Verwaltungsgericht Würzburg Urteil, 21. Okt. 2015 - W 6 K 15.30149

published on 21/10/2015 00:00
Verwaltungsgericht Würzburg Urteil, 21. Okt. 2015 - W 6 K 15.30149
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Gericht

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Tenor

I.

Die Nummern 1 und 3 bis 5 des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 19. Dezember 2013 werden aufgehoben.

Die Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen.

II.

Die Kosten des Verfahrens hat die Beklagte zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

III.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Tatbestand

1. Die am ... 1989 geborene Klägerin, iranische Staatsangehörige, reiste nach eigenen Angaben am 5. Oktober 2012 in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragte am 16. November 2012 ihre Anerkennung als Asylberechtigte. Auf die Niederschrift über die Anhörung am 18. Juli 2013 wird Bezug genommen. Zur Begründung ihres Asylantrages gab die Klägerin im Wesentlichen an, sie sei im Jahr 2005 festgenommen und von Ordnungskräften vergewaltigt worden. Sie sei anschließend tabletten- und rauschgiftsüchtig geworden. Sie habe durch eine Freundin die Bahá’í-Religion kennengelernt. Im Jahr 2012 sei sie erneut festgenommen und für einen Monat inhaftiert worden. Nach ihrer Freilassung habe sie das Land verlassen.

Mit Bescheid vom 19. Dezember 2013 lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Nr. 1) und den Antrag auf Asylanerkennung (Nr. 2) sowie die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus (Nr. 3) ab. Weiter stellte es fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Nr. 4). Die Klägerin wurde aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von dreißig Tagen nach Bekanntgabe der Entscheidung, im Falle der Klageerhebung innerhalb von dreißig Tagen nach unanfechtbarem Abschluss des Asylverfahrens, zu verlassen. Die Abschiebung in den Iran oder in einen anderen Staat wurde angedroht (Nr. 5). Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt, die Klägerin habe ihre begründete Furcht vor Verfolgung nicht glaubhaft gemacht. Das Vorbringen zu den Geschehnissen, die zu ihrer Ausreise geführt hätten, vermittle nicht den Eindruck, insofern von tatsächlich Erlebtem berichtet zu haben. Die angebliche Hinwendung der Klägerin zur Religion der Bahá’í könne nicht geglaubt werden. Sie habe noch keine weiteren Aktivitäten unternommen und nicht an einem Ruhi-Kurs teilgenommen. Der Bescheid wurde der Klägerin laut Postzustellungsurkunde am 21. Dezember 2013 zugestellt.

2. Am 23. Dezember 2013 ließ die Klägerin Klage erheben. Mit Schriftsatz vom 12. April 2014 ließ die Klägerin die heutige Schreibweise ihres Namens erläutern sowie die Kopie einer Vorladung vorlegen. Außerdem ließ sie weiter vorbringen, sie sei aufgrund ihrer Hinwendung zur Religion der Bahá’í vorverfolgt ausgereist. Die Klägerin sei Anhängerin der Lehre der Bahá’í und vom muslimischen Glauben abgefallen. Eine offizielle Aufnahme als Mitglied durch die Bahá’í-Gemeinschaft in Deutschland sei zwar noch nicht erfolgt. Gleichwohl müsse sie bei einer Rückkehr in den Iran mit Verfolgungshandlungen rechnen. In der Folgezeit ließ die Klägerin weitere Unterlagen vorlegen.

Mit Schriftsatz vom 7. April 2015 ließ die Klägerin weiter ausführen: Sie habe zwischenzeitlich das Aufnahmegespräch bei der Zentrale der Bahá’í in Deutschland gehabt. Allerdings sei noch keine Entscheidung über die offizielle Aufnahme und Bescheinigung der Mitgliedschaft erfolgt bzw. der Klägerin zugegangen. Selbstverständlich lebe die Klägerin aber weiterhin ihren Bahá’í-Glauben. Die Vorladung vom 6.4.1392 bzw. 20.6.2013 sowie eine Übersetzung dieser Vorladung in deutscher Sprache würden zur Vorlage gebracht. Derzeit sei nicht nachvollziehbar, aus welchen Gründen es der deutschen Botschaft nicht möglich gewesen sei, die Echtheit der Vorladung zu überprüfen. Weiterhin sei die Klägerin aufgrund ihrer psychischen Erkrankung in Behandlung. Hierzu werde eine Kopie der fachärztlichen Bescheinigung vom 13. Mai 2014 zur Vorlage gebracht.

Mit Schriftsatz vom 19. Juni 2015 ließ die Klägerin unter Vorlage verschiedener Unterlagen (Schreiben, Bestätigung, Mitgliedsausweis) mitteilen, dass sie nunmehr offizielles Mitglied der Religionsgemeinschaft der Bahá’í sei.

3. Die Beklagte beantragte mit Schriftsatz vom 7. Januar 2014,

die Klage abzuweisen.

4. Die Kammer übertrug den Rechtsstreit mit Beschluss vom 20. März 2014 dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung.

Mit Beschluss vom 24. März 2014 bewilligte das Gericht der Klägerin Prozesskostenhilfe, soweit sie die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft bzw. des subsidiären Schutzes bzw. die Feststellung von Abschiebungsverboten begehrt, und ordnete ihr ihren Prozessbevollmächtigten bei. Im Übrigen wurde der Prozesskostenhilfeantrag abgelehnt.

In der mündlichen Verhandlung am 30. April 2014 hörte das Gericht die Klägerin informatorisch an. Des Weiteren erließ das Gericht einen Beweisbeschluss zur Einholung einer sachverständigen Auskunft des Auswärtigen Amtes.

Das Auswärtige Amt nahm mit Schreiben vom 9. Februar 2015 zu den Beweisfragen des Gerichts Stellung.

Das Bundeskriminalamt teilte auf Nachfrage des Gerichts mit Schreiben vom 2. März 2015 mit, dass gegen die Klägerin kein internationaler Haftbefehl vorliege und auch in der Vergangenheit nicht vorgelegen habe.

In der mündlichen Verhandlung am 22. April 2015 hörte das Gericht die Klägerin erneut informatorisch an, insbesondere zur Konversion zur Religionsgemeinschaft der Bahá’í sowie zu ihren psychischen Problemen. Mit Bezug auf eine mögliche psychische Erkrankung, insbesondere eine eventuelle posttraumatische Belastungsstörung (PTBS), erließ das Gericht einen Beweisbeschluss.

