Verwaltungsgericht Würzburg Beschluss, 28. Nov. 2017 - W 6 E 17.33779

bei uns veröffentlicht am28.11.2017
nachgehend
Bundesverfassungsgericht, 2 BvR 62/18, 04.07.2018

Gericht

Verwaltungsgericht Würzburg

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.

II. Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Die Antragsteller begehren die vorübergehende Aussetzung ihrer Abschiebung.

1. Die Antragsteller sind ukrainische Staatsangehörige und reisten im Sommer 2014 in die Bundesrepublik Deutschland ein. Die Antragstellerin zu 4) ist die Großmutter der Antragstellerin zu 2) und wird von ihr zu Hause gepflegt und betreut.

Die Asylanträge der Antragsteller zu 1) bis 3) wurden vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) mit Bescheid vom 12. Januar 2017 als offensichtlich unbegründet abgelehnt, es wurde festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen und es wurde die Abschiebung in die Ukraine angedroht. Die hiergegen gerichtete Klage wurde mit Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Würzburg vom 8. November 2017 (Az.: W 6 K 17.30307) abgewiesen.

Der Asylantrag der Antragstellerin zu 4) wurde nach Mitteilung der Regierung von Unterfranken bestandskräftig abgelehnt, sie ist seit dem 14. April 2017 vollziehbar ausreisepflichtig.

2. Der Antrag ist sinngemäß auszulegen als ein auf vorübergehende Aussetzung der Abschiebung durch Erteilung einer Duldung (§ 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG) gerichteter Antrag.

Der zulässige Antrag nach § 123 Abs. 1 VwGO ist jedoch unbegründet, da es an einer Glaubhaftmachung des Anordnungsanspruchs fehlt.

Nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG ist die Abschiebung eines Ausländers so lange auszusetzen, wie sie aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist. Ein rechtliches Abschiebungshindernis liegt vor, wenn durch die Beendigung des Aufenthalts eine konkrete Leibes- oder Lebensgefahr zu befürchten ist, so dass die Abschiebungsmaßnahme wegen des nach Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG verbürgten grundrechtlichen Schutzes auszusetzen ist. Erforderlich ist dabei, dass infolge der Abschiebung als solcher (unabhängig vom konkreten Zielstaat) eine wesentliche Verschlechterung des gesundheitlichen Zustandes für den betroffenen Ausländer konkret droht (Hailbronner, Ausländerrecht, Stand: Februar 2016, A1 § 60a Rn. 57 f.). In Betracht kommen damit nur inlands- und nicht zielstaatsbezogene Abschiebungsverbote (vgl. BayVGH, B.v. 31.5.2017 – 10 CE 16.838, beck-online Rn. 7). Bei der Bewertung der Darlegungen der Ausreisepflichtigen ist zu beachten, dass der Gesetzgeber in § 60a Abs. 2c Satz 1, 3 AufenthG die grundsätzliche Reisefähigkeit des Ausländers normiert hat.

Das Vorbringen im Hinblick auf die Antragstellerinnen zu 1) und 4) ist nicht geeignet, ihre Reisefähigkeit zu erschüttern.

Im Rahmen des Klageverfahrens gegen ihren abgelehnten Asylantrag legte die Antragstellerin zu 1) eine Bescheinigung vom 23. Oktober 2017 vor, in welchem ihr das Bestehen einer Risikoschwangerschaft attestiert wird. Identisches Attest wurde nun im Rahmen des Eilverfahrens vorgelegt. Bei diesem ärztlichen Attest handelt es sich in erster Linie um eine Krankschreibung und es geht daraus nur hervor, dass Antragstellerin zu 1) zum Zeitpunkt der Krankschreibung am 23. Oktober 2017 vaginale Blutungen hatte. Weitere Ausführungen, die ihre Einstufung als Risikoschwangerschaft begründen, sind daraus nicht ersichtlich. Grundsätzlich ist das Bestehen einer Risikoschwangerschaft nicht mit einer akuten Gesundheitsgefahr für die Schwangere und das Ungeborene gleichzusetzen. Demnach ist weder ersichtlich noch dargelegt, dass die Antragstellerin zu 1) infolge der Abschiebung eine wesentliche Verschlechterung des gesundheitlichen Zustands drohen würde. Die in § 60a Abs. 2c Satz 1, 3 AufenthG normierte gesetzliche Vermutung der Reisefähigkeit wird durch das pauschale Vorbringen ohne nähere Ausführungen bzw. Darlegungen der behaupteten Reiseunfähigkeit der Antragstellerin zu 1) nicht erschüttert. Ein auf vorübergehende Aussetzung der Abschiebung durch Erteilung einer Duldung (§ 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG) gerichteter Anordnungsanspruch (§ 123 Abs. 1, 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO) ist daher nicht glaubhaft gemacht.

Gleiches gilt für die Antragstellerin zu 4). Die Behauptung, die Antragstellerin zu 4) hätte in der Ukraine keinen Zugang zu lebenserhaltender medizinscher Versorgung in der erforderlichen Qualität und Intensität, ist völlig unerheblich, da es vorliegend nur darauf ankommt, dass infolge der Abschiebung als solcher (unabhängig vom konkreten Zielstaat) eine wesentliche Verschlechterung des gesundheitlichen Zustandes für den betroffenen Ausländer konkret droht. Im Hinblick auf die vorgetragene Pflegebedürftigkeit ist darauf zu verweisen, dass die Antragsteller zu 1) bis 3) in der mündlichen Verhandlung zu ihrem Klageverfahren W 6 K 17.30307 vorgetragen haben, dass sie die Antragstellerin zu 4) pflegen. Darüber hinaus wird auf das Gutachten des Gesundheitsamtes am Landratsamt Schweinfurt vom 27. Juni 2017, vorgelegt von der Zentralen Ausländerbehörde Unterfranken, verwiesen, welches der Antragstellerin zu 4) Flug- und Reisefähigkeit bescheinigt.

Ausweislich der Stellungnahme der Zentralen Ausländerbehörde Unterfranken wird diese Sammelabschiebung unter ärztlicher Begleitung erfolgen.

Abschiebungshindernisse für die Antragsteller zu 2) und 3) liegen keine vor.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b Asyl).

Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Würzburg Beschluss, 28. Nov. 2017 - W 6 E 17.33779

Urteilsbesprechungen zu Verwaltungsgericht Würzburg Beschluss, 28. Nov. 2017 - W 6 E 17.33779

Referenzen - Gesetze

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 60 Verbot der Abschiebung


(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalit

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 123


(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Ant

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 2


(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt. (2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unver

Zivilprozessordnung - ZPO | § 920 Arrestgesuch


(1) Das Gesuch soll die Bezeichnung des Anspruchs unter Angabe des Geldbetrages oder des Geldwertes sowie die Bezeichnung des Arrestgrundes enthalten. (2) Der Anspruch und der Arrestgrund sind glaubhaft zu machen. (3) Das Gesuch kann vor der
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Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 60a Vorübergehende Aussetzung der Abschiebung (Duldung)


(1) Die oberste Landesbehörde kann aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise

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Verwaltungsgericht Würzburg Beschluss, 28. Nov. 2017 - W 6 E 17.33779 zitiert oder wird zitiert von 2 Urteil(en).

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Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 31. Mai 2016 - 10 CE 16.838

bei uns veröffentlicht am 31.05.2016

Tenor I. Unter Abänderung der Nr. I. des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 6. April 2016 wird der Antrag insgesamt abgelehnt. II. Unter Abänderung der Nr. II. des Beschlusses des Bayerischen Verw

Verwaltungsgericht Würzburg Urteil, 08. Nov. 2017 - W 6 K 17.30307

bei uns veröffentlicht am 08.11.2017

Tenor I. Die Klage wird abgewiesen. II. Die Kläger haben die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben. Tatbestand 1. Die Kläger sind ukrainische Staatsangehörige, die Kläger zu

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(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Kläger haben die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Tatbestand

1. Die Kläger sind ukrainische Staatsangehörige, die Kläger zu 1) und 3) sind ukrainische, die Klägerin zu 2) ist russische Volksangehörige; sie sind christlich-orthodoxen Glaubens. Die Kläger reisten nach eigenen Angaben am 7. Juni 2014 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellten am 25. September 2014 ihre Asylanträge. Auf das Vorbringen beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) wird Bezug genommen.

