Verwaltungsgericht Würzburg Urteil, 15. Mai 2014 - 3 K 12.1063
Gericht
Tenor
I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
Tatbestand
I.
Der Kläger ist Eigentümer des bebauten Grundstücks Fl.Nr. 2... der Gemarkung S., welches an der W.-straße gelegen ist. Die Beklagte nimmt Bauarbeiten an der W.-straße vor. Die Beteiligten streiten um einen entsprechenden Bescheid über die Vorauszahlung auf den Straßenausbaubeitrag.
Die W.-straße beginnt an der Straße (Einmündung) A. und führt auf einer Länge von etwa 157 m in ost-südöstlicher Richtung. Von dort führt die W.-straße in südlicher Richtung weiter. Zugleich trifft von Norden kommend der nördliche Teil der ...gasse und von Südosten kommend der südöstliche Teil der ...gasse auf die W.-straße sowie - um wenige Meter nach Norden versetzt - der ...weg von Osten kommend auf den nördlichen Teil der ...gasse, so dass in diesem Bereich auf kurzer Distanz insgesamt fünf Fahrbahnen aufeinander treffen. Die etwa 68 m lange Stichstraße I. mündet in die W.-straße kurz nach deren Beginn an der Straße A.
Das 808 m² große mit zwei Wohnhäusern mit zwei Vollgeschossen bebaute klägerische Grundstück Fl.Nr. 2** ist direkt nördlich der W.-straße im Bereich zwischen der Straße A ... und dem Zusammentreffen mit der ...gasse gelegen.
Mit Beschluss vom 2. September 2011 entschied der Gemeinderat der Beklagten, die W.-straße in zwei Bauabschnitte einzuteilen, den ersten Bauabschnitt bis zur Höhe der Einmündung ...gasse und den zweiten Bauabschnitt von der Höhe Einmündung ...gasse bis zu den Vereinsheimen. Letzterer Bauabschnitt werde später ausgeführt.
Auf dieser Grundlage nimmt die Beklagte Baumaßnahmen an der W.-straße zwischen der Einmündung in die Straße A. und dem Zusammentreffen mit der ...gasse vor. Sie erneuert den Oberbau und gestaltet die Fahrbahn als Mischfläche für gleichberechtigten Fußgängerverkehr und Straßenverkehr mit farblich abgesetzten höhengleichen Gehwegen sowie einer mittig in der Straße gelegenen Entwässerungsrinne; sie erneuert zudem die Straßenentwässerung und die Straßenbeleuchtung.
Mit Bescheid vom 9. März 2012 erhob die Beklagte vom Kläger für sein Grundstück Fl.Nr. 240 eine Vorauszahlung auf den Beitrag für den Ausbau der W.-straße in Höhe von 11.034,76 EUR (808 m² Grundstücksfläche; Nutzungsfaktor 1,3; Beitragssatz 11,672542 EUR/m²; hiervon 90%). Der Berechnung des Beitragssatzes wurden sämtliche an der W.-straße von der Einmündung in die Straße A. bis zur ...gasse anliegenden Grundstücke zugrunde gelegt.
Gegen den Bescheid vom 9. März 2012 ließ der Kläger mit Schreiben vom 29. März 2012, bei der Beklagten eingegangen am 31. März 2012, Widerspruch erheben und diesen damit begründen, das zugrunde gelegte Abrechnungsgebiet beruhe auf einer unzulässigen Abschnittsbildung. Der ausgebaute Abschnitt der W.-straße zwischen der Straße A. bis zur ...gasse sei nicht als eigenständige Erschließungsanlage anzusehen. Auf der Grundlage des Beschlusses des Gemeinderates vom 2. September 2011 bilde die W.-straße in ihrer Gesamtheit auf einer Länge von 344 m die abzurechnende Erschließungsanlage. Beim umzulegenden Aufwand sei der auf den Kanalbau entfallende hälftige Aufwand noch nicht herausgerechnet worden. Zudem müsse die W.-straße in ihrem ausgebauten Bereich als Haupterschließungsstraße und nicht als Anliegerstraße eingestuft werden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 5. November 2012 wies das Landratsamt Aschaffenburg den Widerspruch zurück und begründete dies damit, die W.-straße stelle im ausgebauten Bereich eine eigenständige Erschließungsanlage dar, wie sich aus der natürlichen Betrachtungsweise ergebe. An der Einmündung der ...gasse knicke die W.-straße rechtwinklig ab, das hier beginnende Teilstück der W.-straße sei durch die vorhandene hohe Böschung nicht einsehbar.
Die durch den gleichzeitigen Leitungsbau für die Entwässerung entstehende Kostenersparnis liege bei etwa 4% des umlagefähigen Aufwandes, der zwar noch nicht herausgerechnet worden sei, was jedoch dadurch kompensiert werde, dass die Beklagte lediglich 90% der berechneten Vorauszahlung angefordert habe. Bei der W.-straße handele es sich um eine Anliegerstraße, da sie in einem Wohngebiet am südöstlichen Ortsrand von S. gelegen sei. Das gesamte Gebiet sei überwiegend mit Ein- und Zwei-Familien-Häusern oder kleineren Mehrfamilienhäusern bebaut. Zur verkehrsmäßigen Binnenerschließung dienten die W.-straße und die ...gasse. Die Zweckbestimmung zur Aufnahme des Anliegerverkehrs werde durch das schlichte Ausbauprofil der W.-straße bestätigt. Der Widerspruchsbescheid wurde den Bevollmächtigten des Klägers am 9. November 2012 zugestellt.
II.
Am 10. Dezember 2012, einem Montag, ließ der Kläger Klage zum Verwaltungsgericht Würzburg erheben und beantragen:
Der Bescheid der Beklagten vom 9. März 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides des Landratsamts Aschaffenburg vom 5. November 2012 wird aufgehoben.