Am 26. August 2015 ging das psychiatrische Gutachten der F. GmbH von Dr. B. vom 24. August 2015 bei Gericht ein, welches zu den im Beweisbeschluss aufgeworfenen Fragen Stellung nahm und eine Gefahr für die Klägerin aus gesundheitlichen Gründen bei einer Rückkehr in den Iran im Ergebnis verneinte.

In der mündlichen Verhandlung am 21. Oktober 2015 nahm die Klägerin die Klage auf Aufhebung der Nr. 2 des streitgegenständlichen Bescheides und auf Anerkennung als Asylberechtigte zurück. Das Gericht trennte diesen Klageteil ab und führte unter dem Az. W 6 K 15.30699 fort. Das Gericht stellte das Verfahren W 6 K 15.30699 infolge der Klagerücknahme auf Kosten der Klägerin ein.

Der Klägerbevollmächtigte beantragte,

die Beklagte unter Aufhebung der Nrn. 1 und 3 bis 5 des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 19. Dezember 2013 zu verpflichten, der Klägerin die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen;

hilfsweise der Klägerin den subsidiären Schutz zuzuerkennen;

hilfsweise festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegen.

Das Gericht hörte die Klägerin informatorisch an. Auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung wird verwiesen.

5. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die eingereichten Schriftsätze samt Anlagen, die Gerichtsakte und die beigezogene Behördenakte Bezug genommen.

Gründe

Die Klage, über die entschieden werden konnte, obwohl nicht alle Beteiligten in der mündlichen Verhandlung erschienen sind (§ 102 Abs. 2 VwGO), ist zulässig und begründet.

1. Unter Berücksichtigung der aktuellen abschiebungsrelevanten Lage im Iran hat die Klägerin - unabhängig von ihrem Vorfluchtschicksal und von ihren gesundheitlichen Problemen - einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 AsylVfG.

Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 19. Dezember 2013 ist in seinen Nummern 1 und 3 bis 5 rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 und Abs. 5 Satz 1 VwGO). Die Klägerin hat im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 AsylVfG) einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 AsylVfG. Aus diesem Grund war der streitgegenständliche Bescheid, wie beantragt, insoweit aufzuheben. Über die hilfsweise gestellten Anträge zum subsidiären Schutz (§ 4 AsylVfG) bzw. zu den nationalen Abschiebungsverboten (§ 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG) war nicht zu entscheiden.

2. Aufgrund der aktuellen Lage, die sich aus den ins Verfahren eingeführten Erkenntnismitteln ergibt, besteht im Iran für Mitglieder der Bahá’í und insbesondere für Konvertiten die beachtliche Gefahr von Verfolgungshandlungen.

Das Gericht geht nach den ins Verfahren eingeführten Erkenntnissen davon aus, dass Mitgliedern der Religion der Bahá’í im Iran mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung droht, weil die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen als die dagegen sprechenden Tatsachen und eine Rückkehr unzumutbar erscheinen lassen. So enthalten schon die Lageberichte des Auswärtigen Amtes der letzten Jahre durchweg die Aussage, dass die Situation der Bahá’í problematisch ist, da diese im Iran diskriminiert werden und Repressionen unterliegen. Auch in den Erkenntnissen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Informationszentrum Asyl und Migration) der letzten Jahre werden immer wieder Übergriffe gerade gegen Mitglieder der Bahá’í dokumentiert. Nach den vorliegenden Erkenntnissen ist das Gericht überzeugt, dass Bahá’í mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgung bei einer Rückkehr in den Iran droht. Dies gilt erst recht für Konvertiten, die vom Islam zu den Bahá’í konvertiert sind. Denn die Bahá’í gelten als eine vom Islam abgefallene Sekte. Das Gericht folgt insoweit der Rechtsprechung, die jedenfalls den konvertierten Mitgliedern der Gemeinschaft der Bahá’í die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gewährt (vgl. etwa VG Darmstadt, U.v. 8.7.2014 - 5 K 185/13. DA.A; VG München, U.v. 6.5.2014 - M 2 K 13.31341 - juris; VG Trier, U.v. 21.11.2013 - 2 K 334/13.TR; U.v. 16.5.2013 - 2 K 1011/12.TR; VG Wiesbaden, U.v. 19.11.2013 - 6 K 971/13.WI.A; VG Düsseldorf, U.v. 11.10.2011 - 2 K 4175/10.A - juris; VG Ansbach, U.v. 31.03.2011 - AN 18 K 11.30040; VG Meiningen, U.v. 11.06.2008 - 5 K 20406/04 Me; kritisch VG Darmstadt, U.v. 28.6.2014 - 5 K 1087/12.DA.A - Entscheiderbrief 2014, 4).

Der Einschätzung liegen im Einzelnen die eingeführten Erkenntnisse zur aktuellen Lage im Iran zugrunde. So hat etwa das Auswärtige Amt in seinen Berichten über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der islamischen Republik Iran (zuletzt vom 24.2.2015, Stand: September 2014, S. 18 f.; siehe auch Auswärtiges Amt, Auskunft vom 16.3.2015 an das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge sowie vom 9.2.2015 an das VG Würzburg) ausdrücklich ausgeführt: Die Situation der Bahá’í ist nach wie vor problematisch. Ihre Mitglieder werden - unter anderem wegen ihrer Nähe zu Israel - diskriminiert. Bahá’í sind starker gesellschaftlicher, politischer und wirtschaftlicher Diskriminierung ausgesetzt. Bahá’í sind von dem Pensions- und Sozialversicherungssystem Irans ausgeschlossen. Kriminalitätsopfer erhalten keine staatliche Kompensation. Beim Zugang für Hochschulen kann die Religion der Bahá’í nicht angekreuzt werden. Bahá’í erhalten keine offizielle Heiratsurkunden. Sie sind explizit von den Regelungen über das Blutgeld ausgenommen. Es gibt immer wieder Berichte sowohl in den staatlichen als auch in oppositionellen Medien über Verhaftungen von Bahá’í oder von Zwangsschließungen von Geschäften sowie von Hausdurchsuchungen und Beschlagnahmen. Weitere Repressionen sind aktuell bis heute dokumentiert. Gerichtsverfahren gegen Führungsmitglieder der Bahá’í sind mit Haftstrafen zu Ende gegangen. Zurzeit sind über 100 Bahá’ís inhaftiert, darunter der gesamte 7-köpfige Vorstand. Augenfällig ist die Benachteiligung im Bildungsbereich. Außerdem werden Friedhöfe überbaut. Zudem drohen Konvertiten im Iran allgemein Verfolgung und Bestrafung bis hin zur Todesstrafe.