Mit Bescheid vom 12. Januar 2017 lehnte das Bundesamt die Anträge auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft sowie die Anträge auf Asylanerkennung als offensichtlich unbegründet ab (Ziffern 1 und 2). Die Anträge auf subsidiären Schutz wurden ebenfalls als offensichtlich unbegründet abgelehnt (Ziffer 3) und es wurde festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Ziffer 4). Die Kläger wurden unter Androhung der Abschiebung in die Ukraine zur Ausreise innerhalb von einer Woche nach Bekanntgabe des Bescheides aufgefordert (Ziffer 5). Ferner wurde das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Ziffer 6). Hinsichtlich der Begründung wird auf den Inhalt des angefochtenen Bescheides, der den Klägern mit Schreiben vom 13. Januar 2017 zugestellt wurde, Bezug genommen.

2. Gegen diesen Bescheid ließen die Kläger durch ihre Bevollmächtigte am 25. Januar 2017 Klage erheben und beantragen,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides zu verpflichten, den Klägern die Flüchtlingseigenschaft, hilfsweise den Klägern den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen,

weiter hilfsweise festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegen.

Die Beklagte beantragte mit Schriftsatz vom 27. Januar 2017,

die Klage abzuweisen.

3. Mit Beschluss vom 26. Januar 2017 wurde der Rechtsstreit dem Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.

Der mit Klageschriftsatz gestellte Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage sowie Gewährung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung der Bevollmächtigten im Eil- und Hauptverfahren wurde mit Beschluss vom 2. Februar 2017 (Az.: W 6 K S. 17.30308) abgelehnt.

Wegen der sonstigen Ausführungen der Beteiligten und der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Akteninhalt (auch im Verfahren W 6 S. 17.30308), die beigezogenen Behördenakten und die Sachverhaltsdarstellung im angefochtenen Bescheid Bezug genommen (§ 77 Abs. 2 AsylG). Ergänzend wird auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 8. November 2017 verwiesen.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet, da der Bescheid des Bundesamtes vom 12. Januar 2017 nicht rechtswidrig ist und die Kläger dadurch nicht in ihren Rechten verletzt sind, § 113 Abs. 5 VwGO. Das Bundesamt konnte nach den Maßstäben des § 30 Abs. 1 AsylG davon ausgehen, dass die Voraussetzungen für eine Anerkennung als Asylberechtigter und die Voraussetzungen für die Zuerkennung des internationalen Schutzes offensichtlich nicht vorliegen (1.). Die Kläger haben aber auch darüber hinaus keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG; ebenso wenig besteht ein Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 AsylG bzw. auf die Feststellung, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 bzw. Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegen (2.).

1. Das Bundesamt durfte zu Recht gemäß § 30 Abs. 1 AsylG von der offensichtlichen Unbegründetheit der Anträge auf Asylanerkennung, Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft sowie des subsidiären Schutzstatus ausgehen.

Der für § 30 Abs. 1 AsylG maßgebliche unbestimmte Rechtsbegriff der Offensichtlichkeit ist historisch zunächst mit Blick auf die Abweisung einer Klage als offensichtlich unbegründet entwickelt worden, kann aber auf die Entscheidung des Bundesamtes übertragen werden. Bereits zu § 11 Abs. 1 AsylVfG a.F. hatte das BVerfG festgestellt, dass das erforderliche Maß an Richtigkeitsgewissheit für die Bundesamtsentscheidung jedenfalls nicht hinter den Anforderungen zurückbleiben dürfe, die an die zum Rechtsmittelausschluss führende Abweisung einer asylrechtlichen Klage als offensichtlich unbegründet zu stellen seien (BVerfG NJW 1984, 2028). Das BVerfG bejaht – mit Blick auf die unbegründete Asylklage – die Offensichtlichkeit i.S.v. § 30 Abs. 1 AsylG in st.Rspr., „wenn im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichts an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen des Gerichts vernünftigerweise kein Zweifel bestehen kann und sich bei einem solchen Sachverhalt nach allgemein anerkannter Rechtsauffassung (nach dem Stand von Rspr. und Lehre) die Abweisung der Klage geradezu aufdrängt“ (BVerfG BeckRS 2000, 22406 Rn. 3; NVwZ 1994, 160 (161); 2007, 1046; 2008, 418; s. bereits BVerfG NJW 1983, 2929 (2930)). Befindet das Bundesamt einen Asylantrag für offensichtlich unbegründet i.S.v. § 30 Abs. 1 AsylG, gilt – bezogen auf den Zeitpunkt seiner Entscheidung – derselbe Maßstab. Angesichts der einschneidenden Rechtsfolgen kann eine solche Evidenzentscheidung nur dann getroffen werden, wenn das Asylbegehren eindeutig aussichtlos ist, die Aussichtslosigkeit – so das BVerfG - auf der Hand liegt (BVerfG BeckRS 2000, 22406 Rn. 3; s. auch VG Bln BeckRS 2015, 55636; VG Ansbach BeckRS 2016, 112703). Dieselben Anforderungen gelten für die Entscheidung über die Flüchtlingsanerkennung (BVerfG NVwZ-RR 2008, 507 (508)) sowie die Gewährung subsidiären Schutzes (vgl. BeckOK AuslR/Heusch AsylG § 30 Rn. 13-14).

Gemessen an diesen Maßstäben drängte sich angesichts des Vortrags der Kläger im Rahmen der Anhörung beim Bundesamt zum Zeitpunkt der verfahrensgegenständlichen Entscheidung die Ablehnung als offensichtlich unbegründet auf. Die Kläger vermochten nicht nur keine individuellen Fluchtgründe darzulegen, sondern waren überdies nicht in der Lage, eine individuelle Gefährdung mit dem entsprechenden Grad der Verfolgungsintensität geltend zu machen. Das Vorbringen der Kläger im Rahmen der Anhörung beschränkte sich auf pauschale und abstrakte Annahmen und Vermutungen, die schon keinerlei konkreten Bezug zu ihren persönlichen Lebensumständen und ihrer eigenen Rechtsgutsphäre aufgewiesen haben. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Bescheid verwiesen, § 77 Abs. 2 AsylG.

2. Ungeachtet dessen haben die Kläger auch im entscheidungserheblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 Satz 1, 1. HS AsylG) keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG oder des subsidiären Schutzes nach § 4 AsylG; ebenso wenig besteht ein Anspruch auf die Feststellung, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 bzw. Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegen.

Die Einwendungen der Kläger zur Begründung der Klage greifen ebenso wenig durch wie das Vorbringen in der mündlichen Verhandlung, sie haben nichts vorgebracht, was auf eine gezielte und konkrete Verfolgung in asyl- oder flüchtlingsrelevanter Weise hingedeutet hätte. Ihr Vorbringen ist auch sonst nicht schutzrelevant und begründet nach den Umständen des vorliegenden Falles jedenfalls nicht die Voraussetzungen für ein Aufenthalts- oder Bleiberecht in der Bundesrepublik Deutschland.