Zur Begründung wurde vorgetragen, die dem Bescheid zugrunde liegende Ausbaubeitragssatzung (ABS) sei nichtig, da für die nach § 5 Abs. 3 Nr. 3.5 ABS beitragspflichtigen Mischflächen kein Gemeindeanteil nach § 7 Abs. 2 ABS bestimmt sei. Auch eine Definition des Begriffs Mischfläche sei in der Satzung nicht enthalten.
Unklar sei im vorliegenden Fall, ob in der Mischverkehrsfläche auch der Aufwand für die in der Mitte der Fahrbahn gelegene Entwässerungsrinne enthalten sei.
Die Beklagte habe den ausgebauten Teil der W.-straße fehlerhaft als Anliegerstraße eingestuft; es handele sich vielmehr um eine Haupterschließungsstraße. Sie diene nämlich als Hauptzubringer zum stark frequentierten Schützenhaus im abknickenden Teil der W.-straße auf Grundstück Fl.Nr. 5... Dies ergebe sich aus der entsprechenden Beschilderung. Im Schützenhaus finde regelmäßig drei Mal in der Woche Trainingsbetrieb statt, zudem überörtliche Wettkämpfe und große Feierlichkeiten im Saal der dortigen Gaststätte. Auch das auf dem selben Grundstück gelegene Vereinsheim für Pferde- und Ponyfreunde sowie das Bürogebäude der Firma W. und W. GmbH führe zu überörtlichem Verkehr. Zudem diene die W.-straße nach dem gemeindlichen Verkehrskonzept auch als inner- und überörtliche Entlastungsstraße der Wilhelminenstraße, wenn diese wegen Veranstaltungen oder Übungen auf dem Feuerwehrgelände nur als Einbahnstraße genutzt werden könne. Damit diene der ausgebaute Teil der W.-straße auch dem Durchgangsverkehr.
Sei entgegen der hier vertretenen Meinung der ausgebaute Teil der W.-straße aber nicht als Haupterschließungsstraße einzustufen, müsse auch der nach Süden abknickende Teil der W.-straße in das Abrechnungsgebiet miteinbezogen werden. Aus dem Gemeinderatsbeschluss vom 2. September 2011 ergebe sich, dass es sich um eine insoweit einheitliche Straße handele, die nunmehr teilweise ausgebaut werde.
Der Einmündungsbereich zur Straße A. dürfe nicht berücksichtigt werden, da dieser Bereich die Ausmaße einer bloßen Anbindung nach § 5 Abs. 3 Nr. 3.21 ABS übersteige.
Mit weiterem Schriftsatz vom 4. Februar 2013 ließ der Kläger vortragen, der neuerdings gefasste Beschluss des Gemeinderates vom 20. Dezember 2012 sei nicht nachvollziehbar. Der Gemeinderat habe hier eine Abschnittsbildung für die W.-straße „von der Straße A. bis zur ...gasse“ beschlossen und einen weiteren Abschnitt mit der Straße I. gebildet. Sei die W.-straße eine Anliegerstraße, sei die Abtrennung der Stichstraße I. aus dem Abrechnungsgebiet fehlerhaft.
Die Beklagte ließ beantragen,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung wurde ausgeführt, nach der natürlichen Betrachtungsweise stelle der hier streitgegenständliche Teil der W.-straße an sich eine selbstständige Erschließungsanlage dar. Rein vorsorglich habe die Beklagte jedoch einen Abschnitt gebildet. Die Stichstraße I. sei ein unselbstständiger Teil der W.-straße. Da jedoch ein unterschiedlicher Ausbauzustand bestehe, sei es ermessensgerecht, wenn die Beklagte die Stichstraße als eigenen Abschnitt abtrenne. Es sei derzeit nicht erforderlich, dass die Verkehrsfläche der Straße I. erneuert werden müsse.
Am 9. Mai 2014 beschloss der Gemeinderat der Beklagten unter Bezugnahme auf seinen Beschluss vom 20. Dezember 2012, wonach die Straße I. zu einem späteren Zeitpunkt ausgebaut und als eigenständiger Abschnitt abgerechnet werden solle, die Straße I. innerhalb der nächsten acht Jahre auszubauen.
Im Übrigen wird auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung am 15. Mai 2014, auf das weitere schriftsätzliche Vorbringen der Parteien sowie auf den Inhalt der einschlägigen Verwaltungsakten der Beklagten und des Landratsamtes Aschaffenburg, welche Gegenstand des Verfahrens waren, Bezug genommen.
Gründe
Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens ist der Bescheid der Beklagten vom 9. März 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Landratsamtes Aschaffenburg vom 5. November 2012, mit welchem die Beklagte dem Kläger gegenüber für sein Grundstück Fl.Nr. 2... eine Vorauszahlung auf den Beitrag für den Ausbau der W.-straße festgesetzt hat.
Die zulässige Anfechtungsklage ist unbegründet. Der angegriffene Bescheid erweist sich als rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Dies ergibt sich aus Folgendem:
Gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 1 des Kommunalabgabengesetzes (KAG) i. d. F. d. Bek. vom 4. April 1993 (GVBl S. 264, BayRS 2024-1-I), zuletzt geändert durch Art. 78 Abs. 6 Bayerisches Wassergesetz vom 25. Februar 2010 (GVBl S. 66), können die Gemeinden zur Deckung ihres anderweitig nicht gedeckten Aufwands für die Herstellung, Anschaffung, Verbesserung oder Erneuerung ihrer öffentlichen Einrichtungen Beiträge von den Grundstückseigentümern und den Erbbauberechtigten erheben, denen die Möglichkeit der Inanspruchnahme dieser Einrichtungen besondere Vorteile bietet. Zu diesen Einrichtungen zählen auch Gemeindestraßen i. S. d. Art. 46 des Bayerischen Straßen- und Wegegesetzes (BayStrWG) i. d. F. d. Bek. vom 5. Oktober 1981 (BayRS 91-1-I), zuletzt geändert durch § 6 Gesetz zur Änderung des Bayerischen Abgrabungsgesetzes und anderer Rechtsvorschriften vom 20. Dezember 2007 (GVBl. S. 958). Für die Verbesserung oder Erneuerung von Ortsstraßen und beschränkt-öffentlichen Wegen sollen gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 3 KAG solche Beiträge erhoben werden, soweit nicht Erschließungsbeiträge nach dem Baugesetzbuch zu erheben sind.
