Verwaltungsgericht Stuttgart Urteil, 15. Juni 2010 - A 6 K 3896/08

bei uns veröffentlicht am15.06.2010

Tenor

Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 08.10.2008 wird aufgehoben.

Die Beklagte trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.

Tatbestand

 
Die Klägerin wurde am ... in Kabul geboren. Sie ist afghanische Staatsangehörige und tadschikische Volkszugehörige. Sie war mit einem afghanischen Staatsangehörigen verheiratet und hat von diesem drei Kinder. Er war als Asylberechtigter anerkannt, jedoch hatte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Widerrufsverfahren eingeleitet. Während des Gerichtsverfahrens über den Widerruf verstarb der Ehemann der Klägerin.
Die Klägerin reiste am 26.07.1992, von Holland kommend, in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 31.07.1992 einen Asylantrag. Bei ihrer Anhörung durch das damalige Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge am 05.10.1993 gab sie an, sie habe beim Rundfunk Musik gemacht und gesungen. Sie sei gezwungen worden, ein Schriftstück zu unterschreiben, in dem gestanden sei, dass sie ihre Tätigkeit beim Rundfunk unterlassen werde. Als sie trotzdem wieder angefangen habe zu singen, sei ein Bruder von ihr getötet worden. Bewaffnete Leute seien bei ihnen zu Hause gewesen. Sie wisse aber nicht, ob es Mudjaheddin gewesen seien. Da die Wohnung neben der Wohnung ihres Onkels gelegen sei, habe ihr Onkel sie versteckt. Daraufhin hätten bewaffnete Leute einen anderen Bruder von ihr mitgenommen. Sie sei dann mit Hilfe des Onkels an einen Schlepper gekommen, der ihr geholfen habe, nach Pakistan zu gelangen. Beim Rundfunk und beim Fernsehen habe es Kollegen gegeben, die mit den Mudjaheddin gemeinsame Sache gemacht hätten. Die hätten sie und andere Kollegen an die Mudjaheddin verraten. Außerdem sei sie ja im Fernsehen zu sehen gewesen und sei deswegen von den Mudjaheddin erkannt worden. Politisch sei sie nicht tätig gewesen.
Das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge erkannte die Klägerin durch Bescheid vom 11.10.1993 als Asylberechtigte an. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Anerkennung erfolge aufgrund von § 26 Abs. 1 AsylVfG. Ihr Ehemann sei durch Bescheid des Bundesamtes vom 22.03.1991 bestandskräftig als Asylberechtigter anerkannt worden. Die Anerkennung sei derzeit auch nicht zu widerrufen oder zurückzunehmen. - Dieser Bescheid wurde bestandskräftig.
Die Klägerin ist im Besitz einer Niederlassungserlaubnis. Sie hat einen Einbürgerungsantrag gestellt. Nach einem Aktenvermerk des Bundesamtes vom 03.07.2007 wurde der Ehemann der Klägerin am 27.06.2007 wegen sexuellen Missbrauchs aus Deutschland ausgewiesen.
Am 27.07.2007 leitete das Bundesamt ein Widerrufsverfahren ein. Hierzu hörte es die Klägerin durch Schreiben vom 01.08.2007 an. Darin wird ausgeführt, die Voraussetzungen für die Anerkennung lägen nicht mehr vor, denn die Begünstigung der stammberechtigten Person sei zu widerrufen. Andere Gründe für eine Asylanerkennung seien nicht ersichtlich.
Die Klägerin antwortete durch Schreiben vom 28.08.2007, sie und ihre Kinder hätten sich in Deutschland integriert. Sie wollten in Deutschland bleiben. Das Anhörungsschreiben sei ihr unverständlich.
