Verwaltungsgericht Würzburg Urteil, 23. Dez. 2015 - W 4 K 14.1192

published on 23/12/2015 00:00
Verwaltungsgericht Würzburg Urteil, 23. Dez. 2015 - W 4 K 14.1192
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Gericht

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Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu 1) zu tragen. Der Beigeladene zu 2) trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.

III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu vollstreckenden Kosten abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Erteilung einer isolierten Befreiung für die Errichtung einer 2 m hohen Mauer aus sog. Florwallsteinen auf dem Grundstück A... ..., Fl.Nr. ...5 der Gemarkung H..., ... (Baugrundstück), hilfsweise die Feststellung, dass für das vorgenannte Vorhaben eine Baugenehmigung bzw. eine isolierte Befreiung nicht erforderlich ist.

1. Die Klägerin ist Eigentümerin des Baugrundstücks, welches im Geltungsbereich des rechtsverbindlichen Bebauungsplans „Oberdorf“, Teilgebiet „Am Kapellenberg“ liegt. Dieser enthält in Ziff. 1.7 folgende, für alle Teilgebiete geltende Festsetzung:

„Einfriedungen an der talseitigen Straßenseite sind höchstens 1,20 m hoch und im Straßenzug einheitlich aussehend auszuführen.

Auf der bergseitigen Straßenseite sind ü.Ü 1,30 – 1,50 m hohe Stützmauern, soweit erforderlich, vorzusehen. Sonst wie an der Talseite.

Seitliche und rückwärtige Einfriedungen sind als Maschendrahtzäune auszubilden, an höchstens 1,50 m hohen Stahlrohrpfosten zu befestigen und mit bodenständigen Büschen, Blütensträuchern o.ä. zu hinterpflanzen. Betonpfosten sind unzulässig.“

Das Baugrundstück der Klägerin ist an einem Hang gelegen. Das Gelände fällt von der Straße „A...“ oberhalb des Baugrundstücks Richtung „K...“ stark ab. Auf dem westlichen Nachbargrundstück der Klägerin (Fl.Nr. ...25) hat der Nachbar ... B... im rückwärtigen Grundstücksbereich an der Grenze zum Grundstück Fl.Nr. ...24 eine Mauer aus Florwallsteinen mit einer Höhe von ca. 2 m errichtet und das ursprünglich hängige Grundstück bis zur Oberkante der Mauer aufgefüllt. Diese Mauer war Gegenstand der Planunterlagen zur Baugenehmigung des Landratsamts Aschaffenburg vom 16. März 2011. Das Vorhaben ist jedoch abweichend von den Planunterlangen ausgeführt (vgl. Bescheid des Landratsamts Aschaffenburg vom 13. April 2011), weshalb der Grundstückseigentümer B... einen Tekturantrag beim Landratsamt Aschaffenburg gestellt hat, über den noch nicht entschieden ist. Auf dem ebenfalls westlich vom Baugrundstück gelegenen Grundstück Fl.Nr. ...8 hat der Eigentümer vor ca. vier bis fünf Jahren im rückwärtigen Grundstücksbereich an der Grenze zum Grundstück Fl.Nr. ...1 eine Gabionenwand errichtet, für welche weder eine Baugenehmigung noch eine isolierte Befreiung existiert.

Mit Bauantrag vom 30. Juli 2011 beantragte die Klägerin den Neubau eines Wohnhauses mit Doppelgarage und Mauer im südlichen Grundstücksbereich auf dem Baugrundstück. Diesem Vorhaben stimmte die Beklagte mit Gemeinderatsbeschluss vom 5. August 2011 samt allen Abweichungen vom Bebauungsplan (auch hinsichtlich der beantragten Mauer) zu. In der Folge empfahl das Landratsamt Aschaffenburg der Klägerin, die Mauer aus dem Bauantrag herauszunehmen, da insoweit eine Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans nicht erteilt werden könne (Bl. 42 d. Behördenakte). Die Klägerin änderte ihren Bauantrag daraufhin entsprechend ab. Das Landratsamt Aschaffenburg erteilte der Klägerin in der Folge mit Bescheid vom 21. Oktober 2011 die Baugenehmigung entsprechend dem geänderten Bauantrag ohne die ursprünglich geplante Mauer. Die Klägerin hat zwischenzeitlich von dieser Baugenehmigung Gebrauch gemacht und das Wohnhaus sowie die Doppelgarage errichtet und die Aufnahme der Nutzung zum 1. August 2012 angezeigt.

Mit Antrag vom 2. November 2012 beantragte die Klägerin bei der Beklagten eine isolierte Befreiung für die Errichtung einer 2 m hohen Mauer aus Florwallsteinen an der südlichen Grundstücksgrenze zu den Grundstücken Fl.Nrn. ...24 und ...34 des Beigeladenen zu 1). Die Mauer soll eine Auffüllung des abfallenden Geländes im hinteren Bereich in etwa auf das Niveau des Wohnhauses ermöglichen. In der Sitzung vom 9. November 2012 beschloss der Gemeinderat der Beklagten, dass der Antrag der Klägerin abgelehnt wird. Einen ablehnenden Bescheid erließ die Klägerin nicht.

Mit Antragsschrift vom 12. Juni 2013 stellte die Klägerin einen Normenkontrollantrag bezüglich der Festsetzung unter Ziff. 1.7 des Bebauungsplans „Oberdorf“ beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof. Das Normenkontrollverfahren wurde durch Beschluss vom 3. November 2014 eingestellt, da die Klägerin den Antrag zurück genommen hatte.

2. Mit ihrer am 17. November 20104 bei Gericht eingegangenen Klage wendet sich die Klägerin gegen das Verhalten der Beklagten. Sie beantragt,

  • 1.Die Ablehnung des Antrags auf isolierte Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans „Oberdorf“ durch die Beklagte wird aufgehoben.

  • 2.Die Beklagte wird verpflichtet, dem Antrag auf isolierte Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans „Oberdorf“ stattzugeben.

  • 3.Hilfsweise: Die Beklagte wird verpflichtet, den Antrag auf isolierte Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu verbescheiden.

  • 4.Hilfsweise: Es wird festgestellt, dass das Bauvorhaben baugenehmigungsfrei ist bzw. keiner isolierten Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans bedarf.