Rechtsgrundlage für die Erhebung einer Vorauszahlung ist Art. 5 Abs. 5 KAG, ohne dass es einer ortsrechtlichen Umsetzung durch die gemäß Art. 5 Abs. 1 KAG erhebungsberechtigte Körperschaft bedürfte. Danach können für ein Grundstück, für das eine Beitragspflicht noch nicht oder nicht in vollem Umfang entstanden ist, Vorauszahlungen auf den Beitrag verlangt werden, wenn mit der Ausführung der Maßnahmen begonnen worden ist, für die der Beitrag erhoben werden soll.
Aus dem Wesen der Vorauszahlung als Zahlung vor Entstehung einer Beitragspflicht und aus der darin begründeten Abhängigkeit von einer künftigen Beitragsschuld nach Grund und Höhe fordert ihre Festsetzung jedoch das Vorhandensein der gültigen Beitragsregelung in Gestalt einer Abgabesatzung nach Art. 2 Abs. 1 KAG, weil nur so die rechtlichen Voraussetzungen für die spätere Begründung einer Beitragspflicht geschaffen werden können (BayVGH, ständige Rechtsprechung; vgl. z. B. U.v. 1.6.2011 - 6 BV 10.2467 - juris Rn. 31; Ecker, Kommunalabgaben in Bayern, Stand 10.10.2012, Nr. 2.7.11.3). Eine solche Regelung hat die Beklagte mit ihrer Satzung über die Erhebung von Beiträgen zur Deckung des Aufwands für die Herstellung, Anschaffung, Verbesserung oder Erneuerung von Straßen, Wegen, Plätzen, Parkplätzen, Grünanlagen und Kinderspielplätzen vom 14. Juni 2010 (Ausbaubeitragssatzung - ABS -) erlassen. Bedenken gegen das ordnungsgemäße Zustandekommen dieser Satzung sind nicht ersichtlich; auch in materiell-rechtlicher Hinsicht liegen keine Fehler auf der Hand.
Insbesondere kann das Gericht der Einlassung der Klägerseite nicht folgen, die Ausbaubeitragssatzung sei wegen unzureichender Regelungen für beitragspflichtige Mischflächen zu unbestimmt und damit nichtig. In § 7 Abs. 2 Nr. 4 ABS ist für verkehrsberuhigte Bereiche festgelegt, wie hoch die Eigenbeteiligung der Beklagten ist und zwar für als Mischflächen gestaltete Anliegerstraßen (Nr. 4.1), Haupterschließungsstraßen (Nr. 4.2) und Hauptverkehrsstraßen (Nr. 4.3). Innerhalb der jeweiligen Nummer ist differenziert zwischen der Eigenbeteiligung der Beklagten für die Mischfläche selbst und für die übrigen Teileinrichtungen. § 7 Abs. 3 Nr. 4 ABS definiert den Begriff verkehrsberuhigte Bereiche dahingehend, dass es sich um als Mischfläche gestaltete Straßen handelt, die in ihrer ganzen Breite von Fußgängern benutzt werden dürfen und gleichzeitig dem Fahrzeugverkehr dienen. Damit ist dem Bestimmtheitsgebot in genügendem Maße Rechnung getragen, so dass aus dem klägerischen Vorbringen nicht die Nichtigkeit der entsprechenden
Bestimmungen der Ausbaubeitragssatzung abgeleitet werden kann.
Auf der Grundlage dieser Satzung erweist sich der angegriffene Bescheid als rechtmäßig. Die von der Beklagten festgesetzte Vorauszahlung auf den Ausbaubeitrag ist weder dem Grunde nach noch in der Höhe zu beanstanden.
Bei der W.-straße von der Straße A. bis zur ...gasse handelt es sich um eine eigenständige Erschließungsanlage, die unabhängig von der (namensgleichen) Fortführung in Richtung Süden zu sehen ist.
Gegenstand einer beitragsfähigen Ausbaumaßnahme ist grundsätzlich die einzelne Ortsstraße als die maßgebliche öffentliche Einrichtung i. S. von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 KAG. Wie weit eine solche Ortsstraße reicht (und wo eine andere Verkehrsanlage beginnt), bestimmt sich nicht nach den Straßennamen oder Grundstücksgrenzen, sondern grundsätzlich nach dem Gesamteindruck, den die jeweiligen tatsächlichen Verhältnisse einem unbefangenen Beobachter im Hinblick auf Straßenführung, Straßenbreite und -länge sowie Straßenausstattung vermitteln. Zugrunde zu legen ist dabei der Zustand im Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Beitragspflichten, also nach Durchführung der Ausbaumaßnahme. Für Anbaustraßen bedeutet dies, dass grundsätzlich jeder Straßenzug, den der unbefangene Beobachter bei natürlicher Betrachtungsweise als selbstständiges, von anderen Straßen abgegrenztes Element des gemeindlichen Straßenverkehrsnetzes ansieht, eine Anlage darstellt (Matloch/Wiens, Das Erschließungsbeitragsrecht in Theorie und Praxis, Stand Juli 2013, Rn. 8; Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 9. Auflage 2012, § 31 Rn. 6 ff.).
Von dem Grundsatz der natürlichen Betrachtungsweise können spezifische ausbaubeitragsrechtliche Umstände allerdings eine Ausnahme verlangen (Driehaus, a. a. O., § 31 Rn. 10). Eine Ausnahme ist insbesondere dann geboten, wenn mehrere Verkehrsanlagen unterschiedlichen Verkehrsfunktionen dienen, die zu unterschiedlichen Gemeindeanteilen führen. Bei einer solchen Fallgestaltung handelt es sich ausbaubeitragsrechtlich um zwei selbstständige Einrichtungen, auch wenn sie nach ihrem Erscheinungsbild als eine einzelne Anlage erscheinen (st. Rspr., vgl. BayVGH, B.v. 31.7.2009 - 6 ZB 07.2228 - juris Rn. 4; BayVGH, B.v. 8.4.2010 - 6 ZB 09.2308 - juris Rn. 5; BayVGH, B.v. 23.5.2012 - 6 CS 11.2636 - juris Rn. 9).