Den Informationen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Informationszentrum Asyl und Migration: Lage der Religionsgemeinschaft in ausgewählten islamischen Ländern, August 2011, S. 42) ist zur Situation der Bahá’í Folgendes zu entnehmen: Die Bahá’í stellen mit 0,5% der iranischen Bevölkerung, also ungefähr 330.000 bis 350.000 Personen, die größte religiöse Minderheitsgruppe im Iran dar. Der Bahá’í-Glaube ist die jüngste Weltreligion. Die Situation der Bahá’í bleibt schwierig, da sie im Gegensatz zu Christen, Juden und Zoroastriern nicht zu den neben dem Islam verfassungsmäßig anerkannten Religionsgemeinschaften gehören. Die Bahá’í werden von der iranischen Regierung als vom Islam abgefallene Sekte angesehen. Ihre Mitglieder werden diskriminiert, sind von staatlicher Beschäftigung ausgeschlossen, haben Probleme, in weiterführenden Schulen aufgenommen zu werden, und dürfen ihre Religion nur in privaten Häusern mit nicht mehr als 15 Personen ausüben. Den Bahá’í wird der ungehinderte Zugang zu Universitäten nur gewährt, wenn sie ihre Religion verleugnen. Hatten die staatlichen Zwangsmaßnahmen gegen die Bahá’í in den letzten Jahren etwas nachgelassen, sind sie gegenwärtig wieder im besonderen Maße der Willkür lokaler Behörden ausgesetzt. Die Bahá’í sind die einzige Minderheit, die direkt in den Strudel der Repressionen infolge der Präsidentenwahl 2009 gerieten. Bahá’í wurden verhaftet und zu Gefängnisstrafen verurteilt. Unterstrichen werden diese Aussagen durch die Erkenntnisse des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, Informationszentrum Asyl und Migration, die jeweils über staatliche Repressionen wie Hausdurchsuchungen und Festnahmen sowie Haftstrafen gegenüber den Bahá’í berichten (vgl. auch Bahá’í-Gemeinde in Deutschland, K.d.ö.R., Vertretung Berlin, Fact Sheet: Menschenrechtslage der Bahá’í im Iran, Stand: Januar 2015; UN, 27. Iran-Resolution vom 19.11.2014; ai, Report 2012, Iran, S. 4 f.; Süddeutsche.de vom 6.3.2013, Verfolgte Bahá’í-Minderheit im Iran; Der Nationale Geistige Rat der Bahá’í in Deutschland, Zur Verfolgung der Bahá’í im Iran, Stand: Dezember 2013).

Schließlich ist dem Iran-Report der Heinrich-Böll-Stiftung zu entnehmen, dass laut einem BBC-Bericht vom 16. Juli 2012 sechs Mitglieder der Bahá’í-Gemeinde in Teheran festgenommen worden sind. Ein Bahá’í war wegen „Mitgliedschaft in der Bahá’í-Gemeinde“ sowie „Teilnahme an einer Versammlung mit der Absicht, die nationale Sicherheit zu stören“ zu vier Jahren Haft verurteilt worden. Nach der iranischen Revolution 1979 wurden den Bahá’í das Recht, zu studieren und im Staatsdienst zu arbeiten, abgesprochen. Ihnen wurde auch untersagt, sich zu versammeln. Zudem wurden immer wieder Gräber der Bahá’í geschändet. Zurzeit sind mehr als 100 Bahá’í aufgrund ihrer religiösen Zugehörigkeit in Haft, darunter sieben Führer. Einem BBC-Bericht zufolge werden zurzeit die Akten von etwa 300 Bahá’í von der Justiz bearbeitet. Zuletzt wurden zahlreiche Verhaftungen, Einschüchterungen, Schmierereien an Hauswänden, Hasspropaganda in den Medien und Moscheen, Zwangsschließungen von Geschäften und die Exmatrikulation von Studenten der iranischen Stadt Semnan dokumentiert, die das Leben der Anhänger der Bahá’í-Religion erheblich erschweren. Zudem hat der iranische Revolutionsführer die Bahá’í geächtet. Die Repressionen treffen sowohl einfache Mitglieder als auch Repräsentanten (Iran-Report der Heinrich-Böll-Stiftung 12/2012, S. 8 f., 06/2013, S. 22, 09/2013, S. 9, 10/2013, S. 7, 9/2014, S. 6 und 11/2014, S. 23 sowie 1/2015, S. 6 f.; vgl. auch Bahá’í-Gemeinde in Deutschland, K.d.ö.R., Vertretung Berlin, Fact Sheet: Menschenrechtslage der Bahá’í im Iran, Stand: Januar 2015; UN, 27. Iran-Resolution vom 19.11.2014; Süddeutsche.de vom 6.3.2013, Verfolgte Bahá’í-Minderheit im Iran; Der Nationale Geistige Rat der Bahá’í in Deutschland, Zur Verfolgung der Bahá’í im Iran, Stand: Dezember 2013).

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Situation der Bahá’í, die als vom Islam abgefallene Sekte angesehen werden, im Iran von Diskriminierung und Benachteiligung in vielen Bereichen (Schulbildung, Studium, Religionsausübung, gewerbliche Betätigung) bestimmt ist. Die Religionsgemeinschaft der Bahá’í ist im Iran nicht anerkannt und in ihrer Glaubensausübung stark beeinträchtigt. Bahá’í werden im Alltagsleben zum Teil diskriminiert und verfolgt. Auch der Einzelne ist der Willkür von staatlichen Behörden ausgesetzt. Unter Zugrundelegung dieser Erkenntnisse hat die Klägerin wegen ihres Religionswechsels bei einer Rückkehr in den Iran mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit mit flüchtlingsrelevanter Verfolgung zu rechnen.

