Verwaltungsgericht Stuttgart Urteil, 22. Okt. 2007 - A 11 K 340/07

published on 22/10/2007 00:00
Verwaltungsgericht Stuttgart Urteil, 22. Okt. 2007 - A 11 K 340/07
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Gericht

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Tenor

Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 22.03.2007 wird aufgehoben.

Die Beklagte trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.

Tatbestand

 
Der Kläger wendet sich gegen den Widerruf seiner Asylanerkennung und der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft.
Der am … 1974 geborene Kläger ist türkischer Staatsangehöriger aramäischer Volkszugehörigkeit. Er reiste am 29.07.1994 in das Bundesgebiet ein. Am 09.08.1994 beantragte der Kläger die Gewährung von Asyl. Bei der Anhörung im Rahmen der Vorprüfung in Göppingen am 11.08.1994 trug der Kläger u. a. vor, die Türkei habe er aus Angst vor dem drohenden Wehrdienst verlassen. Außerdem sei er als Christ in die Auseinandersetzungen zwischen dem türkischen Militär und der PKK geraten. Sie seien weder vom Militär noch von der PKK in Ruhe gelassen worden.
Mit Bescheid vom 28.09.1994 wurde der Kläger vom Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge als Asylberechtigter anerkannt und festgestellt, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen. Die hierauf erhobene Klage des Bundesbeauftragten wies das Verwaltungsgericht Stuttgart - A 18 K 17834/94 - mit Urteil vom 30.06.1995 ab.
Am 02.01.2007 leitete das Bundesamt ein Widerrufsverfahren ein. Mit Schreiben vom 02.01.2007 wurde der Kläger zu dem beabsichtigten Widerruf angehört.
Mit Bescheid vom 22.03.2007 widerrief das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die Anerkennung des Klägers als Asylberechtigter und die Feststellung, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen und stellte gleichzeitig fest, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG nicht vorliegen. Zur Begründung wurde ausgeführt, zwar sei die Sicherheitslage im ursprünglichen Siedlungsgebiet der syrisch-orthodoxen Christen, dem Bergland des Tur Abdin, seit Jahrzehnten problematisch. Denn die mehrheitlich kurdische Bevölkerung versuche, Ländereien oder Häuser von Christen in Besitz zu nehmen und diese aus den betroffenen Dörfern zu vertreiben. Die Lage im Tur Abdin-Gebiet gelte aber mittlerweile als ruhiger. Übergriffe seitens muslimischer Kurden aus jüngster Zeit seien nicht bekannt. Syrisch-orthodoxe Kirchen in Südostanatolien würden restauriert und für den Gottesdienst wieder geöffnet. Nach einem Erlass der türkischen Regierung sollen syrisch-orthodoxe Christen bei einer Wiederansiedlung in zwangsgeräumten Dörfern ihre Landflächen zurückerhalten. Mit der Verabschiedung des Reformpaketes vom 03.08.2002 seien administrative Behinderungen für nichtmuslimische Minderheiten entfallen. Auch christliche Stiftungen dürften künftig Immobilien erwerben, um ihren Unterhalt zu sichern. Eine an die Religion anknüpfende mittelbare Gruppenverfolgung der syrisch-orthodoxen Christen im Tur Abdin bestehe nicht. Die Entwicklung der letzten Jahre lasse als ausreichend sicher erscheinen, dass Christen in der gesamten Türkei ihren Glauben grundsätzlich ungehindert ausüben könnten und keinen Drangsalierungen ausgesetzt seien.
Am 29.03.2007 hat der Kläger Klage erhoben.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 22.03.2007 aufzuheben;
hilfsweise, festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG vorliegen.
10 
Die Beklagte beantragt,
11 
die Klage abzuweisen.
12 
Sie verweist auf den Inhalt der angefochtenen Entscheidung.
13 
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die zur Sache gehörenden Akten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
14 
Die zulässige Klage ist begründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten.
15 
Maßgebend ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG). Abzustellen ist deshalb auf § 73 AsylVfG i. d. F. des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19.08.2007 (BGBl. I S. 1970).
16 