Soweit seitens des Klägers zu 1) eine Einberufung zum Wehrdienst thematisiert wird, ist zum einen festzuhalten, dass der Kläger nach Überzeugung des Gerichts (noch) nicht wirksam einberufen worden ist. Zum Zeitpunkt der Ausreise der Kläger aus der Ukraine war der Kläger nicht einberufen worden, da es hierfür der persönlichen Zustellung eines schriftlichen Einberufungsbefehls bedarf. Demzufolge konnte auch das im Schreiben eines Freundes der Familie vom 8. Februar 2017, welches mit Schriftsatz der Klägerbevollmächtigten vom 18. Februar 2017 vorgelegt wurde, ebenfalls keinen Einberufungsbefehl zum Inhalt haben, da nach der Auskunftslage der Einberufungsbefehl stets schriftlich ergeht und nur dem Betroffenen persönlich überreicht wird. Die Einschätzung des Gerichts, dass es keinen Einberufungsbescheid für den Kläger zu 1) gibt, wird zudem dadurch untermauert, als die Kläger in der mündlichen Verhandlung dieses Schreiben des Freundes insoweit relativiert haben, dass es überhaupt keinen schriftlichen Einberufungsbefehl gebe, sondern dem Freund des Klägers zu 1) nur mündlich mitgeteilt worden sei, er möge dem Kläger zu 1) ausrichten, dass er einberufen werde und kämpfen gehen solle. Ungeachtet dessen wäre selbst beim Vorliegen einer wirksamen Einberufung des Klägers zu 1) zum Wehrdienst nicht von einem Sachverhalt auszugehen, der die klägerseits begehrte Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft oder zumindest subsidiären Schutz begründen könnte (vgl. BayVGH, U.v. 24.8.2017 – 11 B 17.30392).

Darüber hinaus konnten die Kläger nichts vorbringen, was eine individuelle Bedrohungssituation oder zumindest die begründete Furcht vor Verfolgung nahe gelegt hätte. Die geschilderte Bedrohungslage ist eine allgemeine Situation, die sämtliche Bürger im von den kriegerischen Auseinandersetzungen betroffenen Teil der Ost-Ukraine gleichermaßen trifft. Eine individuelle Gefährdung wurde weder dargelegt, noch ist sie ersichtlich; ebenso wenig ist ersichtlich, dass den Klägern bei einer Rückkehr in die Ukraine ein erheblicher Schaden drohen würde, der die Zuerkennung von subsidiärem Schutz gemäß § 4 AsylG zur Folge hätte. Auch wenn davon auszugehen ist, dass im Osten der Ukraine (Donbass) in den Gebieten Donezk und Luhansk ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt besteht, ist insoweit darauf hinzuweisen, dass den Klägern eine Übersiedlung in andere Landesteile der Ukraine möglich und zumutbar ist, um etwaigen drohenden Gefahren zu entgehen (vgl. BayVGH, B.v. 22.12.2016 – 11 ZB 16.30679). Die Einlassung in der mündlichen Verhandlung, dass die Zustände im Rest der Ukraine für russisch-stämmige und russisch-sprechende Binnenflüchtlinge schlecht oder gar menschenunwürdig seien, ist eine bloße Behauptung, die nicht untermauert wurde und die insbesondere nicht der Auskunftslage entspricht; der von der Klägerbevollmächtigten übergebene Artikel von Amnesty International vom 26. Juli 2017 fokussiert sich allgemein auf die relativ schlechtere Lage der Binnenflüchtlinge im Vergleich zu internationalen Flüchtlingen. Dagegen ergibt sich aus dem Bericht des österreichischen Bundesamtes für fremden Wesen und Asyl vom Mai 2017 (Fact Finding Mission Report Ukraine – BFA-Report), dass das grundsätzlich die Einstellung der ukrainischen Bevölkerung gegenüber den Binnenflüchtlingen positiv ist und grundsätzlich von Verständnis getragen wird; diese Einstellung habe sich auch in den letzten zwei Jahren kaum geändert (a.a.O., S. 66-67). Insbesondere ist die russische Sprache kein Grund für Diskriminierungen oder Schikane (BFA-Report, S. 68).

Überdies ist nicht ersichtlich, weshalb die Kläger nach ihrer Rückkehr nicht in der Lage sein sollten, ihren Lebensunterhalt zu verdienen. In Anbetracht der bestehenden sozialen Sicherungssysteme in der Ukraine (insbesondere IDP-Gesetz, in Kraft seit 19.11.2014) ist davon auszugehen, dass ihr Lebensunterhalt - wenn auch knapp - bei einer Rückkehr in die Ukraine gesichert ist.

Abschiebungshindernisse liegen keine vor, insbesondere ist der Vortrag zur Erkrankung der Pflegebedürftigkeit der Großmutter der Klägerin zu 2) irrelevant, da es sich hierbei um kein zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis handelt. Die Vermeidung der Trennung der Familie ist ausländerrechtlich gegenüber der zuständigen Ausländerbehörde geltend zu machen und nicht im Asylverfahren gegenüber dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge.

Die Schwangerschaft der Klägerin zu 2), welche als Risikoschwangerschaft attestiert ist, führt ebenfalls nicht zu einer Feststellung eines Abschiebungsverbotes, da nicht ersichtlich ist, weshalb der Klägerin zu 2) bei einer Rückkehr eine konkrete individuelle extremen Gefahr für Leib und Leben im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG drohen sollte. Eine solche Gefahr kann bei einer lebensbedrohlichen Krankheit vorliegen, die sich alsbald nach seiner Rückführung erheblich verschlimmern und zu seinem Tode führen würde (BVerwG, B.v. 24.5.2006 – 1 B 118.05, NVwZ 2007, 345/346 a.E.). Nach dem ärztlichen Attest vom 23. Oktober 2017 könnte eine Fehlgeburt und damit ein Ende der Schwangerschaft drohen; inwieweit sich dies zu einer lebensgefährlichen Gefährdung des Zustandes der Klägerin zu 2) entwickeln könnte, erschließt sich nicht. Überdies ist darauf hinzuweisen, dass ausweislich der allgemeinen Auskunftsklage eine medizinische Versorgung in der Ukraine flächendeckend und kostenlos vorhanden ist (vgl. Lagebericht des AA v. 7.2.2017, S. 16).

Die in der mündlichen Verhandlung hervorgehobenen Integrationsleistungen der Kläger verdienen Anerkennung, sind jedoch für die Entscheidung im flüchtlingsrechtlichen Verfahren unerheblich.

3. Daher sind auch die Ausreiseaufforderung und die Abschiebungsandrohung in die Ukraine rechtmäßig. Auch gegen die Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung bestehen keine Bedenken. Ermessensfehler sind nicht ersichtlich.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).

(1) Die oberste Landesbehörde kann aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen allgemein oder in bestimmte Staaten für längstens drei Monate ausgesetzt wird. Für einen Zeitraum von länger als sechs Monaten gilt § 23 Abs. 1.

(2) Die Abschiebung eines Ausländers ist auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Die Abschiebung eines Ausländers ist auch auszusetzen, wenn seine vorübergehende Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen eines Verbrechens von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre. Einem Ausländer kann eine Duldung erteilt werden, wenn dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Soweit die Beurkundung der Anerkennung einer Vaterschaft oder der Zustimmung der Mutter für die Durchführung eines Verfahrens nach § 85a ausgesetzt wird, wird die Abschiebung des ausländischen Anerkennenden, der ausländischen Mutter oder des ausländischen Kindes ausgesetzt, solange das Verfahren nach § 85a nicht durch vollziehbare Entscheidung abgeschlossen ist.

(2a) Die Abschiebung eines Ausländers wird für eine Woche ausgesetzt, wenn seine Zurückschiebung oder Abschiebung gescheitert ist, Abschiebungshaft nicht angeordnet wird und die Bundesrepublik Deutschland auf Grund einer Rechtsvorschrift, insbesondere des Artikels 6 Abs. 1 der Richtlinie 2003/110/EG des Rates vom 25. November 2003 über die Unterstützung bei der Durchbeförderung im Rahmen von Rückführungsmaßnahmen auf dem Luftweg (ABl. EU Nr. L 321 S. 26), zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist. Die Aussetzung darf nicht nach Satz 1 verlängert werden. Die Einreise des Ausländers ist zuzulassen.

(2b) Solange ein Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Absatz 1 besitzt, minderjährig ist, soll die Abschiebung seiner Eltern oder eines allein personensorgeberechtigten Elternteils sowie der minderjährigen Kinder, die mit den Eltern oder dem allein personensorgeberechtigten Elternteil in familiärer Lebensgemeinschaft leben, ausgesetzt werden.

