Verwaltungsgericht Trier Urteil, 08. Aug. 2012 - 5 K 1477/11.TR
Gericht
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckungsfähigen Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
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Der Kläger begehrt Rechtschutz gegen eine Verfügung des Beklagten, mit der ihm aufgegeben wurde, im Rahmen einer Sammelvorführung bei Botschaftsvertretern ... zu erscheinen. Dem liegt im Wesentlichen folgender Sachverhalt zugrunde:
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Der Kläger, der seinen Angaben zufolge ...scher Staatsangehöriger und 2010 ins Bundesgebiet eingereist ist, hat erfolglos einen Asylantrag gestellt. Die von ihm erhobene Asylklage wurde mit seit dem 4. März 2011 rechtskräftigem Urteil der erkennenden Kammer vom 26. Januar 2011 – 5 K 1154/10.TR – abgewiesen. Während des Asylverfahrens wurde der Kläger dem Landkreis Altenkirchen zugewiesen. Am 21. März 2011 wurde ihm durch den Beklagten eine Duldung (Aussetzung der Abschiebung) erteilt, die in der Folgezeit mehrfach verlängert wurde. Ausweislich verschiedener Aktenvermerke war der Kläger nicht bereit, an der Beschaffung ...scher Ausweispapiere mitzuwirken.
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Mit Schriftsatz vom 31. Oktober 2011 teilte die Prozessbevollmächtigte des Klägers dem Beklagten mit, dass der Kläger demnächst – voraussichtlich im Juni 2012 - Vater eines deutschen Kindes werde; seine in ... lebende Freundin sei schwanger – es bestehe eine Risikoschwangerschaft - und er bitte um Umverteilung nach ... Er sei am 15. September 1985 geboren und bemühe sich um die Beschaffung einer Geburtsurkunde.
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Mit an die Prozessbevollmächtigte des Klägers adressiertem Fax vom 9. November 2011 wurde dieser mitgeteilt, dass ein persönliches Erscheinen des Klägers bei einer für den 21. November 2011 vorgesehenen Sammelvorführung bei Botschaftsvertretern ...s erforderlich erscheine, es werde Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 11. November 2011 gegeben. Alsdann erließ der Beklagte am 14. November 2011 gegenüber dem Kläger eine auf § 15 Abs. 2 Nr. 3 AsylVfG gestützte Verfügung, mit der ihm aufgegeben wurde, zu einer für den 21. November 2011 in Köln vorgesehen gewesenen Anhörung im Rahmen einer Sammelvorführung bei Botschaftsvertretern ...s zu erscheinen; für den Fall der Nichtbefolgung der Verfügung wurde eine zwangsweise Vorführung an einem anderen Termin ohne nochmalige Ladung angedroht. Er sei gemäß § 15 Abs. 2 Nr. 6 AsylVfG verpflichtet, an der Beschaffung eines Identitätspapiers mitzuwirken. Hierzu sei eine persönliche Vorsprache bei Vertretern des Heimatstaates erforderlich.
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Am 17. November 2011 hat der Kläger alsdann Klage erhoben und einen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gestellt.
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Zur Klagebegründung trug der Kläger zunächst vor, dass § 15 AsylVfG nach Abschluss des Asylverfahrens keine Rechtsgrundlage für die Verfügung des Beklagten darstellen könne. Auch dürfe er nicht den Behörden seines Heimatstaates zum Zwecke einer Passbeschaffung vorgeführt werden, da er aufgrund der Risikoschwangerschaft seiner Freundin nicht abgeschoben werden dürfe.
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Den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes lehnte die Kammer mit Beschluss vom 18. November 2011 – 5 L 1478/11.TR – ab und führte zur Begründung im Wesentlichen aus, dass die von dem Beklagten genannte Vorschrift einschlägig sie und der Kläger unabhängig von einer Ausreisepflicht an einer Passbeschaffung mitwirken müsse, da er einen Pass auch für einen Aufenthalt in Deutschland benötige.
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Sodann hat der Kläger mit Schriftsatz vom 22. November 2011 sein Klagebegehren auf ein Feststellungsbegehren dahingehend umgestellt, dass die Verfügung rechtswidrig gewesen sei. Die Verfügung sei durch Zeitablauf gegenstandslos geworden. Allerdings bestehe Wiederholungsgefahr, so dass ein Feststellungsinteresse zu bejahen sei.
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Die Ordnungsverfügung, der er nicht nachgekommen sei, sei rechtswidrig gewesen, weil er vor ihrem Erlass nicht ordnungsgemäß angehört worden sei. Zweck der Verfügung sei ausschließlich eine Abschiebung des Klägers nach ..., die indessen nicht erfolgen dürfe, da sie zumindest unverhältnismäßig wäre, weil ihm aufgrund der Schwangerschaft alsbald ein Visum zum Zwecke der Familienzusammenführung erteilt werden müsse. Im Übrigen bemühe er sich um Beschaffung einer Geburtsurkunde. Die von dem Beklagten genannte Rechtsgrundlage sei nicht einschlägig und umfasse im Übrigen auch keine Verpflichtung zur Beschaffung von Identitätspapieren, sondern nur eine Verpflichtung zu deren Vorlage.