Zur Begründung führt die Klägerin im Wesentlichen aus: Die Ablehnung des Antrags der Klägerin auf isolierte Befreiung für das streitgegenständliche Vorhaben durch den Beschluss des Gemeinderats der Beklagten vom 9. November 2012 bzw. dessen Veröffentlichung im Amts- und Mitteilungsblatt der Gemeinde am 23. November 2012 stellten einen belastenden Verwaltungsakt dar. Die Ablehnung sei formell und materiell rechtswidrig. Der Klägerin stünde die begehrte Befreiung für das streitgegenständliche Vorhaben zu. Ein Anspruch auf die begehrte Befreiung ergebe sich schon aus Art. 3 GG, weil die Beklagte für den ursprünglichen Bauantrag für das Wohnhaus, der auch die Mauer umfasste, ihr Einvernehmen erteilt habe. Zudem habe die Beklagte bei Nachbarn die Errichtung von ähnlichen Mauern genehmigt. Weiter sei das Vorhaben nach Art. 57 BayBO verfahrensfrei. Die Verfahrensfreiheit der Mauer ergebe sich aus Art. 57 Abs. 1 Nr. 7 BayBO, da diese eine Höhe von 2 m nicht überschreite. Die Verfahrensfreiheit der Aufschüttung sei in Art. 57 Abs. 1 Nr. 9 BayBO geregelt. Der Bebauungsplan „Oberdorf“ sei funktionslos. Das Vorhaben widerspreche zudem nicht der Festsetzung in Ziff. 1.7 des Bebauungsplans „Oberdorf“. Bei dem streitgegenständlichen Vorhaben handle es sich nicht um eine Einfriedung im Sinne der Festsetzung, sondern um eine Stützmauer. Die Begriffe „Stützmauer“ und „Einfriedung“ seien nicht gleichzusetzen. Vorliegend sei die Errichtung von Stützmauern im Bebauungsplan überhaupt nicht geregelt. Zur Begründung verweist die Klägerin auf das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 20. August 2010 (Az. 9 ZB 09.2522), in dem dieser die Anwendung einer Einfriedungen betreffenden Festsetzung auf Stützmauern abgelehnt habe. Der beabsichtigten Mauer komme vorliegend die Funktion zu, eine sinnvolle Nutzung des Baugrundstücks zu ermöglichen. Der Festsetzung unter Ziff. 1.7 läge die Stellungnahme des Naturschutzbeauftragten vom 28. Mai 1971 zugrunde. Danach sollten für die Einfriedungen keine Betonpfosten verwendet werden, soweit die äußeren Grundstücksgrenzen den endgültigen Übergang zur freien Landschaft bilden. Daher solle die Festsetzung in Ziff. 1.7 nur bei den rückwärtigen Einfriedungen Anwendung finden, die den endgültigen Übergang zur freien Landschaft bilden. Das Grundstück der Klägerin grenze jedoch nicht an die freie Landschaft, sondern an den nächsten Bauplatz, weshalb die Festsetzung unter Ziff. 1.7 vorliegend nicht anwendbar sei.

3. Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie führt zur Begründung im Wesentlichen aus: Der Klageantrag in Ziff. 1 sei bereits unzulässig, da ein Ablehnungsbescheid hinsichtlich des Antrags auf isolierte Befreiung nicht ergangen sei und es somit an einem für die Klägerin belastenden Verwaltungsakt fehle. Im Übrigen sei die Klage unbegründet, da der Klägerin die Erteilung einer isolierten Befreiung nicht zustünde. Das Vorhaben widerspreche der Festsetzung in Ziff. 1.7 des Bebauungsplans „Oberdorf“. Die beabsichtigte Mauer sei eine Grundstückseinfriedung im Sinne der Festsetzung in Ziff. 1.7. Unter Einfriedungen im bauordnungsrechtlichen Sinne seien Anlagen mit dem Zweck zu verstehen, ein unbebautes oder bebautes Grundstück oder Grundstücksteile nach außen zur Sicherung gegen unbefugtes Betreten oder Verlassen, unerwünschte Einsicht oder gegen Witterungs- oder Immissionseinflüsse abzuschließen und von Verkehrsflächen oder Nachbargrundstücken abzugrenzen. Hierzu gehörten auch Mauern, wenn sie eine künstlich herbeigeführte Böschung und nicht nur ein von der Natur aus abschüssiges Gelände oder ein zur sinnvollen Grundstücksnutzung aufgefülltes Gelände sichern. Die geplante Mauer solle nicht nur das bestehende Gelände sichern, sondern vielmehr einer maximalen Ausnutzung des Grundstücks im Sinne einer Schaffung eines ebenen Geländes dienen. Dies widerspreche aber den Festsetzungen des maßgeblichen Bebauungsplans „Oberdorf“, wonach lediglich Maschendrahtzäune ohne Betonsockel mit einer Höhe von 1,50 m zulässig seien. Die maßgebliche Festsetzung sei auch wirksam. Die grundsätzliche Zulässigkeit örtlicher Bauvorschriften über Notwendigkeit oder Verbot und über Art, Gestaltung und Höhe von Einfriedungen ergebe sich aus Art. 91 Abs. 1 Nr. 4 BayBO 1988. Sinn und Zweck der Festsetzung in Ziff. 1.7 des Bebauungsplans sei es, mit Rücksicht auf die südlich angrenzenden tiefergelegenen Grundstücke eine begrünte Trennfläche bei gleichbleibenden Geländeverhältnissen zu erhalten. Weiter lägen die Voraussetzungen für eine isolierte Befreiung nicht vor, da durch die Zulassung des Vorhabens die Grundzüge der Planung berührt würden. Nach den planerischen Erwägungen der Beklagten sollten die Geländeverhältnisse im Geltungsbereich des Bebauungsplans „Oberdorf“ möglichst unangetastet bleiben, um auf diese Weise die Topographie zu erhalten. Die Zulassung des streitgegenständlichen Vorhabens würde diesen Planungszielen somit diametral entgegenlaufen. Im Übrigen würde ein Bezugsfall für andere benachbarte Grundstücke im Geltungsbereich des Bebauungsplans „Oberdorf“ geschaffen.

4. Der Beigeladene zu 1) beantragt,

die Klage abzuweisen.