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge widerrief durch Bescheid vom 08.10.2008 die Anerkennung der Klägerin als Asylberechtigte vom 11.10.1993. Ferner stellte das Bundesamt fest, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG nicht vorlägen. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Anerkennung sei gemäß § 73 Abs. 2 b Satz 2 AsylVfG zu widerrufen, weil die Asylanerkennung des stammberechtigten Ehemannes zu widerrufen sei. Ein Widerrufsverfahren laufe. Die Klägerin könne auch nicht aus anderen Gründen als Asylberechtigte anerkannt werden. Die Mudjaheddin hätten ihre Macht in Afghanistan verloren. Seitens der neuen afghanischen Regierung sei eine Verfolgung der Klägerin in asylerheblicher Weise nicht zu erwarten. Es bestehe auch kein Abschiebungsverbot im Sinne von § 60 Satz 1 AufenthG. Hierüber sei erstmals zu entscheiden. Eine staatliche Verfolgung seitens afghanischer Behörden sei nicht zu erwarten. Es seien auch keinerlei Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Klägerin bei Rückkehr nach Afghanistan zum gegenwärtigen Zeitpunkt der Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure ausgesetzt sein würde. Eine Entscheidung über das Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG sei entbehrlich, weil der Widerruf aus Gründen der Statusbereinigung erfolge und aufenthaltsbeendende Maßnahmen seitens der zuständigen Ausländerbehörde nicht beabsichtigt seien. - Der Bescheid wurde der Klägerin am 10.10.2008 zugestellt.
Am 15.10.2008 hat die Klägerin Klage beim Verwaltungsgericht Stuttgart erhoben. Sie trägt vor, bei ihrem Ehemann sei der Widerruf nur deshalb erfolgt, weil dieser sich strafbar gemacht habe. Man lasse sie für die Fehler ihres Mannes haften. Im Übrigen habe sie auch eigene Asylgründe. Sie habe Verfolgung durch die Taliban zu fürchten. Diese beherrschten immer mehr Gebiete in Afghanistan. Es könne nicht mit der erforderlichen Sicherheit festgestellt werden, dass im Falle ihrer Rückkehr nach Afghanistan jegliche weitere Verfolgungsmaßnahme ausgeschlossen sei.
Die Klägerin beantragt,
10 
den Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 08.10.2008 aufzuheben, hilfsweise, die Beklagte zu verpflichten, ihr die Flüchtlingseigenschaft nach § 60 Abs. 1 AufenthG zuzuerkennen.
11 
Die Beklagte beantragt,
12 
die Klage abzuweisen.
13 
Sie verweist auf die angefochtene Entscheidung und trägt außerdem vor, die Mudjaheddin hätten ihre Macht in Afghanistan verloren. Es sei nicht erkennbar, dass die Klägerin bei Rückkehr einer erneuten Verfolgung ausgesetzt sein würde.
14 
In der mündlichen Verhandlung stellte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin einen Hilfsbeweisantrag.
15 
Die einschlägigen Akten der Beklagten liegen dem Gericht vor. Auf sie sowie auf die Gerichtsakte wird wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen.
16 
Die Erkenntnisquellen, die sich aus der Anlage zur Ladung ergeben, wurden zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht, ferner ein Artikel aus Wikipedia zu den Mudjaheddin sowie ein Artikel aus Welt- Online vom 13.01.2009 zu den Taliban.
17 
Die Klägerin wurde in der mündlichen Verhandlung angehört. Sie sagte, sie habe seit Juli 2006 von ihrem Ehemann getrennt gelebt. Zu einer Scheidung sei es nicht gekommen. In Afghanistan habe sie wegen ihrer Tätigkeit beim Radio und TV Angst vor den Mudjaheddin gehabt. Bei einer Rückkehr hätte sie Angst vor den Taliban. Im Prinzip habe sich nichts geändert. Die Gesinnung der Taliban sei radikal. Was die Frauen betreffe, sei ihre Zielsetzung gleich. Auch in Kabul könnte sie als Frau allein nicht leben, das sei unvorstellbar. Da stünde sie da, bis sie festgenommen würde. Auch hätte sie gar nicht den Mut dazu, nach Kabul zurückzukehren. Sie habe sich an den Lebensstil einer westlichen Frau gewöhnt. Zudem habe sie drei Kinder, die deutsche Staatsangehörige seien.

