Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Beschluss, 13. Mai 2004 - 11 S 1080/04

published on 13/05/2004 00:00
Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Beschluss, 13. Mai 2004 - 11 S 1080/04
Urteilsbesprechung zu {{shorttitle}}
Referenzen - Gesetze
Referenzen - Urteile

Gericht

There are no judges assigned to this case currently.
addJudgesHint

Tenor

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 2. März 2004 - 11 K 3553/03 - wird abgelehnt.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 4.000,-- EUR festgesetzt.

Gründe

 
Der auf die Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (ernstliche Zweifel), § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO (grundsätzliche Bedeutung) und § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO (Verfahrensmangel) gestützte und fristgerecht gestellte und begründete (vgl. § 124a Abs. 4 VwGO) Antrag des Klägers, die Berufung gegen das Urteil vom 2.3.2004 zuzulassen, mit dem das Verwaltungsgericht Karlsruhe die Klage gegen die Verfügung des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 16.9.2003 (Ausweisung und Abschiebungsandrohung) abgewiesen hat, hat keinen Erfolg. Die vom Kläger geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor.
Für die nach § 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO gebotene Darlegung ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist erforderlich, dass ein die Entscheidung des Verwaltungsgerichts tragender Rechtssatz oder eine dafür erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt werden (vgl. zu diesem Maßstab: BVerfG, Beschluss vom 23.6.2000 - 1 BvR 830/00 -, VBlBW 2000, 392 = NVwZ 2000, 1163). Begründet ist der Antrag, wenn eine Überprüfung des dargelegten Vorbringens aufgrund der Akten ergibt, dass derartige beachtliche Zweifel tatsächlich vorliegen. Das ist vorliegend jedoch nicht der Fall.
Die Rüge des Klägers, das Verwaltungsgericht habe § 48 Abs. 2 Satz 2 AuslG nicht berücksichtigt und zu Unrecht einen Regelfall im Sinne des § 47 Abs. 3 Satz 1 AuslG bejaht, begründet keine ernstlichen Zweifel im genannten Sinn. Nach § 48 Abs. 2 Satz 2 AuslG wird ein Heranwachsender, der im Bundesgebiet aufgewachsen ist und mit seinen Eltern in häuslicher Gemeinschaft lebt, nur nach Maßgabe des § 47 Abs. 1 und 2 Nr. 1 und Abs. 3 AuslG ausgewiesen. Das bedeutet zum einen, dass der Heranwachsende nur ausgewiesen werden kann, wenn er die Voraussetzungen des § 47 Abs. 1 oder Abs. 2 Nr. 1 AuslG erfüllt; davon ist beim Kläger auszugehen, nachdem er vom Amtsgericht Mannheim mit Urteil vom 24.7.2003 unter Einbeziehung des Urteils desselben Gerichts vom 11.4.2002 wegen vorsätzlicher Straftaten zu einer Jugendstrafe von vier Jahren verurteilt worden ist. Zum anderen ist auf den heranwachsenden Ausländer § 47 Abs. 3 AuslG anzuwenden. Nach § 47 Abs. 3 AuslG wird ein Ausländer, der erhöhten Ausweisungsschutz genießt, in den Fällen der Ist-Ausweisung nach § 47 Abs. 1 AuslG in der Regel ausgewiesen. Der weitergehende Ausweisungsschutz nach § 47 Abs. 3 Satz 3 AuslG, wonach über die Ausweisung eines heranwachsenden Ausländers, der im Bundesgebiet aufgewachsen ist und eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis oder eine Aufenthaltsberechtigung besitzt, nach Ermessen zu entscheiden ist, scheitert im Fall des Klägers daran, dass er nur eine befristete Aufenthaltserlaubnis besaß. Die Prüfung aber, ob beim Kläger die Voraussetzungen eines Ausnahmefalles vorliegen, hat das Verwaltungsgericht - wie auch der Kläger nicht verkennt - sowohl unter dem Gesichtspunkt des § 47 Abs. 3 AuslG, wie auch unter dem Aspekt des im Prüfprogramm davon zu unterscheidenden § 48 Abs. 1 Satz 2 AuslG (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 2.7.2001 - 13 S 2326/99 -, VBlBW 2002. 34 = InfAuslR 2002, 72) vorgenommen und das Vorliegen der Voraussetzungen mit zutreffenden Erwägungen verneint. Dabei hat das Gericht sowohl den langjährigen Aufenthalt des Klägers im Bundesgebiet als auch den Umstand, dass er hier aufgewachsen ist, und schließlich auch die Beziehung zu seinem Stiefvater, der deutscher Staatsangehöriger ist, gesehen und berücksichtigt. Dass es sich bei diesen Tatsachen - wie auch beim Schulbesuch und beim Hauptschulabschluss - um Besonderheiten handelt, die einen atypischen Ausnahmefall begründen sollen, hat der Kläger nicht hinreichend begründet. Die genannten Merkmale sind bereits in den gesetzlichen Regelungen des Ausländergesetzes über die Ausweisung enthalten - vgl. bspw. § 45 Abs. 2 Nr. 1, § 47 Abs. 3 Satz 3 und 4, § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Nr. 4, § 48 Abs. 2 AuslG - und werden unter den dort genannten weiteren Voraussetzungen bei der Entscheidung über die Ausweisung berücksichtigt. Sie begründen daher grundsätzlich keinen - vom Gesetz nicht ausdrücklich geregelten - atypischen Ausnahmefall. Ob die vom Kläger bis zum 10. Lebensjahr gehegte Überzeugung, er sei deutscher Staatsangehöriger, da er seinen deutschen Stiefvater für seinen leiblichen Vater gehalten habe, ob seine mangelhaften oder ganz fehlenden Türkischkenntnisse und seine fehlende Vertrautheit mit den türkischen Lebensverhältnissen Umstände sind, die die Abweichung von der Regelausweisung rechtfertigen würden, erscheint ebenfalls zweifelhaft, kann aber letztlich offen bleiben. Denn auch wenn man dies im Sinne des Zulassungsantrags bejahen würde, wäre die Ausländerbehörde gleichwohl berechtigt, hilfsweise im Ermessensweg über die Ausweisung zu entscheiden, was das Regierungspräsidium Karlsruhe vorliegend - in übrigens auch vom Kläger nicht ausdrücklich als ermessensfehlerhaft gerügter Weise - getan hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 19.11.1996 - 1 C 25.94 -, InfAuslR 1997, 152).
Ernstliche Zweifel bestehen auch nicht deshalb, weil das Verwaltungsgericht die genannten Umstände unter dem Aspekt des Art. 8 Abs. 2 EMRK nicht zutreffend gewürdigt hätte. Dem in Art. 8 Abs. 2 EMRK verankerten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit kann es nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) im Hinblick auf die Folgen für den Ausländer selbst widersprechen, wenn durch behördliche Maßnahmen die Voraussetzungen für sein weiteres Zusammenleben mit seiner im Vertragsstaat ansässigen Familie beseitigt werden (vgl. insbes. EGMR, Urteil vom 26.3.1992 - 55/1990/246/317 - , InfAuslR 1994, 86; Urteil vom 26.9.1997 - 85/1996/704/896 - , NVwZ 1998, 164 = InfAuslR 1997, 430; Entscheidung vom 4.10.2001 - 43359/98 - , NJW 2003, 2595; Urteil vom 31.10.2002 - 37295/97 - , InfAuslR 2003, 126). Eine Verletzung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes kommt danach etwa bei Ausländern in Betracht, die aufgrund ihrer gesamten Entwicklung faktisch zu Inländern geworden sind und denen wegen der Besonderheiten des Falles ein Leben im Staat ihrer Staatsangehörigkeit, zu dem sie keinen Bezug haben, nicht zuzumuten ist (vgl. auch BVerwG, Urteil v. 29.9.1998 - 1 C 8.96 - NVwZ 1999, 303 = InfAuslR 1999, 54).
Es bestehen Zweifel, ob der Kläger - wie er meint - faktischer Inländer in diesem Sinn geworden ist. Zwar kann unterstellt werden, dass er aufgrund der bei ihm gegebenen Umstände - in der Bundesrepublik Deutschland geboren, mit deutschem Stiefvater aufgewachsen, zuhause nur deutsch gesprochen, kaum Aufenthalte in der Türkei - nur geringe oder gar keine Beziehungen zur Türkei hat und dass er bei einer Rückkehr dorthin zunächst seine eventuell nur geringen türkischen Sprachkenntnisse verbessern müsste. Ob damit aber bereits alle über die Staatsangehörigkeit hinaus gehenden sozialen und soziokulturellen Beziehungen zum Staat seiner Staatsangehörigkeit fehlen (vgl. Senatsurteil vom 10.9.2003 - 11 S 973/03 -, EZAR 037 Nr. 8), dürfte schon deshalb fraglich sein, weil der Kläger offenbar noch Angehörige aus der engeren Familie im Bundesgebiet hat, die nicht deutsch sprechen (Großmutter) bzw. zwar deutsch sprechen, aber trotz jahrzehntelangen Aufenthalts und hinreichender Integration an der türkischen Staatsangehörigkeit festgehalten haben (Mutter) und weil auch keine Bemühungen zur Einbürgerung - aus der Zeit vor seiner Straffälligkeit - bekannt sind (vgl. hierzu Senatsbeschluss vom 11.10.2000 - 11 S 1206/00 -, InfAuslR 2001, 119 = VBlBW 2001, 196).
Letztlich kann dies aber deshalb dahin stehen, weil Art. 8 Abs. 2 EMRK einer Ausweisung auch dann nicht entgegenstünde, wenn der Kläger als faktischer Inländer zu betrachten wäre, denn sein Fall weist dennoch nicht die erforderlichen Besonderheiten auf, die ein Leben in der Türkei für ihn trotz der gegebenen Ausweisungsvoraussetzungen unzumutbar machen. Nach der vom Verwaltungsgericht zutreffend seiner Entscheidung zugrunde gelegten Rechtsprechung des Senats sind Korrekturen einer nach nationalen Vorschriften rechtmäßigen Ausweisung wegen Unverhältnismäßigkeit nach dem Maßstab des Art. 8 Abs. 2 EMRK nur in außergewöhnlichen Einzelfällen denkbar, die entweder hinsichtlich des (gesteigerten) Gewichts der Schutzgüter (Privat- und Familienleben) oder hinsichtlich der (geminderten) Bedeutung der öffentlichen Ausweisungsziele (insbesondere öffentliche Sicherheit, Aufrechterhaltung der Ordnung, Verhütung von Straftaten, Schutz der Rechte und Freiheiten anderer) signifikante Besonderheiten aufweisen (vgl. Senatsurteil vom 28.11.2002 - 11 S 1270/02 -, VBlBW 2003, 289 = EZAR 034 Nr. 14). Auch nach der Rechtsprechung des EGMR bedeutet die Feststellung, dass ein Ausländer faktisch zum Inländer geworden ist, noch nicht, dass eine Ausweisung nicht in Betracht