Nach diesen Grundsätzen ergibt im vorliegenden Fall die natürliche Betrachtungsweise, dass die Anlage W.-straße an der Straße A. beginnt und dort endet, wo von Norden her der nördliche Arm der ...gasse, von Süden her der südöstliche Arm der ...gasse und von Westen her (versetzt) der ...weg mit der fast rechtwinklig in südlicher Richtung fortführenden W.-straße zusammentreffen. Demgegenüber ergibt die natürliche Betrachtungsweise nicht, dass die Anlage W.-straße als einheitliche öffentliche Einrichtung von der Straße A. bis zum Bebauungsende im Bereich der Vereinsheime im südlichen Teil der W.-straße zu sehen ist. Dies ergibt sich daraus, dass der Bereich, in dem der hier streitgegenständliche Teil der W.-straße, deren südlicher Teil, der nördliche und der südöstliche Arm der ...gasse und (versetzt) der ...weg zusammentreffen, einen markanten Einschnitt bildet, der eine deutliche Zäsur im Straßenverlauf bildet, die eine auffällige Abgrenzung im o.g. Sinne nahelegt.
Hinzu kommt, dass einem unbefangenen Beobachter, der sich die W.-straße von der Straße A. kommend in ost-südöstlicher Richtung auf den beschriebenen Bereich, in dem die verschiedenen Straßen zusammentreffen, zubewegt, nicht klar sein kann, welche der verschiedenen sich ihm bietenden Möglichkeiten (...gasse nördlicher Arm, ...weg, ...gasse südöstlicher Arm, W.-straße südlicher Teil) eine natürliche Fortsetzung der W.-straße sein könnte. Zumindest die beiden Arme der ...gasse erscheinen hier (unabhängig von dem am südöstlichen Arm befindlichen vom Kläger in der mündlichen Verhandlung beschriebenen Sackgassenschild, das diesbezüglich keine Rolle spielen darf, weil es den südöstlichen Teil der ...gasse als vollwertige Straße nicht „entwertet“) als zwei annähernd gleichwertige Möglichkeiten, so dass offen bleibt, welche Straße sich als Fortsetzung anbieten könnte.
Keinesfalls ist allerdings im südlichen Teil der W.-straße eine natürliche Fortsetzung von deren streitgegenständlichen Teil anzusehen, da ein fast rechtwinkliger Richtungswechsel zu verzeichnen ist, der nicht als Kurve ausgestaltet ist, die einem natürlichen Straßenverlauf folgt, sondern als Einmündung. Hinzu kommt, dass nach Abschluss der Bauarbeiten - allein hierauf kommt es an (vgl. BayVGH, U.v. 1.6.2011 - 6 BV 10.2467 - BayVBl 2012, 206) - aufgrund der süd-südöstlich des streitgegenständlichen Teils der W.-straße gelegenen mit einer Betonmauer abgefangenen Böschung ein Blick auf und in die Fortführung der W.-straße in ihrem südlichen Teil nicht möglich ist.
Schon jede einzelne dieser Beobachtungen und umso mehr all dies zusammengenommen führt dazu, dass die W.-straße von der Straße A. bis zum Zusammentreffen mit den beiden Armen der ...gasse, dem ...weg und dem südlichen Teil der W.-straße als eigenständige öffentliche Einrichtung anzusehen ist.
Bestandteil der Anlage W.-straße in diesem Sinne ist allerdings auch die Stichstraße I.
Bei der Beantwortung der Frage, ob es sich bei einer Stichstraße um eine selbstständige Erschließungsanlage oder lediglich um eine unselbstständige, mit Kraftfahrzeugen aller Art befahrbare Verkehrsanlage und damit um ein „Anhängsel“ derjenigen Straße handelt, in die diese Sackgasse einmündet, kommt es auf der Grundlage des Gesamteindrucks der tatsächlichen Verhältnisse grundsätzlich neben der Ausdehnung und der Zahl der durch sie erschlossenen Grundstücke vor allem auf das Maß der Abhängigkeit zwischen der Stichstraße und der Straße, in die sie einmündet, an. Hiernach ähnelt eine bis zu 100 m tiefe, nicht verzweigte bzw. nicht abknickende Stichstraße einer typischen Zufahrt derart, dass sie wie diese regelmäßig als unselbstständig zu qualifizieren ist (vgl. Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 9. Aufl. 2012, § 12 Rn. 14 m. w. N.).
Im vorliegenden Fall mündet die Straße I. in die W.-straße ein. Sie ist etwa 63 m lang, gerade und ohne Verzweigung. Der Bereich der Stichstraße, in welchem sie einen auf den vorgelegten Lichtbildern deutlich wahrnehmbaren Knick nach Westen aufweist, gehört, wie die Beklagte plausibel dargelegt hat, nicht mehr zu der als öffentliche Einrichtung gewidmeten Straße I. selbst, sondern dieser Bereich befindet sich auf privatem Grund und stellt somit eine in dieser Beziehung unbeachtliche private Zufahrt dar. Dies bedeutet, dass sich die öffentliche Einrichtung W.-straße aus der W.-straße von der Einmündung A. bis zum Zusammentreffen mit der ...gasse und aus der Stichstraße I. zusammensetzt.
Der Kläger hat nicht in Frage gestellt, dass es sich bei den Baumaßnahmen an der W.-straße um eine beitragsfähige Erneuerung i. S. d. Art. 5 Abs. 1 KAG und nicht um eine erstmalige Erschließung i. S. d. Art. 5a KAG i. V. m. § 127 ff. BauGB handelt. Zudem bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die W.-straße in der Vergangenheit nicht erstmals im Rechtssinne hergestellt worden sein könnte.
