmen aufgrund von fehlenden finanziellen Ressourcen hierfür sowie der schlechten Sicherheitslage.
287 
Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation: Afghanistan (Gesamtaktualisierung vom 02.03.2017, letzte Kurzinformation eingefügt am 27.06.2017), S. 31; General Assembly Security Council, The situation in Afghanistan and its implications for international peace and security - report of the Secretary-General, 03.03.2017, S. 11; zur Instabilität infolge des Opiumhandels: UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender, 19.04.2016, S. 15.
288 
ee) Rückkehrer aus dem westlichen Ausland - freiwillig Zurückgekehrte aber insbesondere auch Abgeschobene - sind zusätzlichen Risiken ausgesetzt. Sie sehen sich dem generellen Verdacht gegenüber, ihr Land und ihre religiöse Pflicht verraten zu haben.
289 
Stahlmann, ZAR 2017, 189 (196); dies., Landeskundliche Stellungnahme Afghanistan vom 30.05.2017, S. 4, je m.w.N.; UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender, 19.04.2016, S. 97, insb. Rn. 545.
290 
Ein Aufenthalt im westlichen Ausland wird vermehrt dahin wahrgenommen, der Zurückkehrende habe sich der europäischen Kultur und dem Lebensstil angepasst. Es herrscht die Erwartung, der Betroffene werde entsprechendes (Fehl-) Verhalten auch in Afghanistan weiter an den Tag legen, etwa außereheliche Beziehungen, Alkohol- und Drogenkonsum und alle möglichen Varianten von Apostasie. Schon entsprechende Gerüchte können ausreichen, um staatliche Verfolgung, jedenfalls aber Selbstjustiz bis hin zur Bestrafung mit dem Tod - auch durch Angehörige - wegen des vermeintlichen Bruchs kultureller und religiöser Normen auszulösen.
291 
Stahlmann, Landeskundliche Stellungnahme Afghanistan vom 30.05.2017, S. 7 ff. m.w.N., dies., Asylmagazin 2017, 82 (83); Schweizerische Flüchtlingshilfe, Schnellrecherche der SFH-Länderanalyse vom 22. Januar 2016 zu Afghanistan: Situation einer ledigen Mutter der Hazara-Ethnie in Kabul, 22.01.2016, S. 9 f. sowie US Department of State, Afghanistan 2016 Human Rights Report, 17.03.2017, S. 11; zum Risiko der vermeintlichen „Kontamination“ durch die westliche Lebensweise: Schuster, Report for the Upper Tribunal in the case of XXXX YYYY, 08.11.2016, S. S. 4 f./Rn. 13 und dies., Risks on return to Kabul, 12.08.2016, S. 19/Rn. 49; Asylos - research for asylum, Afghanistan: Situation of young male „Westernised“ returnees to Kabul, August 2017, S. 29 ff. m.w.N.; zur Problematik der vermeintlichen „Verwestlichung“ bei Frauen ausführlich Giesler/Wohnig, Uneinheitliche Entscheidungspraxis zu Afghanistan - Eine Untersuchung zur aktuellen Afghanistan-Entscheidungspraxis des BAMF und der Gerichte (Ergänzte Fassung zur Kurzfassung aus Asylmagazin 2017, 223) (asyl.net), S. 13 f. m.w.N.
292 
Die Unterstützung durch Angehörige und Familie - soweit vorhanden - ist darüber hinaus des Öfteren eingeschränkt, weil die Rückkehr nach Afghanistan als Ausdruck des Versagens trotz des vermeintlich leichten Lebens im Westen verstanden wird und gleichzeitig der Verdacht schwelt, der Zurückkehrende habe womöglich eine schwere Straftat in Europa begangen. Denn nach einer in Afghanistan weit verbreiteten Auffassung schiebt Europa nur Straftäter ab, weshalb ein Abgeschobener im vermeintlich regellosen Europa ein schweres Verbrechen verübt haben müsse.
293 
Stahlmann, Landeskundliche Stellungnahme Afghanistan vom 30.05.2017, S. 9; zum Stigma des Versagens auch Naber, Asylmagazin 2016, 3 (7) und auch Asylos - research for asylum, Afghanistan: Situation of young male „Westernised“ returnees to Kabul, August 2017, S. 35 sowie S. 36 zur Assoziation der Rückkehr mit Kriminalität, je m.w.N.
294 
Außerdem kann einer Unterstützung durch die Familie entgegenstehen, dass diese erhebliche Mittel aufgewendet oder sogar Geld geliehen hat, um die Reise zu finanzieren. Neben dem Vorwurf, der Zurückkehrende habe die erwartete (Versorgungs-) Leistung nicht erbracht, droht auch die Rückforderung durch Kreditgeber, mit der Folge, dass ein Rückkehrer seiner Familie nicht willkommen, sondern „bestenfalls“ nur eine Belastung für diese ist.
295 
Asylos - research for asylum, Afghanistan: Situation of young male „Westernised“ returnees to Kabul, August 2017, S. 38 und 41.
296 
Des Weiteren wird als Gefahr beschrieben, dass die Taliban die Flucht als ein Verhalten werten, mit dem man sich ihrem Machtanspruch entziehen will. Nachvollziehbar erscheint angesichts dessen, dass von Seiten der Taliban das Interesse bestehen soll, zur allgemeinen Abschreckung diejenigen zur Rechenschaft zu ziehen, die sich ihnen entzogen haben.
297 
Stahlmann, ZAR 2017, 189 (196); dies., Landeskundliche Stellungnahme Afghanistan vom 30.05.2017, S. 4 ff., je m.w.N.; UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender, 19.04.2016, S. 41 f.; Asylos - research for asylum, Afghanistan: Situation of young male „Westernised“ returnees to Kabul, August 2017, S. 33 f. m.w.N.
298 
Entsprechend wird die ohnehin allgemein übliche Überprüfung der Biographie der Rückkehrer durch das neue soziale Umfeld noch sorgfältiger als üblich vorgenommen, da sie wegen ihrer Flucht grundsätzlich verdächtigt werden, sich persönlicher Verfolgung entzogen zu haben - sei es durch militante Gruppierungen oder Privatpersonen.
299 
Stahlmann, Landeskundliche Stellungnahme Afghanistan vom 30.05.2017, S. 5, m.w.N.; ähnlich Asylos - research for asylum, Afghanistan: Situation of young male „Westernised“ returnees to Kabul, August 2017, S. 40 und 43 m.w.N. vgl. auch S. 35 m.w.N. zur Problematik der Diskriminierung/Entlassung bei Bekanntwerden eines vorangegangenen Aufenthalts im westlichen Ausland.
300 
Zudem wird angesichts des - grob verzerrt und übersteigert wahrgenommenen - Reichtums in Europa („Jeder Europäer ist (Euro-)Millionär“) in Afghanistan oft davon ausgegangen, dass Rückkehrer während ihrer Zeit im Westen zu Wohlstand gekommen sind. Sowohl sie selbst als auch ihre Familien laufen daher Gefahr, Opfer von Entführungen zu werden, die lebensbedrohlich sein können, insbesondere wenn nicht gezahlt wird oder werden kann. Das gleiche gilt für bekanntgewordenen Kontakt mit Ausländern.
301 
Stahlmann, ZAR 2017, 189 (198); dies., Landeskundliche Stellungnahme Afghanistan vom 30.05.2017, S. 10 f., je m.w.N.; Schuster, Report for the Upper Tribunal in the case of XXXX YYYY, 08.11.2016, S. 6 f./Rn. 18 sowie Schuster, Risks on return to Kabul, 12.08.2016, S. 20/Rn. 52; Asylos - research for asylum, Afghanistan: Situation of young male „Westernised“ returnees to Kabul, August 2017, S. 29 f. und S. 40, je m.w.N.
302 
Schließlich berichten Rückkehrer von Problemen mit Behörden oder Sicherheitskräften, insbesondere weil sie als anders aussehend wahrgenommen werden, weil sie keine Tazkira haben, aber auch, weil sie als Sicherheitsrisiko empfunden werden, da sie mangels Ausbildung und mangels Chancen auf Arbeit als potentielle Drogenhändler oder durch bewaffnete regierungsfeindliche Kräfte leicht zu rekrutierende Personen gesehen werden.
303 
Asylos - research for asylum, Afghanistan: Situation of young male „Westernised“ returnees to Kabul, August 2017, S. 18.
304 
ff) Andererseits können Rückkehrer - anders als die übrige Bevölkerung - von Unterstützungsmaßnahmen profitieren.
305 
Zusammenfassend hierzu: Afghanistan Analysts Network - voluntary and forced returns to Afghanistan in 2016/17: trends, statistics and experiences, 19.05.2017, S. 6 f. und Asylos - research for asylum, Afghanistan: Situation of young male „Westernised“ returnees to Kabul, August 2017, S. 19 bis 29.
306 
Die Internationale Organisation für Migration (IOM) bietet in Deutschland verschiedene Rückkehrhilfen an. Unterstützung in Gestalt von Geldzahlungen können afghanische Rückkehrer, die sich freiwillig in ihr Heimatland zurückbegeben, über zwei Programme des IOM erlangen.
307 
Das REAG/GARP-Programm 2017 („Reintegration and Emigration Program for Asylum-Seekers in Germany“/„Government Assisted Repatriation Program“) gewährt eine Reisebeihilfe (etwa die Übernahme der Beförderungskosten) sowie eine Starthilfe, die für Erwachsene und Jugendliche 500 EUR und für Kinder unter zwölf Jahren 250 EUR beträgt.
308 
IOM, REAG/GARP-Programm 2017, Informationsblatt Projekt „Bundesweite finanzielle Unterstützung freiwilliger Rückkehrer/Innen“ (Juli 2017), S. 1; IOM, REAG/GARP-Programm 2017, Projekt „Bundesweite finanzielle Unterstützung freiwilliger Rückkehrer/Innen“, Merkblatt für deutsche Behörden, Mitglieder der Wohlfahrtsverbände, Fachberatungsstellen, zentrale Rückkehrberatungsstellen, Ausländerbeauftragte und den Hohen Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (UNHCHR) (Juli 2017), S. 5); IOM, REAG/GARP-Programm 2017, Projekt „Bundesweite finanzielle Unterstützung freiwilliger Rückkehrer/Innen“, Merkblatt für deutsche Behörden, Mitglieder der Wohlfahrtsverbände, Fachberatungsstellen, zentrale Rückkehrberatungsstellen, Ausländerbeauftragte und den Hohen Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (UNHCHR) (Januar 2017), S. 5.
309 
Das „StarthilfePlus-Programm 2017“, das zum Dezember 2017 aktualisiert und erweitert wurde, gewährt Personen, die freiwillig in ihr Heimatland zurückkehren, eine zusätzliche finanzielle Unterstützung. Bei Entscheidung zur Ausreise und Rücknahme des Asylantrags vor Abschluss des Asylverfahrens werden 1.200 EUR, für Kinder unter 12 Jahren 600 EUR pro Kind geleistet („Stufe 1“). Nach Zustellung eines negativen Asylerstbescheids verringert sich der Betrag auf 800 EUR bzw. für Kinder auf 400 EUR, sofern die verbindliche Entscheidung zur freiwilligen Ausreise innerhalb der im Bescheid gesetzten Ausreisefrist erfolgt und keine Rechtsbehelfe bzw. Rechtsmittel eingelegt bzw. bereits eingelegte zurückgenommen werden („Stufe 2“). Die zum Dezember 2017 neu eingeführten „Stufe S“ betrifft Leistungen an Personen mit Schutzstatus, die freiwillig auf ihren Schutzstatus verzichten („Stufe S“). Die Übergangsregelung der „Stufe Ü“, die bereits im Vorgängerprogramm der StarthilfePlus vom Januar 2017 enthalten war, sieht Leistungen ebenfalls im Umfang 800 EUR (bzw. 400 EUR pro Kind) vor. Sie betrifft Rückkehrwillige, die entweder vollziehbar ausreisepflichtig sind, auch wenn eine Abschiebungsandrohung noch nicht oder nicht mehr vollziehbar ist, oder solche, die eine Duldung besitzen, einen Folgeantrag oder einen Zweitantrag gestellt haben. Anders als im Vorgängerprogramm setzt die Gewährung der StarthilfePlus nun nicht mehr voraus, dass die Entscheidung zur freiwilligen Ausreise vor einem Stichtag (dies war bislang der 31. Juli 2017) zu erfolgen hat. Erforderlich ist lediglich, dass die betroffene Person vor dem 1. Februar 2017 in Deutschland registriert wurde und eine vollziehbare Ausreisepflicht, eine Duldung oder die Stellung eines Folge- oder Zweitantrags vor dem 1. August 2017 vorlag. Bei gemeinsamem Antrag von mehr als vier Familienmitgliedern ist zudem bei allen vier Stufen ein Familienzuschlag von 500 EUR vorgesehen. Ein Rechtsanspruch auf finanzielle Unterstützung besteht allerdings nicht.
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BAMF/IOM, StarthilfePlus-Programm 2017, Merkblatt für deutsche Behörden, Mitglieder der Wohlfahrtsverbände, Fachberatungsstellen, zentrale Rückkehrberatungsstellen, Ausländerbeauftragte und den Hohen Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (UNHCHR) (Dezember 2017), S. 2; BAMF/IOM, StarthilfePlus-Programm 2017, Merkblatt für deutsche Behörden, Mitglieder der Wohlfahrtsverbände, Fachberatungsstellen, zentrale Rückkehrberatungsstellen, Ausländerbeauftragte und den Hohen Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (UNHCHR) (Februar 2017), S. 2; BAMF/IOM, Übersichtsblatt zur StarthilfePlus 2017:Zusätzliche finanzielle Unterstützung bei der freiwilligen Rückkehr, Februar 2017.
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Die Auszahlung der Gelder aus dem Programm REAG/GARP erfolgt noch in Deutschland, die des StarthilfePlus-Programms 2017 je zur Hälfte am Abflughafen und zur Hälfte in Afghanistan nach etwa sechs bis acht Monaten. Ansonsten erfolgen Bargeldzahlungen durch die IOM üblicherweise unmittelbar nach der Ankunft am Flughafen oder in einem der IOM-Büros vor Ort.
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BAMF/IOM, StarthilfePlus-Programm 2017, Merkblatt für deutsche Behörden, Mitglieder der Wohlfahrtsverbände, Fachberatungsstellen, zentrale Rückkehrberatungsstellen, Ausländerbeauftragte und den Hohen Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (UNHCHR) (Dezember 2017), S. 3; IOM/ZIRF, Mitteilung vom 14.08.2017 zu den Programmen des IOM für freiwillige Rückkehrer (StarthilfePlus, REAG/GARP) auf eine Anfrage des VGH Bad.-Württ. vom 10.07.2017 (A 11 S 512/17); BAMF/IOM, Übersichtsblatt zur StarthilfePlus 2017: Zusätzliche finanzielle Unterstützung bei der freiwilligen Rückkehr, Februar 2017; Asylos - research for asylum, Afghanistan: Situation of young male „Westernised“ returnees to Kabul, August 2017, S. 13, 17 und 25 m.w.N.
