Verwaltungsgericht Würzburg Urteil, 14. Dez. 2015 - W 7 K 15.50317

published on 14/12/2015 00:00
Verwaltungsgericht Würzburg Urteil, 14. Dez. 2015 - W 7 K 15.50317
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Gericht

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Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Klägerinnen haben die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Tatbestand

1. Die Klägerinnen sind ukrainische Staatsangehörige. Sie reisten eigenen Angaben zufolge am 18. März 2015 ins Bundesgebiet ein und stellten hier am 21. Mai 2015 Asylanträge.

Da nach den Erkenntnissen des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) - polnische Schengenvisa, erteilt am 10. Februar 2015, gültig bis 10. April 2015 - Anhaltspunkte für die Zuständigkeit eines anderen Staates gemäß der Verordnung (EG) Nr. 604/2013 (Dublin III-VO) vorlagen, stellte die Beklagte mit Schreiben vom 17. August 2015 ein Übernahmeersuchen an Polen. Die polnischen Behörden erklärten mit Schreiben vom 26. August 2015 ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung der Asylanträge nach Art. 12 Abs. 4 Dublin III-VO.

Mit Bescheid vom 10. September 2015, den Klägerinnen ausweislich der Postzustellungsurkunde am 12. September 2015 zugestellt, stellte das Bundesamt fest, dass die Asylanträge unzulässig sind (Ziffer 1) und ordnete die Abschiebung der Klägerinnen nach Polen an (Ziffer 2). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes wurde auf 0 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Ziffer 3). Die Asylanträge seien gemäß § 27a AsylVfG unzulässig, da Polen aufgrund der erteilten Visa gemäß Art. 12 Abs. 4 Dublin III-VO für die Durchführung der Asylverfahren zuständig sei. Außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Bundesrepublik Deutschland veranlassen könnten, von ihrem Selbsteintrittsrecht Gebrauch zu machen, seien nicht ersichtlich. Wegen der Begründung im Einzelnen wird auf den angefochtenen Bescheid Bezug genommen.

Ebenfalls unter dem 10. September 2015 erging ein gleichlautender Bescheid hinsichtlich des Asylantrags der Mutter der Klägerin zu 1).

2. Gegen den vorgenannten Bescheid ließen die Klägerinnen mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 18. September 2015, bei Gericht am selben Tag per Fax eingegangen, Klage erheben und zugleich einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO stellen (W 7 S. 15.50318). Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Beklagte habe zu Unrecht nicht von ihrem Selbsteintrittsrecht Gebrauch gemacht. Das polnische Asylsystem leide an systemischen Mängeln. Darüber hinaus befinde sich die Klägerin zu 1) wegen einer Depression in medizinischer, psychiatrischer Behandlung. Die Klägerin zu 1) legte eine Arzneimittelverordnung der Facharztpraxis für Neurologie, Psychiatrie - Psychotherapie Dr. med. W* …, Aschaffenburg, vom 15. September 2015 über Citalopram-Neurax sowie Mirtazapin-Neurax vor. Es sei völlig unklar, ob die Klägerin zu 1) in Polen eine angemessene medizinische, psychiatrische Behandlung erhalten werde. Außerdem sei Art. 16 Abs. 3 der Dublin III-VO zu beachten. Die Mutter der Klägerin zu 1) halte sich ebenfalls im Bundesgebiet als Asylbewerberin auf. Über ihren Asylantrag sei noch nicht entschieden. Die Klägerin zu 1) sei aufgrund ihrer schlechten psychischen Verfassung auf die Unterstützung ihrer Mutter angewiesen. Die Mutter der Klägerin zu 1) leiste ihr nicht nur seelischen Beistand, sondern sie helfe auch bei der Erziehung und Versorgung der minderjährigen Klägerin zu 2). Aus diesen Gründen möchten die Klägerinnen, dass ihre Asylanträge durch die Beklagte bearbeitet werden.

Die Klägerinnen ließen beantragen,

die Beklagte zu verpflichten, den Asylantrag der Klägerinnen unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom 10. September 2015, zugestellt am 12.September 2015, zwecks materieller Prüfung anzunehmen,

hilfsweise,

die Beklagte zu verpflichten, die Klägerinnen unter Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

Die Beklagte beantragte,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung bezog sie sich auf den angefochtenen Bescheid.

Mit Beschluss vom 29. September 2015 wurde der Rechtsstreit dem Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.

Mit Beschlüssen vom 29. September 2015 trennte die Einzelrichterin Klage und Eilantrag, soweit sie sich gegen Ziffer 3 des Bescheids des Bundesamts richten, ab und stellte diese Verfahren nach Klagerücknahme insoweit ein.