Die von der Beklagten in die Kalkulation der Vorauszahlung eingestellten voraussichtlichen anlagebezogenen Kosten sind nicht zu beanstanden. Dies gilt insbesondere für den vom Kläger in Frage gestellten Bereich der W.-straße, in dem sie an die Straße A. angebunden ist.
Bei der Entscheidung über den Inhalt des Bauprogramms einschließlich der Einzelarbeiten, die zur Verwirklichung des mit der jeweiligen Maßnahme verfolgten Ziels erforderlich sind (anlagebezogene Erforderlichkeit), hat die Beklagte einen weiten (Beurteilungs-)Spielraum, der vom Gericht nur eingeschränkt überprüfbar ist und der erst dann überschritten ist, wenn keine Gründe ersichtlich sind, die die Maßnahme im durchgeführten Umfang rechtfertigen könnten (Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 9. Aufl. 2012, § 33 Rn. 46 m. w. N.).
Im vorliegenden Fall baut die Beklagte die W.-straße, die ansonsten Breiten zwischen etwa 4,8 m und 6,10 m aufweist, im Einmündungsbereich in die Straße A. (hier mündet auch die Straße I. in die W.-straße ein) deutlich breiter aus. Im unmittelbaren Einmündungsbereich beträgt die größte Breite etwas weniger als 20 m (vgl. den von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung übergebenen Lageplan). Dies ist nicht zu beanstanden.
Nach § 5 Abs. 1 Nr. 1.7 i. V. m. Nr. 1.3c) ABS wird der Berechnung des Beitrags der Aufwand für die Erneuerung von Ortsstraßen u. a. mit den Straßenbestandteilen Fahrbahn und Gehwege in reinen und allgemeinen Wohngebieten mit einer Geschossflächenzahl von 1,0 bis 1,6 bis zu einer Breite von 20 m zugrunde gelegt. Dieses Maß ist im vorliegenden Fall selbst im Einmündungsbereich nicht überschritten. Damit ist der in diesem Maße vorzunehmende Ausbau hinsichtlich seiner Breite nicht als fehlerhaft anzusehen, zumal Straßen in ihren Knotenpunkten wegen der hier erforderlichen Eckausrundungen (vgl. Empfehlungen für die Anlage von Erschließungsstraßen der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen - Arbeitsgruppe Straßenentwurf - Ausgabe 1985, ergänzte Fassung 1995 - EAE 85/95 - Ziffer 5.2.2) fahrgeometrisch bemessen sein müssen und damit Knotenpunktsbereiche zwangsläufig eine größere Breite erhalten (VG Würzburg, U.v. 27.6.2012 - W 2 K 10.1146 - n. v.). Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass im vorliegenden Fall der Knotenpunkt tatsächlich unangemessen großzügig hergestellt werden könnte, hat die Klägerseite nicht dargetan.
Aus den korrekt ermittelten voraussichtlichen beitragsfähigen Kosten hat die Beklagte den voraussichtlichen umlagefähigen Aufwand richtig ermittelt; entgegen der Meinung des Klägers hat sie zu diesem Zweck die W.-straße korrekt als Anliegerstraße eingestuft und nicht als Haupterschließungsstraße.
Grundlage für die Ermittlung des umlagefähigen Aufwandes ist Art. 5 Abs. 3 Satz 1 und Satz 2 KAG. Kommt hiernach die Einrichtung neben den Beitragspflichtigen nicht nur unbedeutend auch der Allgemeinheit zugrunde, so ist in der Abgabesatzung eine Eigenbeteiligung vorzusehen. Die Eigenbeteiligung muss die Vorteile für die Allgemeinheit angemessen berücksichtigen. Dies bedeutet, dass entsprechend dem Vorteil, den die Anlage für die Allgemeinheit bietet, die Gemeinde als deren Repräsentantin am beitragsfähigen Aufwand zu beteiligen ist. Der Gemeindeanteil ist in der Ausbaubeitragssatzung als Prozentsatz anzugeben (vgl. Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 9. Aufl. 2012 § 34 Rn. 6 ff.). Auf dieser Grundlage differenziert die Beklagte in § 7 Abs. 3 ABS zwischen Anliegerstraßen (Straßen, die ganz überwiegend der Erschließung der Grundstücke dienen), Haupterschließungsstraßen (Straßen, die der Erschließung von Grundstücken und gleichzeitig dem durchgehenden innerörtlichen Verkehr dienen und nicht Hauptverkehrsstraßen sind) und Hauptverkehrsstraßen (Straßen, die ganz überwiegend dem durchgehenden innerörtlichen und/oder überörtlichen Durchgangsverkehr dienen) und legt in § 7 Abs. 2 ABS die entsprechenden Eigenbeteiligungen fest. Für verkehrsberuhigte Bereiche i. S. d. § 7 Abs. 4 ABS ist nach § 7 Abs. 3 Nr. 4 ABS ebenfalls eine Differenzierung nach Anliegerstraßen, Haupterschließungsstraßen und Hauptverkehrsstraßen vorgesehen.
Zu Recht hat die Beklagte die W.-straße auf dieser Grundlage als verkehrsberuhigten Bereich im Sinne einer Anliegerstraße nach § 7 Abs. 2 Nr. 4.1a) ABS mit einem gemeindlichen Kostenanteil für die Mischfläche in Höhe von 25% und für die übrigen Teileinrichtungen (z. B. Entwässerung, Beleuchtung) gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 4.1b) i. V. m. Nr. 1.1 ABS in Höhe von 20% eingestuft.