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Darüber hinaus bietet die IOM über das European Reintegration Network (ERIN) das Unterstützungsprogramm ERIN Specific Action Program für Rückkehrer nach Afghanistan an. Dieses hat allerdings - anders als die vorgenannten Programme - keine Geldleistungen zum Gegenstand. Es gewährt Unterstützung nach der Ankunft und bei der Reintegration in Afghanistan, wobei freiwillige Rückkehrer eine umfangreichere Unterstützung („larger re-integration packages”) erhalten als diejenigen, die nicht freiwillig zurückgekehrt sind. Die Inanspruchnahme setzt eine Bewerbung vor der Rückkehr voraus. Angeboten werden ein Empfangs- und Orientierungsservice bei der Ankunft am Flughafen, Unterstützung beim Weitertransport, Empfehlungen zur Sicherstellung der durchgehenden Versorgung mit dringender ärztlicher Behandlung und eine Notfallunterbringung von mindestens einer Woche. Zur weiteren Wiedereingliederung kann die Beratung durch einen IOM-Mitarbeiter in Anspruch genommen werden, der den Rückkehrern und ihren Familien etwa bei der Planung einer Strategie zur Reintegration helfen kann und auch dazu, wie sie die ihnen gewährten nationalen Zuschüsse sinnvoll verwenden können. Möglich sind Hilfestellungen bei Existenzgründungen, die Beratung bei der Suche und Vermittlung von Arbeitsstellen, die Vermittlung in Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen, Unterstützung in sozialen, medizinischen und rechtlichen Angelegenheit oder die Unterstützung bei der Wohnraumbeschaffung. Unterstützungsleistungen werden nicht durch Direktzahlungen, sondern durch Beratungs- und Sachleistungen erbracht. Bei rückgeführten Personen können diese höchstens einen Wert von 700 EUR haben. Als „berücksichtigungsfähige Kriterien“ bei der Prüfung werden existenzsichernde Maßnahmen, individueller medizinischer Bedarf, die Rückkehr weiterer Familienangehöriger, die Dauer des Aufenthalts in Deutschland bzw. der Abwesenheit im Heimatland sowie die Vulnerabilität des Betroffenen genannt. Die Reintegrationsmaßnahmen legen der Rückkehrer und der Mitarbeiter vor Ort individuell fest. Die Unterstützung soll nach drei bis sechs Monaten weitgehend abgeschlossen sein.
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Siehe insgesamt: BAMF/ERIN, Programmsteckbrief ERIN - European Reintegration Network, Rückkehrerhilfen (Projektdauer Juni 2016 bis Dezember 2021), 14.08.2017; IOM/ ERIN - European Reintegration Network, Specific Action Program, Afghanistan Briefing Note, 13.03.2017; ERIN/IOM, ERIN - European Reintegration Network, Specific Action Program, Afghanistan Leaflet, 13.03.2017.
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Sachleistungen können freiwillige Rückkehrer außerdem im Rahmen eines für den Zeitraum zwischen 1. Dezember 2017 und 28. Februar 2018 geltenden Sonderprogramms der StarthilfePlus zur Reintegrationsunterstützung beantragen. Diese umfassen u.a. Bau-, Renovierungs- und Instandhaltungsmaßnahmen, Basismobiliar und Grundausstattung für Küche und sanitäre Anlagen. Die Leistungen sind auf den Wert von 1.000 EUR pro Einzelperson und 3.000 EUR pro Familie begrenzt. Die konkrete Ausgestaltung der Reintegrationsunterstützung ist abhängig von einem nach der Rückkehr im Zielland zu erarbeitenden Reintegrationsplan.
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BAMF/IOM, Informationsblatt „Reintegrationsunterstützung im Bereich Wohnen im Bundesprogramm StarthilfePlus“ (Dezember 2017).
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IOM-Programme werden allerdings nur in geringem Umfang in Anspruch genommen. Dies scheint vor allem an technischen und bürokratischen Hürden zu liegen. Im Falle abgeschobener Personen kann hinzukommen, dass diese die Ankunft und Rückkehr am Flughafen in Kabul als demütigend empfinden, deswegen nicht das Bedürfnis verspüren, dort zu verweilen und entsprechend auch nicht den Kontakt zu dem dortigen IOM-Mitarbeiter suchen. Wenn der Umstand der Rückkehr als erdrückend empfunden wird, hat dies unter Umständen zur Folge, dass sie ihre Zeit mit dem Versuch verbringen, sich anzupassen, sie auf Grund von Depressionen nicht die Kraft für Verwaltungsaufgaben aufbringen, sie die Weitergabe von Informationen an die Behörden fürchten oder es ihnen an einem Telefon oder dem Geld für die Reise zu einem der IOM-Büros mangelt. Als maßgeblicher Grund wird auch vermutet, dass die Betroffenen nicht auf die Notwendigkeit der Kontaktaufnahme zu dem IOM-Mitarbeiter hingewiesen werden.
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Afghanistan Analysts Network - voluntary and forced returns to Afghanistan in 2016/17: trends, statistics and experiences, 19.05.2017, S. 9 f., Asylos - research for asylum, Afghanistan: Situation of young male „Westernised“ returnees to Kabul, August 2017, S. 26 f. m.w.N.; dort auch auf S. 48 zur Problematik, dass von Teilnehmern des IOM-Programms bemängelt worden sei, keine individualisierte Beratung statt, sondern die Beratung zur Planung eines Geschäftsbetriebs sei immer gleich („one-size-fits-all“).
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Auch von Seiten der afghanischen Regierung gibt es Unterstützungsprogramme für Rückkehrer aus Europa.
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Im April 2015 hat die afghanische Regierung zunächst eine Hohe Kommission für Migration gegründet und im November 2016 dann ein gesondert auf die Belange von Rückkehrern gerichtetes Komitee (Displacement and Returnees Executive Committee). Dessen Funktion ist es, eine Strategie zur Koordination von humanitären und Entwicklungsprogrammen festzulegen sowie die Entwicklung von Richtlinien zur Unterstützung (u.a.) von Rückkehrern. Dabei geht es nicht nur um die finanzielle Unterstützung des Einzelnen. Damit die Rückkehrer nicht als gescheitert und unfähig zur Leistung des von ihnen erwarteten Beitrags erscheinen, ist auch die finanzielle Unterstützung des familiären bzw. sozialen Umfelds angedacht. Der Ansatz ist allerdings kritisiert worden, etwa weil er die örtliche Korruption nicht berücksichtige.
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Asylos - research for asylum, Afghanistan: Situation of young male „Westernised“ returnees to Kabul, August 2017, S. 28, dort auch zu Unterstützungsangeboten für das Umfeld bzw. die Gemeinschaft der Rückkehrer („a more community-oriented financial support“).
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Die derzeit von Seiten der afghanischen Regierung gewährten Hilfen umfassen die Bereiche der Arbeitsvermittlung, des rechtlichen Beistands sowie Fragen von Grund und Boden und Obdach. Die Unterstützung wird nicht von einer einzelnen Institution gewährt, vielmehr muss der Rückkehrer selbst die Initiative ergreifen und sich an die jeweils zuständige Stelle wenden - etwa an das Arbeitsministerium, wenn er Hilfe bei der Arbeitssuche erhalten will. Rückkehrer aus Europa berichten, dass sie nur wenig Unterstützung in irgendeiner Art erhalten hätten, mit Ausnahme einer zweiwöchigen Unterbringung durch die Regierung.
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Afghanistan Analysts Network - voluntary and forced returns to Afghanistan in 2016/17: trends, statistics and experiences, 19.05.2017, S. 7; Asylos - research for asylum, Afghanistan: Situation of young male „Westernised“ returnees to Kabul, August 2017, S. 28.
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Schließlich gibt es lokale nichtstaatliche Organisationen, die freiwillige und abgeschobene Rückkehrer unterstützen, etwa IPSO (International Psychosocial Organisation) und AMASO (Afghanistan Migrants Advice & Support Organisation). IPSO ist eine in Deutschland ansässige Organisation mit psychosozialen Unterstützungsangeboten (Selbsterfahrungsgruppen, Übungen zum Leben in Afghanistan, Eins-zu-Eins-Beratung, Malen und Handarbeit). AMASO gewährt Rückkehrern - vorwiegend aus nordischen Ländern - die Möglichkeit einer Unterkunft für mehr als zwei Wochen. Außerdem bietet eine örtliche Anwaltskanzlei (freiwilligen) Rückkehrern aus Norwegen ihre Dienstleistungen an. Etablierte Koordinationsmechanismen zur Sicherstellung der benötigten Unterstützung für alle Rückkehrer oder zu deren Gleichbehandlung scheint es allerdings insgesamt nicht zu geben.
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Afghanistan Analysts Network - voluntary and forced returns to Afghanistan in 2016/17: trends, statistics and experiences, 19.05.2017, S. 7, dort auch S. 10 zu AMASO und IPSO; Asylos - research for asylum, Afghanistan: Situation of young male „Westernised“ returnees to Kabul, August 2017, S. 28 f., dort auf S. 53 auch ausführlicher zu IPSO sowie auf S. 64 ausführlicher zur AMASO, dort auch zur Betreuung eines aus Deutschland abgeschobenen, bei einem Bombenanschlag verletzten Rückkehrers.
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Eine weitere Unterstützungsleistung können Rückkehrer zudem in Form einer kurzfristigen Unterbringung erlangen. Die IOM bietet in einem sogenannten Empfangszentrum (Jangalak reception centre) eine vorübergehende Unterkunft für höchstens zwei Wochen. Es handelt sich um ein Gebäude auf dem Gelände des Ministeriums für Flüchtlinge und Neuverteilung auf dem Gelände der früheren Jangalak-Fabrik. Dort gibt es 24 Zimmer mit je zwei bis drei Betten. Sowohl freiwillige als auch abgeschobene Rückkehrer können dort unterkommen. Zwölf Mitarbeiter betreuen die Rückkehrer. 2016 nutzten 43 Personen das Angebot. Sie blieben durchschnittlich für sieben Nächte.
327 
Afghanistan Analysts Network - voluntary and forced returns to Afghanistan in 2016/17: trends, statistics and experiences, 19.05.2017, S. 9.
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Im Rahmen einer entsprechenden Befragung erklärten mehrere Rückkehrer, sie wollten auf das Angebot nicht zurückgreifen, weil sie glaubten, der Aufenthalt dort berge das Risiko, dass sie als Rückkehrer identifiziert würden.
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Asylos - research for asylum, Afghanistan: Situation of young male „Westernised“ returnees to Kabul, August 2017, S. 63.
330 
c) In Kabul als Ankunfts- bzw. Endort der Abschiebung gestalten sich die Lebensverhältnisse in Teilen ähnlich, es gibt allerdings auch Unterschiede zu den für das gesamte Land erläuterten Lebensverhältnissen.
331 
Wie bereits im Zusammenhang mit dem städtischen Wohnungsmarkt allgemein dargestellt, ist der Wohnungsmarkt in Kabul teuer und (insbesondere auch auf Grund der großen Zahl intern Vertriebener und Rückkehrern aus dem benachbarten Ausland) sehr angespannt. Denn die Stadt Kabul hat von der erheblichen, stetig ansteigenden Anzahl an Migranten einen unverhältnismäßig großen Anteil aufgenommen.
332 
EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City (August 2017), S. 40.
333 
Kabul ist der Hauptzielort der größten Rückkehrbewegung und zugleich auch traditionell ein Zufluchtsgebiet der vom Konflikt betroffenen Binnenvertriebenen insbesondere aus der Zentralregion. Ein erheblicher Anteil der insgesamt 5,7 Millionen Menschen, die nach dem Fall der Taliban aus dem Iran und Pakistan zurückgekehrt waren, und der genannten 1,2 Millionen Binnenvertriebenen hat sich in bzw. um Kabul herum niedergelassen. Zu diesen kommen noch weitere Personen hinzu, etwa ein erheblicher Anteil der im Jahr 2016 aus Pakistan Zurückgekehrten. Ihre Zahl wurde zur Jahresmitte 2016 noch mit 54.600 bemessen. Zum Ende des Jahres 2016 nannte der UNHCR die Zahl ca. 625.000 Rückkehrern aus Pakistan allein für die letzten vier Monate des Jahres 2016. In Zusammenhang mit dieser Entwicklung wird auch die Verlautbarung eines Ministers der afghanischen Regierung (Balkhi) gebracht, Kabul könne nicht alle Personen aus gefährlichen Provinzen aufnehmen, verbunden mit der Bitte, Abschiebungen zu beenden.
334 
Schuster, Report for the Upper Tribunal in the case of XXXX YYYY, 08.11.2016, S. 18/Rn. 53; Schuster, Risks on return to Kabul, 12.08.2016, S. 16 f./Rn. 43; Stahlmann, Asylmagazin 2017, S. 73 (75); UNHCR, Anmerkungen zur Situation in Afghanistan auf Anfrage des deutschen Bundesministerium des Inneren - Dezember 2016, S. 5 zur starken Betroffenheit u.a. von Kabul von der hohen Anzahl an Rückkehrern sowie S. 7 zu Kabul als traditionellem Zufluchtsort.
335 
Ein nicht unerheblicher Teil der Migranten, aber auch der von jeher in Kabul ansässigen Bevölkerung, gehört dabei der Volksgruppe der Hazara an. In Kabul sollen nach Schätzungen über eine Million bzw. bis zu 1,5 Millionen Hazara leben. Die meisten davon sind Vertriebene, die sich erst vor Kurzem dort niedergelassen haben. Sie sind von den negativen Auswirkungen des hohen Arbeitslosigkeit in gleichem Maße wie auch die übrige Bevölkerung betroffen.
336 
Immigration and Refugee Board of Canada, Afghanistan: Situation of Hazara people living in Kabul City, including treatment by society, security situation, and access to employment; security situation for Hazara traveling to areas surrounding Kabul City to access employment, 20.04.2016.
337 
Fast einem Viertel der 55.000 registrierten zurückkehrenden Familien und ein ähnlicher Anteil an nicht dokumentierten Rückkehrern aus Pakistan hat sich in den überfüllten informellen Siedlungen Kabuls niedergelassen. Deswegen bewertet auch der UNHCR im Hinblick auf den Rückgang der wirtschaftlichen Entwicklung in Kabul als Folge des massiven Abzugs der internationalen Streitkräfte im Jahr 2014 die Aufnahmekapazität der Stadt aufgrund begrenzter Möglichkeiten der Existenzsicherung, Marktliquidität, der fehlenden Verfügbarkeit angemessener Unterbringung sowie des mangelnden Zugangs zu grundlegenden Versorgungsleistungen insbesondere im Gesundheits- und Bildungswesen, als äußerst eingeschränkt.
338 
UNHCR, Anmerkungen zur Situation in Afghanistan auf Anfrage des deutschen Bundesministerium des Inneren - Dezember 2016, S. 7.
339 
Als Folge des großen Zustroms nach Kabul wird beschrieben, dass die Migranten in besonderem Maße benachteiligt seien und oft in den überfüllten informellen Siedlungen endeten, für die insbesondere für den Winter die Zustände als schrecklich geschildert werden. Diese bestehen großteils aus behelfsmäßigen Zelten oder Lehmhütten ohne geeigneten Schutz vor Kälte und mit beschränktem Zugang zu sauberem Wasser und medizinischer Versorgung. Es wird von mehreren Dutzend Menschen, insbesondere Kindern und älteren Personen, berichtet, die in den Wintermonaten der Jahre 2012 und 2017 wegen der Kälte gestorben sind. Zum Anderen führt der immense Zuzug dazu, dass die existenziellen Ressourcen noch stärker umkämpft sind, die Arbeitslosigkeit und die Alltagskriminalität zunehmen.