(2c) Es wird vermutet, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen. Der Ausländer muss eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen. Diese ärztliche Bescheinigung soll insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung, den lateinischen Namen oder die Klassifizierung der Erkrankung nach ICD 10 sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, enthalten. Zur Behandlung der Erkrankung erforderliche Medikamente müssen mit der Angabe ihrer Wirkstoffe und diese mit ihrer international gebräuchlichen Bezeichnung aufgeführt sein.

(2d) Der Ausländer ist verpflichtet, der zuständigen Behörde die ärztliche Bescheinigung nach Absatz 2c unverzüglich vorzulegen. Verletzt der Ausländer die Pflicht zur unverzüglichen Vorlage einer solchen ärztlichen Bescheinigung, darf die zuständige Behörde das Vorbringen des Ausländers zu seiner Erkrankung nicht berücksichtigen, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Einholung einer solchen Bescheinigung gehindert oder es liegen anderweitig tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankung, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde, vor. Legt der Ausländer eine Bescheinigung vor und ordnet die Behörde daraufhin eine ärztliche Untersuchung an, ist die Behörde berechtigt, die vorgetragene Erkrankung nicht zu berücksichtigen, wenn der Ausländer der Anordnung ohne zureichenden Grund nicht Folge leistet. Der Ausländer ist auf die Verpflichtungen und auf die Rechtsfolgen einer Verletzung dieser Verpflichtungen nach diesem Absatz hinzuweisen.

(3) Die Ausreisepflicht eines Ausländers, dessen Abschiebung ausgesetzt ist, bleibt unberührt.

(4) Über die Aussetzung der Abschiebung ist dem Ausländer eine Bescheinigung auszustellen.

(5) Die Aussetzung der Abschiebung erlischt mit der Ausreise des Ausländers. Sie wird widerrufen, wenn die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe entfallen. Der Ausländer wird unverzüglich nach dem Erlöschen ohne erneute Androhung und Fristsetzung abgeschoben, es sei denn, die Aussetzung wird erneuert. Ist die Abschiebung länger als ein Jahr ausgesetzt, ist die durch Widerruf vorgesehene Abschiebung mindestens einen Monat vorher anzukündigen; die Ankündigung ist zu wiederholen, wenn die Aussetzung für mehr als ein Jahr erneuert wurde. Satz 4 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe durch vorsätzlich falsche Angaben oder durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit selbst herbeiführt oder zumutbare Anforderungen an die Mitwirkung bei der Beseitigung von Ausreisehindernissen nicht erfüllt.

(6) Einem Ausländer, der eine Duldung besitzt, darf die Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht erlaubt werden, wenn

1.
er sich in das Inland begeben hat, um Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu erlangen,
2.
aufenthaltsbeendende Maßnahmen bei ihm aus Gründen, die er selbst zu vertreten hat, nicht vollzogen werden können oder
3.
er Staatsangehöriger eines sicheren Herkunftsstaates nach § 29a des Asylgesetzes ist und sein nach dem 31. August 2015 gestellter Asylantrag abgelehnt oder zurückgenommen wurde, es sei denn, die Rücknahme erfolgte auf Grund einer Beratung nach § 24 Absatz 1 des Asylgesetzes beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, oder ein Asylantrag nicht gestellt wurde.
Zu vertreten hat ein Ausländer die Gründe nach Satz 1 Nummer 2 insbesondere, wenn er das Abschiebungshindernis durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit oder durch eigene falsche Angaben selbst herbeiführt. Satz 1 Nummer 3 gilt bei unbegleiteten minderjährigen Ausländern nicht für die Rücknahme des Asylantrags oder den Verzicht auf die Antragstellung, wenn die Rücknahme oder der Verzicht auf das Stellen eines Asylantrags im Interesse des Kindeswohls erfolgte. Abweichend von den Sätzen 1 bis 3 ist einem Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings oder eines subsidiär Schutzberechtigten genießt, die Erwerbstätigkeit erlaubt.

(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.

(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.

(1) Die oberste Landesbehörde kann aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen allgemein oder in bestimmte Staaten für längstens drei Monate ausgesetzt wird. Für einen Zeitraum von länger als sechs Monaten gilt § 23 Abs. 1.

(2) Die Abschiebung eines Ausländers ist auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Die Abschiebung eines Ausländers ist auch auszusetzen, wenn seine vorübergehende Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen eines Verbrechens von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre. Einem Ausländer kann eine Duldung erteilt werden, wenn dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Soweit die Beurkundung der Anerkennung einer Vaterschaft oder der Zustimmung der Mutter für die Durchführung eines Verfahrens nach § 85a ausgesetzt wird, wird die Abschiebung des ausländischen Anerkennenden, der ausländischen Mutter oder des ausländischen Kindes ausgesetzt, solange das Verfahren nach § 85a nicht durch vollziehbare Entscheidung abgeschlossen ist.

(2a) Die Abschiebung eines Ausländers wird für eine Woche ausgesetzt, wenn seine Zurückschiebung oder Abschiebung gescheitert ist, Abschiebungshaft nicht angeordnet wird und die Bundesrepublik Deutschland auf Grund einer Rechtsvorschrift, insbesondere des Artikels 6 Abs. 1 der Richtlinie 2003/110/EG des Rates vom 25. November 2003 über die Unterstützung bei der Durchbeförderung im Rahmen von Rückführungsmaßnahmen auf dem Luftweg (ABl. EU Nr. L 321 S. 26), zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist. Die Aussetzung darf nicht nach Satz 1 verlängert werden. Die Einreise des Ausländers ist zuzulassen.

(2b) Solange ein Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Absatz 1 besitzt, minderjährig ist, soll die Abschiebung seiner Eltern oder eines allein personensorgeberechtigten Elternteils sowie der minderjährigen Kinder, die mit den Eltern oder dem allein personensorgeberechtigten Elternteil in familiärer Lebensgemeinschaft leben, ausgesetzt werden.

(2c) Es wird vermutet, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen. Der Ausländer muss eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen. Diese ärztliche Bescheinigung soll insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung, den lateinischen Namen oder die Klassifizierung der Erkrankung nach ICD 10 sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, enthalten. Zur Behandlung der Erkrankung erforderliche Medikamente müssen mit der Angabe ihrer Wirkstoffe und diese mit ihrer international gebräuchlichen Bezeichnung aufgeführt sein.

(2d) Der Ausländer ist verpflichtet, der zuständigen Behörde die ärztliche Bescheinigung nach Absatz 2c unverzüglich vorzulegen. Verletzt der Ausländer die Pflicht zur unverzüglichen Vorlage einer solchen ärztlichen Bescheinigung, darf die zuständige Behörde das Vorbringen des Ausländers zu seiner Erkrankung nicht berücksichtigen, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Einholung einer solchen Bescheinigung gehindert oder es liegen anderweitig tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankung, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde, vor. Legt der Ausländer eine Bescheinigung vor und ordnet die Behörde daraufhin eine ärztliche Untersuchung an, ist die Behörde berechtigt, die vorgetragene Erkrankung nicht zu berücksichtigen, wenn der Ausländer der Anordnung ohne zureichenden Grund nicht Folge leistet. Der Ausländer ist auf die Verpflichtungen und auf die Rechtsfolgen einer Verletzung dieser Verpflichtungen nach diesem Absatz hinzuweisen.

(3) Die Ausreisepflicht eines Ausländers, dessen Abschiebung ausgesetzt ist, bleibt unberührt.

(4) Über die Aussetzung der Abschiebung ist dem Ausländer eine Bescheinigung auszustellen.

(5) Die Aussetzung der Abschiebung erlischt mit der Ausreise des Ausländers. Sie wird widerrufen, wenn die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe entfallen. Der Ausländer wird unverzüglich nach dem Erlöschen ohne erneute Androhung und Fristsetzung abgeschoben, es sei denn, die Aussetzung wird erneuert. Ist die Abschiebung länger als ein Jahr ausgesetzt, ist die durch Widerruf vorgesehene Abschiebung mindestens einen Monat vorher anzukündigen; die Ankündigung ist zu wiederholen, wenn die Aussetzung für mehr als ein Jahr erneuert wurde. Satz 4 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe durch vorsätzlich falsche Angaben oder durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit selbst herbeiführt oder zumutbare Anforderungen an die Mitwirkung bei der Beseitigung von Ausreisehindernissen nicht erfüllt.