Mit Beschlüssen vom 5. Oktober 2015 lehnte das Gericht sowohl den Antrag der Klägerinnen als auch den Antrag der Mutter der Klägerin zu 1) auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klagen gegen die Bescheide vom 10. September 2015 ab (W 7 S. 15.50318 und W 7 S. 15.50329).

Der Klägerbevollmächtigte erklärte mit Schreiben vom 30. November 2015 sein Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil, die Beklagte mit Schreiben vom 21. August 2015.

Wegen der Ausführungen der Beteiligten und der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Akteninhalt, die beigezogenen Behördenakten und die Sachverhaltsdarstellung im angefochtenen Bescheid Bezug genommen (§ 77 Abs. 2 AsylG). Die Akten in den Verfahren W 7 S. 15.50318, W 7 K 15.50328 und W 7 S. 15.50329 wurden beigezogen.

Gründe

1. Das Gericht entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 101 Abs. 2 VwGO).

2. Die Klage ist als Anfechtungsklage zulässig, aber unbegründet.

2.1 Statthafte Klageart ist vorliegend - auch nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (vgl. U.v. 28.02.2014 - 13a B 13.30295 - juris Rn. 22) - die Anfechtungsklage.

Ein zusätzlich gestellter Verpflichtungsantrag auf Ausübung des Selbsteintrittsrechts ist überflüssig, denn die Durchführung des Verfahrens, d.h. die inhaltliche Prüfung des Schutzbegehrens durch das Bundesamt, würde die zwangsläufige Folge einer gerichtlichen Aufhebung des auf §§ 27a, 34a AsylVfG gestützten Bescheids darstellen (vgl. VG Freiburg, B.v. 2.2.2012 - A 4 K 2203/11 - juris, Rn. 3 m.w.N.). Die Aufhebung des streitgegenständlichen Bescheides reicht also bereits aus, um das Ziel einer Durchführung der Asylverfahren in Deutschland zu erreichen (BayVGH, U.v. 28.2.2014 - 13a B 13.30295 - juris, Rn. 22; VG Düsseldorf, U.v. 27.6.2014 - 13 K 654/14.A - juris, Rn. 22 ff. m.w.N.; VG Regensburg, U.v. 29.4.2014 - RO 4 K 14.50022 - juris, Rn. 25; U.v. 18.7.2013 - RN 5 K 13.30027 - juris, Rn. 19 ff.).

2.2 Die Klage ist auch unbegründet. Der angefochtene Bescheid des Bundesamts vom 10. September 2015 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerinnen nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

Das Gericht hat bereits in seinem Beschluss vom 5. Oktober 2015 (Az. W 7 S. 15.50318) dargelegt, dass Polen für die Durchführung der Asylverfahren der Klägerinnen zuständig ist und die Klägerinnen nach Polen überstellt werden können.

Das Gericht hält an seiner im Sofortverfahren getroffenen Beurteilung fest, wo es ausführt:

„1.1.

Polen ist für die Durchführung der Asylverfahren gemäß den Vorschriften der Dublin III-Verordnung zuständig (§§ 34 a, 27 a AsylVfG i.V.m. der Ver-ordnung 604/2013/EU - Dublin III-VO). Die Zuständigkeit Polens ergibt sich vorliegend aus Art. 12 Abs. 4 Dublin III-VO.

Die Familieneinheit mit der Mutter der Antragstellerin zu 1) kann im Rahmen des Dublin-Verfahrens gewahrt werden, nachdem diese ebenfalls nach Polen überstellt werden soll.

1.2 Außergewöhnliche Umstände, die möglicherweise für ein Selbsteintrittsrecht bzw. eine entsprechende Pflicht der Antragsgegnerin nach Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO sprechen könnten, sind vorliegend nicht glaubhaft gemacht. Insbesondere ist nach derzeitigem Erkenntnisstand und unter Berücksichtigung der hierzu einschlägigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. EuGH, U.v. 21.12.2011 - C-411/10 u.a. - NVwZ 2012, 417 ff.) nicht davon auszugehen, dass das polnische Asylsystem an systemischen Mängeln leidet, aufgrund derer die dorthin rücküberstellten Asylbewerber einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 der Grundrechtscharta (GRCharta) ausgesetzt wären (so bereits VG Würzburg, B.v. 10.2.2014 - W 7 S. 14.30106; VG Würzburg, B.v. 16.12.2013 - W 7 S. 13.30469; VG Hamburg, B.v. 12.11.2013 - 17 AE 4415/13 - juris; VG Regensburg, B.v. 16.10.2013 - RN 9 S. 13.30520 - juris Rn. 20; VG Würzburg, B.v. 26.9.2013 - W 7 S. 13.30317; VG Würzburg, B.v. 16.9.2013 - W 7 S. 13.30313; VG Saarl, B.v. 24.6.2013 - 6 L 839/13 - juris; VG Ansbach, B.v. 20.3.2012 - AN 10 E 11.30140 - juris; vgl. aktuell BayVGH, U.v. 22.6.2015 - 11 B 15.50049 - juris; U.v. 13.4.2015 - 11 B 15.50031 - juris). Nach den dem Gericht vorliegenden Erkenntnissen bestehen auch keine Anhaltspunkte für das Vorliegen solcher Mängel im polnischen Asylsystem.