340 
EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City (August 2017), S.40; Stahlmann, Landeskundliche Stellungnahme Afghanistan vom 30.05.2017, S. 15 f.; zu den Zuständen in den informellen Siedlungen auch EASO Country of Origin Information Query - Query concerning the situations of returnees to Afghanistan, 22.06.2015, S. 5 f. m.w.N.; a.i., My children will die this winter - Afghanistan´s broken promise to the displaced, 31.05.2016, S. 17.
341 
Im Übrigen bedeutet eine Wohnung in Kabul zu haben nicht automatisch den Zugang zu Wasser und Strom. Dieser hat sich zwar in den letzten 15 Jahren generell verbessert. Allerdings ist bei der zentralen Wasserversorgung die Wasserqualität schlecht geworden, da Infrastruktur ursprünglich für weit weniger Einwohner ausgelegt war. So funktioniert das öffentliche Wasserleitungssystem nur stundenweise. Zugang zu Leitungswasser haben nur ungefähr 34 % der Einwohner. Die meisten Menschen leben in den Slums und beziehen das Wasser entweder von öffentlichen Pumpen oder selbst angelegten Brunnen, mit denen das Grundwasser angezapft wird. Dessen Stand hat sich zwischenzeitlich von drei bis fünf Metern auf 70 bis 80 Meter Tiefe abgesenkt.
342 
Staatssekretariat für Migration SEM der Schweizerischen Eidgenossenschaft, Notiz Afghanistan: Alltag in Kabul - Referat von Thomas Ruttig (Afghanistan Analysts Network) am 12.04.2017, 20.06.2017, S. 7; Sam Hall, Urban Poverty Report - A study of poverty, food insecurity and resilience in Afghan Cities, November 2014, S. 49.
343 
Schließlich ist auch die Sicherheitslage in Kabul prekär.
344 
Vgl. dazu die Übersicht: UK Home Office, Country Policy and Information Note - Afghanistan: Security and humanitarian situation, August 2017, S. 24 f.
345 
Sie war bereits in den vergangenen Jahren geprägt von zahlreichen Anschlägen, insbesondere auf medienwirksame Ziele ausländischer Streitkräfte und Organisationen sowie Regierungseinrichtungen.
346 
Dazu die ausführliche Darstellung bei Schuster, Report for the Upper Tribunal in the case of XXXX YYYY, 08.11.2016, S. 21 ff./Rn. 59 ff. und dies. Risks on return to Kabul, 12.08.2016, S. 7/Rn. 18 sowie auch Schweizerische Flüchtlingshilfe, Schnellrecherche der SFH-Länderanalyse vom 6. Juni 2016: Sicherheitslage in der Stadt Kabul, 06.06.2016; vgl. auch die genannte Entscheidung OVG NRW, Urteil vom 26.08.2014 - 13 A 2998/11 Rn. 207 bis 230 zur damaligen - vor Abzug internationalen der Streitkräfte liegenden - Sicherheitslage (Rn. 217: „aktuell als stabil eingeschätzt“) und der diesbezüglichen Rolle der Taliban.
347 
In jüngerer Zeit erweist sich die Sicherheitslage weiter als volatil. UNAMA hat für das Jahr 2016 für die gesamte Provinz Kabul 1.758 zivile Opfer registriert (376 Tote und 1.382 Verletzte). Kabul war damit die Provinz mit der höchsten Anzahl ziviler Opfer. Zur ersten Hälfte des Jahrs 2017 berichtete UNAMA, die Provinz Kabul weise weiterhin die höchste Zahl an zivilen Opfern auf, vorwiegend in Kabul City. Von den 1.048 zivilen Opfern (219 Tote und 829 Verletzte) in der Provinz Kabul waren 94 % die Folge von Selbstmordattentaten und komplexen Angriffen in Kabul City durch regierungsfeindliche Kräfte.
348 
UNAMA, Midyear Report 2017: Afghanistan - protection of civilians in armed conflict, Juli 2017, Annex III, S. 73 und S. 5, dort auch Fn. 11 zur Stadt Kabul: 986 zivile Opfer in den ersten sechs Monaten des Jahres (209 Todesopfer und 777 Verletzte); EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City (August 2017), S. 83; UK Home Office, Country Policy and Information Note - Afghanistan: Security and humanitarian situation, August 2017, S. 24.
349 
Vom Dezember 2016 bis zum 31. Mai 2017 gab es insgesamt acht öffentlichkeitswirksame Angriffe in Kabul (bei 42 Angriffen an anderen Orten in Afghanistan). So waren beispielsweise bereits bei einem Angriff durch Aufständische auf einen Stützpunkt der Afghanische Nationalarmee 144 Mitarbeiter getötet und 65 weitere Personen verletzt worden. Der Vorfall, der bei Weitem die schwersten Folgen hatte und gleichzeitig die meiste Aufmerksamkeit in den Medien erfuhr, war allerdings der Anschlag vom 31. Mai 2017.
350 
UK Home Office, Country Policy and Information Note - Afghanistan: Security and humanitarian situation, August 2017, S. 24 f.; Auswärtiges Amt, Zwischenbericht: Lagebeurteilung für Afghanistan nach dem Anschlag am 31. Mai 2017 - Stand Juli 2017, S. 2; Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation: Afghanistan (Gesamtaktualisierung vom 02.03.2017, letzte Kurzinformation eingefügt am 27.06.2017); S. 8 f. vgl. zu den weiteren zahlreichen Vorfällen die Darstellung in der Entscheidung des Senats: VGH Bad.-Württ., Urteil vom 16.10.2017 - A 11 S 512/17 -, juris Rn. 206 ff.
351 
Wie bei dem Vorfall vom 31. Mai 2017 wurden auch bei weiteren Anschlägen in Kabul, die erklärtermaßen gegen Regierungsinstitutionen, internationale Organisationen und Einrichtungen der afghanischen Armee und Polizei gerichtet waren, viele Angehörige der afghanischen Zivilbevölkerung (u.a. Passanten, Kinder usw.) verletzt und getötet.
352 
Schweizerische Flüchtlingshilfe, Schnellrecherche der SFH-Länderanalyse vom 19. Juni 2017 zu Afghanistan: Sicherheitslage in Kabul, 19.06.2017, S. 3 m.w.N.; vgl. auch dazu die Entscheidung des Senats: VGH Bad.-Württ., Urteil vom 16.10.2017 - A 11 S 512/17 -, juris Rn. 206 ff.
353 
Auch im vergangenen Herbst - am 20. Oktober 2017- kam es wieder zu einem Selbstmordattentat, bei dem mindestens 39 Personen, möglicherweise auch 65 Personen getötet wurden.
354 
Spiegel-online, Terror in Afghanistan - Mehr als 50 Tote bei Attentaten auf Moscheen, 20.10.2017.
355 
Im Unterschied zu den vergangen Jahren kommt es nun zu einer Zunahme ziviler Opfer. Dieser Anstieg ist auf zahlreiche Selbstmordattentate und komplexe Angriffe in Kabul zurückzuführen. Anders als früher häufen sich nun auch Anschläge, die sich gezielt gegen Zivilpersonen richten. So beklagt UNAMA, dass sich zwischen dem 1. Januar und dem 30. Juni 2017 mindestens 40 % der von UNAMA dokumentierten zivilen, regierungsfeindlichen Elementen zuzuschreibenden Opfern (und 26 % der Gesamtzahl der zivilen Opfer) das Ergebnis von Angriffen oder Vorfällen sind, die sich gezielt gegen Zivilisten richteten.
356 
UNAMA, Midyear Report 2017: Afghanistan - protection of civilians in armed conflict, Juli 2017, S. 44; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Schnellrecherche der SFH-Länderanalyse vom 19. Juni 2017 zu Afghanistan: Sicherheitslage in Kabul, 19.06.2017, S. 3; dort auch der Hinweis auf die drei schweren Anschläge vom 23. Juli 2016, vom 11. Oktober 2016 und vom 21. November 2016, dazu sogleich; vgl. zur vermehrt gezielt auf die Zivilbevölkerung gerichtete Anschläge, insbesondere der ISKP: Auswärtiges Amt, Zwischenbericht: Lagebeurteilung für Afghanistan nach dem Anschlag am 31. Mai 2017 - Stand Juli 2017, S. 10.
357 
Zusammenfassend ist hinsichtlich der allgemeinen Sicherheitslage in Kabul
358 
- vgl. hierzu ergänzend die Ausführungen im Urteil des Senats vom 16.10.2017 - A 11 S 512/17 -, juris Rn. 193, sowie auch zu den Verhältnissen in Kabul allgemein: juris Rn. 99 ff. -
359 
festzuhalten, dass sich nicht nur die Anzahl der sicherheitsrelevanten Vorfälle gehäuft hat, sondern - wohl maßgeblich auch wegen „neuen“ regierungsfeindlichen Kräfte (IS/Daesh/ISKP) - als weitere Tendenz festzustellen ist, dass bei Anschlägen nun vermehrt zivile Opfer in Kauf genommen werden und sogar gerade auf die Zivilbevölkerung zielen.
360 
Vgl. zum Argument, Angriffe auf die Zivilbevölkerung lägen nicht im Fokus bzw. im Interesse der Taliban, noch das Urteil des OVG NRW vom 26.08.2014 - 13 A 2998/11.A -, NVwZ-RR 2014, 939.
361 
d) Ausgehend von den dargestellten Verhältnissen in Afghanistan insgesamt sowie insbesondere in der Stadt Kabul als End- bzw. Ankunftsort einer Abschiebung ist im Falle der Kläger ein ganz außergewöhnlicher Fall, in dem humanitäre Gründe seiner Abschiebung zwingend entgegensprächen im Sinne von Art. 3 EMRK, nicht festzustellen.
362 
aa) Der Senat konnte sich keine Überzeugungsgewissheit (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) davon bilden, dass der Kläger im Falle seiner Rückkehr auf sich allein gestellt wäre und keine Verwandten oder andere Anlaufstellen in Kabul hätte.
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(1) Das Gericht trifft seine Entscheidung gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Auch im Asylverfahren muss die danach gebotene Überzeugungsgewissheit dergestalt bestehen, dass das Gericht die volle Überzeugung von der Wahrheit (nicht etwa nur von der Wahrscheinlichkeit) des vom Kläger behaupteten individuellen Schicksals erlangt hat. Wegen des sachtypischen Beweisnotstandes, in dem sich der Betroffene insbesondere hinsichtlich der von ihm vorgetragenen Vorgänge im vielfach befinden, genügt für diese Vorgänge in der Regel die Glaubhaftmachung, wodurch allerdings das Gericht nicht von einer Überzeugungsbildung im Sinne des § 108 Abs. 1 VwGO enthoben ist. Vielmehr darf das Gericht keine unerfüllbaren Beweisanforderungen stellen und keine unumstößliche Gewissheit verlangen. Es muss sich in tatsächlich zweifelhaften Fällen mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit begnügen, der den Zweifeln Schweigen gebietet, auch wenn sie nicht völlig auszuschließen sind.
364 
Unter Berücksichtigung des beschriebenen Beweisnotstands kommt dem persönlichen Vorbringen des Klägers und dessen Würdigung gesteigerte Bedeutung zu, weswegen allein der Tatsachenvortrag des Schutzsuchenden zum Erfolg der Klage führen kann, sofern seine Behauptungen unter Berücksichtigung aller sonstigen Umstände in dem Sinne „glaubhaft" sind, dass sich das Gericht von ihrer Wahrheit überzeugen kann.
365 
Grundlegend: BVerwG, Urteile vom 16.04.1985 - 9 C 109.84 -, NVwZ 1985, 567, juris Rn. 16 und vom 29.11.1977 - I C 33.71 -, juris, beide m.w.N.; außerdem: BVerwG, Beschlüsse vom 08.02.2011 - 10 B 1.11 -, NVwZ-RR 2011, 382 und vom 08.03.2007 - 1 B 101.06 -, BeckRS 2007, 22701; vgl. dazu auch Stuhlfauth, in: Bader, u.a., VwGO, 6. Aufl. 2014, § 108 VwGO Rn. 8, m.w.N.
366 
So sieht auch Art. 4 Abs. 5 RL 2011/95EU - der hier bezogen auf das nationale Abschiebungsverbot keine unmittelbare Anwendung finden kann - unter bestimmten Umständen vor, dass die Einlassung des Schutzsuchenden ausreichend sein kann und es keiner Nachweise seiner Aussagen bedarf. Und zwar dann, wenn dieser sich offenkundig bemüht hat, seinen Antrag zu begründen, alle ihm verfügbaren Anhaltspunkte vorliegen, und er eine hinreichende Erklärung für das Fehlen anderer relevanter Anhaltspunkte gegeben hat, festgestellt wurde, dass seine Aussagen kohärent und plausibel sind und sie zu den für seinen Fall relevanten, verfügbaren besonderen und allgemeinen Informationen nicht in Widerspruch stehen, er internationalen Schutz zum frühestmöglichen Zeitpunkt beantragt hat (es sei denn, er kann gute Gründe dafür vorbringen, dass dies nicht möglich war) und schließlich auch seine generelle Glaubwürdigkeit festgestellt worden ist.
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Vgl. dazu EuGH, Urteil vom 22.11.2012 - C-277/11 - (M.M./Irland), NVwZ 2013, 59.
368 
Es ist demzufolge zunächst Sache des Schutzsuchenden, die Gründe für seine Furcht vor Verfolgung schlüssig vorzutragen. Dazu hat er unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern, aus dem sich bei verständiger Würdigung ergibt, dass ihm in seinem Heimatstaat Verfolgung droht. Hierzu gehört, dass er zu den in seine Sphäre fallenden Ereignissen, insbesondere zu seinen persönlichen Erlebnissen, eine Schilderung gibt, die geeignet ist, den behaupteten Anspruch lückenlos zu tragen. Erhebliche Widersprüche und Unstimmigkeiten im Vorbringen können dem entgegenstehen, es sei denn, diese können überzeugend aufgelöst werden. Bei der Bewertung der Stimmigkeit des Sachverhalts müssen u.a. Persönlichkeitsstruktur, Wissensstand und Herkunft des Schutzsuchenden berücksichtigt werden.
369 
Dazu BVerwG, Beschluss vom 21.07.1989 - 9 B 239.89 -, NVwZ 1990, 171, juris Rn. 3 und 4 sowie auch OVG NRW, Urteil vom 02.07.2013 - 8 A 2632/06.A -, BeckRS 2013, 55090 juris Rn. 59.
370 
Mit anderen Worten: Für die richterliche Überzeugungsbildung ist eine bewertende Gesamtschau des gesamten Vorbringens des Schutzsuchenden unter Berücksichtigung seiner individuellen Aussagekompetenz und seiner Glaubwürdigkeit erforderlich, die die Stimmigkeit des Vorbringens an sich, dessen Detailtiefe und Individualität, sowie dessen Übereinstimmung mit den relevanten und verfügbaren Erkenntnismitteln ebenso berücksichtigt wie die Plausibilität des Vorbringens, an der es etwa fehlen kann, wenn nachvollziehbare Erklärungen fehlen oder unterbleiben, falsche oder missverständliche Urkunden nicht erklärt werden können bzw. wenn Beweise oder Vorbringen ohne nachvollziehbaren Grund verspätet vorgebracht werden.
371 
Vgl. insgesamt auch VGH Bad.-Württ., Urteil vom 19.04.2017 - A 11 S 1411/16 -, BeckRS 2017, 127389 Rn. 23 ff. sowie International Association of Refugee Law Judges, Assessment of Credibility in Refugee and Subsidiary Protection claims under the EU Qualification Directive, Judicial criteria and standards, https://www.iarlj.org/images /stories/Credo/Credo_Paper_March 2013-rev1.pdf, Seite 33 f.).
372 