(6) Einem Ausländer, der eine Duldung besitzt, darf die Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht erlaubt werden, wenn

1.
er sich in das Inland begeben hat, um Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu erlangen,
2.
aufenthaltsbeendende Maßnahmen bei ihm aus Gründen, die er selbst zu vertreten hat, nicht vollzogen werden können oder
3.
er Staatsangehöriger eines sicheren Herkunftsstaates nach § 29a des Asylgesetzes ist und sein nach dem 31. August 2015 gestellter Asylantrag abgelehnt oder zurückgenommen wurde, es sei denn, die Rücknahme erfolgte auf Grund einer Beratung nach § 24 Absatz 1 des Asylgesetzes beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, oder ein Asylantrag nicht gestellt wurde.
Zu vertreten hat ein Ausländer die Gründe nach Satz 1 Nummer 2 insbesondere, wenn er das Abschiebungshindernis durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit oder durch eigene falsche Angaben selbst herbeiführt. Satz 1 Nummer 3 gilt bei unbegleiteten minderjährigen Ausländern nicht für die Rücknahme des Asylantrags oder den Verzicht auf die Antragstellung, wenn die Rücknahme oder der Verzicht auf das Stellen eines Asylantrags im Interesse des Kindeswohls erfolgte. Abweichend von den Sätzen 1 bis 3 ist einem Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings oder eines subsidiär Schutzberechtigten genießt, die Erwerbstätigkeit erlaubt.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

Tenor

I.

Unter Abänderung der Nr. I. des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 6. April 2016 wird der Antrag insgesamt abgelehnt.

II.

Unter Abänderung der Nr. II. des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 6. April 2016 trägt die Antragstellerin die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

III.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 1.250 Euro festgesetzt.

Gründe

I. Mit ihrer Beschwerde begehrt die Antragsgegnerin die Antragsablehnung unter Aufhebung der ihr im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nach § 123 Abs. 1 VwGO durch teilweise stattgebenden Beschluss des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 6. April 2016 auferlegten Verpflichtung, der Antragstellerin - einer kosovarischen Staatsangehörigen, deren Asylbegehren abgelehnt worden war - bis zur Einholung einer ärztlichen Stellungnahme über ihre Reisefähigkeit eine Duldung zu erteilen.

Das Verwaltungsgericht hielt es angesichts der glaubhaft gemachten schweren psychischen Erkrankung (paranoide Schizophrenie) der Antragstellerin für erforderlich, ihre Reisefähigkeit durch amts- oder fachärztliche Stellungnahme daraufhin untersuchen zu lassen, ob und inwieweit sich durch eine Abschiebung die psychische Erkrankung akut verstärken würde und ob diesem Umstand gegebenenfalls durch ärztliche Begleitung während der Abschiebung begegnet werden könne. Den Antrag auf noch weitergehende Duldung für den Zeitraum bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Klage der Antragstellerin auf Erteilung einer Duldung für drei Monate (Au 1 K 16.326) lehnte das Verwaltungsgericht ab.

Zur Begründung ihrer Beschwerde macht die Antragsgegnerin insbesondere geltend, dass die gesetzliche Vermutung, nach der der Abschiebung keine gesundheitlichen Gründe entgegenstünden, im vorliegenden Fall nicht widerlegt sei. Die Antragstellerin habe insoweit den ihr obliegenden Beweis für das Bestehen eines Abschiebungshindernisses nach § 60a AufenthG nicht erbracht; Rückschlüsse von der bestehenden psychischen Erkrankung auf eine Reiseunfähigkeit seien im Übrigen auch dem hierfür fachlich nicht kompetenten Verwaltungsgericht untersagt. Die Antragsgegnerin beruft sich auf die Begründung zu dem mit Wirkung vom 12. März 2016 (BGBl I S. 394) neu eingeführten § 60a Abs. 2c, 2d AufenthG, dessen Erfordernissen die zwei vorgelegten ärztlichen Stellungnahmen vom 22. Dezember 2015 und 12. Februar 2016 nicht entsprechen würden.

Die Antragstellerin legte im Beschwerdeverfahren einen „vorläufigen Arztbrief“ vom 18. Mai 2016 vor, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird. Der Bevollmächtigte der Antragstellerin teilte weiter mit, sie sei aktuell nicht von Suizidalität bedroht, was jedoch nur der ausgezeichneten Behandlung im und Betreuung durch das Bezirkskrankenhaus Augsburg geschuldet sei, wo sie sich vom 29. März bis 18. Mai 2016 und damit bereits zum dritten Mal stationär befunden habe. Im Kosovo sei eine solche Behandlung nicht möglich, vielmehr würde bei einer Abschiebung mit hoher Wahrscheinlichkeit eine erneute Selbstmordgefährdung aufbrechen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird ergänzend auf die vorgelegte Behördenakte und die Gerichtsakten verwiesen.

II. Die zulässige Beschwerde der Antragsgegnerin hat Erfolg. Die teilweise stattgebende Entscheidung des Verwaltungsgerichts vom 6. April 2016 kann keinen Bestand haben, weil die gesetzliche Vermutung der Reisefähigkeit der Antragstellerin durch die jüngste fachärztliche Bescheinigung vom 18. Mai 2016 nicht widerlegt wird (§ 60a Abs. 2c Satz 1, 3 AufenthG). Ein auf vorübergehende Aussetzung der Abschiebung durch Erteilung einer Duldung (§ 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG) gerichteter Anordnungsanspruch (§ 123 Abs. 1, 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO) ist daher nicht glaubhaft gemacht.

Nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG ist die Abschiebung eines Ausländers so lange auszusetzen, wie sie aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist. Ein rechtliches Abschiebungshindernis liegt vor, wenn durch die Beendigung des Aufenthalts eine konkrete Leibes- oder Lebensgefahr zu befürchten ist, so dass die Abschiebungsmaßnahme wegen des nach Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG verbürgten grundrechtlichen Schutzes auszusetzen ist. Erforderlich ist dabei, dass infolge der Abschiebung als solcher (unabhängig vom konkreten Zielstaat) eine wesentliche Verschlechterung des gesundheitlichen Zustandes für den betroffenen Ausländer konkret droht (Hailbronner, Ausländerrecht, Stand: Februar 2016, A1 § 60a Rn. 57 f.). In Betracht kommen damit nur inlands- und nicht zielstaatsbezogene Abschiebungsverbote (vgl. a. Beschluss des VG Augsburg v. 6.4.2016, II. S. 7). Zu Recht wird im erstinstanzlichen Beschluss darauf hingewiesen, dass der Antragstellerin nach dem bestandskräftigen Bescheid des Bundesamts vom 12. Mai 2015 wegen ihrer psychischen Erkrankung keine individuelle, erhebliche und konkrete Gefahr für Leib und Leben i. S. v. § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG droht.

Der Senat ist weiter davon überzeugt, dass die gemäß der Neuregelung in § 60a Abs. 2c Satz 1 AufenthG bestehende gesetzliche Vermutung, wonach einer Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen, nicht widerlegt ist, so dass ein ernsthaftes Risiko, der Gesundheitszustand der Antragstellerin werde sich unmittelbar durch die Abschiebung oder als unmittelbare Folge davon wesentlich oder sogar lebensbedrohlich verschlechtern, nicht vorliegt. Der Zweck der gesetzlichen Vermutung wird in der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 18/7538, zu Art. 2 S. 18) folgendermaßen umschrieben:

Die Geltendmachung von Abschiebungshindernissen in gesundheitlicher Hinsicht stellt die zuständigen Behörden quantitativ und qualitativ vor große Herausforderungen. Oftmals werden Krankheitsbilder angesichts der drohenden Abschiebung vorgetragen, die im vorangegangenen Asylverfahren nicht berücksichtigt worden sind ... Nach den Erkenntnissen der Praktiker werden insbesondere schwer diagnostizier- und überprüfbare Erkrankungen psychischer Art (z. B. Posttraumatische Belastungsstörungen [PTBS]) sehr häufig als Abschiebungshindernis (Vollzugshindernis) geltend gemacht, was in der Praxis zwangsläufig zu deutlichen zeitlichen Verzögerungen bei der Abschiebung führt.