Ferner ist nicht ersichtlich, dass die Antragsgegnerin ermessensfehlerhaft keinen Gebrauch von ihrem Selbsteintrittsrecht nach Art. 17 Dublin III-VO gemacht hat. Es ist nicht davon auszugehen, dass die von der Antragstellerin zu 1) geltend gemachte Erkrankung in Polen nicht weiterbehandelt werden kann.

1.3 Schließlich sind auch inlandsbezogene Abschiebungshindernisse, die die Antragsgegnerin selbst zu berücksichtigen hätte (vgl. VGH BW, B.v. 31.5.11 - A 11 S 1523/11 - juris; OVG Hamburg, B.v. 3.12.2010 - 4 Bs 223/10 - juris Rn. 12; OVG NW, B.v. 30.8.2011 - 18 B 1060/11 - juris Rn. 4; OVG MV, B.v. 29.11.2004 - 2 M 299/04 - juris Rn. 9; OVG Berlin-Bbg, B.v.1.2.2012 - OVG 2 S. 6.12 - juris), weder vorgetragen noch ersichtlich. Dass die Antragstellerin zu 1) aufgrund gesundheitlicher Beeinträchtigungen reiseunfähig ist, ist nicht ersichtlich. Entsprechende ärztliche Unterlagen wurden nicht vorgelegt.“

Demnach war die Klage abzuweisen.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben, § 83b AsylG.

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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a). (2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur 1. bei der

Aufenthaltsgesetz - AufenthG
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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a). (2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur 1. bei der

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Tenor I. Der Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichts Würzburg wird geändert und die Klage abgewiesen. II. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen. Gerichtskosten werden nicht erhoben. III. Das Urteil ist i
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Tenor I. Der Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichts Würzburg wird geändert und die Klage abgewiesen. II. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen. Gerichtskosten werden nicht erhoben. III. D
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Tenor Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung ode
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Annotations

(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.

(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.

(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.

(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.

(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.

(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.

(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.

(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.

(7) Gegen einen Ausländer,

1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder
2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Einreise- und Aufenthaltsverbot anordnen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wird mit Bestandskraft der Entscheidung über den Asylantrag wirksam. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Über die Aufhebung, Verlängerung oder Verkürzung entscheidet die zuständige Ausländerbehörde.

(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.

(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) In Streitigkeiten nach diesem Gesetz stellt das Gericht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab; ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung gefällt wird. § 74 Absatz 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(2) Das Gericht kann außer in den Fällen des § 38 Absatz 1 und des § 73b Absatz 7 bei Klagen gegen Entscheidungen nach diesem Gesetz im schriftlichen Verfahren durch Urteil entscheiden, wenn der Ausländer anwaltlich vertreten ist. Auf Antrag eines Beteiligten muss mündlich verhandelt werden. Hierauf sind die Beteiligten von dem Gericht hinzuweisen.

(3) Das Gericht sieht von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe ab, soweit es den Feststellungen und der Begründung des angefochtenen Verwaltungsaktes folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt oder soweit die Beteiligten übereinstimmend darauf verzichten.

(4) Wird während des Verfahrens der streitgegenständliche Verwaltungsakt, mit dem ein Asylantrag als unzulässig abgelehnt wurde, durch eine Ablehnung als unbegründet oder offensichtlich unbegründet ersetzt, so wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens. Das Bundesamt übersendet dem Gericht, bei dem das Verfahren anhängig ist, eine Abschrift des neuen Verwaltungsakts. Nimmt der Kläger die Klage daraufhin unverzüglich zurück, trägt das Bundesamt die Kosten des Verfahrens. Unterliegt der Kläger ganz oder teilweise, entscheidet das Gericht nach billigem Ermessen.

(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Die mündliche Verhandlung soll so früh wie möglich stattfinden.

(2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(3) Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen, soweit nichts anderes bestimmt ist.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in Streitigkeiten nach diesem Gesetz nicht erhoben.