Diese Maßstäbe sind auch bei der Prüfung des geltend gemachten Anspruchs auf Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbots anzuwenden, soweit es um Tatsachenfeststellungen geht, die sich unmittelbar auf das Herkunftsland des Betroffenen beziehen. Denn insoweit sind die Interessenlage und der mögliche Beweisnotstand sehr ähnlich zu der Situation, in der sich ein Kläger befindet, der internationalen Schutz begehrt.
373 
(2) Ein großer Teil der Angaben des Klägers zu seiner Herkunft, Familie und Bildung erweisen sich nicht als kohärent im Sinne des Art. 4 Abs. 5 Buchstabe c) RL 2011/95/EU. Die Angaben in der Anhörung durch das Bundesamt, durch das Verwaltungsgericht und nunmehr durch den erkennenden Senat weisen erhebliche Widersprüche auf, die der Kläger nicht hat erläutern können und die teilweise auch nur dahingehend erklärbar sind, dass die Angaben nicht der Wahrheit entsprechen. Der Senat konnte nicht feststellen, ob eine der verschiedenen Varianten in den Schilderungen der Wahrheit entspricht.
374 
(a) Gegenüber dem Bundesamt behauptete der Kläger ausweislich der Niederschrift über die Anhörung vom 11. Oktober 2016, er sei Analphabet und weder in Afghanistan noch im Iran zur Schule gegangen. Hingegen gab er beim Verwaltungsgericht und gegenüber dem Senat an, sechs Jahre in Afghanistan zur Schule gegangen zu sein. Seine Einlassung, dass er die Angaben beim Bundesamt nicht so wie protokolliert gemacht habe, überzeugen den Senat jedenfalls deswegen nicht, weil der Kläger einmal ausweislich S. 46 der Bundesamtsakten bestätigt hat, dass ihm das Protokoll rückübersetzt worden sei und es den gemachten Angaben und zum anderen auch bei weiteren Unstimmigkeiten (dazu unten) allein auf eine unzutreffende Protokollierung verwiesen hat oder gar keine Erklärung für das inkohärente Aussageverhalten liefern konnte.
375 
(b) Hinsichtlich seiner Tätigkeiten im Iran nach der Handgelenksverletzung hatte er beim Bundesamt angegeben, bei einem anderen Arbeitgeber als Bauwächter gearbeitet zu haben. Beim Verwaltungsgericht ließ er sich dahin ein, als Reinigungskraft tätig gewesen zu sein. Er habe sauber gemacht. Gegenüber dem Senat hat er zunächst ebenfalls angegeben, Reinigungskraft gewesen zu sein um auf den Vorhalt seiner Angaben gegenüber dem Bundesamt zu behaupten, dass er beide Tätigkeiten verfolgt habe. Reinigungstätigkeiten und Security seien für ihn das Gleiche. Sowohl die Abweichungen als auch der Erklärungsversuch, der sich dem Senat als Schutzbehauptung darstellt, zeigen auf, dass sich der Kläger hier nicht bemüht hat, hinsichtlich seines persönlichen Schicksals im Iran die Wahrheit zu berichten. Denn die unterschiedlichen Angaben lassen sich unter keinen Umständen miteinander vereinbaren.
376 
(c) Während der Kläger sowohl beim Bundesamt als auch beim Verwaltungsgericht angegeben hatte, seine beiden Eltern seien jeweils Einzelkinder, hat er vor dem Senat erklärt, er habe einen Onkel in Pakistan. Auf den Vorhalt seiner Einlassung vor dem Bundesamt behauptete er, dort sei er nur gefragt worden, ob er Eltern habe. Dies stimmt zum einen nicht mit dem Protokollinhalt überein (siehe auch oben unter (a)) und vermag erst recht nicht die Einlassung gegenüber dem Verwaltungsgericht zu erklären. Der Senat kann sich daher über die Familienverhältnisse des Klägers keine Überzeugung bilden. Die Aussage gegenüber dem Verwaltungsgericht, es könne sein, dass er Verwandte gehabt habe, diese seien aber alle bereits verstorben, passt in das Bild des Einlassungsverhaltens des Klägers, der offenkundig darum bemüht ist, keine wahrheitsgemäßen Angaben zur Familiensituation zu machen.
377 
(d) Weiter sind die Angaben zur Motivation, Afghanistan zu verlassen und in den Iran überzusiedeln, in einer Weise widersprüchlich, dass sie keine Rückschlüsse auf die tatsächlichen Beweggründe zulassen. Gegenüber dem Bundesamt gab der Kläger an, nach dem Tod seiner Mutter in den Iran gegangen zu sein, um sich zu ernähren, da er in Afghanistan niemanden mehr gehabt und praktisch kein Zuhause mehr gehabt habe. Beim Verwaltungsgericht ließ er sich dahin ein, dass er sich nach dem Tod der Mutter auf den Weg nach Kabul gemacht habe, um sich als Soldat zu melden. Dort habe er auch seine Unterlagen abgegeben. Auf dem Weg sei er von Taliban kontrolliert und geschubst worden. In der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat war hingegen davon keine Rede mehr. Hier hat er sich dahingehend eingelassen, dass er nicht in Afghanistan bei den Nachbarn habe bleiben wollen. Andere substanzielle Angaben machte er auch auf Nachfragen nicht.
378 
(e) Diese vielen Unstimmigkeiten in wesentlichen Bereichen der Angaben und die aufgezeigten Unvereinbarkeiten der verschiedenen Aussagen mit- und untereinander führen dazu, dass sich der Senat zur Familiensituation des Klägers keine Überzeugung bilden kann. Da die Angaben hier - wie ausgeführt -in sich widersprüchlich sind, ohne dass dies erklärlich wäre, der Kläger aber andererseits auch keinen Nachweis über seine Identität führen kann oder will, kann der Senat nicht davon ausgehen, dass der Kläger in Kabul auf sich alleine gestellt wäre. Denn es ergibt zur Überzeugung des Senats nur dann Sinn, seine familiären Verhältnisse und damit einen Teil seiner Identität nicht Preis zu geben, wenn diese für ihn im Falle der Rückkehr günstig und damit für den geltend gemachten Anspruch ungünstig sind. Aufgrund der vielen Unstimmigkeiten im Vortrag lässt sich für den Kläger auch keine generelle Glaubwürdigkeit feststellen, so dass der Senat auch keine hinreichende Überzeugung davon gewinnen konnte, ob der Kläger tatsächlich vier oder fünf Jahre vor seiner Ausreise im Iran gelebt hat oder nicht. Daher lässt sich für den Senat auch die finanzielle Leistungsfähigkeit des Klägers nicht feststellen, was zur Folge hat, dass der Senat nicht davon ausgehen kann, dass der Kläger zur Begleichung der Lebenshaltungskosten in Kabul zwingend und unmittelbar nach Verbrauch etwaiger Rückkehr- und Starthilfen auf eine sofortige Erwerbstätigkeit angewiesen wäre.
379 
bb) Doch auch dann, wenn man zugunsten des Klägers unterstellt, er wäre allein stehend, hätte keine familiären Beziehungen in Kabul und habe mehrere Jahre im Iran gelebt und gearbeitet, führte dies nicht auf ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG.
380 
Der Senat geht in seiner Rechtsprechung (vgl. Urteil vom 09.11.2017 - A 11 S 789/17) davon aus, dass im Falle leistungsfähiger, erwachsener Männer ohne Unterhaltsverpflichtungen und ohne familiäres oder soziales Netzwerk bei der Rückkehr aus dem westlichen Ausland in Kabul die hohen Anforderungen des Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG, Art. 3 EMRK nicht erfüllt sind.
381 
(1) Zwar ist die Lage in Kabul - wie im gesamten Land - prekär. Wie sich aus den vorstehenden Darstellungen ersehen lässt, sind sowohl die wirtschaftlichen Voraussetzungen als auch die humanitären Umstände schlecht. Dasselbe gilt für die in den letzten Jahren stetig schlechter gewordene Sicherheitslage. Dennoch kann nicht gleichsam für sämtliche Rückkehrer aus dem westlichen Ausland, denen es in Kabul oder in Afghanistan insgesamt an (familiären oder sonstigen) Beziehungen oder an Unterstützungsnetzwerken fehlt, angenommen werden, die schlechten Bedingungen im Land könnten generell und bei allen diesen Rückkehrern ganz außerordentliche individuelle Umstände darstellen und die hohen Anforderungen zur Bejahung des Art. 3 EMRK trotz fehlenden Akteurs erfüllen.
382 
Afghanistan und insbesondere Kabul sind gerade auch in jüngster Zeit mit der Rückkehr einer Vielzahl von Menschen aus dem benachbarten und westlichen Ausland konfrontiert. Dabei stellt sich deren Lage, obwohl die Situation für Rückkehrer schwierig ist, nicht für alle gleichermaßen problematisch dar. Berichte dahin, dass Rückkehrer generell oder aber jedenfalls in sehr großer Zahl und unabhängig von ihrer persönlichen Disposition ihr Existenzminimum nicht sichern könnten, gibt es nicht. Vielmehr sind bestimmte, vulnerable Gruppen wie etwa Familien mit jüngeren Kindern, alleinstehende Frauen, Kranke oder ältere Menschen in besonderem Maße gefährdet, ohne dass aber insgesamt festzustellen wäre, dass die Existenzsicherung oder gar das Überleben für sämtliche Rückkehrer nicht gewährleistet wäre.
383 
Insbesondere trifft dies auch nicht für Rückkehrer aus dem westlichen Ausland, aus Europa oder gar aus Deutschland zu, zumal beispielsweise mit Unterstützung der IOM seit dem Jahr 2003 insgesamt 15.041 Personen aus verschiedenen Ländern Europas (darunter das Vereinigte Königreich, Norwegen, die Niederlande, Deutschland, Schweden, Dänemark, Frankreich, Belgien und Österreich) freiwillig nach Afghanistan zurückgekehrt sind. Allein im Jahr 2016 unterstützte die IOM 6.864 Personen bei ihrer freiwilligen Rückkehr nach Afghanistan, davon über 3.000 aus Deutschland. Die meisten Rückkehrer (78 % oder 5.382) waren dabei junge Männer, von denen wiederum ein erheblicher Anteil zwischen 19 und 26 Jahren alt war (2.781) oder sogar Jugendliche mit bis zu 18 Jahren (2.101). Die Zahl der zurückgekehrten Familien wird mit 733 angegeben.
384 
Asylos - research for asylum, Afghanistan: Situation of young male „Westernised“ returnees to Kabul, August 2017, S. 16; Afghanistan Analysts Network - voluntary and forced returns to Afghanistan in 2016/17: trends, statistics and experiences, 19.05.2017, S. 2; UN General Assembly Security Council, The situation in Afghanistan and its implications for international peace and security - report of the Secretary-General, 03.03.2017, S. 10.
385 
Neben diesen zahlreichen freiwilligen Rückkehrern gab und gibt es Abschiebungen aus Europa. So wurden im Zeitraum zwischen Oktober 2016 und April 2017 insgesamt 176 Personen aus Europa nach Afghanistan abgeschoben, darunter 106 aus Deutschland, von denen wiederum auch einige keine Verwandten in Kabul oder in Afghanistan insgesamt hatten (etwa, weil sie zuvor lange Jahre im Iran gelebt hatten).
386 
Afghanistan Analysts Network - voluntary and forced returns to Afghanistan in 2016/17: trends, statistics and experiences, 19.05.2017, S. 3 ff.
387 
Obwohl diese Rückkehrer sich - wie dargestellt - in Afghanistan vielen Belastungen gegenübersehen und die Situation im Land äußerst schwierig ist, sind den umfangreichen Erkenntnismitteln zur Lage in Afghanistan keine Informationen zu entnehmen, aus denen geschlossen werden könnte, allein der Umstand einer Rückkehr aus dem westlichen Ausland bei fehlenden Netzwerken vor Ort stehe einer Existenzsicherung in Afghanistan bzw. in Kabul (auch nur auf niedriger Stufe) entgegen. Zwar gibt es vereinzelte Rückkehrerberichte, die die oben geschilderte Bandbreite von Problemen betreffen. Erfahrungsberichte oder Schilderungen dahin, dass gerade auch leistungsfähige erwachsene männliche Rückkehrer ohne Unterhaltsverpflichtungen gegenüber Kindern sowie kinderlose Ehepaare in großer Zahl oder sogar typischerweise von Obdachlosigkeit, Hunger, Krankheit betroffen oder infolge solcher Umstände gar verstorben wären, liegen hingegen nicht vor. Zwar lassen sich für den Senat Nachteile bei Unterkunfts- und Arbeitssuche durchaus nicht ausschließen, eine tatsächliche Gefahr, dass sie eintreten werden, besteht indes nicht. Eine beachtliche Wahrscheinlichkeit, dass sich diese Situation auch im Falle des Klägers realisieren würde - dass also auch der Kläger entsprechend erkannt würde, dass er infolge dessen tatsächlich keinen Zugang zu einer auch nur einfachen Unterkunft haben würde oder vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen wäre -, vermag der Senat daher nicht festzustellen.
388 
(2) Insbesondere lässt sich aus dem Fehlen eines bereits bestehenden familiären oder sozialen Netzwerks in Kabul nicht die beachtliche Wahrscheinlichkeit eines Verstoßes gegen Art. 3 EMRK herleiten. Ein solches traditionelles Unterstützungsnetzwerk, das durch (unterstützungsfähige und - willige) Mitglieder der (erweiterten) Familie oder ihrer größeren ethnischen Gruppe gebildet wird, ist auch nach Auffassung von UNHCR im Falle von alleinstehenden, leistungsfähigen Männern ohne besonderen Schutzbedarf trotz der schlechten Lebensbedingungen in Afghanistan nicht geboten, um zu verhindern, dass im Falle der Rückkehr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit ein kontinuierlicher Prozess in Gang gesetzt wird, in dem sie verelenden und bleibende schwere physische und seelische Schäden davontragen. Denn von diesen kann erwartet werden, ohne Unterstützung von Familie und Gemeinschaft in urbanen und semi-urbanen Umgebungen zu leben, die die notwendige Infrastruktur sowie Erwerbsmöglichkeiten zur Sicherung der Grundversorgung bieten und unter tatsächlicher staatlicher Kontrolle stehen, wobei allerdings dennoch immer eine einzelfallbezogene Analyse vorzunehmen ist.
389 
UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender, 19.04.2016, S. 10 und S. 99, wobei in der nachfolgenden Stellungnahme des UNHCR vom Dezember 2016 (Anmerkungen zur Situation in Afghanistan auf Anfrage des deutschen Bundesministerium des Inneren - Dezember 2016) insofern keine Änderungen der Bewertung vorgenommen wurden (vgl. dort zur Aufrechterhaltung der Erwägungen der Richtlinien vom 19.04.2016: S. 7 f.).
390 
Von nicht unerheblicher Bedeutung kann allerdings sein, ob die Betroffenen eine der beiden in Afghanistan gesprochenen Sprachen (Paschtu und Dari) beherrschen und sich somit hinreichend verständigen können.
391 
Zu diesem Kriterium vgl. BayVGH, Urteil vom 16.01.2014 - 13a B 13.30025 -, Leitsatz sowie juris Rn. 25 (Sicherung des Existenzminimums für einen afghanischen Rückkehrer ohne Kenntnisse einer der Landessprachen verneint, wenn kein Vermögen vorhanden und keine familiäre Unterstützung zu erlangen ist).
392 