Nach seiner Auffassung begründe Ziff. 1.7 des Bebauungsplans „Oberdorf“ ein „Stützmauerverbot“, das den Zweck habe, Auffüllungen und Grundstücksvergrößerungen zu vermeiden. Die Festsetzung für Einfriedungen gelte offenkundig nicht nur für Grundstücke, die an den Außenbereich grenzen, sondern für jedes Grundstück im Hangbereich zwischen der bergseitigen Straße „A...“ und der talseitigen Straße „K...“. Die Festsetzung in Ziff. 1.7 diene außerdem auch dem Schutz des Unterliegergrundstücks vor „burgartigen Befestigungen“. Der Beigeladene zu 1) müsse nicht dulden, dass durch die Errichtung einer hinterfüllten Mauer eine Aussichtsplattform geschaffen werde, von der aus seine beiden Unterliegergrundstücke unter ständiger Beobachtung stehen. Im Übrigen sei der Antrag der Klägerin auf Erteilung einer isolierten Befreiung bereits rechtsmissbräuchlich, da die beantragte Mauer bereits Gegenstand des ursprünglichen Bauantrags gewesen sei. Da dieser nicht genehmigungsfähig gewesen sei, dürfe der streitgegenständliche Antrag auf isolierte Befreiung nicht dazu missbraucht werden, ein Vorhaben durchzusetzen, das insgesamt nicht genehmigungsfähig gewesen sei.

5. Der Beigeladene zu 2) hat keinen Antrag gestellt und sich auch schriftsätzlich nicht zur Sache eingelassen.

6. Das Gericht hat das Baugrundstück und die nähere Umgebung am 8. Dezember 2015 in Augenschein genommen. Auf die Niederschrift und die gefertigten Lichtbildaufnahmen wird verwiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichts- und Behördenakte Bezug genommen.

Gründe

Mit Einverständnis aller Beteiligten konnte über die Klage ohne mündliche Verhandlung entschieden werden (§ 101 Abs. 2 VwGO).

Die Klage ist in Ziff. 1 unzulässig, in Ziff. 2 und 3 zwar zulässig, aber unbegründet. Schließlich hat die Klage auch in Ziff. 4 keinen Erfolg.

I.

Nach § 88 VwGO ist das Gericht an die Fassung der Anträge nicht gebunden, darf aber über das Klagebegehren nicht hinausgehen. Ziel der anwaltlich vertretenen Klägerin ist es, die Beklagte zur Erteilung einer isolierten Befreiung für die geplante Mauer bzw. zur Entscheidung über den Antrag vom 2. November 2012 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu verpflichten. Soweit die Klägerin in Ziff. 1 der Klageanträge auch eine Aufhebung des veröffentlichten Gemeinderatsbeschlusses vom 12. Oktober 2012 mittels Anfechtungsklage begehrt, ist die Klage unzulässig. Ein Gemeinderatsbeschluss stellt keinen Verwaltungsakt dar, da er als reines Verwaltungsinternum keine Regelungs- bzw. Außenwirkung entfaltet. Er dient lediglich der Vorbereitung der gemeindlichen Entscheidung und ist daher nicht selbständig angreifbar (Pietzcker in Schoch/Schneider/Bier, Verwaltungsgerichtsordnung, 28. Ergänzungslieferung 2015, § 42 Rn. 60; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 13. Auflage 2012, § 35 Rn. 144)

Eine anfechtbare Entscheidung über den Antrag der Klägerin vom 2. November 2012 liegt somit hier nicht vor. Statthaft ist daher der Antrag in Ziff. 2 und 3 als Verpflichtungsklage in Form der Untätigkeitsklage gem. § 42 Abs. 1 Alt. 2 Unterfall 1 VwGO. Die Untätigkeitsklage ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere hat die Beklagte innerhalb der Drei-Monats-Frist des § 75 Satz 2 VwGO nicht förmlich über den Antrag der Klägerin entschieden.

II.

Die Untätigkeitsklage ist in der Sache unbegründet, da der Klägerin weder ein Anspruch auf Erteilung der beantragten isolierten Befreiung, noch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung zusteht (§ 113 Abs. 5 VwGO).

1. Für die Errichtung der von der Klägerin beantragten Mauer ist die Erteilung einer isolierten Befreiung nach Art. 63 Abs. 2, Abs. 3 Satz 1 BayBO i.V.m. § 31 Abs. 2 BauGB erforderlich; zuständig ist hierfür gemäß Art. 63 Abs. 3 Satz 1 BayBO (in Abweichung von Art. 53 Abs. 1 Satz 2 BayBO) nicht die untere Bauaufsichtsbehörde, sondern die Gemeinde, hier die Gemeinde H...

2. Das von den Klägerin geplante Vorhaben ist zwar nicht baugenehmigungspflichtig, sondern gem. Art. 57 Abs. 1 BayBO verfahrensfrei. Die Errichtung der streitgegenständlichen Mauer ist gem. Art. 57 Abs. 1 Nr. 7 Buchst. a BayBO verfahrensfrei, da es eine Höhe von 2 m nicht überschreitet. Ob das Vorhaben eine Stützmauer oder eine Einfriedung im Sinne des Art. 57 Abs. 1 Nr. 7 Buchst. a BayBO darstellt, kann an dieser Stelle noch dahinstehen, da es jedenfalls unter den dort genannten Oberbegriff der „Mauer“ fällt (vgl. Lechner/Busse in Simon/Busse, Bayerische Bauordnung, 120. EL Mai 2015, Art. 57 Rn. 214), bei welchem es auf die Zweckrichtung nicht ankommt (vgl. Lechner/Busse in Simon/Busse, Bayerische Bauordnung, 120. EL Mai 2015, Art. 57 Rn. 216). Die geplante Aufschüttung des Geländes bis zur Oberkante der Mauer ist nach Art. 57 Abs. 1 Nr. 9 BayBO verfahrensfrei, da die Aufschüttung weder die Höhe von 2 m überschreitet, noch die Grundfläche größer als 500 m² ist.