3. Aufgrund des persönlichen Eindrucks in der mündlichen Verhandlung und des schriftlichen Vorbringens besteht nach Überzeugung des Gerichts für die Klägerin eine beachtliche Verfolgungswahrscheinlichkeit bei einer Rückkehr in den Iran, da sich die Klägerin aufgrund einer tiefen inneren Glaubensüberzeugung lebensgeschichtlich nachvollziehbar vom Islam abgewandt und den Glauben der Bahá’í angenommen hat. Das Gericht ist weiterhin davon überzeugt, dass die Klägerin aufgrund ihrer persönlichen religiösen Prägung das unbedingte Bedürfnis hat, ihren Glauben in Gemeinschaft mit anderen Gläubigen auszuüben und dass sie ihn auch tatsächlich ausübt. Das Gerichtet erachtet weiter als glaubhaft, dass eine andauernde Prägung der Klägerin von ihrem neuen Glauben vorliegt und dass sie auch bei einer Rückkehr in den Iran ihren neuen Glauben leben will. Das Gericht hat nach der Anhörung der Klägerin in der mündlichen Verhandlung nicht den Eindruck, dass sich die Klägerin bezogen auf den entscheidungserheblichen Zeitpunkt (§ 77 Abs. 1 AsylVfG) nur vorgeschoben aus opportunistischen, asyltaktischen Gründen der Religionsgemeinschaft der Bahá’í zugewandt hat. Die Würdigung der Angaben der Klägerin zu ihrer Konversion ist ureigene Aufgabe des Gerichts im Rahmen seiner Überzeugungsbildung gemäß § 108 VwGO (BVerwG, B.v. 25.8.2015 - 1 B 40.15 - juris; BayVGH, B.v. 9.4.2015 - 14 ZB 14.30444 - NVwZ-RR 2015, 677; NdsOVG, B.v. 16.9.2014 - 13 LA 93/14 - juris; VGH BW, B.v. 19.2.2014 - A 3 S 2023/12 - juris; OVG NRW, B.v. 11.11.2013 - 13 A 2252/13.A - AuAS 2013, 271).

Das Gericht ist nach informatorischer Anhörung der Klägerin in der mündlichen Verhandlung sowie aufgrund der schriftlich vorgelegten Unterlagen davon überzeugt, dass diese ernsthaft vom Islam zur Religionsgemeinschaft der Bahá’í konvertiert ist. So legte die Klägerin ein persönliches Bekenntnis zu ihrem neuen Glauben ab. Die Klägerin schilderte weiter nachvollziehbar und ohne Widersprüche glaubhaft ihren Weg vom Islam zur Religionsgemeinschaft der Bahá’í, Inhalte des neuen Glaubens und ihre Aktivitäten in der Religionsgemeinschaft der Bahá’í. Die Schilderungen der Klägerin sind plausibel und in sich schlüssig. Die Klägerin legte verschiedene Unterlagen vor, die ihre Konversion bestätigen.

Besonders erwähnenswert ist die vorgelegte ausdrückliche Bestätigung des Nationalen Geistigen Rates der Bahá’í in Deutschland über die Mitgliedschaft der Klägerin in der Bahá’í-Gemeinde und ihre Aktivitäten. Denn nach der Auskunft des Nationalen Geistigen Rates der Bahá’í in Deutschland an das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge vom 16. November 2011 wird bei einem Aufnahmegesuch jeder Fall einzeln sorgfältig geprüft. Dabei werde in einem persönlichen Gespräch zwischen zwei Beauftragten und dem Bewerber versucht, die Person kennenzulernen und ihre Motive einzuschätzen. So werde in Erfahrung gebracht, wie und wo die Person den Bahá’í-Glauben kennengelernt habe, wie die Lebensumstände und der Aufenthaltsstatus seien oder ob über einen längeren Zeitraum hinweg das Interesse am Glauben deutlich geworden sei, ob Kenntnisse über den Glauben vorhanden seien und eine regelmäßige Teilnahme an den Bahá’í-Aktivitäten vorliege. Ziel sei es weiterhin, sich ein Bild von der Aufrichtigkeit und Rechtschaffenheit des Verhaltens zu machen. So würden Einkünfte vor Ort eingeholt. Eine Aufnahme in die Gemeinde erfolge nur dann, wenn keinerlei Zweifel an der Ernsthaftigkeit der Glaubensüberzeugung bestünden und der Nationale Geistige Rat sich von der Aufrichtigkeit der Motive habe überzeugen können. Es müsse deutlich erkennbar sein, dass der Beweggrund ausschließlich die Anerkennung des Bahá’u’lláhs sei. Andere Beweggründe würden nicht akzeptiert. Wo dies nicht eindeutig der Fall sei, seien Anträge auf Aufnahme in die Gemeinde abgelehnt oder zur erneuten Prüfung nach mehreren Monaten zurückgestellt worden (vgl. auch Auskunft des Nationalen Geistigen Rates der Bahá’í in Deutschland vom 05.09.2012 an das VG Regensburg).