Dies ist bei dem Kläger der Fall. Weiter ist zu beachten, dass der den Erkenntnismitteln zu entnehmende Zusammenhalt unter den Volkszugehörigen der Hazara dem Kläger bei einer Rückkehr nach Kabul zugutekommen kann, da für Hazara beim Zuzug in eine neue Stadt die Möglichkeit besteht, auf ein Netzwerk um die örtliche Moschee oder eine religiöse bzw. eine Wohlfahrtseinrichtung zurückzugreifen.
393 
EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City (August 2017), S. 68.
394 
Bereits aus dieser Möglichkeit ergibt sich, dass die Volkszugehörigkeit des Klägers seiner Existenzsicherung nicht entgegensteht. Aus den obigen Ausführungen unter I. 2. b) folgt weiter, dass die mögliche Alltagsdiskriminierung der Hazara sich nicht mit der hier zu prüfenden beachtlichen Wahrscheinlichkeit existenzbedrohend für den Kläger auswirkt. Insbesondere gibt es trotz der großen Zahl der Hazara in Kabul keine Berichte darüber, dass Hazara typischerweise keine Arbeit und/oder keine Unterkunft erhalten würden.
395 
(3) Das Erwirtschaften eines - wenn auch womöglich sehr geringen - Einkommens wird dem Kläger trotz des angespannten Arbeitsmarkts wenigstens als Tagelöhner möglich sein. Insbesondere vermag der Senat aus dem diagnostizierten „Zustand nach einer Extensionsfraktur des distalen Radius rechts“ nicht den Schluss zu ziehen, dass der Kläger in erheblicher Weise bei der Arbeitsplatzsuche eingeschränkt wäre. Denn die von ihm beauftragte Fachärztin für Chirurgie kommt in ihrer Bescheinigung vom 8. November 2011 zu dem Ergebnis, dass kein schwer einschränkender Dauerschaden vorläge sondern nur leichte Belastungsschmerzen zu verzeichnen seien. Ausgehend von diesen fachärztlichen Aussagen lässt sich eine mögliche, erhebliche Einschränkung bei der Arbeitsplatzsuche – etwa weil bereits eine Vielzahl von Angeboten aus körperlichen Gründen abgelehnt werden müssten – nicht feststellen.
396 
Unterstellt man die Angaben des Klägers zu seiner Beschäftigung und seinen Lebensumständen im Iran, so hat er dort im Übrigen bewiesen, dass er auf sich allein gestellt auch unmittelbar nach dem Handgelenksbruch flexibel genug reagieren konnte und Tätigkeiten im Reinigungs- und Bewachungsgewerbe finden konnte. Dies lässt jedenfalls nicht den Schluss zu, dass er zu einer erfolgreichen Arbeitsplatzsuche nicht in der Lage wäre.
397 
(4) Zwar sind die Lebenshaltungskosten für den Kläger in Kabul hoch. Ausgehend von vorstehenden Ausführungen (ohne Unterbringungskosten) sind sie mit mindestens 100 EUR pro Monat zu bemessen, die Mietkosten werden mit mindestens 88 US$ bzw. 4.000 Afghani bzw. 75 EUR pro Monat angegeben
398 
S.o., insbesondere zu den monatlichen Lebenshaltungskosten von mindestens 100 EUR: BAMF/ZIRF/IOM, ZIRF-Anfrage Wohnraumsituation I: Lebenshaltungskosten in Kabul für alleinstehenden Mann, 09.05.2017 sowie zum Preis von ab 4.000 Afghani für ein Einzelzimmer: Schuster, Risks on return to Kabul, 12.08.2016, S. 16/Rn. 42.
399 
Der Kläger hat die Möglichkeit, zunächst im Jangalak-Zentrum zu wohnen, sich von dort um Arbeit und Unterkunft - beides ggf. auf niedrigem Niveau - zu bemühen und - sollte es nicht anders gehen - vorübergehend in einer der informellen Siedlungen unterzukommen. Dass die fraglos beklagenswerten Zustände in solchen Siedlungen insgesamt flächendeckend derart desolat sind, dass sie gleichsam für jeden Bewohner und damit auch für die kinderlosen Kläger mit den hohen Anforderungen des Art. 3 EMRK nicht zu vereinbaren wären, vermag der Senat nicht festzustellen.
400 
(5) Der Senat geht dabei allerdings davon aus, dass die dargestellten Rückkehrerhilfen für die Frage der Existenzsicherung der Kläger keine nachhaltige Bedeutung haben können, da sie bestenfalls eine anfängliche Unterstützung bzw. einen nur vorübergehenden Ausgleich schaffen können. Die 500,- EUR, die die Kläger bei einer Entscheidung zur freiwilligen Rückkehr über das REAG/GARP-Programm erhalten würden, vermögen ihnen nur eine überschaubare Erleichterung zu bieten. Auch die Leistungen des ERIN-Programms stellt der Senat nicht in die Beurteilung ein. So besteht kein Rechtsanspruch auf diese Leistungen, weswegen unklar ist, ob der Kläger überhaupt Leistungen erhalten würd. Im Übrigen ist auch nicht im Voraus bestimmbar, welche Leistungen im Falle einer Leistungsgewährung vor Ort in Betracht gezogen werden könnten.
401 
Vgl. dazu VGH Bad.-Württ., Urteil vom 03.11.2017 - A 11 S 1704/17 -.
402 
Gleiches gilt für die Geldleistungen des im Dezember 2017 neu aufgelegten StarthilfePlus-Programms, auf die ein Rechtsanspruch nicht besteht. Auch welche Sachleistungen im Rahmen des bis 28. Februar 2018 befristeten Reintegrations-Programms der StarthilfePlus womöglich gewährt werden könnten, ist angesichts des erst vor Ort auszuarbeitenden Reintegrationsplans völlig offen.
403 
(6) Schließlich ist auch im Hinblick auf die durchaus schwierige Sicherheitslage in Kabul ein Verstoß im Sinne von § 60 Abs. 5 AufenthG, Art. 3 EMRK nicht festzustellen. So entspricht die Gefahrendichte in der Provinz Kabul insbesondere nicht der, wie sie im Rahmen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts zur Gewährung subsidiären Schutzes (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG) erforderlich wäre, was oben bereits erläutert worden ist.
404 
Zur Heranziehung dieses Kriteriums im Rahmen des Art. 3 EMRK bzw. des § 60 Abs. 5 AufenthG vgl. etwa VGH Bad.-Württ., Urteile vom 09.11.2017 - A 11 S 789/17 -, juris; vom 26.02.2014 - A 11 S 2519/19 -, vom 14.08.2013 - A 11 S 688/13 - und vom 24.07.2013 - A 11 S 727/13 -.
405 
2. Auch auf der Grundlage von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ist ein nationales Abschiebungsverbot nicht gegeben.
406 
a) Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht.
407 
Dies kann aus individuellen Gründen - etwa wegen drohender An- oder Übergriffe Dritter oder auf Grund von Krankheit - der Fall sein (a)), kommt aber ausnahmsweise auch infolge einer allgemein unsicheren oder wirtschaftlich schlechten Lage im Zielstaat in Betracht (b)).
408 
aa) Vom Tatbestand des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG werden existentielle Gefahren wie Tötung, Folter, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung umfasst
409 
- Koch, in: BeckOK Ausländerrecht, Stand 15.08.2016, § 60 Rn. 40; Möller/Stiegeler, in: Hofmann u.a., Ausländerrecht, 2. Aufl. 2016, § 60 Rn. 33 -,
410 
sowie insbesondere auch solche auf Grund von Krankheit.
411 
Vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 12.07.2015 - 1 B 84.16 - Rn. 4 m.w.N. sowie insgesamt auch BVerwG, Urteile vom 17.10.2006 - 1 C 18.05 - NVwZ 2007, 712, juris Rn. 14 ff.; vom 29.10.2002 - 1 C 1.02 - NVwZ 2003, Beilage Nr. I 7, 53 juris Rn. 9; vom 29.07.1999 - 9 C 2.99 -, juris Rn. 7 und vom 25.11.1997 - 9 C 58.96 -, NVwZ 1998, 524.
412 
Dabei reicht es entsprechend dem Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit nicht aus, wenn eine Verfolgung oder sonstige Rechtsgutverletzung im Bereich des Möglichen liegt. Vielmehr muss sie bei zusammenfassender Bewertung des Sachverhalts und verständiger Würdigung aller objektiven Umstände dahingehend vorliegen, dass bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen eine ernsthafte Furcht vor der Rechtsgutverletzung gerechtfertigt ist, die für eine Rechtsgutverletzung sprechenden Umstände also größeres Gewicht haben als die dagegen sprechenden Tatsachen, wobei auch die Zumutbarkeit eines mit der Rückkehr verbundenen Risikos und der Rang des gefährdeten Rechtsguts von Bedeutung sind.
413 
Vgl. zusammenfassend HTK-AuslR/§ 60 AufenthG/zu Abs. 7 Satz 1 bis 4/ Rn. 8 und Möller/Stiegeler, in: Hofmann u.a., Ausländerrecht, 2. Aufl. 2016, § 60 Rn. 32, beide m.w.N., sowie zum Maßstab bei individuellen Gründen u.a. auch BVerwG, Beschluss vom 18.07.2001 - 1 B 71.01 -, juris sowie Urteile vom 17.10.2006 – 1 C 18.05 -, NVwZ 2007, 712, juris Rn. 20 und vom 17.10.1995 – 9 C 9.95 -, NVwZ 1996, 1999, juris Rn. 16.
414 
bb) Neben den genannten individuellen Gefahren für Leib und Leben können unter bestimmten Voraussetzungen ausnahmsweise auch die generell herrschenden Lebensbedingungen im Zielstaat ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG begründen.
415 
Zwar sind allgemeine Gefahren - also auch die die Bevölkerung insgesamt treffenden (schlechten) Lebensbedingungen in einem Land - gemäß § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG bei Anordnungen zur vorübergehenden Aussetzung von Abschiebungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen und begründen demnach grundsätzlich kein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Eine Ausnahme liegt aber bei einer extremen Gefahrenlage vor, welche sich wiederum auch aus den den Ausländer erwartenden Lebensbedingungen ergeben kann. So können die im Zielstaat herrschenden wirtschaftlichen Existenzbedingungen und die damit zusammenhängende Versorgungslage einen Abschiebungsschutz in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ausnahmsweise begründen, wenn bei einer Rückkehr aufgrund dieser Bedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit eine extreme Gefahrenlage vorläge. Denn dann gebieten es die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, trotz einer fehlenden politischen Leitentscheidung nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu gewähren. Ob dies der Fall ist, hängt wesentlich von den Umständen des Einzelfalles ab und entzieht sich einer rein quantitativen oder statistischen Betrachtung. Die drohenden Gefahren müssen jedoch nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht sein, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung für den Ausländer die begründete Furcht ableiten lässt, selbst in erheblicher Weise ein Opfer der extremen allgemeinen Gefahrenlage zu werden.
416 
Bezüglich der Wahrscheinlichkeit des Eintritts der drohenden Gefahren ist von einem im Vergleich zum Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit strengeren Maßstab auszugehen. Diese Gefahren müssen dem Ausländer daher mit hoher Wahrscheinlichkeit drohen. Dieser Wahrscheinlichkeitsgrad markiert die Grenze, ab der seine Abschiebung in den Heimatstaat verfassungsrechtlich unzumutbar erscheint. Dieser hohe Wahrscheinlichkeitsgrad ist ohne Unterschied in der Sache in der Formulierung mit umschrieben, dass die Abschiebung dann ausgesetzt werden müsse, wenn der Ausländer ansonsten gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde. Schließlich müssen sich diese Gefahren alsbald nach der Rückkehr realisieren. Das bedeutet nicht, dass im Falle der Abschiebung der Tod oder schwerste Verletzungen sofort, gewissermaßen noch am Tag der Abschiebung, eintreten müssen. Vielmehr besteht eine extreme Gefahrenlage beispielsweise auch dann, wenn der Ausländer mangels jeglicher Lebensgrundlage dem baldigen sicheren Hungertod ausgeliefert werden würde.
417 
Dazu u.a. BVerwG, Urteile 13.06.2013 – 10 C 13.12 -, NVwZ 2013, 1489 Rn. 12 f.; vom 31.01.2013 – 10 C 15.12 -, Rn. 38.; vom 29.09.2011 – 10 C 24.10 -, NVwZ 2012, 451 Rn. 20; vom 08.09.2011 - 10 C 14.10 -, NVwZ 2012, 240 Rn. 22 f. und vom 29.06.2010 - 10 C 10.09 -, juris Rn. 14 f.; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 31.01.2013 – 10 C 15.12 -, Rn. 28 zu den unterschiedlichen rechtlichen Maßstäben von § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG60 Abs. 2 AufenthG a.F.) sowie auch Art. 3 EMRK einerseits und § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG andererseits.
418 
Von diesem Maßstab ausgehend gewährt § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG unter dem Gesichtspunkt der extremen Gefahrenlage keinen weitergehenden Schutz, als es § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK tut. Liegen also die Voraussetzungen eines nationalen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK wegen schlechter humanitärer Bedingungen nicht vor, so scheidet auch eine im Rahmen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG relevante, extreme Gefahrenlage aus.
419 
b) Danach hat der Kläger keinen Anspruch auf die Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG.
420 
aa) Zum einen besteht keine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit des Klägers aus individuellen Gründen. Insbesondere führen die vorhandenen leichten Belastungsschmerzen am Handgelenk nicht auf eine solche Gefahr.
421 
bb) Zum anderen lässt sich auch aus den dargestellten, schlechten Lebensverhältnissen in Afghanistan ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht begründen. Denn die beschriebenen hohen Anforderungen, aus denen wegen einer extremen Gefahrenlage ausnahmsweise ein solches Abschiebungsverbot hergeleitet werden könnte, liegen nicht vor. So vermögen die - fraglos schlechten - Lebensverhältnisse vorliegend schon keinen Verstoß gegen Art. 3 EMRK zu begründen (s.o.). Dass gerade der Kläger als leistungsfähiger, erwachsener Mann ohne Unterhaltsverpflichtungen im Falle einer Rückkehr alsbald sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert sein würde, kann der Senat danach nicht festzustellen. So liegen etwa Anhaltspunkte dahin, dass der Kläger mangels jeglicher Lebensgrundlage dem baldigen sicheren Hungertod preisgegeben wäre, nicht vor.
III.
422 
Die Berufung ist daher insgesamt mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2, zurückzuweisen. Die Gerichtskostenfreiheit folgt aus § 83b AsylG.
423 
Gründe im Sinne des § 132 Abs. 2 VwGO, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
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Tenor I. Der Antrag wird abgelehnt. II. Der Kläger hat die Kosten des Antragsverfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben. Gründe Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufu
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published on 08/10/2018 00:00