Das Vorhaben ist auch nicht als Teil eines Gesamtvorhabens insgesamt baugenehmigungspflichtig. Die geplante Mauer ist kein Teil des Gesamtvorhabens zur Errichtung des Wohnhauses. Denn Voraussetzung für ein Gesamtvorhaben ist unter anderem, dass ein enger zeitlicher Zusammenhang mit der Ausführung des anderen Vorhabens besteht, mithin die Bauarbeiten des anderen Vorhabens noch nicht abgeschlossen sind (Lechner/Busse in Simon/Busse, Bayerische Bauordnung, 120. EL Mai 2015, Art. 57 Rn. 13). Da die Errichtung des klägerischen Wohnhauses nach dem von der Kammer im Augenscheinstermin gewonnenen Eindruck bereits abgeschlossen ist und die Klägerin die Nutzungsaufnahme bereits zum 1. August 2012 angezeigt hat, liegt kein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen diesen Vorhaben vor, weshalb es sich um zwei selbständige Einzelvorhaben handelt.

Die Verfahrens- bzw. Genehmigungsfreiheit entbindet jedoch nicht von der Verpflichtung zur Einhaltung der Anforderungen, die durch öffentlich-rechtliche Vorschriften an Anlagen gestellt werden (Art. 55 Abs. 2 BayBO). Wenn bei baulichen Anlagen, die nicht baugenehmigungspflichtig sind, von den Festsetzungen des Bebauungsplans abgewichen werden soll, ist dies gemäß Art. 63 Abs. 2 Satz 1 BayBO gesondert schriftlich zu beantragen.

3. Die isolierte Befreiung ist nach § 31 Abs. 2 BauGB für das streitgegenständliche Vorhaben erforderlich, da es – entgegen der Ansicht der Klägerin – den Festsetzungen des Bebauungsplans „Oberdorf“ unter Ziff. 1.7 widerspricht, weil dieser im rückwärtigen Grundstücksbereich ausschließlich Maschendrahtzäune bis zu einer Höhe von 1,50 m zulässt. Soweit die Klägerin der Ansicht ist, die Festsetzung unter Ziff. 1.7 finde auf das streitgegenständliche Vorhaben keine Anwendung, da dieses keine Einfriedung, sondern eine Stützmauer darstelle und die Zulässigkeit von Stützmauern im Bebauungsplan nicht geregelt sei, kann das Gericht dem nicht folgen. Die geplante Wand aus Florwallsteinen stellt schon keine Stützmauer dar (a). Selbst wenn man aber unterstellt, es handle sich um eine Stützmauer, steht deren Zulässigkeit die Festsetzung unter Ziff. 1.7 entgegen (b).

a) Das streitgegenständliche Vorhaben ist schon keine Stützmauer im Sinne des Baurechts. Eine Stützmauer ist nach allgemeinem Sprachgebrauch gegeben, wenn die Mauer ein von Natur aus abschüssiges oder zur sinnvollen Grundstücksnutzung notwendigerweise aufgefülltes Gelände sichert. Sie soll verhindern, dass Erdreich eines natürlichen Geländes aus einem höheren zu einem niedrigeren Geländeteil abrutscht (Molodovsky/Famers/Kraus, Bayerische Bauordnung, 29. Update 10/15, Art. 6 Rn. 284). Eine künstlich herbeigeführte Böschung ohne diese Zweckrichtung kann daher keine Stützmauer sein (VG Würzburg, B.v. 27.7.2012 – W 5 S 12.617 – juris Rn. 41; VG Würzburg B.v. 6.11.2008 – W 5 S 08.2064 – juris Rn. 14; VG Halle, U.v. 12.7.2006 – 2 A 169/04 – juris Rn. 40; OVG NRW, U.v. 27.11.1989 – 11 A 195/88 – juris Rn. 12 f. m.w.N; vgl. auch Lechner/Busse in Simon/Busse, Bayerische Bauordnung, 120. EL Mai 2015, Art. 57 Rn. 214).

Die von der Klägerin geplante Mauer soll vorliegend nicht ein von Natur aus abschüssiges Gelände sichern und soll auch nicht verhindern, dass Erdreich eines natürlichen Geländes aus einem höheren zu einem niedrigeren Geländeteil abrutscht. Vielmehr soll die von ihr geplante Aufschüttung eine nicht natürliche Terrasse für die Gartennutzung schaffen. Die Auffüllung ist auch – entgegen der Ansicht der Klägerbevollmächtigten – nicht zur angemessenen Grundstücksnutzung notwendig. Hierfür spricht, dass das Wohnhaus der Klägerin offensichtlich auch ohne die Auffüllung auf dem Baugrundstück errichtet werden konnte und die Klägerin dieses inzwischen bewohnt und damit nutzt. Schon die Tatsache, dass die Klägerin die Mauer aus dem ursprünglichen Bauantrag vom 30. Juli 2011 herausgenommen hat, widerlegt die Behauptung, dass diese für die sinnvolle Grundstücksnutzung notwendig sei. Wäre die geplante Mauer tatsächlich für die sinnvolle Grundstücksnutzung erforderlich, hätte die Klägerin konsequenterweise am ursprünglichen Bauantrag festgehalten oder von der Bebauung des Grundstücks insgesamt Abstand genommen. Dass die Klägerin den Antrag auf isolierte Befreiung zeitlich erst nach angezeigter Nutzungsaufnahme zum 1. August 2012 (Bl. 32 d. Behördenakte) gestellt hat, zeigt, dass eine sinnvolle Grundstücksnutzung auch ohne die streitgegenständliche Mauer und die Auffüllung des Geländes möglich ist.