kommt. Vielmehr hängt die Zulässigkeit der Ausweisung unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit nach Art. 8 Abs. 2 EMRK von den besonderen Umständen des jeweiligen Einzelfalls ab. Als solche Umstände gelten insbesondere (vgl. im Einzelnen BVerfG, Beschluss vom 1.3.2004 - 2 BvR 1570/03): die Schwere der Straftaten, die in erster Linie durch die Höhe der verhängten Strafen gekennzeichnet wird (vgl. EGMR, Urteil vom 26.9.1997 , aaO.; Urteil vom 21.10.1997 - 122/1996/741/940 - , InfAuslR 1998, 1; Entscheidung vom 4.10.2001 , aaO.; Urteil vom 31.10.2002 , aaO.); die Art der Straftat (vgl. Urteil vom 26.9.1997 - 123/1996/742/941 - , zitiert in der Zusammenfassung durch Zander, InfAuslR 1997, 433; Urteil vom 26.9.1997 , aaO.; Urteil vom 30.11.1999 - 34374/97 - , NVwZ 2000, 1401 = InfAuslR 2000, 53); das Alter des Betroffenen bei der Begehung der Straftat (vgl. Urteil vom 18.2.1991 - 31/1989/191/291 - , InfAuslR 1991, 149; Urteil vom 29.1.1997 - 112/1995/618/708 - , zitiert in der Zusammenfassung durch Zander, InfAuslR 1997, 432; Entscheidung vom 4.10.2001 , aaO.); die familiäre Situation (vgl. Urteil vom 31.10.2002 , aaO.), insbesondere, ob der Ausländer - mit     einer deutschen Staatsangehörigen - verheiratet ist oder ob er Kinder - mit deutscher Staatsangehörigkeit - hat (vgl. Urteil vom 26.3.1992 , aaO.; Urteil vom 26.9.1997 , aaO.; Urteil vom 30.11.1999 , aaO.; Entscheidung vom 4.10.2001 , aaO.;), bzw. ob er auf die Unterstützung und Hilfe von im Inland lebenden Eltern und Geschwistern angewiesen ist (vgl. Urteil vom 13.7.1995 - 18/1994/465/564 - , InfAuslR 1996, 1); der Bezug des Ausländers zu dem Staat seiner Staatsangehörigkeit, wobei den Sprachkenntnissen im Hinblick auf die Zumutbarkeit einer Integration in die dortigen Lebensverhältnisse eine gewisse, aber nicht in jedem Fall ausschlaggebende Bedeutung zukommt (vgl. Urteil vom 26.3.1992 , aaO.; Urteil vom 30.11.1999 , aaO.; Entscheidung vom 4.10.2001 , aaO.; insbesondere aber Urteil vom 21.10.1997 , aaO.); und schließlich, ob der Ausländer die Staatsangehörigkeit seines Herkunftslandes behalten und nicht die Staatsangehörigkeit des Aufenthaltslandes erwerben wollte (vgl. Urteil vom 26.3.1992, , aaO.; Urteil vom 29.1.1997 , aaO.; Urteil vom 26.9.1997 , aaO.; Urteil vom 21.10.1997 , aaO.; Urteil vom 30.11.1999 , aaO.).
Die danach im Fall des Klägers zu berücksichtigenden Umstände machen seine Ausweisung nicht unverhältnismäßig. Der Kläger ist unverheiratet und kinderlos. Es gibt nach Aktenlage keine Anhaltspunkte dafür, dass er auf die familiäre Unterstützung durch seine Mutter oder seinen jüngeren Bruder angewiesen ist. Zwar beging er die Straftaten zum Teil noch während er minderjährig war; auch ist seinem Vortrag zu entnehmen, dass er nur geringe soziokulturelle Beziehungen zur Türkei hat, insbesondere nur „ziemlich schlechte“ türkische Sprachkenntnisse. Dem steht jedoch die Schwere der vom Kläger begangenen Vergehen gegenüber, die - wie ausgeführt - ein wesentliches - und im Fall des Klägers auch ausschlaggebendes - Element für die Bestimmung der Proportionalität des Eingriffs nach Art. 8 Abs. 2 EMRK ist (vgl. EGMR, Urteil vom 