Tenor I. Die Klage wird abgewiesen. II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Tatbestand Der im Jahr 1997 geborene Kläger, afghan
published on 25/02/2019 00:00

Tenor I. Die Klage wird abgewiesen. II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Beteiligte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleist
published on 30/07/2018 00:00

Tenor I. Soweit die Klage zurückgenommen wurde, wird das Verfahren eingestellt. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstre
published on 27/02/2019 00:00

Tenor I. Die Klage wird abgewiesen. II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegu
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Annotations

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.

(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.

(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.

(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.

(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.

(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.

(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.

(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.

(7) Gegen einen Ausländer,

1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder
2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Einreise- und Aufenthaltsverbot anordnen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wird mit Bestandskraft der Entscheidung über den Asylantrag wirksam. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Über die Aufhebung, Verlängerung oder Verkürzung entscheidet die zuständige Ausländerbehörde.

(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.

(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt:

1.
die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe,
2.
Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder
3.
eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.

(2) Ein Ausländer ist von der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach Absatz 1 ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine schwere Straftat begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen lassen hat, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen (BGBl. 1973 II S. 430, 431) verankert sind, zuwiderlaufen oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.
Diese Ausschlussgründe gelten auch für Ausländer, die andere zu den genannten Straftaten oder Handlungen anstiften oder sich in sonstiger Weise daran beteiligen.

(3) Die §§ 3c bis 3e gelten entsprechend. An die Stelle der Verfolgung, des Schutzes vor Verfolgung beziehungsweise der begründeten Furcht vor Verfolgung treten die Gefahr eines ernsthaften Schadens, der Schutz vor einem ernsthaften Schaden beziehungsweise die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens; an die Stelle der Flüchtlingseigenschaft tritt der subsidiäre Schutz.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt:

1.
die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe,
2.
Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder
3.
eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.

(2) Ein Ausländer ist von der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach Absatz 1 ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine schwere Straftat begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen lassen hat, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen (BGBl. 1973 II S. 430, 431) verankert sind, zuwiderlaufen oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.
Diese Ausschlussgründe gelten auch für Ausländer, die andere zu den genannten Straftaten oder Handlungen anstiften oder sich in sonstiger Weise daran beteiligen.

(3) Die §§ 3c bis 3e gelten entsprechend. An die Stelle der Verfolgung, des Schutzes vor Verfolgung beziehungsweise der begründeten Furcht vor Verfolgung treten die Gefahr eines ernsthaften Schadens, der Schutz vor einem ernsthaften Schaden beziehungsweise die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens; an die Stelle der Flüchtlingseigenschaft tritt der subsidiäre Schutz.

Die Verfolgung kann ausgehen von

1.
dem Staat,
2.
Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen, oder
3.
nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in den Nummern 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht.

(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt:

1.
die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe,
2.
Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder
3.
eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.

(2) Ein Ausländer ist von der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach Absatz 1 ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine schwere Straftat begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen lassen hat, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen (BGBl. 1973 II S. 430, 431) verankert sind, zuwiderlaufen oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.
Diese Ausschlussgründe gelten auch für Ausländer, die andere zu den genannten Straftaten oder Handlungen anstiften oder sich in sonstiger Weise daran beteiligen.

(3) Die §§ 3c bis 3e gelten entsprechend. An die Stelle der Verfolgung, des Schutzes vor Verfolgung beziehungsweise der begründeten Furcht vor Verfolgung treten die Gefahr eines ernsthaften Schadens, der Schutz vor einem ernsthaften Schaden beziehungsweise die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens; an die Stelle der Flüchtlingseigenschaft tritt der subsidiäre Schutz.

Die Verfolgung kann ausgehen von

1.
dem Staat,
2.
Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen, oder
3.
nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in den Nummern 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht.

(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt:

1.
die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe,
2.
Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder
3.
eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.

(2) Ein Ausländer ist von der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach Absatz 1 ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine schwere Straftat begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen lassen hat, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen (BGBl. 1973 II S. 430, 431) verankert sind, zuwiderlaufen oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.
Diese Ausschlussgründe gelten auch für Ausländer, die andere zu den genannten Straftaten oder Handlungen anstiften oder sich in sonstiger Weise daran beteiligen.

(3) Die §§ 3c bis 3e gelten entsprechend. An die Stelle der Verfolgung, des Schutzes vor Verfolgung beziehungsweise der begründeten Furcht vor Verfolgung treten die Gefahr eines ernsthaften Schadens, der Schutz vor einem ernsthaften Schaden beziehungsweise die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens; an die Stelle der Flüchtlingseigenschaft tritt der subsidiäre Schutz.

Die Verfolgung kann ausgehen von

1.
dem Staat,
2.
Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen, oder
3.
nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in den Nummern 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

Die Verfolgung kann ausgehen von

1.
dem Staat,
2.
Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen, oder
3.
nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in den Nummern 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

Die Verfolgung kann ausgehen von

1.
dem Staat,
2.
Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen, oder
3.
nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in den Nummern 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht.

(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt:

1.
die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe,
2.
Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder
3.
eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.

(2) Ein Ausländer ist von der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach Absatz 1 ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine schwere Straftat begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen lassen hat, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen (BGBl. 1973 II S. 430, 431) verankert sind, zuwiderlaufen oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.
Diese Ausschlussgründe gelten auch für Ausländer, die andere zu den genannten Straftaten oder Handlungen anstiften oder sich in sonstiger Weise daran beteiligen.

(3) Die §§ 3c bis 3e gelten entsprechend. An die Stelle der Verfolgung, des Schutzes vor Verfolgung beziehungsweise der begründeten Furcht vor Verfolgung treten die Gefahr eines ernsthaften Schadens, der Schutz vor einem ernsthaften Schaden beziehungsweise die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens; an die Stelle der Flüchtlingseigenschaft tritt der subsidiäre Schutz.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Dem Ausländer wird die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er

1.
in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d hat und
2.
sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt.

(2) Bei der Prüfung der Frage, ob ein Teil des Herkunftslandes die Voraussetzungen nach Absatz 1 erfüllt, sind die dortigen allgemeinen Gegebenheiten und die persönlichen Umstände des Ausländers gemäß Artikel 4 der Richtlinie 2011/95/EU zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag zu berücksichtigen. Zu diesem Zweck sind genaue und aktuelle Informationen aus relevanten Quellen, wie etwa Informationen des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge oder des Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen, einzuholen.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt:

1.
die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe,
2.
Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder
3.
eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.

(2) Ein Ausländer ist von der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach Absatz 1 ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine schwere Straftat begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen lassen hat, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen (BGBl. 1973 II S. 430, 431) verankert sind, zuwiderlaufen oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.
Diese Ausschlussgründe gelten auch für Ausländer, die andere zu den genannten Straftaten oder Handlungen anstiften oder sich in sonstiger Weise daran beteiligen.

(3) Die §§ 3c bis 3e gelten entsprechend. An die Stelle der Verfolgung, des Schutzes vor Verfolgung beziehungsweise der begründeten Furcht vor Verfolgung treten die Gefahr eines ernsthaften Schadens, der Schutz vor einem ernsthaften Schaden beziehungsweise die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens; an die Stelle der Flüchtlingseigenschaft tritt der subsidiäre Schutz.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Die oberste Landesbehörde kann aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen allgemein oder in bestimmte Staaten für längstens drei Monate ausgesetzt wird. Für einen Zeitraum von länger als sechs Monaten gilt § 23 Abs. 1.

(2) Die Abschiebung eines Ausländers ist auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Die Abschiebung eines Ausländers ist auch auszusetzen, wenn seine vorübergehende Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen eines Verbrechens von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre. Einem Ausländer kann eine Duldung erteilt werden, wenn dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Soweit die Beurkundung der Anerkennung einer Vaterschaft oder der Zustimmung der Mutter für die Durchführung eines Verfahrens nach § 85a ausgesetzt wird, wird die Abschiebung des ausländischen Anerkennenden, der ausländischen Mutter oder des ausländischen Kindes ausgesetzt, solange das Verfahren nach § 85a nicht durch vollziehbare Entscheidung abgeschlossen ist.

(2a) Die Abschiebung eines Ausländers wird für eine Woche ausgesetzt, wenn seine Zurückschiebung oder Abschiebung gescheitert ist, Abschiebungshaft nicht angeordnet wird und die Bundesrepublik Deutschland auf Grund einer Rechtsvorschrift, insbesondere des Artikels 6 Abs. 1 der Richtlinie 2003/110/EG des Rates vom 25. November 2003 über die Unterstützung bei der Durchbeförderung im Rahmen von Rückführungsmaßnahmen auf dem Luftweg (ABl. EU Nr. L 321 S. 26), zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist. Die Aussetzung darf nicht nach Satz 1 verlängert werden. Die Einreise des Ausländers ist zuzulassen.

(2b) Solange ein Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Absatz 1 besitzt, minderjährig ist, soll die Abschiebung seiner Eltern oder eines allein personensorgeberechtigten Elternteils sowie der minderjährigen Kinder, die mit den Eltern oder dem allein personensorgeberechtigten Elternteil in familiärer Lebensgemeinschaft leben, ausgesetzt werden.