b) Selbst wenn man unterstellte, dass die geplante Mauer eine Stützmauer darstellt, widerspricht diese den Festsetzungen des Bebauungsplans „Oberdorf“. Die Auslegung der Festsetzungen unter Ziff. 1.7 des Bebauungsplans ergibt, dass die Grundstücke im rückwärtigen Bereich ausschließlich durch Maschendrahtzäune von maximal 1,50 m Höhe gesäumt werden sollen und der Plangeber andere „Umgrenzungen“ an der rückwärtigen Grundstücksgrenze ausschließen wollte. Für die Auslegung von textlichen Festsetzungen in Bebauungsplänen gelten die allgemeinen Auslegungsgrundsätze (OVG RhPf, U.v. 2.7.2015 – 1 A 10031/15 – NVwZ-RR 2015, 888; Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Baugesetzbuch, 118. EL August 2015, § 9 Rn. 14). Vorliegend differenziert der Plangeber unter der Ziff. 1.7 zwischen „Einfriedungen“ einerseits und „Stützmauern“ andererseits. Ausdrücklich hat der Plangeber „Stützmauern“ (unter dem Vorbehalt der Erforderlichkeit) nur an der bergseitigen Straßenseite zugelassen (Ziff. 1.7 Unterabs. 2). An der talseitigen Straßenseite sind dagegen ausschließlich Maschendrahtzäune bis zu einer Höhe von 1,20 m zulässig. Für rückwärtige „Einfriedungen“, die nicht an die Straße angrenzen, sind nur Maschendrahtzäune bis zu einer Höhe von 1,50 m zugelassen. Der Plangeber trifft damit eine ausdifferenzierte und abschließende Regelung, wie die Grundstücke im Geltungsbereich umgrenzt werden dürfen. Auf Grund der begrifflichen Unterscheidung zeigt sich, dass dem Plangeber die verschiedenen Varianten von „Grundstücksumgrenzungen“ durchaus bekannt waren. Dies gegenwärtig, hat er für den hier maßgeblichen rückwärtigen Grundstücksbereich ausschließlich Maschendrahtzäune zugelassen. Die Behauptung der Klägerin, die Zulässigkeit von Stützmauern sei im Bebauungsplan überhaupt nicht geregelt, ist damit nicht haltbar.

Soweit die Klägerin der Ansicht ist, die Festsetzungen unter Ziff. 1.7 Unterabs. 1 gelte nur, soweit die äußeren Grundstücksgrenzen den endgültigen Übergang zur freien Landschaft bilden, findet dies weder im Wortlaut der Festsetzung noch in der Planbegründung Anklang. Zwar ist der Klägerin zuzugeben, dass in der Stellungnahme des Naturschutzbeauftragten des Landratsamtes Aschaffenburg vom 28. Mai 1971 die Ausgestaltung von Einfriedungen am „endgültigen Übergang zur freien Landschaft“ ohne Betonpfosten empfohlen wird (Bl. 75 der Gerichtsakte). Dieser Empfehlung ist der Plangeber jedoch insoweit nicht gefolgt, als keine Beschränkung auf Grundstücke am „Übergang zur freien Landschaft“ in die Festsetzung aufgenommen wurde. Diesbezüglich findet sich auch kein Hinweis in der Planbegründung. Eine einschränkende Auslegung der Festsetzung unter Ziff. 1.7 nur auf der Grundlage der Empfehlung der Naturschutzbeauftragten verbietet sich, da sich der Inhalt eines Bebauungsplans allein nach den in ihm getroffenen Festsetzungen, den ihm beigegebenen Erläuterungen und der maßgebenden Baunutzungsverordnung bestimmt (BGH, U.v. 10.4.1986 – III ZR 209/84 – BayVBl 1987, 92; Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautz-berger, Baugesetzbuch, 118. EL August 2015, § 9 Rn. 14). Es bleibt daher dabei, dass Ziff. 1.7 des Bebauungsplans dem streitgegenständlichen Vorhaben entgegensteht.

Etwas anderes ergibt sich für den vorliegenden Fall auch nicht aus dem von der Klägerbevollmächtigten ins Feld geführten Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 20. August 2010 (9 ZB 09.2522 – juris). Der BayVGH hat in diesem Fall die analoge Anwendung einer Festsetzung zu Einfriedungen auf Stützmauern abgelehnt. Vorliegend stellt das klägerische Vorhaben, wie bereits dargestellt, aber keine Stützmauer dar, sodass es hier einer Analogie gar nicht bedarf. Zudem lag der Entscheidung des BayVGH eine Festsetzung zugrunde, die im Gegensatz zur streitgegenständlichen Festsetzung gerade keine Regelung zu Stützmauern getroffen hatte. Insofern hat das erstinstanzlich befasste Verwaltungsgericht Würzburg (U.v. 1.9.2009 – W 4 K 09.319) ausgeführt: „[...]. Es mag sein, dass der Träger der Bauleitplanung, d.h. die Gemeinde, an derart dimensionierte Aufschüttungen und dadurch notwendige Stützmauern gar nicht gedacht hat. [...]“ Eine solche Schlussfolgerung ist im vorliegend zu entscheidenden Fall aber ausgeschlossen, da – wie oben ausgeführt – der Plangeber ausdrücklich innerhalb der Festsetzung zwischen „Stützmauern“ und „Einfriedungen“ differenziert. Im Übrigen ist die Anwendung von Festsetzungen in Bebauungsplänen zu Einfriedungen auf Stützmauern nach der Rechtsprechung der BayVGH keinesfalls ausgeschlossen. So hat der BayVGH in seinem Urteil vom 26.10.1995 (26 B 93.3842 – BeckRS 1995, 17186) ausgeführt: „Die Stützwand hat – unabhängig davon, daß sie auch die Auffüllung des Baugrundstücks hinter dieser Wand ermöglichen soll – auch die Funktion einer Einfriedung, weil sie das Baugrundstück zum Grundstück Fl.Nr. ... hin abgrenzen und „abschirmen“ soll [...]. Das Vorhaben des Klägers war demnach [...] baugenehmigungspflichtig, weil die Einfriedung, die im Innenbereich errichtet werden soll, der textlichen Festsetzung Nr. 5.2 des Bebauungsplans, wonach als Einfriedungen zwischen den Grundstücken nur Maschendraht an Eisensäulen mit einer max. Gesamthöhe von 1,3 m zulässig ist, nicht entspricht.“