Das Vorstehende hat der Sekretär des Nationalen Geistigen Rates der Bahá’í in Deutschland bei einer Zeugenaussage am 15. Februar 2013 im Verfahren W 6 K 12.30204, auf die Bezug genommen wird, ausdrücklich bestätigt. So erklärte der Zeuge zunächst in Bezug auf eine gegenläufige Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 28. August 2012 an das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, wonach die Aufnahme bei den Bahá’í nicht durch Beitritt, sondern durch Geburt erfolge, es gelte das Gegenteil. Vielmehr sollten die Bahá’í frei nach ihrer inneren Glaubensüberzeugung entscheiden. Deshalb gebe es bei ihnen auch den Grundsatz, dass Kinder und Jugendliche mit 15 Jahren ihren Glauben bestätigen müssten. Der Zeuge wies weiter darauf hin, dass es bei der Aufnahme von Bewerbern in die Religionsgemeinschaft der Bahá’í Besonderheiten gebe für Personen etwa aus Ländern wie dem Iran, in dem Verfolgung herrsche. Deshalb würden bei diesen Personen die Aufnahmevoraussetzungen besonders geprüft. Eine Voraussetzung für den Glauben der Bahá’í sei der Glaube an Bahá’u’lláh. Erforderlich sei der Glaube an Bahá’u’lláh als Religionsstifter und als Gottesbote, aber auch der Glauben an seine Schriften als Grundlage. Es gehe um eine innere Überzeugung. Deshalb sei es weltweit (nicht nur in Deutschland) so, dass die Aufrichtigkeit des Glaubens geprüft werde. Der Glaube habe weniger mit Wissen zu tun, sondern es gehe um die Aufrichtigkeit. Gerade auch um Missbrauch vorzubeugen, gehe es bei der Aufnahmeprüfung darum, die Aufrichtigkeit der Beweggründe festzustellen und ob sich die innere Glaubensüberzeugung manifestiert habe. Es gehe auch darum, andere Absichten auszuschließen. Ihr höchstes Gremium habe für die Aufnahmeprüfung religionsinterne Direktiven aufgestellt. Verschiedene zu berücksichtigende Faktoren seien benannt wie etwa: Aufrichtige Lebensführung, anhaltendes Interesse am Glauben, die Art und das Engagement in der Gemeinde und dergleichen. Es gehe darum, die Spreu vom Weizen zu trennen. Zwei Personen würden die Aufnahmeprüfung durchführen. Der Zeuge betonte wiederholt, dass es bei ihrer Aufnahmeprüfung weniger um konkretes Wissen gehe, sondern mehr um die Aufrichtigkeit. Es gehe darum, besser abzuschätzen, wie der Betreffende zum Glauben gekommen sei, woher er komme und wie er mit dem Glauben umgehe. Es erfolge eine Einzelfallprüfung. Zudem würden auch Informationen eingeholt. Feste Vorgaben, auch zeitlicher Art, gebe es allerdings nicht. Es gebe keine festen Kriterien, die erfüllt sein müssten. Genauso wenig sei es Voraussetzung, an konkreten Aktivitäten teilzunehmen. Entscheidend sei das Gesamtbild. Der Zeuge betonte ausdrücklich, dass die Auskunft des Nationalen Geistigen Rates der Bahá’í vom 16. November 2011 an das Bundesamt im Grundsatz weiterhin Gültigkeit habe. Allerdings befänden sie sich in einem Lernprozess. Sie wollten noch besser werden. Sie seien in ihrer Verfahrensweise bei der Aufnahmeprüfung nicht lockerer geworden, sondern hielten sich vielmehr an die Vorgaben ihres höchsten Gremiums, um Vorkehrungen gegen Missbrauch zu treffen. Um Missbrauch von Bewerbern mit asyltaktischen Motiven auszuschließen, würden sie prüfen, ob der Bewerber Bahá’í sei. Sie selbst hätten kein Interesse, einen Nicht-Bahá’í aufzunehmen. Bei Zweifeln würden die Bahá’í die Aufnahme zurückstellen und den Bewerber bitten, sich nach sechs Monaten nochmals zu melden. Sie würden auch regelmäßig Bewerber ablehnen, auch zum zweiten Mal, von denen sie nicht überzeugt seien, dass sie aufrichtige Bahá’í seien. Aufnahmen in die Religionsgemeinschaft der Bahá’í erfolgten im Gegensatz zu früher auch während des laufenden Asylverfahrens, da seit dem 2009 ein dauerhafter Wohnsitz nicht mehr Voraussetzung für die Aufnahme sei. Erfahrungen zeigten, auch im Nachhinein betrachtet, dass sie in der Regel bei der Aufnahme richtig entschieden hätten.

Zusammenfassend hat der Zeuge, der im Verfahren W 6 K 12.30204 in der dortigen mündlichen Verhandlung persönlich einen sehr seriösen und glaubwürdigen Eindruck hinterließ, so dass keinerlei Zweifel an der Richtigkeit seiner Aussage bestehen, klargemacht, dass der Nationale Geistige Rat der Bahá’í die Aufrichtigkeit und Ernsthaftigkeit des Übertritts zu seiner Religionsgemeinschaft gewissenhaft und intensiv prüft. Gerade auch angesichts der eigenen internen Direktiven ist es ein eigenes Anliegen der Religionsgemeinschaft der Bahá’í, dem Missbrauch vorzubeugen und Bewerber mit asyltaktischen Motiven auszuschließen. Die Prüfung der Glaubhaftigkeit der Konversion liegt im eigenen Interesse der Bahá’í. Dies wird bei der Aufnahmeprüfung der Bahá’í sorgfältig beachtet, da es weniger um die Abfrage von Wissen geht, als vielmehr um die Aufrichtigkeit der Konversion nach dem Gesamtbild im Einzelfall.

4. Ausgehend davon hat die Klägerin auf ein entsprechendes Aufnahmegespräch und eine Aufnahmeprüfung bei den Bahá’í hingewiesen und diese glaubhaft geschildert. Ihrer Schilderungen decken sich mit den soeben zitierten Auskünften. Die Klägerin erklärte das Aufnahmegespräch habe im Sommer 2014 stattgefunden. Das Aufnahmegespräch sei Bedingung gewesen, dass sie den Mitgliedsausweis erhalte. Bei dem Gespräch sei sie Vertretern der Bahá’í-Gemeinde allein gewesen. Sie hätten allgemein über die Bahá’í gesprochen. Die lange Dauer vom Aufnahmegespräch im Sommer 2014 bis zur Ausstellung des Mitgliedsausweises im Mai 2015 spricht für die Gewissenhaftigkeit der Prüfung seitens der Religionsgemeinschaft der Bahá’í und ist ein weiteres Indiz für die Ernsthaftigkeit der Konversion der Klägerin.

Die Klägerin hat des Weiteren ihre Beweggründe für die Konversion zur Religionsgemeinschaft der Bahá’í auch gerade im Vergleich zum Islam dargelegt. Sie habe schon im Iran Kontakt mit den Bahá’í gehabt. Die Religion der Bahá’í habe ihr geholfen. Auch eine Großmutter von ihr sei schon Bahá’í gewesen. Bahá’í werde man, wenn man an Bahá’u’lláh und Bab glaube. Sie habe als gebürtige Muslimin mit den Bahá’í einen neuen Weg beschritten. Zum damaligen Zeitpunkt sei sie sich noch nicht zu 100% sicher gewesen. Die neue Religion sei ein neuer Anfang. Sie habe mittlerweile auch den Ruhi-Kurs 1 beendet, den Ruhi-Kurs 2 beginne sie nächste Woche. Bahá’í sei eine neue Kultur. Die Religion der Bahá’í sei die beste für die jetzige Zeit. Sie nehme auch regelmäßig an Sitzungen teil. Sie stehe in Kontakt mit anderen Bahá’í-Familien.

Besonders zu erwähnen ist der Umstand, dass die Klägerin ihren Glauben nicht nur öffentlich und nach außen hin lebt, sondern sich auch in der Öffentlichkeit zu ihrem Glauben bekennt. Sie gab an, dass es auch schon Konflikte gegeben habe aufgrund ihres Bahá’ítums. Überwiegend syrische Asylbewerber fragten sie, ob sie Schweinefleisch in die Hand nehmen dürfe. Sie gab aber ehrlich an, dass sie bei den Syrern nicht für Bahá’í werbe. Die Klägerin gab weiter an, dass sie Kontakt mit der Heimat habe und dass ihre Verwandten wüssten, dass sie Bahá’í seien. Die Eltern seien zwar Moslems, aber sie seien letztlich damit einverstanden, weil sie glücklich sei. So macht die Klägerin bei ihrer Glaubensbetätigung nicht vor ihrer Heimat Halt, was für eine nachhaltige und ehrliche Konversion bei einer entsprechenden Glaubensbetätigung auch bei einer eventuellen Rückkehr in den Iran spricht.