(2c) Es wird vermutet, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen. Der Ausländer muss eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen. Diese ärztliche Bescheinigung soll insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung, den lateinischen Namen oder die Klassifizierung der Erkrankung nach ICD 10 sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, enthalten. Zur Behandlung der Erkrankung erforderliche Medikamente müssen mit der Angabe ihrer Wirkstoffe und diese mit ihrer international gebräuchlichen Bezeichnung aufgeführt sein.

(2d) Der Ausländer ist verpflichtet, der zuständigen Behörde die ärztliche Bescheinigung nach Absatz 2c unverzüglich vorzulegen. Verletzt der Ausländer die Pflicht zur unverzüglichen Vorlage einer solchen ärztlichen Bescheinigung, darf die zuständige Behörde das Vorbringen des Ausländers zu seiner Erkrankung nicht berücksichtigen, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Einholung einer solchen Bescheinigung gehindert oder es liegen anderweitig tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankung, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde, vor. Legt der Ausländer eine Bescheinigung vor und ordnet die Behörde daraufhin eine ärztliche Untersuchung an, ist die Behörde berechtigt, die vorgetragene Erkrankung nicht zu berücksichtigen, wenn der Ausländer der Anordnung ohne zureichenden Grund nicht Folge leistet. Der Ausländer ist auf die Verpflichtungen und auf die Rechtsfolgen einer Verletzung dieser Verpflichtungen nach diesem Absatz hinzuweisen.

(3) Die Ausreisepflicht eines Ausländers, dessen Abschiebung ausgesetzt ist, bleibt unberührt.

(4) Über die Aussetzung der Abschiebung ist dem Ausländer eine Bescheinigung auszustellen.

(5) Die Aussetzung der Abschiebung erlischt mit der Ausreise des Ausländers. Sie wird widerrufen, wenn die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe entfallen. Der Ausländer wird unverzüglich nach dem Erlöschen ohne erneute Androhung und Fristsetzung abgeschoben, es sei denn, die Aussetzung wird erneuert. Ist die Abschiebung länger als ein Jahr ausgesetzt, ist die durch Widerruf vorgesehene Abschiebung mindestens einen Monat vorher anzukündigen; die Ankündigung ist zu wiederholen, wenn die Aussetzung für mehr als ein Jahr erneuert wurde. Satz 4 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe durch vorsätzlich falsche Angaben oder durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit selbst herbeiführt oder zumutbare Anforderungen an die Mitwirkung bei der Beseitigung von Ausreisehindernissen nicht erfüllt.

(6) Einem Ausländer, der eine Duldung besitzt, darf die Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht erlaubt werden, wenn

1.
er sich in das Inland begeben hat, um Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu erlangen,
2.
aufenthaltsbeendende Maßnahmen bei ihm aus Gründen, die er selbst zu vertreten hat, nicht vollzogen werden können oder
3.
er Staatsangehöriger eines sicheren Herkunftsstaates nach § 29a des Asylgesetzes ist und sein nach dem 31. August 2015 gestellter Asylantrag abgelehnt oder zurückgenommen wurde, es sei denn, die Rücknahme erfolgte auf Grund einer Beratung nach § 24 Absatz 1 des Asylgesetzes beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, oder ein Asylantrag nicht gestellt wurde.
Zu vertreten hat ein Ausländer die Gründe nach Satz 1 Nummer 2 insbesondere, wenn er das Abschiebungshindernis durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit oder durch eigene falsche Angaben selbst herbeiführt. Satz 1 Nummer 3 gilt bei unbegleiteten minderjährigen Ausländern nicht für die Rücknahme des Asylantrags oder den Verzicht auf die Antragstellung, wenn die Rücknahme oder der Verzicht auf das Stellen eines Asylantrags im Interesse des Kindeswohls erfolgte. Abweichend von den Sätzen 1 bis 3 ist einem Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings oder eines subsidiär Schutzberechtigten genießt, die Erwerbstätigkeit erlaubt.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Die oberste Landesbehörde kann aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen allgemein oder in bestimmte Staaten für längstens drei Monate ausgesetzt wird. Für einen Zeitraum von länger als sechs Monaten gilt § 23 Abs. 1.

(2) Die Abschiebung eines Ausländers ist auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Die Abschiebung eines Ausländers ist auch auszusetzen, wenn seine vorübergehende Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen eines Verbrechens von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre. Einem Ausländer kann eine Duldung erteilt werden, wenn dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Soweit die Beurkundung der Anerkennung einer Vaterschaft oder der Zustimmung der Mutter für die Durchführung eines Verfahrens nach § 85a ausgesetzt wird, wird die Abschiebung des ausländischen Anerkennenden, der ausländischen Mutter oder des ausländischen Kindes ausgesetzt, solange das Verfahren nach § 85a nicht durch vollziehbare Entscheidung abgeschlossen ist.

(2a) Die Abschiebung eines Ausländers wird für eine Woche ausgesetzt, wenn seine Zurückschiebung oder Abschiebung gescheitert ist, Abschiebungshaft nicht angeordnet wird und die Bundesrepublik Deutschland auf Grund einer Rechtsvorschrift, insbesondere des Artikels 6 Abs. 1 der Richtlinie 2003/110/EG des Rates vom 25. November 2003 über die Unterstützung bei der Durchbeförderung im Rahmen von Rückführungsmaßnahmen auf dem Luftweg (ABl. EU Nr. L 321 S. 26), zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist. Die Aussetzung darf nicht nach Satz 1 verlängert werden. Die Einreise des Ausländers ist zuzulassen.

(2b) Solange ein Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Absatz 1 besitzt, minderjährig ist, soll die Abschiebung seiner Eltern oder eines allein personensorgeberechtigten Elternteils sowie der minderjährigen Kinder, die mit den Eltern oder dem allein personensorgeberechtigten Elternteil in familiärer Lebensgemeinschaft leben, ausgesetzt werden.

(2c) Es wird vermutet, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen. Der Ausländer muss eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen. Diese ärztliche Bescheinigung soll insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung, den lateinischen Namen oder die Klassifizierung der Erkrankung nach ICD 10 sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, enthalten. Zur Behandlung der Erkrankung erforderliche Medikamente müssen mit der Angabe ihrer Wirkstoffe und diese mit ihrer international gebräuchlichen Bezeichnung aufgeführt sein.

(2d) Der Ausländer ist verpflichtet, der zuständigen Behörde die ärztliche Bescheinigung nach Absatz 2c unverzüglich vorzulegen. Verletzt der Ausländer die Pflicht zur unverzüglichen Vorlage einer solchen ärztlichen Bescheinigung, darf die zuständige Behörde das Vorbringen des Ausländers zu seiner Erkrankung nicht berücksichtigen, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Einholung einer solchen Bescheinigung gehindert oder es liegen anderweitig tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankung, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde, vor. Legt der Ausländer eine Bescheinigung vor und ordnet die Behörde daraufhin eine ärztliche Untersuchung an, ist die Behörde berechtigt, die vorgetragene Erkrankung nicht zu berücksichtigen, wenn der Ausländer der Anordnung ohne zureichenden Grund nicht Folge leistet. Der Ausländer ist auf die Verpflichtungen und auf die Rechtsfolgen einer Verletzung dieser Verpflichtungen nach diesem Absatz hinzuweisen.

(3) Die Ausreisepflicht eines Ausländers, dessen Abschiebung ausgesetzt ist, bleibt unberührt.

(4) Über die Aussetzung der Abschiebung ist dem Ausländer eine Bescheinigung auszustellen.

(5) Die Aussetzung der Abschiebung erlischt mit der Ausreise des Ausländers. Sie wird widerrufen, wenn die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe entfallen. Der Ausländer wird unverzüglich nach dem Erlöschen ohne erneute Androhung und Fristsetzung abgeschoben, es sei denn, die Aussetzung wird erneuert. Ist die Abschiebung länger als ein Jahr ausgesetzt, ist die durch Widerruf vorgesehene Abschiebung mindestens einen Monat vorher anzukündigen; die Ankündigung ist zu wiederholen, wenn die Aussetzung für mehr als ein Jahr erneuert wurde. Satz 4 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe durch vorsätzlich falsche Angaben oder durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit selbst herbeiführt oder zumutbare Anforderungen an die Mitwirkung bei der Beseitigung von Ausreisehindernissen nicht erfüllt.

(6) Einem Ausländer, der eine Duldung besitzt, darf die Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht erlaubt werden, wenn

1.
er sich in das Inland begeben hat, um Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu erlangen,
2.
aufenthaltsbeendende Maßnahmen bei ihm aus Gründen, die er selbst zu vertreten hat, nicht vollzogen werden können oder
3.
er Staatsangehöriger eines sicheren Herkunftsstaates nach § 29a des Asylgesetzes ist und sein nach dem 31. August 2015 gestellter Asylantrag abgelehnt oder zurückgenommen wurde, es sei denn, die Rücknahme erfolgte auf Grund einer Beratung nach § 24 Absatz 1 des Asylgesetzes beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, oder ein Asylantrag nicht gestellt wurde.
Zu vertreten hat ein Ausländer die Gründe nach Satz 1 Nummer 2 insbesondere, wenn er das Abschiebungshindernis durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit oder durch eigene falsche Angaben selbst herbeiführt. Satz 1 Nummer 3 gilt bei unbegleiteten minderjährigen Ausländern nicht für die Rücknahme des Asylantrags oder den Verzicht auf die Antragstellung, wenn die Rücknahme oder der Verzicht auf das Stellen eines Asylantrags im Interesse des Kindeswohls erfolgte. Abweichend von den Sätzen 1 bis 3 ist einem Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings oder eines subsidiär Schutzberechtigten genießt, die Erwerbstätigkeit erlaubt.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt:

1.
die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe,
2.
Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder
3.
eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.

(2) Ein Ausländer ist von der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach Absatz 1 ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine schwere Straftat begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen lassen hat, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen (BGBl. 1973 II S. 430, 431) verankert sind, zuwiderlaufen oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.
Diese Ausschlussgründe gelten auch für Ausländer, die andere zu den genannten Straftaten oder Handlungen anstiften oder sich in sonstiger Weise daran beteiligen.

(3) Die §§ 3c bis 3e gelten entsprechend. An die Stelle der Verfolgung, des Schutzes vor Verfolgung beziehungsweise der begründeten Furcht vor Verfolgung treten die Gefahr eines ernsthaften Schadens, der Schutz vor einem ernsthaften Schaden beziehungsweise die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens; an die Stelle der Flüchtlingseigenschaft tritt der subsidiäre Schutz.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in Streitigkeiten nach diesem Gesetz nicht erhoben.

(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt:

1.
die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe,
2.
Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder
3.
eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.

(2) Ein Ausländer ist von der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach Absatz 1 ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine schwere Straftat begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen lassen hat, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen (BGBl. 1973 II S. 430, 431) verankert sind, zuwiderlaufen oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.
Diese Ausschlussgründe gelten auch für Ausländer, die andere zu den genannten Straftaten oder Handlungen anstiften oder sich in sonstiger Weise daran beteiligen.

(3) Die §§ 3c bis 3e gelten entsprechend. An die Stelle der Verfolgung, des Schutzes vor Verfolgung beziehungsweise der begründeten Furcht vor Verfolgung treten die Gefahr eines ernsthaften Schadens, der Schutz vor einem ernsthaften Schaden beziehungsweise die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens; an die Stelle der Flüchtlingseigenschaft tritt der subsidiäre Schutz.

Die Verfolgung kann ausgehen von

1.
dem Staat,
2.
Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen, oder
3.
nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in den Nummern 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht.

(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt:

1.
die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe,
2.
Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder
3.
eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.

(2) Ein Ausländer ist von der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach Absatz 1 ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine schwere Straftat begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen lassen hat, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen (BGBl. 1973 II S. 430, 431) verankert sind, zuwiderlaufen oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.
Diese Ausschlussgründe gelten auch für Ausländer, die andere zu den genannten Straftaten oder Handlungen anstiften oder sich in sonstiger Weise daran beteiligen.

(3) Die §§ 3c bis 3e gelten entsprechend. An die Stelle der Verfolgung, des Schutzes vor Verfolgung beziehungsweise der begründeten Furcht vor Verfolgung treten die Gefahr eines ernsthaften Schadens, der Schutz vor einem ernsthaften Schaden beziehungsweise die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens; an die Stelle der Flüchtlingseigenschaft tritt der subsidiäre Schutz.

Die Verfolgung kann ausgehen von

1.
dem Staat,
2.
Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen, oder
3.
nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in den Nummern 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht.

(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt:

1.
die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe,
2.
Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder
3.
eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.

(2) Ein Ausländer ist von der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach Absatz 1 ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine schwere Straftat begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen lassen hat, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen (BGBl. 1973 II S. 430, 431) verankert sind, zuwiderlaufen oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.
Diese Ausschlussgründe gelten auch für Ausländer, die andere zu den genannten Straftaten oder Handlungen anstiften oder sich in sonstiger Weise daran beteiligen.

(3) Die §§ 3c bis 3e gelten entsprechend. An die Stelle der Verfolgung, des Schutzes vor Verfolgung beziehungsweise der begründeten Furcht vor Verfolgung treten die Gefahr eines ernsthaften Schadens, der Schutz vor einem ernsthaften Schaden beziehungsweise die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens; an die Stelle der Flüchtlingseigenschaft tritt der subsidiäre Schutz.

Die Verfolgung kann ausgehen von

1.
dem Staat,
2.
Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen, oder
3.
nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in den Nummern 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

Die Verfolgung kann ausgehen von

1.
dem Staat,
2.
Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen, oder
3.
nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in den Nummern 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

Die Verfolgung kann ausgehen von

1.
dem Staat,
2.
Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen, oder
3.
nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in den Nummern 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht.

(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt:

1.
die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe,
2.
Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder
3.
eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.

(2) Ein Ausländer ist von der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach Absatz 1 ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine schwere Straftat begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen lassen hat, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen (BGBl. 1973 II S. 430, 431) verankert sind, zuwiderlaufen oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.
Diese Ausschlussgründe gelten auch für Ausländer, die andere zu den genannten Straftaten oder Handlungen anstiften oder sich in sonstiger Weise daran beteiligen.