4. Die Festsetzung unter Ziff. 1.7 des Bebauungsplans „Oberdorf“ ist auch nicht funktionslos geworden. An das Außerkraftsetzen (Funktionslosigkeit eines Bebauungsplanes) sind strenge Anforderungen zu stellen. Dafür genügt es nicht schon, dass über längere Zeit von dem Plan abgewichen worden ist und inzwischen Verhältnisse entstanden sind, die den Festsetzungen des Planes nicht entsprechen. Vielmehr kann nach der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der die Kammer folgt, ursächlich für das Außer-Kraft-Treten eines Bebauungsplanes wegen Funktionslosigkeit nur ein in der tatsächlichen Entwicklung eingetretener Zustand sein, der es auf unabsehbare Zeit ausschließt, die planerische Gesamtkonzeption oder das mit einer Festsetzung verfolgte Planungsziel zu verwirklichen. Ob nachträglich tatsächliche Veränderungen eingetreten sind, die der Planverwirklichung objektiv entgegenstehen, hängt jeweils von Gegebenheiten im Einzelfall ab (BVerwG, B.v. 7.2.1997 - 4 B 6/97 - NVwZ-RR 1997, 513). Funktionslos kann danach eine bauplanerische Festsetzung erst dann sein, wenn und soweit die tatsächlichen Verhältnisse, auf die sie sich bezieht, ihre Verwirklichung auf unabsehbare Zeit ausschließen und diese Tatsache so offensichtlich ist, dass ein in ihre (Fort-) Geltung gesetztes Vertrauen keinen Schutz verdient. Ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, ist für jede Festsetzung gesondert zu prüfen. Dabei kommt es nicht auf die Verhältnisse auf einzelnen Grundstücken an. Die Planungskonzeption, die einer Festsetzung zu Grunde liegt, wird nicht schon dann sinnlos, wenn sie nicht mehr überall im Plangebiet umgesetzt werden kann (BVerwG, B.v. 17.2.1997 – 4 B 16/97 – NVwZ-RR 1997, 512).

Bezogen auf den vorliegenden Fall wäre es somit erforderlich, dass die Festsetzung unter Ziff. 1.7 dermaßen oft und ständig durchbrochen worden ist, dass sie keine Geltung mehr beanspruchen kann. Hiervon kann indes nicht die Rede sein. Weder die Festsetzungen insgesamt noch - worauf hier allein abzustellen ist - die Festsetzung unter Ziff. 1.7 erweisen sich als funktionslos. Vielmehr ergibt sich nach dem seitens der Kammer durchgeführten Augenschein und seitens der Äußerungen der Beteiligten im Prozess, dass die planerische Gesamtkonzeption und das mit der Festsetzung verfolgte Planungsziel im Bebauungsplangebiet verwirklicht sind. Die seitens der Klägervertreterin vorgetragenen Bezugsfälle für Abweichungen von der Festsetzung des Bebauungsplanes unter Ziff. 1.7 erfüllen jedenfalls die Voraussetzungen für eine Funktionslosigkeit insoweit nicht.

Die auf den beiden Nachbargrundstücken der Klägerin (Fl.Nrn. ...25 und ...8) den Regelungen der Bebauungsplansatzung zuwider laufenden Mauern können zu keiner anderen Entscheidung führen. Zunächst gilt insoweit, dass es sich offensichtlich, jedenfalls in der näheren Umgebung des klägerischen Grundstückes, um Einzelfälle handelt, die das Gesamtkonzept der Einfriedungsplanung im Bebauungsplan nicht funktionslos werden lassen. Darüber hinaus ist auch insoweit die Herstellung plangemäßer Zustände nicht für unabsehbare Zeit ausgeschlossen. Denn bezüglich der Florwallsteinmauer auf dem Grundstück Fl.Nr. ...25 hat das Landratsamt Aschaffenburg bereits den Grundstückseigentümer mit Schreiben vom 11. Oktober 2012 hinsichtlich einer Beseitigungsanordnung angehört. Auch die Gabionenwand auf dem Grundstück Fl.Nr. ...8 ist baurechtlich nicht genehmigt, sodass ein Einschreiten der Baubehörde noch möglich ist. Das Landratsamt Aschaffenburg hat hinsichtlich möglicher Beseitigungsanordnungen ausdrücklich erklärt, den Ausgang des vorliegenden Rechtsstreits abzuwarten.

5. Die Voraussetzungen des § 31 Abs. 2 BauGB liegen nicht vor. Gemäß § 31 Abs. 2 BauGB kann von den Festsetzungen eines Bebauungsplanes befreit werden, wenn die Grundzüge der Planung nicht berührt werden und Gründe des Wohls der Allgemeinheit die Befreiung erfordern oder die Abweichung städtebaulich vertretbar ist oder die Durchführung des Bebauungsplanes zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte führen würde und wenn die Abweichung auch unter Würdigung der nachbarlichen Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.

Ob die Grundzüge der Planung berührt werden, hängt von der jeweiligen Planungssituation ab (vgl. BVerwG, B.v. 30.3.2005 – 9 B 3/05 – juris). Dabei ist entscheidend, ob die Abweichung dem planerischen Grundkonzept zuwider läuft (BVerwG, B.v. 19.5.2004 – 4 B 35/04 – BRS 67 Nr. 83). Befreit werden kann daher von Festsetzungen, die das jeweilige Planungskonzept nicht tragen. Solche Festsetzungen liegen dann vor, wenn sie das Plangebiet oder maßgebliche Teile dieses Gebiets nicht wie ein roter Faden durchziehen, sondern gewissermaßen „zufällig“ erfolgt sind (vgl. BayVGH, B.v. 19.10.1998 – 25 B 05.3055 – BayVBl 2008, 307). Dagegen kann von Festsetzungen, die die Grundzüge der Planung tragen, nur dann befreit werden, wenn die jeweilige Befreiung für das Plangefüge von untergeordneter Bedeutung ist. Die Frage der untergeordneten Bedeutung ist mit Rücksicht auf die Vorbildwirkung einer Befreiung und dem Gleichheitssatz nicht nur nach den Auswirkungen der einzelnen Befreiung zu beurteilen, sondern auch danach, welche Auswirkungen Befreiungen in gleichgelagerten Fällen zur Folge haben (vgl. BayVGH, B.v. 31.7.2008 – 9 ZB 05.1476 – juris).