Die Klägerin verdeutlichte des Weiteren plausibel ihre Beweggründe für die Abkehr vom Islam und ihre Hinwendung zu den Bahá’í gerade aus den Unterschieden zwischen den beiden Religionen. In dem Zusammenhang legte sie - in ihren Worten und im Rahmen ihrer Persönlichkeit und intellektuellen Disposition (vgl. BVerwG, B.v. 25.8.2015 - 1 B 40.15 - juris) - auch zentrale Elemente des Glaubens der Bahá’í als für sie wichtig dar. In ihren Aussagen machte die Klägerin wesentliche Elemente des Glaubens der Bahá’í und den fundamentalen Unterschied zwischen dem Islam und ihrem neuen Glauben deutlich und zeigte, dass sie dies verinnerlicht hat. Sie erklärte, die Gesetze von Mohamed gälten nicht für die heutige Zeit. Sie hätten keine Gültigkeit mehr. Man müsse mit der Zeit gehen. Das Bahá’í sei wie eine neue Kultur. Eigentlich gebe es keine großen Unterschiede zwischen den Weltreligionen, aber bei den Bahá’í gebe es den Bahá’u’lláh als Propheten. Er sei gekommen und habe ein neues Gesetz erlassen. Der Islam sei das alte. Bahá’u’lláh habe auch gesagt, zum Christentum und zum Islam gebe es keine Unterschiede. Im Islam seien aber die Männer auf einer höheren Stufe als Frauen. Bei den Bahá’í`s seien alle gleich. Nach dem Tod werde bei den Bahá’í anders als im Islam keiner verurteilt. Es gebe nach dem Tod bei den Bahá’í kein Paradies und keine Hölle. Als Bahá’í müsse man im Herzen glauben. Es gebe zwölf wichtige Glaubensgrundsätze, etwa dass es zwischen den Weltreligionen keinen Unterschied gebe, dass es zwischen Männer und Frauen keinen Unterschied gebe und dass es einen Ort gebe, an dem alle Menschen miteinander redeten und über Probleme sprächen und dass alle eine einheitliche Sprache sprächen.

Die Klägerin offenbarte weiter konkrete Glaubensinhalte und Glaubenskenntnisse, die ihre Glaubensentscheidung und ihren Gewissensschritt zusätzlich belegen. Sie verwies auf die Bücher von Bahá’u’lláh, etwa das Buch Aqdas. Das Buch Aqdas sei sprachlich recht schwer zu verstehen, deshalb habe sie im Internet über dieses Buch gelesen. Sie beschäftige sich eher über das Internet mit den Werken von Bahá’u’lláh. Weiter kannte die Klägerin den Kalender der Bahá’í, der aus 19 Monaten zu je 19 Tagen sowie aus vier bzw. fünf weiteren Tagen bestehe. Sie verwies auf die Veranstaltungen alle 19 Tage. Weiter zählte die Klägerin die Gebote und Verbote auf, wie etwa, keinen Alkohol zu trinken, keinen Ehebruch zu begehen oder im letzten Monat des Jahres zu fasten. Bei den Bahá’í gebe es verschiedene Gebete, ein großes, ein mittelgroßes und ein kleines Gebet. Alle Gebete sollen alleine für sich gebetet werden. Das einzige Gebet, das gemeinsam gebetet werde, sei das Totengebet. Des Weiteren kannte die Klägerin verschiedene Feiertage der Bahá’í und listete sie beispielshalber unter Hinweis auf ihre Bedeutung auf. Außerdem müsste jeder wahre Bahá’í 95 Mal am Tag Allah-u-Abha sagen. Diesen Spruch sage man auch zur Begrüßung.

Vor dem Hintergrund ihres eindeutigen und überzeugenden Bekenntnisses zum Glauben der Bahá’í leuchtet die Aussage der Klägerin ein, dass sie sich nicht vorstellen könne, zum Islam zurückzukehren. Sie erklärte, sie denke nicht einmal daran. Sie denke vielmehr, dass nach Bahá’u’lláh wieder ein neuer Prophet kommen werde. Auch auf Vorhalt einer Koran-Sure seitens des Gerichts, wonach der schwer bestraft werde, der sich von Allah abkehre, erklärte die Klägerin, was im Koran stehe, spiele für sie keine Rolle mehr. Sie sei eine Bahá’í. Des Weiteren ist die Angabe der Klägerin plausibel und glaubhaft, sie könne bei einer theoretischen Rückkehr in den Iran ihren Glauben nicht verheimlichen. Sie sei eine Bahá’í und wolle sich nicht verstecken, sondern auch die Bahá’í-Religion entsprechend ihrer Überzeugung im Iran praktizieren. Zudem wüssten die Behörden im Iran aus ihren Akten, dass sie Bahá’í sei.

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass das gesamte Verhalten der Klägerin vor und nach ihrer Ausreise im Zusammenhang mit der Konversion zur Religionsgemeinschaft der Bahá’í sowie die von ihr vorgetragenen Glaubensinhalte und Glaubenskenntnisse über die neue Religion - auch in Abgrenzung zum Islam - eine ehrliche Konversion glaubhaft machen und erwarten lassen, dass die Klägerin bei einer angenommenen Rückkehr in ihre Heimat ihrer neu gewonnenen Religion entsprechend leben würde. Die Klägerin hat lebensgeschichtlich nachvollziehbar ihre Motive für die Abkehr vom Islam und ihrer Hinwendung zum Glauben der Bahá’í dargestellt. Sie hat ihre Konversion anhand der von ihr gezeigten Glaubenskenntnisse über die Religion der Bahá’í und durch ihre Glaubensbetätigung gerade auch mit Bezug zur Öffentlichkeit nachhaltig und glaubhaft vorgetragen. Der Eindruck einer ernsthaften Konversion wird dadurch verstärkt, dass die Klägerin sich auch gegenüber Andersgläubigen, insbesondere Moslems, zu ihrem neuen Glauben bekennt. Weiter ist nicht davon auszugehen, dass die Klägerin bei einer theoretischen Rückkehr in den Iran ihre Konversion verheimlichen würde, da prognostisch von einer andauernden Prägung der Klägerin durch ihren neuen Glauben auszugehen ist. Abgesehen davon kann einer Klägerin nicht als nachteilig entgegengehalten werden, wenn sie aus Furcht vor Verfolgung auf eine Glaubensbetätigung verzichtet, sofern die verfolgungsrelevante Glaubensbetätigung wie hier die religiöse Identität der Schutzsuchenden kennzeichnet. Ein so unter dem Druck der Verfolgungsgefahr erzwungener Verzicht auf die Glaubensbetätigung kann die Qualität einer Verfolgung erreichen und hindert nicht die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (vgl. BVerwG, B.v. 25.8.2015 - 1 B 40.15 - juris; U.v. 20.2.2013 - 10 C 23/12 - BVerwGE 146, 67; Berlit, juris, Praxisreport-BVerwG 11/2013 Anm. 1; Marx, Anmerkung, InfAuslR 2013, 308). Umgekehrt kann einer Gläubigen von den deutschen Behörden bzw. Gerichten nicht zugemutet werden, bei einer Rückkehr in den Iran von ihrer religiösen Betätigung Abstand zu nehmen, um nicht verfolgt zu werden (EuGH, U.v. 05.09.2012 - C-71/11 und C-99/11 - ABl. EU 2012, Nr. C 331, 5 - NVwZ 2012, 1612).