Bei der Einordnung einer Straße in die Kategorien der Ausbaubeitragssatzung ist ausgehend von den Definitionen der Satzung auf die Zweckbestimmung abzustellen, wie sie sich aus der Gesamtbewertung von Art und Größe der Gemeinde, deren weiterreichenden Verkehrsplanungen, der Lage und Führung der Straße im gemeindlichen Straßennetz und dem gewählten Ausbauprofil ergibt. Abzustellen ist auf den insoweit maßgeblichen Zeitpunkt nach vollständiger Umsetzung des gemeindlichen Bauprogramms (vgl. BayVGH, B.v. 23.5.2012 - 6 CS 11.2636 - juris Rn. 16). Lediglich daneben, gewissermaßen als Bestätigungsmerkmal, können auch die tatsächlichen Verkehrsverhältnisse von Bedeutung sein. Diese sind also nur von untergeordneter Bedeutung, auf eine rein mathematisch vergleichende Betrachtungsweise, also auf eine rein quantitative Betrachtung der Verkehrsvorgänge, kommt es nicht an (Driehaus, a. a. O., § 34 Rn. 31).
Auf dieser Grundlage ist das Gericht davon überzeugt, dass die Beklagte die W.-straße nach ihrer Neugestaltung zu Recht als Anliegerstraße einstuft. Hierbei ist zu beachten, dass es sich beim Ort S. mit etwa 881 Einwohnern (vgl. www.s...de, Zahlen und Fakten) um einen kleinen und ländlich strukturierten Ort handelt. Ein ausdrücklich beschlossenes Verkehrskonzept ist nach der Auskunft der Beklagten in der mündlichen Verhandlung nicht vorhanden. Der Durchgangsverkehr, der sich von der Staatsstraße 2... bei Sc.abzweigend über S. Richtung J., H. und H. (und umgekehrt) bewegt, nutzt nach der Lage der Straßen im gemeindlichen Straßennetz den Straßenzug E. Straße/S.-straße/...straße/A. bzw. Wi.-straße. Regelmäßiger Durchgangsverkehr über die in diesen Straßenzug nicht einmal ansatzweise eingebundene W.-straße ist nicht zu erwarten. Dies wäre nur dann denkbar, wenn - wie der Kläger vorgetragen hat - die Wilhelminenstraße in ihrem Bereich zwischen Einmündung der ...gasse und der Straße A. gesperrt sein sollte. Derartige Ausnahmesituationen dürfen aber bei der Einordnung einer Straße nicht berücksichtigt werden. Auch der Hinweis des Klägers auf den durch die W.-straße fließenden Verkehr hin zu den beiden Vereinsheimen im südlichen Teil der W.-straße führt nicht zu der Annahme, die W.-straße sei in gleichem Maße wie vom Anliegerverkehr auch vom innerörtlichen Durchgangsverkehr belastet. Der Kläger weist in diesem Zusammenhang insbesondere auf den Verkehr zum Schützenhaus hin und nimmt Bezug auf den dort stattfindenden Trainingsbetrieb (3 x in der Woche) und überörtliche Wettkämpfe sowie auf die dazu gehörende Gaststätte. Allerdings hat der Kläger nicht substantiiert dartun können (etwa durch eine datumsgenaue Auflistung der Veranstaltungen am Schützenhaus mit etwaiger Personenzahl, Öffnungszeiten der Gaststätte, Nachweis größerer Parkplatzflächen am Schützenhaus etc.), dass hier regelmäßiger erheblicher Ziel- und Quellverkehr zum Schützenhaus stattfindet, der die W.-straße erheblich belastet, zumal das Schützenhaus auch über die ...gasse zu erreichen ist. Gleiches gilt für das Vereinsheim der Pferde- und Ponyfreunde und das Bürogebäude der Firma W. und W. GmbH.
Zu berücksichtigen ist zudem das Ausbauprofil der W.-straße als verkehrsberuhigter Bereich mit einer Gesamtbreite zwischen etwa 4,8 m und 6,2 m (ohne Einmündungsbereiche). Nach den EAE 85/95 Nr. 5.3.1, Nr. 5.3.2, Nr. 5.3.7 i. V. m. Tabelle 19 wird eine Straße im Mischungsprinzip für Kraftfahrzeuge, Radfahrer und Fußgänger mit einem Mindestquerschnitt von 4,75 m als Anwohnerweg mit maßgeblicher Aufenthaltsfunktion und einer angestrebten Geschwindigkeit von unter 20 km/h eingestuft; eine Straße im Mischungsprinzip mit einem Mindestquerschnitt von 6,5 m wird als Anliegerstraße (Typ 3) mit einer Verkehrsstärke unter 150 Fahrzeugen pro Spitzenstunde und mit einer angestrebten Geschwindigkeit von unter 20 km/h eingestuft. Demgegenüber soll eine Sammelstraße im Trennungsprinzip mit Geschwindigkeitsdämpfung eine Mindestbreite für die Fahrbahn von 5,5 m und einen weiteren Streifen für Fußgänger, Radfahrer und Grünstreifen von 2 m (2,25 m) aufweisen. Nach Tabelle 8 der EAE 85/95 hat eine Anliegerstraße (Typ 3) im geringen Maße Verbindungsfunktionen; ihre maßgebliche Hauptfunktion ist die Erschließung, daneben als bedeutende Nebenfunktion die Aufenthaltsfunktion. Beim Anliegerweg ist eine Verbindungsfunktion nicht vorgesehen, die Erschließungsfunktion ist eine bedeutende Nebenfunktion, der Aufenthalt ist die maßgebliche Hauptfunktion.
Dies macht deutlich, dass die W.-straße, die mit ihrer Breite von 4,8 m bis 6,2 m eher einen Anliegerweg als eine Anliegerstraße (Typ 3) darstellt, aufgrund ihres Ausbauprofils kaum Verbindungsfunktion haben soll.
Zudem kann sich der Kläger nicht darauf berufen, die Beklagte habe die Funktion der W.-straße, den Verkehr vom und zum Schützenhaus aufzunehmen, mit den entsprechenden Wegweisern an der Einmündung W.-straße/A. und am Übergang der W.-straße nordöstlicher Teil in die W.-straße südlicher Teil bestimmt, weshalb es sich um eine Haupterschließungsstraße handele. Die Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung dargelegt, dass diese beiden Hinweisschilder weder von ihr angebracht noch von ihr genehmigt worden sind. Sie können also nicht der Beklagten zugerechnet werden.