31.10.2002, , aaO.; BVerfG, Beschluss vom 1.3.2004, aaO.). Die Schwere der Straftaten kommt dabei bereits in dem vom Strafgericht verhängten Strafmaß von 4 Jahren Jugendstrafe zum Ausdruck. Schon deshalb verbietet es sich, von - so der Zulassungsantrag - „jugendtypischen Verfehlungen“ zu sprechen. Die Taten des Klägers sind in außergewöhnlichem Maß von - teilweise auch brutaler - Gewaltbereitschaft, von Aggressivität, von fehlendem Respekt vor der körperlichen Integrität und dem Eigentum Dritter und durch bemerkenswert bedenkenlose Eingriffe in die geschützte Privatsphäre Anderer gekennzeichnet. Sie sind von hoher krimineller Energie geprägt. Hinzu kommt die vom Regierungspräsidium im Einzelnen begründete Wiederholungsgefahr, die insbesondere dadurch belegt wird, dass sich der Kläger weder durch die Einräumung von Strafbewährung, noch durch Vorhalte während der Bewährungszeit und die ausländerrechtliche Verwarnung im Geringsten von weiteren Straftaten abhalten ließ. Das Regierungspräsidium und das Verwaltungsgericht gingen daher zu Recht davon aus, dass die Ausweisung des Klägers auch unter dem Blickwinkel des Art. 8 Abs. 2 EMRK nicht unverhältnismäßig ist. Für die demgegenüber geltend gemachte Existenzvernichtung bei einer Rückkehr in die Türkei gibt es keine Anhaltspunkte. Die zu erwartenden sprachlichen Anfangsschwierigkeiten des Klägers, die sich auch bei der Arbeitssuche auswirken werden, wirken nicht „existenzvernichtend“; sie entsprechen im ungünstigsten Fall den Schwierigkeiten, die jeder Ausländer überwinden muss, wenn er sich in einem sprachfremden Land niederlassen will.
Die Berufung ist auch nicht deshalb zuzulassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO kommt einer Rechtssache nur dann zu, wenn das erstrebte weitere Gerichtsverfahren zur Beantwortung von entscheidungserheblichen konkreten Rechtsfragen oder im Bereich der Tatsachenfragen nicht geklärten Fragen mit über den Einzelfall hinausreichender Tragweite beitragen könnte, die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Weiterentwicklung des Rechts höhergerichtlicher Klärung bedürfen. Die Darlegung dieser Voraussetzungen verlangt vom Kläger, dass er unter Durchdringung des Streitstoffes des erstinstanzlichen Urteils eine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage aufzeigt, d.h. benennt, die für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts tragend war und die auch für die Entscheidung im Berufungsverfahren erheblich sein wird, und einen Hinweis auf den Grund gibt, der ihre Anerkennung als grundsätzlich bedeutsam rechtfertigen soll (vgl. Beschluss des Senats vom 5.6.1997, VBlBW 1997, 420, m.w.N.). Diesen Anforderungen genügt die Antragsbegründung des Klägers, wonach sich ein deutsches Gericht nicht über die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs hinwegsetzen dürfe, ersichtlich nicht. Das Verwaltungsgericht hat sich nicht über die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs hinweggesetzt, wie sich aus den Ausführungen zu Art. 8 Abs. 2 EMRK ergibt, es hat insbesondere nicht zu hohe Anforderungen an den Begriff des „faktischen Inländers“ gestellt.