Der Gesetzgeber geht nunmehr davon aus, dass lediglich lebensbedrohliche und schwerwiegende Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden, die Abschiebung des Ausländers hindern. Mit dieser Präzisierung wird klargestellt, dass nur äußerst gravierende Erkrankungen eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib oder Leben nach Satz 1 darstellen. Eine solche schwerwiegende Erkrankung kann hingegen zum Beispiel in Fällen von PTBS regelmäßig nicht angenommen werden: In Fällen einer PTBS ist die Abschiebung regelmäßig möglich, es sei denn, die Abschiebung führt zu einer wesentlichen Gesundheitsgefährdung bis hin zu einer Selbstgefährdung.

Die Abschiebung darf nicht dazu führen, dass sich die schwerwiegende Erkrankung des Ausländers mangels Behandlungsmöglichkeit in einem Ausmaß verschlechtern wird, dass ihm eine individuell konkrete, erhebliche Gefahr an Leib oder Leben droht. Es wird jedoch im Falle einer Erkrankung nicht vorausgesetzt, dass die medizinische

Versorgung im Herkunftsland bzw. im Zielstaat der Abschiebung der Versorgung in Deutschland oder in der Europäischen Union gleichwertig ist...

Auch vor diesem Hintergrund lässt der Umstand, dass die Antragstellerin unter einer paranoiden Schizophrenie leidet und unmittelbar nach ihrer Anhörung vor dem Bundesamt am 6. März 2015 mit einem suizidalen Syndrom stationär-psychiatrisch aufgenommen und behandelt werden musste, keine ausreichenden Rückschlüsse auf ein inlandsbezogenes Abschiebungshindernis zu. Aus den vorliegenden Stellungnahmen geht im Gegenteil hervor, dass es jeweils nach medikamentöser Behandlung rasch zu Verbesserungen gekommen sei, so dass eine langfristige medikamentöse Behandlung und eine engmaschige nervenärztliche Behandlung dringend empfohlen würden; erst ein Abbruch der Behandlung werde mit hoher Wahrscheinlichkeit erneut zu psychotischen Schüben führen. Allerdings ergibt sich aus diesem Befund kein Hinweis darauf, dass es schon während der Abschiebung und der sich unmittelbar daran anschließenden Zeitspanne der Ankunft im Heimatland zu einer derartigen Verschlechterung kommen werde, erst recht nicht, wenn ein entsprechender Medikamentenvorrat für einen Übergangszeitraum im Heimatland bis zur dortigen Aufnahme einer ärztlichen Betreuung zur Verfügung steht.

Auch mit der ärztlichen Stellungnahme vom 18. Mai 2016 wird kein Abschiebungshindernis glaubhaft gemacht. Die Stellungnahme erfüllt zwar im Grundsatz die Anforderungen an eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung im Sinn von § 60 a Abs. 2c Satz 2, 3 AufenthG, thematisiert aber mit keinem Wort die im vorliegenden Fall relevante Frage der Reisefähigkeit. Vielmehr befasst sie sich mit den hier nicht maßgeblichen, da zielstaatsbezogenen Voraussetzungen eines langfristigen Behandlungserfolgs im Kosovo. Im Übrigen schließt die aktuelle Stellungnahme eine akute Suizidalität der Antragstellerin aus.

Der Kostenausspruch für das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes folgt in beiden Rechtszügen aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 47 Abs. 1, § 63 Abs. 2 Satz 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 2 GKG i. V. m. Zi. 8.3 und 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

(1) Die oberste Landesbehörde kann aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen allgemein oder in bestimmte Staaten für längstens drei Monate ausgesetzt wird. Für einen Zeitraum von länger als sechs Monaten gilt § 23 Abs. 1.

(2) Die Abschiebung eines Ausländers ist auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Die Abschiebung eines Ausländers ist auch auszusetzen, wenn seine vorübergehende Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen eines Verbrechens von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre. Einem Ausländer kann eine Duldung erteilt werden, wenn dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Soweit die Beurkundung der Anerkennung einer Vaterschaft oder der Zustimmung der Mutter für die Durchführung eines Verfahrens nach § 85a ausgesetzt wird, wird die Abschiebung des ausländischen Anerkennenden, der ausländischen Mutter oder des ausländischen Kindes ausgesetzt, solange das Verfahren nach § 85a nicht durch vollziehbare Entscheidung abgeschlossen ist.

(2a) Die Abschiebung eines Ausländers wird für eine Woche ausgesetzt, wenn seine Zurückschiebung oder Abschiebung gescheitert ist, Abschiebungshaft nicht angeordnet wird und die Bundesrepublik Deutschland auf Grund einer Rechtsvorschrift, insbesondere des Artikels 6 Abs. 1 der Richtlinie 2003/110/EG des Rates vom 25. November 2003 über die Unterstützung bei der Durchbeförderung im Rahmen von Rückführungsmaßnahmen auf dem Luftweg (ABl. EU Nr. L 321 S. 26), zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist. Die Aussetzung darf nicht nach Satz 1 verlängert werden. Die Einreise des Ausländers ist zuzulassen.

(2b) Solange ein Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Absatz 1 besitzt, minderjährig ist, soll die Abschiebung seiner Eltern oder eines allein personensorgeberechtigten Elternteils sowie der minderjährigen Kinder, die mit den Eltern oder dem allein personensorgeberechtigten Elternteil in familiärer Lebensgemeinschaft leben, ausgesetzt werden.

(2c) Es wird vermutet, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen. Der Ausländer muss eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen. Diese ärztliche Bescheinigung soll insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung, den lateinischen Namen oder die Klassifizierung der Erkrankung nach ICD 10 sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, enthalten. Zur Behandlung der Erkrankung erforderliche Medikamente müssen mit der Angabe ihrer Wirkstoffe und diese mit ihrer international gebräuchlichen Bezeichnung aufgeführt sein.

(2d) Der Ausländer ist verpflichtet, der zuständigen Behörde die ärztliche Bescheinigung nach Absatz 2c unverzüglich vorzulegen. Verletzt der Ausländer die Pflicht zur unverzüglichen Vorlage einer solchen ärztlichen Bescheinigung, darf die zuständige Behörde das Vorbringen des Ausländers zu seiner Erkrankung nicht berücksichtigen, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Einholung einer solchen Bescheinigung gehindert oder es liegen anderweitig tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankung, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde, vor. Legt der Ausländer eine Bescheinigung vor und ordnet die Behörde daraufhin eine ärztliche Untersuchung an, ist die Behörde berechtigt, die vorgetragene Erkrankung nicht zu berücksichtigen, wenn der Ausländer der Anordnung ohne zureichenden Grund nicht Folge leistet. Der Ausländer ist auf die Verpflichtungen und auf die Rechtsfolgen einer Verletzung dieser Verpflichtungen nach diesem Absatz hinzuweisen.

(3) Die Ausreisepflicht eines Ausländers, dessen Abschiebung ausgesetzt ist, bleibt unberührt.

(4) Über die Aussetzung der Abschiebung ist dem Ausländer eine Bescheinigung auszustellen.

(5) Die Aussetzung der Abschiebung erlischt mit der Ausreise des Ausländers. Sie wird widerrufen, wenn die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe entfallen. Der Ausländer wird unverzüglich nach dem Erlöschen ohne erneute Androhung und Fristsetzung abgeschoben, es sei denn, die Aussetzung wird erneuert. Ist die Abschiebung länger als ein Jahr ausgesetzt, ist die durch Widerruf vorgesehene Abschiebung mindestens einen Monat vorher anzukündigen; die Ankündigung ist zu wiederholen, wenn die Aussetzung für mehr als ein Jahr erneuert wurde. Satz 4 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe durch vorsätzlich falsche Angaben oder durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit selbst herbeiführt oder zumutbare Anforderungen an die Mitwirkung bei der Beseitigung von Ausreisehindernissen nicht erfüllt.