Entscheidungsgründe

 
18 
Die Klage ist zulässig und begründet. Der Widerrufsbescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 08.10.2008 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, weil die Voraussetzungen des § 73 Abs. 2b AsylVfG nicht vorliegen.
19 
Zwar beruhte die Asylanerkennung der Klägerin auf § 26 Abs. 1 AsylVfG, und die Asylanerkennung des - inzwischen verstorbenen- Ehemannes der Klägerin wurde widerrufen. Jedoch könnte die Klägerin aus anderen Gründen als Asylberechtigte anerkannt werden (§ 73 Abs. 2b S. 2 AsylVfG).
20 
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Urteil vom 12.06.2007 - 10 C 24.07-, NVwZ 2007, 1330) ist bei einer Widerrufsentscheidung der allgemeine Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung dann anzulegen, wenn dem Betroffenen keine Wiederholung der früheren Verfolgung droht, sondern eine gänzlich neue und andersartige Verfolgung, die in keinem Zusammenhang mit der früheren mehr steht, wobei aber alle früher geltend gemachten Verfolgungsgründe zu untersuchen und zu berücksichtigen sind. Hingegen gilt der herabgestufte Wahrscheinlichkeitsmaßstab der hinreichenden Verfolgungssicherheit, wenn ein innerer Zusammenhang zwischen einer erlittenen Verfolgung und der mit dem Asylbegehren geltend gemachten Gefahr erneuter Verfolgung dergestalt besteht, dass bei Rückkehr mit einem Wiederaufleben der ursprünglichen Verfolgung zu rechnen ist oder das erhöhte Risiko einer gleichartigen Verfolgung besteht. In diesem Fall sind an die Wahrscheinlichkeit des Ausschlusses erneuter Verfolgung hohe Anforderungen zu stellen (vgl. Vorabentscheidungsersuchen des Bundesverwaltungsgerichts vom 07.02.2008 - 10 C 33/07-, juris). Das erkennende Gericht folgt dieser Rechtsprechung; zu einer (weiteren) Vorlage an den EuGH wegen des anzuwendenden Wahrscheinlichkeitsmaßstabs ist es nicht verpflichtet (vgl. Art. 267 AEUV).
21 
Im vorliegenden Fall ist der Maßstab der herabgestuften Wahrscheinlichkeit anzulegen, denn für die Klägerin besteht bei einer Rückkehr nach Afghanistan das Risiko einer gleichartigen Verfolgung. Sie hat bei ihrer Anhörung durch das Bundesamt am 05.10.1993 detailliert berichtet, dass ihr Leben durch die Mudjaheddin in Gefahr gewesen sei, weil sie beim Rundfunk Musik gemacht und gesungen habe und auch im Fernsehen aufgetreten sei; sie habe dies aufgeben müssen, nachdem die Mudjaheddin ihr mit dem Tod gedroht hätten, weil es Sünde sei. Das Gericht hat keine Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Klägerin, und solche Zweifel wurden auch nicht vom Bundesamt geäußert. Zwar wurde die Asylanerkennung ausschließlich auf § 26 Abs. 1 AsylVfG gestützt, aber wie bereits ausgeführt wurde, sind sämtliche vorgetragenen Gründe zu berücksichtigen.
22 
Bei einer Rückkehr nach Afghanistan wäre die Klägerin vor einer gleichgelagerten Verfolgung nicht hinreichend sicher. Zwar führt das Bundesamt im Bescheid vom 08.10.2008 mit Recht aus, die Mudjaheddin hätten ihre Macht in Afghanistan verloren. Dafür haben aber die Taliban ihre Machtposition nach und nach - auch in Kabul- wieder ausgebaut (vgl. dazu z.B. die Zeitungsartikel, welche der Prozessbevollmächtigte der Klägerin seinem Schriftsatz vom 15.06.2010 beigefügt hat), und auch sie bedrohen Frauen mit „westlichem“ Lebensstil. Der ehemalige Mudjaheddin-Führer Mullah Mohammad Omar war sogar maßgeblich an der Gründung der Taliban beteiligt (vgl. Welt-Online, Artikel vom 13.01.2009). Zudem war die Situation afghanischer Frauen schon vor dem Taliban-Regime durch sehr strenge Scharia-Auslegungen und archaisch- patriarchalische Ehrenkodizes geprägt (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 28.10.2009, S. 25). Auch jetzt noch liegt die Verwirklichung der Frauenrechte für den größten Teil der afghanischen Frauen in weiter Ferne. Daher bezeichnet UNHCR u.a. Frauen als besonders schutzbedürftig (vgl. Stellungnahme vom 30.11.2009 an den BayVGH). Wenn die Klägerin also als „westlich“ geprägte Frau - noch dazu ohne männliche Begleitung- nach Afghanistan (auch Kabul) zurückkehrte, wären geschlechtsspezifische Verfolgungen (vgl. § 60 Abs. 1 S. 3 AufenthG) durch Taliban oder sonstige konservativ- islamische Kräfte keinesfalls auszuschließen, sondern sogar wahrscheinlich, ohne dass der afghanische Staat dagegen einschreiten würde oder könnte. Die Klägerin könnte also weiterhin im Sinne von § 73 Abs. 2b S. 2 AsylVfG als Asylberechtigte anerkannt werden. Daraus folgt auch ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 1 AsylVfG, so dass der Bescheid vom 08.10.2008 insgesamt aufzuheben war.
23 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO; das Verfahren ist gemäß § 83b AsylVfG gerichtskostenfrei.