Die Beklagte bringt mit der Festsetzung deutlich zum Ausdruck, dass andere „Grundstücksumgrenzungen“ als Maschendrahtzäune im rückwärtigen Bereich grundsätzlich nicht erwünscht sind. Die textlichen Festsetzungen unter Ziff. 1.7 des Bebauungsplans „Oberdorf“ dienen dazu, dass der natürliche Hangverlauf weitestgehend erhalten bleibt und dass das Orts- und Landschaftsbild durch unauffällige Einfriedungen (Maschendrahtzäune) so wenig wie möglich gestört wird. Die künstliche Schaffung auffälliger, den natürlichen Hangverlauf unterbrechender Geländestufen durch die Errichtung höherer Mauern, die dann die Geländestufe noch zusätzlich unterstreichen, und die Hinterfüllung der Mauern soll gerade vermieden werden (vgl. BayVGH, U.v. 26.10.1995 – 26 B 93.3842 – BeckRS 1995, 17186). Eine Befreiung würde daher zu weit reichenden Folgen für die anderen noch nicht bebauten bzw. schon mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücke führen. Wegen der Vorbildwirkung für gleich gelagerte Fälle und insbesondere vor dem Hintergrund, dass das Landratsamt Aschaffenburg sich vorbehält, gegen die Mauern auf den Grundstücken Fl.Nrn. ...25 und ...8 bauaufsichtlich einzuschreiten, kommt eine Befreiung nicht in Betracht. Würde gerade auf dem klägerischen Grundstück eine Befreiung zur Errichtung der geplanten Mauer erteilt, so gäbe es keinen Grund, entsprechende Anträge anderer Bauherren abzulehnen bzw. gegen ähnliche bestehende, materiell illegale Mauern vorzugehen.

6. Der Klägerin steht auch nicht aufgrund des Gleichbehandlungsgebots aus Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 118 Abs. 1 BV ein Anspruch auf Erteilung der isolierten Befreiung für die streitgegenständliche Mauer zu. Aus dem bisherigen Nichttätigwerden gegenüber der Gabionenwand auf dem Grundstück Fl.Nr. ...8 kann die Klägerin keinen Anspruch auf Befreiung herleiten. Für die errichtete Florwallsteinmauer auf dem Grundstück Fl.Nr. ...25 hat das Landratsamt dem Grundstückseigentümer B... weder eine Baugenehmigung, noch eine Befreiung erteilt. Vielmehr hat es hat sich insoweit ein bauaufsichtliches Einschreiten vorbehalten. Darüber hinaus zwingt der Gleichheitssatz eine Behörde nicht, einen einmal gemachten Fehler zu wiederholen (ständige Rechtsprechung des BVerwG, U.v. 28.4.1964 – I C 64.62 – BVerwGE 18, 242; ständige Rechtsprechung des BayVGH, U.v. 9.6.2000 – 2 B 96.2571 – BayVBl 2001, 211). Einen Anspruch auf Gleichheit im Unrecht gibt es nicht (Dirnberger in Simon/Busse, Bayerische Bauordnung, 121. EL September 2015, Art. 54 Rn. 69).

7. Da hier nach alldem die Voraussetzungen für die Erteilung einer isolierten Befreiung nicht vorliegen, war der auf deren Erteilung gerichtete Verpflichtungsantrag abzuweisen, ohne die Beklagte zu einer Verbescheidung zu verpflichten bzw. nach § 75 Satz 3 VwGO das Verfahren auszusetzen.

Zwar ist anerkannt, dass der Bürger in den Fällen, in denen er einen von der Rechtsordnung eingeräumten materiell-rechtlichen Anspruch verfolgt, grundsätzlich einen davon unabhängigen, gerichtlich durchsetzbaren Anspruch auf Bescheidung seines auf die Gewährung des von ihm beanspruchten Rechtes gerichteten Antrages hat (Heßhaus in Beck'scher Online-Kommentar VwVfG, Bader/Ronellenfitsch, 29. Edition Stand: 1.10.2014, § 24 Rn. 42; Kallerhoff in Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 8. Auflage 2014, § 24 Rn. 70; Dolde/Porsch in Schoch/Schneider/Bier, Verwaltungsgerichtsordnung 28. Ergänzungslieferung 2015, Vorbemerkung § 68 Rn. 15; BVerwG, U.v.28.3.1968 – VIII C 22/67 – NJW 1968, 1643/1644). Daher kann er gegenüber der untätig gebliebenen Behörde unter den Voraussetzungen des § 75 VwGO Klage auch auf Verpflichtung der Behörde zum Erlass eines Verwaltungsaktes schlechthin, d.h. ohne Rücksicht auf dessen positiven oder negativen Inhalt, erheben. Mit einer solchen Klage soll erreicht werden, dass das materielle Begehren von der Verwaltungsbehörde geprüft und einer Sachentscheidung zugeführt wird. Daraus ergibt sich grundsätzlich auch die Beschränkung der gerichtlichen Prüfung auf die Frage, ob ein formeller, von der Begründetheit des materiellen Begehrens losgelöster Anspruch auf eine Sachbehandlung durch die Behörde besteht. Das formelle Recht auf Bescheidung ist jedoch kein Selbstzweck. Vielmehr unterliegt die Untätigkeitsklage nach der Rechtsprechung des BVerwG in Fällen, in denen sich bei der gerichtlichen Prüfung erweist, dass dem Kläger der geltend gemachte materiell-rechtliche Anspruch nicht zusteht, unmittelbar der Abweisung, da somit feststeht, dass der Kläger durch die Unterlassung des von ihm begehrten Verwaltungsakts nicht im Sinne des § 113 Abs. 5 VwGO in seinen Recht verletzt sein kann (BVerwG, U.v. 28.3.1968 – VIII C 22/67 – NJW 1968, 1643/1644; BVerwG, B.v. 9.3.1966 – III B 107/65 – NJW 1966, 1043; BVerwG, B.v. 7.1.1986 – 2 B 94/85 – juris Rn. 8; Rennert in Eyermann, Vwgo, 14. Auflage 2014, § 75 Rn. 10; Redeker/von Oertzen, VwGO, 16. Auflage, § 75 Rn. 9). Das gerichtliche Urteil tritt somit an die Stelle der von der Behörde unterlassenen förmlichen Entscheidung (BVerwG, U.v. 28.3.1968 – VIII C 22/67 – NJW 1968, 1643/1644).

III.