Die Klägerin hat insgesamt durch ihr Auftreten in der mündlichen Verhandlung und durch die Darlegung seiner Beweggründe nicht den Eindruck hinterlassen, dass sie nur aus opportunistischen und asyltaktischen Gründen motiviert dem Glauben der Bahá’í nähergetreten ist, sondern aufgrund einer ernsthaften Gewissensentscheidung und aus einer tiefen Überzeugung heraus den religiösen Einstellungswandel vollzogen hat. Dieser Eindruck erhärtet sich durch das schriftliche Vorbringen sowie die vorgelegten Unterlagen, wobei gerade die ausdrückliche Bestätigung des Nationalen Geistigen Rates der Bahá’í in Deutschland ein starkes Indiz für eine ehrliche und ernsthafte Konversion ist. Die Gewissenhaftigkeit und Sorgfältigkeit der Aufnahmeprüfung der Bahá’í hat der Sekretär des Nationalen Geistigen Rates dem Gericht gegenüber im Verfahren W 6 K 12.30204 nachdrücklich und überzeugend bestätigt.

5. Nach § 28 Abs. 1a AsylVfG kann sich ein Kläger bzw. eine Klägerin bei der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 AsylVfG auch auf Umstände stützen, die nach Verlassen des Herkunftslandes entstanden sind. Dies gilt gerade, wenn wie hier vorliegend eine Iranerin ihre religiöse Überzeugung aufgrund ernsthafter Erwägungen wechselt und nach gewissenhafter Prüfung vom Islam zu einer anderen Religion übertritt (Bergmann in Renner/Bergmann/Dienelt, AuslR, 10. Aufl. 2013, § 28 AsylVfG, Rn. 17). Hinzu kommt, dass sich die Situation für Angehörige der Bahá’í im Iran im Laufe der letzten Jahre eher verschärft hat, so dass eine gestiegene Verfolgungsgefahr auch auf Gründen beruht, die unabhängig vom Verhalten der Klägerin sind.

Nach alledem ist der Klägerin die Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 AsylVfG zuzuerkennen und der angefochtene Bundesamtsbescheid insoweit in seinen Nummern 1 und 3 bis 5 aufzuheben. Über die hilfsweise gestellten Anträge zum subsidiären Schutz (§ 4 AsylVfG) bzw. zu den nationalen Abschiebungsverboten (§ 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG) war nicht zu entscheiden (vgl. § 31 Abs. 3 Satz 2 AsylVfG).

6. Neben der Aufhebung der entsprechenden Antragsablehnung im Bundesamtsbescheid sind auch die verfügte Abschiebungsandrohung sowie die Ausreisefristbestimmung rechtswidrig und daher aufzuheben. Denn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge erlässt nach § 34 Abs. 1 AsylVfG i. V. m. §§ 59 und 60 Abs. 10 AufenthG die Abschiebungsandrohung insbesondere nur, wenn der Ausländer nicht als Asylberechtigter anerkannt und ihm die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt wird. Umgekehrt darf im Fall der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft eine Abschiebungsandrohung nicht ergehen. Letzteres ist im gerichtlichen Verfahren - wenn auch noch nicht rechtskräftig - festgestellt.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylVfG.

Zur Klarstellung wird im Hinblick auf die erhobene und nach Klagerücknahme und Abtrennung im gesonderten Verfahren W 6 K 15.30699 eingestellte Asylklage betreffend die Anerkennung der Klägerin als Asylberechtigte darauf hingewiesen, dass das Gericht in der Sache eine entsprechende Anwendung von § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO für angemessen hält, da der zurückgenommene Teil der Klage durch die weitgehende Angleichung des Flüchtlingsstatus an die Rechtsstellung der Asylberechtigten kostenmäßig nicht ins Gewicht fällt (Hess. VGH, U.v. 21.9.2011 - 6 A 1005/10.A - EzAR-NF 63 Nr. 4; VG Würzburg, B.v. 12.9.2011 - W 6 M 11.30245 - juris).

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl
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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl
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published on 09/04/2015 00:00

Tenor I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt. II. Die Kläger tragen die Kosten des Zulassungsverfahrens. Gründe Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die geltend g
published on 10/06/2016 00:00

Tatbestand 1 Die Beteiligten streiten über die Fragen, ob Barausgleiche, die der Kläger als Stillhalter bei Optionsgeschäften in den Streitjahren 2009 bis 2011 zahlte, steuerlich zu berücksichtigen sind und ob Prämien aus Glattstellungsgeschäften,
published on 19/02/2014 00:00

Tenor Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 9. August 2012 - A 6 K 1056/12 - wird abgelehnt.Die Klägerin trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Zulassungsverfahrens. Gründe
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published on 09/05/2019 00:00

Tenor I. Die Klage wird abgewiesen. II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben. Tatbestand Der Kläger begehrt mit seiner Klage die Zuerkennung der Flüchtlingseigens
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Tenor I. Die Klage wird abgewiesen. II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben. Tatbestand Der Kläger, ein iranischer Staatsangehöriger, reiste nach eigenen
published on 13/05/2016 00:00

Tenor Die Klage wird abgewiesen.Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens. Tatbestand   1 Der am ...1981 geborene Kläger ist iranischer Staatsangehöriger. Er reiste am 26.04.2013 in das Bundesgebiet ein. Am 15.05.2013
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Annotations

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Sobald der Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt ist, sind die Beteiligten mit einer Ladungsfrist von mindestens zwei Wochen, bei dem Bundesverwaltungsgericht von mindestens vier Wochen, zu laden. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende die Frist abkürzen.