Schließlich gibt es auch keinen Anlass, in der unterlassenen Anhörung der Mutter des Klägers deshalb einen Verfahrensmangel zu sehen, auf dem die Entscheidung des Verwaltungsgerichts beruhen könnte (vgl. § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO), weil das Verwaltungsgericht dadurch gegen die gerichtliche Aufklärungspflicht verstoßen hätte (vgl. § 86 Abs. 1 VwGO). Ein Gericht verstößt grundsätzlich nicht gegen seine Pflicht zur erschöpfenden Aufklärung des Sachverhalts, wenn es von einer Beweiserhebung absieht, die eine von einem Rechtsanwalt vertretene Partei nicht ausdrücklich beantragt hat (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 30.4.1997 - 8 S 1040/97 -, VBlBW 1997, 299 im Anschluss an die ständige Rspr. des BVerwG, vgl. u.a. Beschluss vom 26.6.1975 - VI B 4.75 -, Buchholz 232 § 26 BBG Nr. 17). Der Prozessbevollmächtigte des Klägers, der den Kläger bereits vor dem Verwaltungsgericht vertreten hat, hat ausweislich des Sitzungsprotokolls einen auf die Vernehmung der Mutter des Klägers zielenden Beweisantrag nicht gestellt. Sein schriftsätzlich formulierter Beweisantrag ist als Anregung zur Beweiserhebung für das Gericht nicht bindend (vgl. § 86 Abs. 1 Satz 2 VwGO). Die Beweiserhebung musste sich dem Verwaltungsgericht auch nicht aufdrängen. Wie die obigen Ausführungen gezeigt haben, wäre das Verwaltungsgericht voraussichtlich auch dann, wenn es die Mutter des Klägers angehört hätte, zu keiner anderen Entscheidung gekommen. Das gilt sowohl hinsichtlich der Frage, ob die fehlenden Sprachkenntnisse bzw. - allgemein - die nicht oder nur in geringem Umfang bestehenden soziokulturellen Kontakte des Klägers zur Türkei die Voraussetzungen eines Ausnahmefalls im Sinne des § 47 Abs. 3 Satz 1 AuslG begründen, wie auch hinsichtlich der Verhältnismäßigkeit der Ausweisung, insbesondere im Hinblick auf Art. 8 Abs. 2 EMRK. Daher würde auch dann, wenn man die fehlende Anhörung der Mutter mit dem Kläger als Verfahrensmangel betrachten würde, das Urteil nicht darauf beruhen. Der Mangel kann hinweggedacht werden, ohne dass die Richtigkeit der Entscheidung in Frage gestellt wäre (vgl. BVerwG, Urteil vom 16.3.1994, 11 C 48/92, NVwZ 1994, 1095), so dass er nicht kausal für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts geworden ist. Dies gilt auch nach der hier maßgeblich zugrunde zu legenden Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts, da es an keiner Stelle seiner Entscheidung zu erkennen gegeben hat, dass es die Voraussetzungen eines Ausnahmefalls bejahen bzw. die Ausweisung des Klägers für unverhältnismäßig halten würde, wenn der Kläger weder türkisch sprechen würde, noch die - vom Verwaltungsgericht unterstellten - soziokulturellen Kontakte haben würde. Das Verwaltungsgericht legte seiner Entscheidung im Gegenteil sogar ausdrücklich geringe, d.h. also unzureichende Sprachkenntnisse des Klägers zugrunde.
10 
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2 VwGO.
11 
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf den §§ 25 Abs. 2 Satz 1, 13 Abs. 1 Satz 2, 14 Abs. 3 GKG.
12 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
Urteilsbesprechung zu {{shorttitle}}
{{count_recursive}} Urteilsbesprechungen zu {{shorttitle}}