(3) Die §§ 3c bis 3e gelten entsprechend. An die Stelle der Verfolgung, des Schutzes vor Verfolgung beziehungsweise der begründeten Furcht vor Verfolgung treten die Gefahr eines ernsthaften Schadens, der Schutz vor einem ernsthaften Schaden beziehungsweise die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens; an die Stelle der Flüchtlingseigenschaft tritt der subsidiäre Schutz.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Dem Ausländer wird die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er

1.
in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d hat und
2.
sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt.

(2) Bei der Prüfung der Frage, ob ein Teil des Herkunftslandes die Voraussetzungen nach Absatz 1 erfüllt, sind die dortigen allgemeinen Gegebenheiten und die persönlichen Umstände des Ausländers gemäß Artikel 4 der Richtlinie 2011/95/EU zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag zu berücksichtigen. Zu diesem Zweck sind genaue und aktuelle Informationen aus relevanten Quellen, wie etwa Informationen des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge oder des Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen, einzuholen.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt:

1.
die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe,
2.
Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder
3.
eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.

(2) Ein Ausländer ist von der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach Absatz 1 ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine schwere Straftat begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen lassen hat, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen (BGBl. 1973 II S. 430, 431) verankert sind, zuwiderlaufen oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.
Diese Ausschlussgründe gelten auch für Ausländer, die andere zu den genannten Straftaten oder Handlungen anstiften oder sich in sonstiger Weise daran beteiligen.

(3) Die §§ 3c bis 3e gelten entsprechend. An die Stelle der Verfolgung, des Schutzes vor Verfolgung beziehungsweise der begründeten Furcht vor Verfolgung treten die Gefahr eines ernsthaften Schadens, der Schutz vor einem ernsthaften Schaden beziehungsweise die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens; an die Stelle der Flüchtlingseigenschaft tritt der subsidiäre Schutz.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Die oberste Landesbehörde kann aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen allgemein oder in bestimmte Staaten für längstens drei Monate ausgesetzt wird. Für einen Zeitraum von länger als sechs Monaten gilt § 23 Abs. 1.

(2) Die Abschiebung eines Ausländers ist auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Die Abschiebung eines Ausländers ist auch auszusetzen, wenn seine vorübergehende Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen eines Verbrechens von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre. Einem Ausländer kann eine Duldung erteilt werden, wenn dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Soweit die Beurkundung der Anerkennung einer Vaterschaft oder der Zustimmung der Mutter für die Durchführung eines Verfahrens nach § 85a ausgesetzt wird, wird die Abschiebung des ausländischen Anerkennenden, der ausländischen Mutter oder des ausländischen Kindes ausgesetzt, solange das Verfahren nach § 85a nicht durch vollziehbare Entscheidung abgeschlossen ist.

(2a) Die Abschiebung eines Ausländers wird für eine Woche ausgesetzt, wenn seine Zurückschiebung oder Abschiebung gescheitert ist, Abschiebungshaft nicht angeordnet wird und die Bundesrepublik Deutschland auf Grund einer Rechtsvorschrift, insbesondere des Artikels 6 Abs. 1 der Richtlinie 2003/110/EG des Rates vom 25. November 2003 über die Unterstützung bei der Durchbeförderung im Rahmen von Rückführungsmaßnahmen auf dem Luftweg (ABl. EU Nr. L 321 S. 26), zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist. Die Aussetzung darf nicht nach Satz 1 verlängert werden. Die Einreise des Ausländers ist zuzulassen.

(2b) Solange ein Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Absatz 1 besitzt, minderjährig ist, soll die Abschiebung seiner Eltern oder eines allein personensorgeberechtigten Elternteils sowie der minderjährigen Kinder, die mit den Eltern oder dem allein personensorgeberechtigten Elternteil in familiärer Lebensgemeinschaft leben, ausgesetzt werden.

(2c) Es wird vermutet, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen. Der Ausländer muss eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen. Diese ärztliche Bescheinigung soll insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung, den lateinischen Namen oder die Klassifizierung der Erkrankung nach ICD 10 sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, enthalten. Zur Behandlung der Erkrankung erforderliche Medikamente müssen mit der Angabe ihrer Wirkstoffe und diese mit ihrer international gebräuchlichen Bezeichnung aufgeführt sein.

(2d) Der Ausländer ist verpflichtet, der zuständigen Behörde die ärztliche Bescheinigung nach Absatz 2c unverzüglich vorzulegen. Verletzt der Ausländer die Pflicht zur unverzüglichen Vorlage einer solchen ärztlichen Bescheinigung, darf die zuständige Behörde das Vorbringen des Ausländers zu seiner Erkrankung nicht berücksichtigen, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Einholung einer solchen Bescheinigung gehindert oder es liegen anderweitig tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankung, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde, vor. Legt der Ausländer eine Bescheinigung vor und ordnet die Behörde daraufhin eine ärztliche Untersuchung an, ist die Behörde berechtigt, die vorgetragene Erkrankung nicht zu berücksichtigen, wenn der Ausländer der Anordnung ohne zureichenden Grund nicht Folge leistet. Der Ausländer ist auf die Verpflichtungen und auf die Rechtsfolgen einer Verletzung dieser Verpflichtungen nach diesem Absatz hinzuweisen.

(3) Die Ausreisepflicht eines Ausländers, dessen Abschiebung ausgesetzt ist, bleibt unberührt.

(4) Über die Aussetzung der Abschiebung ist dem Ausländer eine Bescheinigung auszustellen.

(5) Die Aussetzung der Abschiebung erlischt mit der Ausreise des Ausländers. Sie wird widerrufen, wenn die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe entfallen. Der Ausländer wird unverzüglich nach dem Erlöschen ohne erneute Androhung und Fristsetzung abgeschoben, es sei denn, die Aussetzung wird erneuert. Ist die Abschiebung länger als ein Jahr ausgesetzt, ist die durch Widerruf vorgesehene Abschiebung mindestens einen Monat vorher anzukündigen; die Ankündigung ist zu wiederholen, wenn die Aussetzung für mehr als ein Jahr erneuert wurde. Satz 4 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe durch vorsätzlich falsche Angaben oder durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit selbst herbeiführt oder zumutbare Anforderungen an die Mitwirkung bei der Beseitigung von Ausreisehindernissen nicht erfüllt.

(6) Einem Ausländer, der eine Duldung besitzt, darf die Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht erlaubt werden, wenn

1.
er sich in das Inland begeben hat, um Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu erlangen,
2.
aufenthaltsbeendende Maßnahmen bei ihm aus Gründen, die er selbst zu vertreten hat, nicht vollzogen werden können oder
3.
er Staatsangehöriger eines sicheren Herkunftsstaates nach § 29a des Asylgesetzes ist und sein nach dem 31. August 2015 gestellter Asylantrag abgelehnt oder zurückgenommen wurde, es sei denn, die Rücknahme erfolgte auf Grund einer Beratung nach § 24 Absatz 1 des Asylgesetzes beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, oder ein Asylantrag nicht gestellt wurde.
Zu vertreten hat ein Ausländer die Gründe nach Satz 1 Nummer 2 insbesondere, wenn er das Abschiebungshindernis durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit oder durch eigene falsche Angaben selbst herbeiführt. Satz 1 Nummer 3 gilt bei unbegleiteten minderjährigen Ausländern nicht für die Rücknahme des Asylantrags oder den Verzicht auf die Antragstellung, wenn die Rücknahme oder der Verzicht auf das Stellen eines Asylantrags im Interesse des Kindeswohls erfolgte. Abweichend von den Sätzen 1 bis 3 ist einem Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings oder eines subsidiär Schutzberechtigten genießt, die Erwerbstätigkeit erlaubt.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Die oberste Landesbehörde kann aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen allgemein oder in bestimmte Staaten für längstens drei Monate ausgesetzt wird. Für einen Zeitraum von länger als sechs Monaten gilt § 23 Abs. 1.

(2) Die Abschiebung eines Ausländers ist auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Die Abschiebung eines Ausländers ist auch auszusetzen, wenn seine vorübergehende Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen eines Verbrechens von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre. Einem Ausländer kann eine Duldung erteilt werden, wenn dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Soweit die Beurkundung der Anerkennung einer Vaterschaft oder der Zustimmung der Mutter für die Durchführung eines Verfahrens nach § 85a ausgesetzt wird, wird die Abschiebung des ausländischen Anerkennenden, der ausländischen Mutter oder des ausländischen Kindes ausgesetzt, solange das Verfahren nach § 85a nicht durch vollziehbare Entscheidung abgeschlossen ist.

(2a) Die Abschiebung eines Ausländers wird für eine Woche ausgesetzt, wenn seine Zurückschiebung oder Abschiebung gescheitert ist, Abschiebungshaft nicht angeordnet wird und die Bundesrepublik Deutschland auf Grund einer Rechtsvorschrift, insbesondere des Artikels 6 Abs. 1 der Richtlinie 2003/110/EG des Rates vom 25. November 2003 über die Unterstützung bei der Durchbeförderung im Rahmen von Rückführungsmaßnahmen auf dem Luftweg (ABl. EU Nr. L 321 S. 26), zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist. Die Aussetzung darf nicht nach Satz 1 verlängert werden. Die Einreise des Ausländers ist zuzulassen.

(2b) Solange ein Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Absatz 1 besitzt, minderjährig ist, soll die Abschiebung seiner Eltern oder eines allein personensorgeberechtigten Elternteils sowie der minderjährigen Kinder, die mit den Eltern oder dem allein personensorgeberechtigten Elternteil in familiärer Lebensgemeinschaft leben, ausgesetzt werden.

(2c) Es wird vermutet, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen. Der Ausländer muss eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen. Diese ärztliche Bescheinigung soll insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung, den lateinischen Namen oder die Klassifizierung der Erkrankung nach ICD 10 sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, enthalten. Zur Behandlung der Erkrankung erforderliche Medikamente müssen mit der Angabe ihrer Wirkstoffe und diese mit ihrer international gebräuchlichen Bezeichnung aufgeführt sein.

(2d) Der Ausländer ist verpflichtet, der zuständigen Behörde die ärztliche Bescheinigung nach Absatz 2c unverzüglich vorzulegen. Verletzt der Ausländer die Pflicht zur unverzüglichen Vorlage einer solchen ärztlichen Bescheinigung, darf die zuständige Behörde das Vorbringen des Ausländers zu seiner Erkrankung nicht berücksichtigen, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Einholung einer solchen Bescheinigung gehindert oder es liegen anderweitig tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankung, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde, vor. Legt der Ausländer eine Bescheinigung vor und ordnet die Behörde daraufhin eine ärztliche Untersuchung an, ist die Behörde berechtigt, die vorgetragene Erkrankung nicht zu berücksichtigen, wenn der Ausländer der Anordnung ohne zureichenden Grund nicht Folge leistet. Der Ausländer ist auf die Verpflichtungen und auf die Rechtsfolgen einer Verletzung dieser Verpflichtungen nach diesem Absatz hinzuweisen.

(3) Die Ausreisepflicht eines Ausländers, dessen Abschiebung ausgesetzt ist, bleibt unberührt.

(4) Über die Aussetzung der Abschiebung ist dem Ausländer eine Bescheinigung auszustellen.

(5) Die Aussetzung der Abschiebung erlischt mit der Ausreise des Ausländers. Sie wird widerrufen, wenn die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe entfallen. Der Ausländer wird unverzüglich nach dem Erlöschen ohne erneute Androhung und Fristsetzung abgeschoben, es sei denn, die Aussetzung wird erneuert. Ist die Abschiebung länger als ein Jahr ausgesetzt, ist die durch Widerruf vorgesehene Abschiebung mindestens einen Monat vorher anzukündigen; die Ankündigung ist zu wiederholen, wenn die Aussetzung für mehr als ein Jahr erneuert wurde. Satz 4 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe durch vorsätzlich falsche Angaben oder durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit selbst herbeiführt oder zumutbare Anforderungen an die Mitwirkung bei der Beseitigung von Ausreisehindernissen nicht erfüllt.

(6) Einem Ausländer, der eine Duldung besitzt, darf die Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht erlaubt werden, wenn

1.
er sich in das Inland begeben hat, um Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu erlangen,
2.
aufenthaltsbeendende Maßnahmen bei ihm aus Gründen, die er selbst zu vertreten hat, nicht vollzogen werden können oder
3.
er Staatsangehöriger eines sicheren Herkunftsstaates nach § 29a des Asylgesetzes ist und sein nach dem 31. August 2015 gestellter Asylantrag abgelehnt oder zurückgenommen wurde, es sei denn, die Rücknahme erfolgte auf Grund einer Beratung nach § 24 Absatz 1 des Asylgesetzes beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, oder ein Asylantrag nicht gestellt wurde.
Zu vertreten hat ein Ausländer die Gründe nach Satz 1 Nummer 2 insbesondere, wenn er das Abschiebungshindernis durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit oder durch eigene falsche Angaben selbst herbeiführt. Satz 1 Nummer 3 gilt bei unbegleiteten minderjährigen Ausländern nicht für die Rücknahme des Asylantrags oder den Verzicht auf die Antragstellung, wenn die Rücknahme oder der Verzicht auf das Stellen eines Asylantrags im Interesse des Kindeswohls erfolgte. Abweichend von den Sätzen 1 bis 3 ist einem Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings oder eines subsidiär Schutzberechtigten genießt, die Erwerbstätigkeit erlaubt.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt:

1.
die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe,
2.
Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder
3.
eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.

(2) Ein Ausländer ist von der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach Absatz 1 ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine schwere Straftat begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen lassen hat, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen (BGBl. 1973 II S. 430, 431) verankert sind, zuwiderlaufen oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.
Diese Ausschlussgründe gelten auch für Ausländer, die andere zu den genannten Straftaten oder Handlungen anstiften oder sich in sonstiger Weise daran beteiligen.

(3) Die §§ 3c bis 3e gelten entsprechend. An die Stelle der Verfolgung, des Schutzes vor Verfolgung beziehungsweise der begründeten Furcht vor Verfolgung treten die Gefahr eines ernsthaften Schadens, der Schutz vor einem ernsthaften Schaden beziehungsweise die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens; an die Stelle der Flüchtlingseigenschaft tritt der subsidiäre Schutz.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in Streitigkeiten nach diesem Gesetz nicht erhoben.

(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.