(2) Bei der Ladung ist darauf hinzuweisen, daß beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann.

(3) Die Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit können Sitzungen auch außerhalb des Gerichtssitzes abhalten, wenn dies zur sachdienlichen Erledigung notwendig ist.

(4) § 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung ist nicht anzuwenden.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Die Abschiebung ist unter Bestimmung einer angemessenen Frist zwischen sieben und 30 Tagen für die freiwillige Ausreise anzudrohen. Ausnahmsweise kann eine kürzere Frist gesetzt oder von einer Fristsetzung abgesehen werden, wenn dies im Einzelfall zur Wahrung überwiegender öffentlicher Belange zwingend erforderlich ist, insbesondere wenn

1.
der begründete Verdacht besteht, dass der Ausländer sich der Abschiebung entziehen will, oder
2.
von dem Ausländer eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht.
Unter den in Satz 2 genannten Voraussetzungen kann darüber hinaus auch von einer Abschiebungsandrohung abgesehen werden, wenn
1.
der Aufenthaltstitel nach § 51 Absatz 1 Nummer 3 bis 5 erloschen ist oder
2.
der Ausländer bereits unter Wahrung der Erfordernisse des § 77 auf das Bestehen seiner Ausreisepflicht hingewiesen worden ist.
Die Ausreisefrist kann unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls angemessen verlängert oder für einen längeren Zeitraum festgesetzt werden. § 60a Absatz 2 bleibt unberührt. Wenn die Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht oder der Abschiebungsandrohung entfällt, wird die Ausreisefrist unterbrochen und beginnt nach Wiedereintritt der Vollziehbarkeit erneut zu laufen. Einer erneuten Fristsetzung bedarf es nicht. Nach Ablauf der Frist zur freiwilligen Ausreise darf der Termin der Abschiebung dem Ausländer nicht angekündigt werden.

(2) In der Androhung soll der Staat bezeichnet werden, in den der Ausländer abgeschoben werden soll, und der Ausländer darauf hingewiesen werden, dass er auch in einen anderen Staat abgeschoben werden kann, in den er einreisen darf oder der zu seiner Übernahme verpflichtet ist. Gebietskörperschaften im Sinne der Anhänge I und II der Verordnung (EU) 2018/1806 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. November 2018 zur Aufstellung der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige beim Überschreiten der Außengrenzen im Besitz eines Visums sein müssen, sowie der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige von dieser Visumpflicht befreit sind (ABl. L 303 vom 28.11.2018, S. 39), sind Staaten gleichgestellt.

(3) Dem Erlass der Androhung steht das Vorliegen von Abschiebungsverboten und Gründen für die vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nicht entgegen. In der Androhung ist der Staat zu bezeichnen, in den der Ausländer nicht abgeschoben werden darf. Stellt das Verwaltungsgericht das Vorliegen eines Abschiebungsverbots fest, so bleibt die Rechtmäßigkeit der Androhung im Übrigen unberührt.

(4) Nach dem Eintritt der Unanfechtbarkeit der Abschiebungsandrohung bleiben für weitere Entscheidungen der Ausländerbehörde über die Abschiebung oder die Aussetzung der Abschiebung Umstände unberücksichtigt, die einer Abschiebung in den in der Abschiebungsandrohung bezeichneten Staat entgegenstehen und die vor dem Eintritt der Unanfechtbarkeit der Abschiebungsandrohung eingetreten sind; sonstige von dem Ausländer geltend gemachte Umstände, die der Abschiebung oder der Abschiebung in diesen Staat entgegenstehen, können unberücksichtigt bleiben. Die Vorschriften, nach denen der Ausländer die im Satz 1 bezeichneten Umstände gerichtlich im Wege der Klage oder im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach der Verwaltungsgerichtsordnung geltend machen kann, bleiben unberührt.

(5) In den Fällen des § 58 Abs. 3 Nr. 1 bedarf es keiner Fristsetzung; der Ausländer wird aus der Haft oder dem öffentlichen Gewahrsam abgeschoben. Die Abschiebung soll mindestens eine Woche vorher angekündigt werden.

(6) Über die Fristgewährung nach Absatz 1 wird dem Ausländer eine Bescheinigung ausgestellt.

(7) Liegen der Ausländerbehörde konkrete Anhaltspunkte dafür vor, dass der Ausländer Opfer einer in § 25 Absatz 4a Satz 1 oder in § 25 Absatz 4b Satz 1 genannten Straftat wurde, setzt sie abweichend von Absatz 1 Satz 1 eine Ausreisefrist, die so zu bemessen ist, dass er eine Entscheidung über seine Aussagebereitschaft nach § 25 Absatz 4a Satz 2 Nummer 3 oder nach § 25 Absatz 4b Satz 2 Nummer 2 treffen kann. Die Ausreisefrist beträgt mindestens drei Monate. Die Ausländerbehörde kann von der Festsetzung einer Ausreisefrist nach Satz 1 absehen, diese aufheben oder verkürzen, wenn

1.
der Aufenthalt des Ausländers die öffentliche Sicherheit und Ordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt oder
2.
der Ausländer freiwillig nach der Unterrichtung nach Satz 4 wieder Verbindung zu den Personen nach § 25 Absatz 4a Satz 2 Nummer 2 aufgenommen hat.
Die Ausländerbehörde oder eine durch sie beauftragte Stelle unterrichtet den Ausländer über die geltenden Regelungen, Programme und Maßnahmen für Opfer von in § 25 Absatz 4a Satz 1 genannten Straftaten.

(8) Ausländer, die ohne die nach § 4a Absatz 5 erforderliche Berechtigung zur Erwerbstätigkeit beschäftigt waren, sind vor der Abschiebung über die Rechte nach Artikel 6 Absatz 2 und Artikel 13 der Richtlinie 2009/52/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Juni 2009 über Mindeststandards für Sanktionen und Maßnahmen gegen Arbeitgeber, die Drittstaatsangehörige ohne rechtmäßigen Aufenthalt beschäftigen (ABl. L 168 vom 30.6.2009, S. 24), zu unterrichten.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteiligten können die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.

(2) Wer einen Antrag, eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf zurücknimmt, hat die Kosten zu tragen.

(3) Kosten, die durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entstehen, fallen dem Antragsteller zur Last.

(4) Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, können diesem auferlegt werden.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.