(6) Einem Ausländer, der eine Duldung besitzt, darf die Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht erlaubt werden, wenn

1.
er sich in das Inland begeben hat, um Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu erlangen,
2.
aufenthaltsbeendende Maßnahmen bei ihm aus Gründen, die er selbst zu vertreten hat, nicht vollzogen werden können oder
3.
er Staatsangehöriger eines sicheren Herkunftsstaates nach § 29a des Asylgesetzes ist und sein nach dem 31. August 2015 gestellter Asylantrag abgelehnt oder zurückgenommen wurde, es sei denn, die Rücknahme erfolgte auf Grund einer Beratung nach § 24 Absatz 1 des Asylgesetzes beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, oder ein Asylantrag nicht gestellt wurde.
Zu vertreten hat ein Ausländer die Gründe nach Satz 1 Nummer 2 insbesondere, wenn er das Abschiebungshindernis durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit oder durch eigene falsche Angaben selbst herbeiführt. Satz 1 Nummer 3 gilt bei unbegleiteten minderjährigen Ausländern nicht für die Rücknahme des Asylantrags oder den Verzicht auf die Antragstellung, wenn die Rücknahme oder der Verzicht auf das Stellen eines Asylantrags im Interesse des Kindeswohls erfolgte. Abweichend von den Sätzen 1 bis 3 ist einem Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings oder eines subsidiär Schutzberechtigten genießt, die Erwerbstätigkeit erlaubt.

(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.

(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.

(1) Das Gesuch soll die Bezeichnung des Anspruchs unter Angabe des Geldbetrages oder des Geldwertes sowie die Bezeichnung des Arrestgrundes enthalten.

(2) Der Anspruch und der Arrestgrund sind glaubhaft zu machen.

(3) Das Gesuch kann vor der Geschäftsstelle zu Protokoll erklärt werden.

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Kläger haben die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Tatbestand

1. Die Kläger sind ukrainische Staatsangehörige, die Kläger zu 1) und 3) sind ukrainische, die Klägerin zu 2) ist russische Volksangehörige; sie sind christlich-orthodoxen Glaubens. Die Kläger reisten nach eigenen Angaben am 7. Juni 2014 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellten am 25. September 2014 ihre Asylanträge. Auf das Vorbringen beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) wird Bezug genommen.

Mit Bescheid vom 12. Januar 2017 lehnte das Bundesamt die Anträge auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft sowie die Anträge auf Asylanerkennung als offensichtlich unbegründet ab (Ziffern 1 und 2). Die Anträge auf subsidiären Schutz wurden ebenfalls als offensichtlich unbegründet abgelehnt (Ziffer 3) und es wurde festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Ziffer 4). Die Kläger wurden unter Androhung der Abschiebung in die Ukraine zur Ausreise innerhalb von einer Woche nach Bekanntgabe des Bescheides aufgefordert (Ziffer 5). Ferner wurde das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Ziffer 6). Hinsichtlich der Begründung wird auf den Inhalt des angefochtenen Bescheides, der den Klägern mit Schreiben vom 13. Januar 2017 zugestellt wurde, Bezug genommen.

2. Gegen diesen Bescheid ließen die Kläger durch ihre Bevollmächtigte am 25. Januar 2017 Klage erheben und beantragen,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides zu verpflichten, den Klägern die Flüchtlingseigenschaft, hilfsweise den Klägern den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen,

weiter hilfsweise festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegen.

Die Beklagte beantragte mit Schriftsatz vom 27. Januar 2017,

die Klage abzuweisen.

3. Mit Beschluss vom 26. Januar 2017 wurde der Rechtsstreit dem Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.

Der mit Klageschriftsatz gestellte Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage sowie Gewährung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung der Bevollmächtigten im Eil- und Hauptverfahren wurde mit Beschluss vom 2. Februar 2017 (Az.: W 6 K S. 17.30308) abgelehnt.

Wegen der sonstigen Ausführungen der Beteiligten und der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Akteninhalt (auch im Verfahren W 6 S. 17.30308), die beigezogenen Behördenakten und die Sachverhaltsdarstellung im angefochtenen Bescheid Bezug genommen (§ 77 Abs. 2 AsylG). Ergänzend wird auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 8. November 2017 verwiesen.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet, da der Bescheid des Bundesamtes vom 12. Januar 2017 nicht rechtswidrig ist und die Kläger dadurch nicht in ihren Rechten verletzt sind, § 113 Abs. 5 VwGO. Das Bundesamt konnte nach den Maßstäben des § 30 Abs. 1 AsylG davon ausgehen, dass die Voraussetzungen für eine Anerkennung als Asylberechtigter und die Voraussetzungen für die Zuerkennung des internationalen Schutzes offensichtlich nicht vorliegen (1.). Die Kläger haben aber auch darüber hinaus keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG; ebenso wenig besteht ein Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 AsylG bzw. auf die Feststellung, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 bzw. Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegen (2.).

1. Das Bundesamt durfte zu Recht gemäß § 30 Abs. 1 AsylG von der offensichtlichen Unbegründetheit der Anträge auf Asylanerkennung, Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft sowie des subsidiären Schutzstatus ausgehen.

Der für § 30 Abs. 1 AsylG maßgebliche unbestimmte Rechtsbegriff der Offensichtlichkeit ist historisch zunächst mit Blick auf die Abweisung einer Klage als offensichtlich unbegründet entwickelt worden, kann aber auf die Entscheidung des Bundesamtes übertragen werden. Bereits zu § 11 Abs. 1 AsylVfG a.F. hatte das BVerfG festgestellt, dass das erforderliche Maß an Richtigkeitsgewissheit für die Bundesamtsentscheidung jedenfalls nicht hinter den Anforderungen zurückbleiben dürfe, die an die zum Rechtsmittelausschluss führende Abweisung einer asylrechtlichen Klage als offensichtlich unbegründet zu stellen seien (BVerfG NJW 1984, 2028). Das BVerfG bejaht – mit Blick auf die unbegründete Asylklage – die Offensichtlichkeit i.S.v. § 30 Abs. 1 AsylG in st.Rspr., „wenn im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichts an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen des Gerichts vernünftigerweise kein Zweifel bestehen kann und sich bei einem solchen Sachverhalt nach allgemein anerkannter Rechtsauffassung (nach dem Stand von Rspr. und Lehre) die Abweisung der Klage geradezu aufdrängt“ (BVerfG BeckRS 2000, 22406 Rn. 3; NVwZ 1994, 160 (161); 2007, 1046; 2008, 418; s. bereits BVerfG NJW 1983, 2929 (2930)). Befindet das Bundesamt einen Asylantrag für offensichtlich unbegründet i.S.v. § 30 Abs. 1 AsylG, gilt – bezogen auf den Zeitpunkt seiner Entscheidung – derselbe Maßstab. Angesichts der einschneidenden Rechtsfolgen kann eine solche Evidenzentscheidung nur dann getroffen werden, wenn das Asylbegehren eindeutig aussichtlos ist, die Aussichtslosigkeit – so das BVerfG - auf der Hand liegt (BVerfG BeckRS 2000, 22406 Rn. 3; s. auch VG Bln BeckRS 2015, 55636; VG Ansbach BeckRS 2016, 112703). Dieselben Anforderungen gelten für die Entscheidung über die Flüchtlingsanerkennung (BVerfG NVwZ-RR 2008, 507 (508)) sowie die Gewährung subsidiären Schutzes (vgl. BeckOK AuslR/Heusch AsylG § 30 Rn. 13-14).