Gründe

 
18 
Die Klage ist zulässig und begründet. Der Widerrufsbescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 08.10.2008 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, weil die Voraussetzungen des § 73 Abs. 2b AsylVfG nicht vorliegen.
19 
Zwar beruhte die Asylanerkennung der Klägerin auf § 26 Abs. 1 AsylVfG, und die Asylanerkennung des - inzwischen verstorbenen- Ehemannes der Klägerin wurde widerrufen. Jedoch könnte die Klägerin aus anderen Gründen als Asylberechtigte anerkannt werden (§ 73 Abs. 2b S. 2 AsylVfG).
20 
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Urteil vom 12.06.2007 - 10 C 24.07-, NVwZ 2007, 1330) ist bei einer Widerrufsentscheidung der allgemeine Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung dann anzulegen, wenn dem Betroffenen keine Wiederholung der früheren Verfolgung droht, sondern eine gänzlich neue und andersartige Verfolgung, die in keinem Zusammenhang mit der früheren mehr steht, wobei aber alle früher geltend gemachten Verfolgungsgründe zu untersuchen und zu berücksichtigen sind. Hingegen gilt der herabgestufte Wahrscheinlichkeitsmaßstab der hinreichenden Verfolgungssicherheit, wenn ein innerer Zusammenhang zwischen einer erlittenen Verfolgung und der mit dem Asylbegehren geltend gemachten Gefahr erneuter Verfolgung dergestalt besteht, dass bei Rückkehr mit einem Wiederaufleben der ursprünglichen Verfolgung zu rechnen ist oder das erhöhte Risiko einer gleichartigen Verfolgung besteht. In diesem Fall sind an die Wahrscheinlichkeit des Ausschlusses erneuter Verfolgung hohe Anforderungen zu stellen (vgl. Vorabentscheidungsersuchen des Bundesverwaltungsgerichts vom 07.02.2008 - 10 C 33/07-, juris). Das erkennende Gericht folgt dieser Rechtsprechung; zu einer (weiteren) Vorlage an den EuGH wegen des anzuwendenden Wahrscheinlichkeitsmaßstabs ist es nicht verpflichtet (vgl. Art. 267 AEUV).
21 
Im vorliegenden Fall ist der Maßstab der herabgestuften Wahrscheinlichkeit anzulegen, denn für die Klägerin besteht bei einer Rückkehr nach Afghanistan das Risiko einer gleichartigen Verfolgung. Sie hat bei ihrer Anhörung durch das Bundesamt am 05.10.1993 detailliert berichtet, dass ihr Leben durch die Mudjaheddin in Gefahr gewesen sei, weil sie beim Rundfunk Musik gemacht und gesungen habe und auch im Fernsehen aufgetreten sei; sie habe dies aufgeben müssen, nachdem die Mudjaheddin ihr mit dem Tod gedroht hätten, weil es Sünde sei. Das Gericht hat keine Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Klägerin, und solche Zweifel wurden auch nicht vom Bundesamt geäußert. Zwar wurde die Asylanerkennung ausschließlich auf § 26 Abs. 1 AsylVfG gestützt, aber wie bereits ausgeführt wurde, sind sämtliche vorgetragenen Gründe zu berücksichtigen.
22 