Aus diesen Überlegungen ergibt sich, dass die Beklagte die W.-straße zu Recht als Anliegerstraße eingestuft hat und somit bei der Ermittlung des umlagefähigen Aufwandes zu Recht einen Gemeindeanteil in Höhe von 25% für die Mischflächen und von 20% im Übrigen berücksichtigt hat.
Zu Recht hat die Beklagte diesen so berechneten voraussichtlichen umlagefähigen Aufwand allein auf die an der W.-straße anliegenden Grundstücke umgelegt. Demgegenüber ist es nicht (mehr) zu beanstanden, dass eine Umlegung auf die Anlieger der in die W.-straße mündenden Stichstraße I. nicht erfolgt ist.
Zwar besteht - wie oben dargestellt - die öffentliche Einrichtung aus der W.-straße von der Straße A. bis zur ...gasse und aus der Straße I. so dass eine Umlegung des voraussichtlichen beitragsfähigen Aufwands - unabhängig von der Frage, ob ein Teilausbau lediglich der W.-straße ohne die Straße I. oder ein Vollausbau beider Bereiche der öffentlichen Anlage geplant ist - auf sämtliche an dieser Anlage gelegenen Grundstücke erforderlich wäre. Allerdings hat die Beklagte nunmehr in rechtmäßiger Weise eine Abschnittsbildung beschlossen, die zur Folge hat, dass der Abschnitt W.-straße und der Abschnitt I. jeweils unabhängig voneinander abzurechnen sind.
Beabsichtigt eine Gemeinde, entgegen dem Grundsatz, dass die Kosten für den Ausbau einer rechtlich selbstständigen Anlage auf sämtliche anliegenden Grundstücke, die durch die Baumaßnahme die Möglichkeit eines besonderen rechtlichen Vorteils i. S. d. Art. 5 Abs. 1 Satz 1 KAG haben, umzulegen ist, einzelne Abschnitte der auszubauenden Anlage rechtlich zu verselbstständigen und jeweils gesondert abzurechnen, ist auf der Grundlage von Art. 5 Abs. 1 Satz 5 KAG i. V. m. der entsprechenden Bestimmung der Ausbaubeitragssatzung - hier § 6 Abs. 2 Satz 2 - die Bildung von rechtlich selbstständigen Abschnitten möglich. Derartige Abschnitte dürfen nur gebildet werden, wenn der Ausbau nach den planerischen Vorstellungen der Gemeinde, die im Bauprogramm ihren Niederschlag gefunden haben, fortgeführt werden soll, die tatsächliche Ausführung sich aber zunächst auf eine bestimmte Strecke der geplanten Ausführung beschränkt, wenn mit anderen Worten die Erneuerung der Einrichtung nicht in einem Zuge, sondern in Etappen verwirklicht wird (BayVGH, U.v. 28.1.2010 - 6 BV 08.3043 - juris Rn. 16 m. w. N.). Allerdings muss das der Abschnittsbildung zugrundeliegende Bauprogramm derart hinreichend konkret und detailliert sein, dass auch später noch festgestellt werden kann, zu welchem Zeitpunkt die Verwirklichung abgeschlossen worden ist (OVG SH, U.v. 21.10.2009 - 2 LB 15/09 - juris). Dies bedeutet, dass das Bauprogramm auch hinreichend konkrete zeitliche Vorgaben enthalten muss, so dass für die Fortführung des Ausbaus noch irgendein zeitlicher Horizont ersichtlich ist (BayVGH, B.v. 20.6.2012 - 6 B 11.2132 - juris Rn. 5).
Formale Voraussetzung für eine Abschnittsbildung ist eine entsprechende Entscheidung der Gemeinde, die zumindest als konstitutiver „innerdienst-
licher Ermessensakt“ deutlich begründet werden muss und vor dem Entstehen der sachlichen Beitragspflicht getroffen werden muss (Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 9. Aufl. 2012, § 33 Rn. 51). Einer Begründung bedarf diese Entscheidung allerdings nicht (BayVGH, B.v. 6.5.2008 - 6 CS 08.117 - juris Rn. 4). Zudem dürfen die Abschnitte nicht willkürlich gebildet werden; dies ist jedenfalls dann nicht der Fall, wenn sie nach „örtlich erkennbaren Merkmalen“ oder nach rechtlichen Gesichtspunkten gebildet werden. Zudem muss die den jeweiligen Abschnitt bildende Teilstrecke eine gewisse selbstständige Bedeutung als Verkehrsanlage haben, sie muss von ihrem Umfang her - gleichsam stellvertretend - Straße sein können und damit selbstständig nutzbar sein (vgl. BayVGH, a. a. O. mit weiteren Ausführungen zum Willkürverbot).
Diese Voraussetzungen für eine wirksame Abschnittsbildung sind im vorliegenden Fall erfüllt. Eine Abschnittsbildung ist auf der Grundlage von Art. 5 Abs. 1 Satz 5 KAG i. V. m. § 6 Abs. 2 Satz 2 ABS rechtlich zulässig. Der Gemeinderat der Beklagten hat am 20. Dezember 2012 beschlossen, dass die Straße I. einen eigenen Abschnitt bildet. Dem lag in diesem Zeitpunkt die Überlegung zugrunde, dass die Erneuerung der Verkehrsflächen in der Straße I. nicht absehbar ist (Niederschrift des Gemeinderats vom 20.12.2012, Gerichtsakte Bl. 54). Dieser Beschluss des Gemeinderats wurde durch den Beschluss vom 9. Mai 2014 ergänzt. In dem diesem Beschluss zugrundeliegenden Sachverhalt wurde ausdrücklich auf den Beschluss vom 20. Dezember 2012 Bezug genommen und nunmehr als zeitlicher Horizont für den Ausbau des Abschnitts I. ein solcher von 8 Jahren festgelegt.