Gemessen an diesen Maßstäben drängte sich angesichts des Vortrags der Kläger im Rahmen der Anhörung beim Bundesamt zum Zeitpunkt der verfahrensgegenständlichen Entscheidung die Ablehnung als offensichtlich unbegründet auf. Die Kläger vermochten nicht nur keine individuellen Fluchtgründe darzulegen, sondern waren überdies nicht in der Lage, eine individuelle Gefährdung mit dem entsprechenden Grad der Verfolgungsintensität geltend zu machen. Das Vorbringen der Kläger im Rahmen der Anhörung beschränkte sich auf pauschale und abstrakte Annahmen und Vermutungen, die schon keinerlei konkreten Bezug zu ihren persönlichen Lebensumständen und ihrer eigenen Rechtsgutsphäre aufgewiesen haben. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Bescheid verwiesen, § 77 Abs. 2 AsylG.

2. Ungeachtet dessen haben die Kläger auch im entscheidungserheblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 Satz 1, 1. HS AsylG) keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG oder des subsidiären Schutzes nach § 4 AsylG; ebenso wenig besteht ein Anspruch auf die Feststellung, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 bzw. Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegen.

Die Einwendungen der Kläger zur Begründung der Klage greifen ebenso wenig durch wie das Vorbringen in der mündlichen Verhandlung, sie haben nichts vorgebracht, was auf eine gezielte und konkrete Verfolgung in asyl- oder flüchtlingsrelevanter Weise hingedeutet hätte. Ihr Vorbringen ist auch sonst nicht schutzrelevant und begründet nach den Umständen des vorliegenden Falles jedenfalls nicht die Voraussetzungen für ein Aufenthalts- oder Bleiberecht in der Bundesrepublik Deutschland.

Soweit seitens des Klägers zu 1) eine Einberufung zum Wehrdienst thematisiert wird, ist zum einen festzuhalten, dass der Kläger nach Überzeugung des Gerichts (noch) nicht wirksam einberufen worden ist. Zum Zeitpunkt der Ausreise der Kläger aus der Ukraine war der Kläger nicht einberufen worden, da es hierfür der persönlichen Zustellung eines schriftlichen Einberufungsbefehls bedarf. Demzufolge konnte auch das im Schreiben eines Freundes der Familie vom 8. Februar 2017, welches mit Schriftsatz der Klägerbevollmächtigten vom 18. Februar 2017 vorgelegt wurde, ebenfalls keinen Einberufungsbefehl zum Inhalt haben, da nach der Auskunftslage der Einberufungsbefehl stets schriftlich ergeht und nur dem Betroffenen persönlich überreicht wird. Die Einschätzung des Gerichts, dass es keinen Einberufungsbescheid für den Kläger zu 1) gibt, wird zudem dadurch untermauert, als die Kläger in der mündlichen Verhandlung dieses Schreiben des Freundes insoweit relativiert haben, dass es überhaupt keinen schriftlichen Einberufungsbefehl gebe, sondern dem Freund des Klägers zu 1) nur mündlich mitgeteilt worden sei, er möge dem Kläger zu 1) ausrichten, dass er einberufen werde und kämpfen gehen solle. Ungeachtet dessen wäre selbst beim Vorliegen einer wirksamen Einberufung des Klägers zu 1) zum Wehrdienst nicht von einem Sachverhalt auszugehen, der die klägerseits begehrte Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft oder zumindest subsidiären Schutz begründen könnte (vgl. BayVGH, U.v. 24.8.2017 – 11 B 17.30392).

Darüber hinaus konnten die Kläger nichts vorbringen, was eine individuelle Bedrohungssituation oder zumindest die begründete Furcht vor Verfolgung nahe gelegt hätte. Die geschilderte Bedrohungslage ist eine allgemeine Situation, die sämtliche Bürger im von den kriegerischen Auseinandersetzungen betroffenen Teil der Ost-Ukraine gleichermaßen trifft. Eine individuelle Gefährdung wurde weder dargelegt, noch ist sie ersichtlich; ebenso wenig ist ersichtlich, dass den Klägern bei einer Rückkehr in die Ukraine ein erheblicher Schaden drohen würde, der die Zuerkennung von subsidiärem Schutz gemäß § 4 AsylG zur Folge hätte. Auch wenn davon auszugehen ist, dass im Osten der Ukraine (Donbass) in den Gebieten Donezk und Luhansk ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt besteht, ist insoweit darauf hinzuweisen, dass den Klägern eine Übersiedlung in andere Landesteile der Ukraine möglich und zumutbar ist, um etwaigen drohenden Gefahren zu entgehen (vgl. BayVGH, B.v. 22.12.2016 – 11 ZB 16.30679). Die Einlassung in der mündlichen Verhandlung, dass die Zustände im Rest der Ukraine für russisch-stämmige und russisch-sprechende Binnenflüchtlinge schlecht oder gar menschenunwürdig seien, ist eine bloße Behauptung, die nicht untermauert wurde und die insbesondere nicht der Auskunftslage entspricht; der von der Klägerbevollmächtigten übergebene Artikel von Amnesty International vom 26. Juli 2017 fokussiert sich allgemein auf die relativ schlechtere Lage der Binnenflüchtlinge im Vergleich zu internationalen Flüchtlingen. Dagegen ergibt sich aus dem Bericht des österreichischen Bundesamtes für fremden Wesen und Asyl vom Mai 2017 (Fact Finding Mission Report Ukraine – BFA-Report), dass das grundsätzlich die Einstellung der ukrainischen Bevölkerung gegenüber den Binnenflüchtlingen positiv ist und grundsätzlich von Verständnis getragen wird; diese Einstellung habe sich auch in den letzten zwei Jahren kaum geändert (a.a.O., S. 66-67). Insbesondere ist die russische Sprache kein Grund für Diskriminierungen oder Schikane (BFA-Report, S. 68).

Überdies ist nicht ersichtlich, weshalb die Kläger nach ihrer Rückkehr nicht in der Lage sein sollten, ihren Lebensunterhalt zu verdienen. In Anbetracht der bestehenden sozialen Sicherungssysteme in der Ukraine (insbesondere IDP-Gesetz, in Kraft seit 19.11.2014) ist davon auszugehen, dass ihr Lebensunterhalt - wenn auch knapp - bei einer Rückkehr in die Ukraine gesichert ist.

Abschiebungshindernisse liegen keine vor, insbesondere ist der Vortrag zur Erkrankung der Pflegebedürftigkeit der Großmutter der Klägerin zu 2) irrelevant, da es sich hierbei um kein zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis handelt. Die Vermeidung der Trennung der Familie ist ausländerrechtlich gegenüber der zuständigen Ausländerbehörde geltend zu machen und nicht im Asylverfahren gegenüber dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge.

Die Schwangerschaft der Klägerin zu 2), welche als Risikoschwangerschaft attestiert ist, führt ebenfalls nicht zu einer Feststellung eines Abschiebungsverbotes, da nicht ersichtlich ist, weshalb der Klägerin zu 2) bei einer Rückkehr eine konkrete individuelle extremen Gefahr für Leib und Leben im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG drohen sollte. Eine solche Gefahr kann bei einer lebensbedrohlichen Krankheit vorliegen, die sich alsbald nach seiner Rückführung erheblich verschlimmern und zu seinem Tode führen würde (BVerwG, B.v. 24.5.2006 – 1 B 118.05, NVwZ 2007, 345/346 a.E.). Nach dem ärztlichen Attest vom 23. Oktober 2017 könnte eine Fehlgeburt und damit ein Ende der Schwangerschaft drohen; inwieweit sich dies zu einer lebensgefährlichen Gefährdung des Zustandes der Klägerin zu 2) entwickeln könnte, erschließt sich nicht. Überdies ist darauf hinzuweisen, dass ausweislich der allgemeinen Auskunftsklage eine medizinische Versorgung in der Ukraine flächendeckend und kostenlos vorhanden ist (vgl. Lagebericht des AA v. 7.2.2017, S. 16).

Die in der mündlichen Verhandlung hervorgehobenen Integrationsleistungen der Kläger verdienen Anerkennung, sind jedoch für die Entscheidung im flüchtlingsrechtlichen Verfahren unerheblich.

3. Daher sind auch die Ausreiseaufforderung und die Abschiebungsandrohung in die Ukraine rechtmäßig. Auch gegen die Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung bestehen keine Bedenken. Ermessensfehler sind nicht ersichtlich.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.