Bei einer Rückkehr nach Afghanistan wäre die Klägerin vor einer gleichgelagerten Verfolgung nicht hinreichend sicher. Zwar führt das Bundesamt im Bescheid vom 08.10.2008 mit Recht aus, die Mudjaheddin hätten ihre Macht in Afghanistan verloren. Dafür haben aber die Taliban ihre Machtposition nach und nach - auch in Kabul- wieder ausgebaut (vgl. dazu z.B. die Zeitungsartikel, welche der Prozessbevollmächtigte der Klägerin seinem Schriftsatz vom 15.06.2010 beigefügt hat), und auch sie bedrohen Frauen mit „westlichem“ Lebensstil. Der ehemalige Mudjaheddin-Führer Mullah Mohammad Omar war sogar maßgeblich an der Gründung der Taliban beteiligt (vgl. Welt-Online, Artikel vom 13.01.2009). Zudem war die Situation afghanischer Frauen schon vor dem Taliban-Regime durch sehr strenge Scharia-Auslegungen und archaisch- patriarchalische Ehrenkodizes geprägt (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 28.10.2009, S. 25). Auch jetzt noch liegt die Verwirklichung der Frauenrechte für den größten Teil der afghanischen Frauen in weiter Ferne. Daher bezeichnet UNHCR u.a. Frauen als besonders schutzbedürftig (vgl. Stellungnahme vom 30.11.2009 an den BayVGH). Wenn die Klägerin also als „westlich“ geprägte Frau - noch dazu ohne männliche Begleitung- nach Afghanistan (auch Kabul) zurückkehrte, wären geschlechtsspezifische Verfolgungen (vgl. § 60 Abs. 1 S. 3 AufenthG) durch Taliban oder sonstige konservativ- islamische Kräfte keinesfalls auszuschließen, sondern sogar wahrscheinlich, ohne dass der afghanische Staat dagegen einschreiten würde oder könnte. Die Klägerin könnte also weiterhin im Sinne von § 73 Abs. 2b S. 2 AsylVfG als Asylberechtigte anerkannt werden. Daraus folgt auch ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 1 AsylVfG, so dass der Bescheid vom 08.10.2008 insgesamt aufzuheben war.
23 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO; das Verfahren ist gemäß § 83b AsylVfG gerichtskostenfrei.

Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Stuttgart Urteil, 15. Juni 2010 - A 6 K 3896/08

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Referenzen - Gesetze

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 60 Verbot der Abschiebung


(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalit
Verwaltungsgericht Stuttgart Urteil, 15. Juni 2010 - A 6 K 3896/08 zitiert 2 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 60 Verbot der Abschiebung


(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalit

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Verwaltungsgericht Köln Urteil, 25. Feb. 2014 - 14 K 3634/12.A

bei uns veröffentlicht am 25.02.2014

Tenor Die Beklagte wird unter entsprechender Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes vom 22. März 2012 verpflichtet, der Klägerin den Flüchtlingsstatus nach § 3 AsylVfG zuzuerkennen. Die Kosten des Verfahrens, für das keine Gerichtsgebühren erhoben

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(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.