Eine Abänderung bzw. Konkretisierung des Bauprogramms ist solange zulässig, wie eine konkrete Beitragspflicht noch nicht entstanden ist (BayVGH, B.v. 29.6.2012 - 6 B 11.2132 - juris Rn. 5). Dies ist vorliegend der Fall, denn die Baumaßnahmen an der W.-straße sind deswegen noch nicht abrechenbar, weil der Grunderwerb noch nicht abgeschlossen ist (vgl. Niederschrift über die mündliche Verhandlung). Die „Nachholung“ des Beschlusses vom 9. Mai 2014 und damit die Beseitigung des dem ursprünglichen Beschluss vom 20. Dezember 2012 wohl anhaftenden Mangels des unzureichenden zeitlichen Horizonts für den Ausbau des Abschnitts I. auch nach Erlass des Vorauszahlungsbescheids ist zulässig (vgl. hierzu ausführlich BayVGH, B.v. 15.7.2008 - 6 CS 08.950 - juris Rn. 2 m. w. N.). Mit diesem Beschluss vom 9. Mai 2014 liegt ein hinreichend konkretes Bauprogramm vor, aus welchem erkennbar ist, welche Maßnahme mit welchem zeitlichen Horizont verwirklicht werden soll. In letzterer Hinsicht ist ein zeitlicher Horizont von acht Jahren (noch) ausreichend.
Eine gesetzliche Festlegung, innerhalb welcher Zeiträume verschiedene Abschnitte einer einheitlichen Anlage ausgebaut werden müssen, ohne gegen das Willkürverbot zu verstoßen, existiert nicht. Kriterium für die Bestimmung, welcher Zeitraum noch angemessen ist, ist die Erkenntnis, dass ein Ausbau „in Etappen“ (BayVGH, U.v. 28.1.2010 - 6 BV 08.3043 - juris Rn. 16) erfolgen soll, was bedeutet, dass der zeitliche Abstand zwischen dem Ausbau der einzelnen Abschnitte nicht „uferlos“ sein darf. Dem steht die Überlegung gegenüber, dass die Abschnittsbildung auch der leichteren Finanzierung der Baumaßnahme dient, mithin die Gemeinde auch zwischen den Abschnitten einen gewissen Zeitraum verstreichen lassen darf, um wieder genügend Eigenmittel für den von ihr zu finanzierenden Eigenanteil anzusammeln (Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 9. Aufl. 2012, § 14 Rn. 33 m. w. N. und § 33 Rn. 55). Weiterer Anhaltspunkt kann die gesamte Lebensdauer einer Straße sein, die vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (U.v. 14.7.2010 - 6 B 08.2254 - juris) mit etwa 25 Jahren angegeben wird. Erfolgt der Ausbau des zweiten Abschnitts erst dann, wenn ein deutlicher Teil der Lebensdauer des ersten Abschnitts schon abgelaufen ist, spricht dies aus Sicht der Kammer für einen Verstoß gegen das Willkürverbot, zumal die Erneuerungsbedürftigkeit auch des später auszubauenden Abschnitts schon bei dem Entschluss des Gemeinderats, Abschnitte zu bilden, feststehen muss, die Lebensdauer des später auszubauenden Abschnitts mithin schon zu diesem Zeitpunkt abgelaufen ist. Dies schließt ein exzessives Zuwarten bis zur Verwirklichung des Ausbaus des zweiten Abschnitts aus. Unter Zugrundelegung der durchschnittlichen Lebensdauer einer Straße von 25 Jahren erscheint die Entscheidung der Gemeinde, ein Zeitfenster von 8 Jahren, mithin also von etwa einem Drittel dieser Lebensdauer bis zur Verwirklichung des zweiten Bauabschnitts festzulegen, nicht als fehlerhaft. Dieser Zeitraum erscheint auch im Hinblick auf das weitere Kriterium der Finanzsituation der Gemeinde (vgl. oben) als angemessen. Das Verwaltungsgericht Würzburg hat im Verfahren W 2 K 12.557 mit Urteil vom 17. September 2013 festgehalten, dass das Bauprogramm für den zweiten Abschnitt nicht innerhalb von sechs Jahren umgesetzt sein muss, dass aber für die künftig Beitragspflichtigen abschätzbar sein muss, wann die Beitragspflicht in etwa entstehen wird, um nicht gegen das Willkürverbot zu verstoßen.
Aus alledem ergibt sich, dass der zeitliche Horizont für die Verwirklichung des zweiten Bauabschnitts, also für den Ausbau der Straße I. mit acht Jahren (noch) so angemessen ist, dass kein Verstoß gegen das Willkürverbot vorliegt.
Auch die räumliche Abgrenzung der Bauabschnitte ist im Hinblick auf das Willkürverbot nicht zu beanstanden, da sie nach konkreten örtlichen Merkmalen erfolgt ist. Zudem besitzt jeder Abschnitt eine hinreichende selbstständige Bedeutung als Verkehrsanlage.
Damit ist eine rechtmäßige Abschnittsbildung erfolgt, weshalb die Beklagte jetzt zu Recht den voraussichtlichen umlagefähigen Aufwand ausschließlich auf die Anliegergrundstücke der W.-straße und nicht auch auf die Anliegergrundstücke der Straße I. umgelegt hat.
Hinsichtlich der konkreten Belastung seines eigenen Grundstücks Fl.Nr. 2... bezüglich der Größe der herangezogenen Grundstücksfläche und der Geschossflächenzahl hat der Kläger keine Einwendungen erhoben.
Aus diesen Gründen erweist sich der angegriffene Bescheid der Beklagten vom 9. März 2012 in der Fassung des Widerspruchsbescheides des Landratsamts Aschaffenburg vom 5. November 2012 als rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO), so dass die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen war. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.
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(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.
In den Fällen des § 708 Nr. 4 bis 11 hat das Gericht auszusprechen, dass der Schuldner die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden darf, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet. § 709 Satz 2 gilt entsprechend, für den Schuldner jedoch mit der Maßgabe, dass Sicherheit in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages zu leisten ist. Für den Gläubiger gilt § 710 entsprechend.