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Der Kläger, der sich ebenso wie der Beklagte mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt hat, beantragt,
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festzustellen, dass die Ordnungsverfügung vom 14. November 2011 rechtswidrig gewesen ist.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er ist der Auffassung, dass die Verfügung sich nicht erledigt habe, weil der Kläger auf ihrer Grundlage weiterhin zwangsweise bei der ...schen Botschaft vorgeführt werden könne. Zwar habe der Kläger zwischenzeitlich eine ...sche Geburtsurkunde und weitere Unterlagen vorgelegt, sei aber nach wie vor nicht im Besitz eines ...schen Passes und habe einen solchen auch nicht beantragt.
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Die Kammer hat mit Beschluss vom 12. Dezember 2011 den Rechtsstreit dem Einzelrichter übertragen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Schriftsätze der Beteiligten sowie die Verwaltungs- und Widerspruchsvorgänge, die vorlagen und Gegenstand der Entscheidungsfindung waren.
Entscheidungsgründe
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Die Klage ist insoweit, als der Kläger die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Verfügung des Beklagten vom 14. November 2011 erstrebt, nicht zulässig.
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Zwar stellt der Übergang von einem ursprünglichen Anfechtungsbegehren auf ein Fortsetzungsfeststellungsbegehren grundsätzlich keine an den Voraussetzungen des § 91 VwGO zu messende Klageänderung dar (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. Dezember 1958 - V C 144.55 -, BVerwGE 8, 59; Eyermann-Fröhler, Komm. zur VwGO, 13. Aufl., § 91 Rdbem.15). Auch bestehen keine Bedenken dagegen, bei streitiger Hauptsacheerledigung einen Feststellungsantrag nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO neben dem Aufhebungsantrag als Hilfsantrag zu stellen (vgl. BVerwG, Urteil vom 11. Oktober 1968 - VII C 139.65 -, JurionRS 1968, 15351).
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Vorliegend hat der Kläger indessen sein ursprünglich gestelltes Anfechtungsbegehren uneingeschränkt auf ein Fortsetzungsfeststellungsbegehren umgestellt und auf den Hinweis des Gerichts, dass Zweifel an der Erledigung der Verfügung vom 14. November 2011 bestünden, an diesem Fortsetzungsbegehren festgehalten, ohne einen Hilfsantrag zu stellen.
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Dies hat zur Folge, dass die Klage unzulässig ist, denn die Verfügung vom 14. November 2011 hat sich nicht erledigt.
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Die Erledigung eines Verwaltungsakts tritt nur ein, wenn er nicht mehr geeignet ist, rechtliche Wirkungen zu erzeugen oder wenn die Steuerungsfunktion, die ihm ursprünglich innewohnte, nachträglich entfallen ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 19. April 2011 - 1 C 2/10 -, juris). Daran fehlt es indessen vorliegend, denn in dem Bescheid wurde dem Kläger ausdrücklich für den Fall der Nichtbefolgung der Verfügung eine zwangsweise Vorführung an einem anderen Termin ohne nochmalige Ladung angedroht. Hieraus folgt zweifelsfrei, dass sich der Regelungsgehalt der Verfügung vom 14. November 2011 nicht darauf beschränkte, den Kläger nur zur Teilnahme an der für den 21. November 2011 in Köln vorgesehen gewesenen Anhörung zu verpflichten. Vielmehr wird die Verpflichtung zur persönlichen Vorsprache bei Vertretern ...s auch über diesen Anhörungstermin hinaus angeordnet (vgl. hierzu auch OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 28. November 2006 – 19 B 1789/06 -, juris; VG München, Beschluss vom 27. März 2008 – M 24 S 08.208 -, juris). Von daher ist keine Erledigung der Hauptsache eingetreten, so dass das Fortsetzungsfeststellungsbegehren unzulässig ist (vgl. zu der Rechtsfolge der Unzulässigkeit des Klagebegehrens in derartigen Fällen auch BVerwG, Urteil vom 30. Juni 2011 – 4 C 10/10 -, juris).
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Im Übrigen hätte die Klage aber auch bei einem Festhalten an dem Anfechtungsbegehren keinen Erfolg haben können, denn die Verfügung des Beklagten ist rechtmäßig. Insoweit verweist die Kammer auf die Gründe des im Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ergangenen Beschlusses vom 18. November 2011 – 5 L 1478/11.TR -.
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Soweit der Kläger im vorliegenden Verfahren außerdem geltend macht – was im Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nicht vorgetragen wurde -, die Verfügung sei rechtswidrig, weil er vor ihrem Erlass nicht angehört worden sei, vermag sich das Gericht dem nicht anzuschließen, da der Prozessbevollmächtigten des Klägers ausweislich Blatt 197 der Verwaltungsakte am 9. November 2011 vormittags per Fax eine Aufforderung zur Stellungnahme bis zum 11. November 2011 übersandt wurde.
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Nach alledem kann die Klage mit der auf § 154 Abs. 1 VwGO beruhenden Kostenentscheidung keinen Erfolg haben; Gerichtskosten werden gemäß § 83 b AsylVfG nicht erhoben.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils hinsichtlich der Kosten findet ihre Rechtsgrundlage in §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung - ZPO -.
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(1) Eine Änderung der Klage ist zulässig, wenn die übrigen Beteiligten einwilligen oder das Gericht die Änderung für sachdienlich hält.
(2) Die Einwilligung des Beklagten in die Änderung der Klage ist anzunehmen, wenn er sich, ohne ihr zu widersprechen, in einem Schriftsatz oder in einer mündlichen Verhandlung auf die geänderte Klage eingelassen hat.
(3) Die Entscheidung, daß eine Änderung der Klage nicht vorliegt oder zuzulassen sei, ist nicht selbständig anfechtbar.
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.