moreResultsText


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird. (2) Die B
{{title}} zitiert {{count_recursive}} §§.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird. (2) Die B
1 Referenzen - Urteile
{{Doctitle}} zitiert oder wird zitiert von {{count_recursive}} Urteil(en).

published on 09/08/2006 00:00

Tenor Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Tatbestand   1  Der Kläger wendet sich gegen seine Ausweisung und begehrt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis. 2  Der am
{{count_recursive}} Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren {{Doctitle}}.

Annotations

(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nicht befugt.

(2) Die Berufung ist, wenn sie von dem Verwaltungsgericht zugelassen worden ist, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht einzulegen. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.

(3) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 2 innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.

(4) Wird die Berufung nicht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, so ist die Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss. Die Berufung ist zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 dargelegt ist und vorliegt. Der Beschluss soll kurz begründet werden. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.

(6) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 5 innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Absatz 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.

(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(1) Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden.

(2) Ein in der mündlichen Verhandlung gestellter Beweisantrag kann nur durch einen Gerichtsbeschluß, der zu begründen ist, abgelehnt werden.

(3) Der Vorsitzende hat darauf hinzuwirken, daß Formfehler beseitigt, unklare Anträge erläutert, sachdienliche Anträge gestellt, ungenügende tatsächliche Angaben ergänzt, ferner alle für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts wesentlichen Erklärungen abgegeben werden.

(4) Die Beteiligten sollen zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung Schriftsätze einreichen. Hierzu kann sie der Vorsitzende unter Fristsetzung auffordern. Die Schriftsätze sind den Beteiligten von Amts wegen zu übermitteln.

(5) Den Schriftsätzen sind die Urkunden oder elektronischen Dokumente, auf die Bezug genommen wird, in Abschrift ganz oder im Auszug beizufügen. Sind die Urkunden dem Gegner bereits bekannt oder sehr umfangreich, so genügt die genaue Bezeichnung mit dem Anerbieten, Einsicht bei Gericht zu gewähren.

(1) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung nach Maßgabe der §§ 16 bis 25 allgemeine Vorschriften für die Laufbahnen und die Vorbereitungsdienste zu erlassen, insbesondere Vorschriften über

1.
die Gestaltung der Laufbahnen, einschließlich der regelmäßig zu durchlaufenden Ämter,
2.
den Erwerb und die Anerkennung der Laufbahnbefähigung, einschließlich der Festlegung gleichwertiger Abschlüsse,
3.
die Rahmenregelungen für Auswahlverfahren für die Einstellung in einen Vorbereitungsdienst,
4.
die Anrechnung von Zeiten auf den Vorbereitungsdienst und die Voraussetzungen für eine Verkürzung des Vorbereitungsdienstes,
5.
die Einstellungsvoraussetzungen für andere Bewerberinnen und andere Bewerber,
6.
die Festlegung von Altersgrenzen,
7.
die Voraussetzungen für den Laufbahnwechsel und
8.
die Voraussetzungen für Beförderungen.

(2) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung nach Maßgabe der §§ 16 bis 25 besondere Vorschriften für die einzelnen Laufbahnen und Vorbereitungsdienste zu erlassen, insbesondere Vorschriften über

1.
das Auswahlverfahren für die Einstellung in den Vorbereitungsdienst,
2.
den Ablauf des Vorbereitungsdienstes, insbesondere über dessen Inhalte und Dauer,
3.
die Prüfung und das Prüfungsverfahren, einschließlich der Prüfungsnoten, sowie
4.
die Folgen der Nichtteilnahme an Prüfungen und die Folgen von Ordnungsverstößen.
Die Bundesregierung kann die Befugnis nach Satz 1 durch Rechtsverordnung obersten Dienstbehörden übertragen.

(1) Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden.

(2) Ein in der mündlichen Verhandlung gestellter Beweisantrag kann nur durch einen Gerichtsbeschluß, der zu begründen ist, abgelehnt werden.

(3) Der Vorsitzende hat darauf hinzuwirken, daß Formfehler beseitigt, unklare Anträge erläutert, sachdienliche Anträge gestellt, ungenügende tatsächliche Angaben ergänzt, ferner alle für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts wesentlichen Erklärungen abgegeben werden.

(4) Die Beteiligten sollen zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung Schriftsätze einreichen. Hierzu kann sie der Vorsitzende unter Fristsetzung auffordern. Die Schriftsätze sind den Beteiligten von Amts wegen zu übermitteln.

(5) Den Schriftsätzen sind die Urkunden oder elektronischen Dokumente, auf die Bezug genommen wird, in Abschrift ganz oder im Auszug beizufügen. Sind die Urkunden dem Gegner bereits bekannt oder sehr umfangreich, so genügt die genaue Bezeichnung mit dem Anerbieten, Einsicht bei Gericht zu gewähren.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

Die Kosten des Verteilungsverfahrens nach der Schifffahrtsrechtlichen Verteilungsordnung schuldet, wer das Verfahren beantragt hat.