Soweit die Klägerin nach Ziff. 4 der Klageanträge hilfsweise die Feststellung begehrt, dass das streitgegenständliche Vorhaben nicht baugenehmigungspflichtig ist bzw. keiner isolierten Befreiung bedarf, kann dahinstehen, ob dieser (hilfsweise gestellte) Feststellungsantrag überhaupt zulässig ist, da er jedenfalls in der Sache unbegründet ist. Die Klägerin begehrt insoweit ausweislich ihrer Klagebegründung (Bl. 6 f. d. Klageschrift vom 25. April 2013), die Feststellung, dass das streitgegenständliche Vorhaben keiner baurechtlichen Zulassung bedarf. Wie oben ausgeführt, ist die geplante Mauer ein nach Art. 57 Abs. 1 Nr. 7 Buchst. a BayBO verfahrensfreies Vorhaben. Dieses bedarf jedoch – wie bereits festgestellt – einer isolierten Befreiung gem. Art. 63 Abs. 2, Abs. 3 Satz 1 BayBO i.V.m. § 31 Abs. 2 BauGB, da es den Festsetzungen des Bebauungsplans „Oberdorf“ unter Ziff. 1.7 widerspricht.

IV.

Nach alldem konnte die Klage keinen Erfolg haben und war mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Dabei entsprach es der Billigkeit, dass die Klägerin die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu 1) zu tagen hat, weil sich dieser durch Antragstellung am Kostenrisiko beteiligt hat (§ 162 Abs. 3 i.V.m. § 154 Abs. 3 VwGO). Entsprechend hat der Beigeladene zu 2) seine außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen, da er keinen Antrag gestellt hat.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Lastenausgleichsgesetz - LAG

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au
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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Lastenausgleichsgesetz - LAG

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au
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published on 02/07/2015 00:00

Diese Entscheidung zitiert Tenor Die Berufung wird zurückgewiesen. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch den Kl
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Annotations

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Die mündliche Verhandlung soll so früh wie möglich stattfinden.

(2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(3) Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen, soweit nichts anderes bestimmt ist.

Das Gericht darf über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden.

Ist über einen Widerspruch oder über einen Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsakts ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht entschieden worden, so ist die Klage abweichend von § 68 zulässig. Die Klage kann nicht vor Ablauf von drei Monaten seit der Einlegung des Widerspruchs oder seit dem Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts erhoben werden, außer wenn wegen besonderer Umstände des Falles eine kürzere Frist geboten ist. Liegt ein zureichender Grund dafür vor, daß über den Widerspruch noch nicht entschieden oder der beantragte Verwaltungsakt noch nicht erlassen ist, so setzt das Gericht das Verfahren bis zum Ablauf einer von ihm bestimmten Frist, die verlängert werden kann, aus. Wird dem Widerspruch innerhalb der vom Gericht gesetzten Frist stattgegeben oder der Verwaltungsakt innerhalb dieser Frist erlassen, so ist die Hauptsache für erledigt zu erklären.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans können solche Ausnahmen zugelassen werden, die in dem Bebauungsplan nach Art und Umfang ausdrücklich vorgesehen sind.

(2) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans kann befreit werden, wenn die Grundzüge der Planung nicht berührt werden und

1.
Gründe des Wohls der Allgemeinheit, einschließlich der Wohnbedürfnisse der Bevölkerung, des Bedarfs zur Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden, des Bedarfs an Anlagen für soziale Zwecke und des Bedarfs an einem zügigen Ausbau der erneuerbaren Energien, die Befreiung erfordern oder
2.
die Abweichung städtebaulich vertretbar ist oder
3.
die Durchführung des Bebauungsplans zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte führen würde
und wenn die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.

(3) In einem Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt, das nach § 201a bestimmt ist, kann mit Zustimmung der Gemeinde im Einzelfall von den Festsetzungen des Bebauungsplans zugunsten des Wohnungsbaus befreit werden, wenn die Befreiung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Von Satz 1 kann nur bis zum Ende der Geltungsdauer der Rechtsverordnung nach § 201a Gebrauch gemacht werden. Die Befristung in Satz 2 bezieht sich nicht auf die Geltungsdauer einer Genehmigung, sondern auf den Zeitraum, bis zu dessen Ende im bauaufsichtlichen Verfahren von der Vorschrift Gebrauch gemacht werden kann. Für die Zustimmung der Gemeinde nach Satz 1 gilt § 36 Absatz 2 Satz 2 entsprechend.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

Ist über einen Widerspruch oder über einen Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsakts ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht entschieden worden, so ist die Klage abweichend von § 68 zulässig. Die Klage kann nicht vor Ablauf von drei Monaten seit der Einlegung des Widerspruchs oder seit dem Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts erhoben werden, außer wenn wegen besonderer Umstände des Falles eine kürzere Frist geboten ist. Liegt ein zureichender Grund dafür vor, daß über den Widerspruch noch nicht entschieden oder der beantragte Verwaltungsakt noch nicht erlassen ist, so setzt das Gericht das Verfahren bis zum Ablauf einer von ihm bestimmten Frist, die verlängert werden kann, aus. Wird dem Widerspruch innerhalb der vom Gericht gesetzten Frist stattgegeben oder der Verwaltungsakt innerhalb dieser Frist erlassen, so ist die Hauptsache für erledigt zu erklären.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans können solche Ausnahmen zugelassen werden, die in dem Bebauungsplan nach Art und Umfang ausdrücklich vorgesehen sind.

(2) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans kann befreit werden, wenn die Grundzüge der Planung nicht berührt werden und

1.
Gründe des Wohls der Allgemeinheit, einschließlich der Wohnbedürfnisse der Bevölkerung, des Bedarfs zur Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden, des Bedarfs an Anlagen für soziale Zwecke und des Bedarfs an einem zügigen Ausbau der erneuerbaren Energien, die Befreiung erfordern oder
2.
die Abweichung städtebaulich vertretbar ist oder
3.
die Durchführung des Bebauungsplans zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte führen würde
und wenn die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.

(3) In einem Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt, das nach § 201a bestimmt ist, kann mit Zustimmung der Gemeinde im Einzelfall von den Festsetzungen des Bebauungsplans zugunsten des Wohnungsbaus befreit werden, wenn die Befreiung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Von Satz 1 kann nur bis zum Ende der Geltungsdauer der Rechtsverordnung nach § 201a Gebrauch gemacht werden. Die Befristung in Satz 2 bezieht sich nicht auf die Geltungsdauer einer Genehmigung, sondern auf den Zeitraum, bis zu dessen Ende im bauaufsichtlichen Verfahren von der Vorschrift Gebrauch gemacht werden kann. Für die Zustimmung der Gemeinde nach Satz 1 gilt § 36 Absatz 2 Satz 2 entsprechend.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.