Nach § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG sind - vorbehaltlich des Satzes 3 - die Anerkennung als Asylberechtigter und die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft unverzüglich zu widerrufen, wenn die Voraussetzungen für sie nicht mehr vorliegen. Dies ist insbesondere der Fall, wenn der Ausländer nach Wegfall der Umstände, die zur Anerkennung als Asylberechtigter oder zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft geführt haben, es nicht mehr ablehnen kann, den Schutz des Staates in Anspruch zu nehmen, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, oder wenn er als Staatenloser in der Lage ist, in das Land zurückzukehren, in dem er seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte (§ 73 Abs. 1 Satz 2 AsylVfG). Mit § 73 Abs. 1 Satz 2 AsylVfG wird Art. 11 Abs. 1 lit. e und f der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 in nationales Recht umgesetzt; diese Regelung entspricht inhaltlich der „Beendigungs-„ oder „Wegfall - der - Umstände - Klausel“ in Art. 1 C Nr. 5 S. 1 GFK. Mit der Formulierung „Wegfall der Umstände“ ist eine nachträgliche erhebliche und nicht nur vorübergehende Änderung der für die Anerkennung maßgeblichen Verhältnisse gemeint (vgl. BVerwG, Urt. vom 01.11.2005, BVerwGE 124, 276 = NVwZ 2006, 707). Unter „Schutz“ ist ausschließlich der Schutz vor erneuter Verfolgung zu verstehen. Allgemeine Gefahren (z. B. aufgrund von Kriegen, Naturkatastrophen oder einer schlechten Wirtschaftslage) werden von § 73 Abs. 1 Satz 2 AsylVfG nicht erfasst (vgl. BVerwG, Urt. vom 01.11.2005 a.a.O.).
17 
Ein Widerruf der Anerkennung als Asylberechtigter und der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft kommt somit im Regelfall nur in Betracht, wenn sich die zum Zeitpunkt der Anerkennung maßgeblichen Verhältnisse nachträglich erheblich und nicht nur vorübergehend so verändert haben, dass bei einer Rückkehr des Ausländers in seinen Herkunftsstaat eine Wiederholung der für die Flucht maßgeblichen Verfolgungsmaßnahmen auf absehbare Zeit mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen ist und nicht aus anderen Gründen erneut Verfolgung droht (vgl. BVerwG, Urt. vom 01.11.2005 a.a.O. und Urteil vom 18.07.2006, BVerwGE 126, 243 = NVwZ 2006, 1420). Ändert sich im Nachhinein lediglich die Beurteilung der Verfolgungslage, so rechtfertigt dies den Widerruf nicht, selbst wenn die andere Beurteilung auf erst nachträglich bekannt gewordenen oder neuen Erkenntnismitteln beruht (vgl. BVerwG, Urt. v. 19.09.2000, BVerwGE 112, 80 und Urt. v. 08.05.2003, BVerwGE 118, 174).
18 
Maßgeblich für die Prüfung der Voraussetzungen des Widerrufs von Asyl- und Flüchtlingsanerkennungen, die in Erfüllung eines rechtskräftigen Verpflichtungsurteils ergangen sind, ist der Zeitpunkt des rechtskräftig gewordenen Verpflichtungsurteils. Nur wenn das Bundesamt die Anerkennung von sich aus ausgesprochen hat, kommt es im Widerrufsverfahren darauf an, ob sich die für die Beurteilung der Verfolgungslage maßgeblichen Verhältnisse nach Ergehen des bestandskräftigen Anerkennungsbescheids erheblich geändert haben (vgl. BVerwG, Urt. v. 08.05.2003, BVerwGE 118, 174).
19 
In Anwendung dieser Grundsätze haben sich die maßgeblichen Verhältnisse für syrisch-orthodoxe Christen in der Türkei seit der Anerkennung des Klägers nicht erheblich und dauerhaft so verändert, dass die für die Flucht maßgeblichen Verfolgungsmaßnahmen auf absehbare Zeit mit hinreichender Sicherheit auszuschließen sind.
20 
Zwar wird in der obergerichtlichen Rechtsprechung mittlerweile eine mittelbare Gruppenverfolgung von syrisch-orthodoxen Christen aus dem Tur Abdin verneint (vgl. VGH Kassel, Urt. v. 22.02.2006 - 6 UE 2268/04.A - Juris -; OVG Bremen, Urt. v. 21.02.2001 - 2 A 291/99.A - Juris -; OVG Lüneburg, Urt. v. 21.06.2005 - 11 LB 256/02 - Juris -; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 27.10.2005 - A 12 S 603/05 - Juris -). Hieraus kann jedoch nicht auf eine Verfolgungssicherheit geschlossen werden, zumal in diesen Entscheidungen erstmals um die Anerkennung als politischer Flüchtling gestritten wurde und nicht um den Widerruf einer seinerzeit ausgesprochenen Asylanerkennung oder Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft. Im Widerrufsverfahren ist keine generalisierende Betrachtungsweise und auch keine Erörterung einer Gruppenverfolgung geboten, maßgebend ist vielmehr die Frage, ob konkret der als politisch Verfolgter anerkannte Kläger bei einer Rückkehr in die Türkei vor Verfolgungsmaßnahmen auf absehbare Zeit hinreichend sicher ist (vgl. OVG Koblenz, Urt. v. 05.06.2007 - 10 A 11576/06 - Juris -).
21 
Die Verhältnisse in der Türkei im Hinblick auf die Gesetzgebung haben sich seit der Anerkennung des Klägers durchaus verändert. Im Zuge der Bemühungen, der Europäischen Union beizutreten, hat das türkische Parlament bislang acht Gesetzespakete verabschiedet (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht v. 11.01.2007). Auch wenn mit Inkrafttreten des achten Gesetzespakets am 01.06.2005 die Türkei die politischen Kopenhagener Kriterien für die Aufnahme von EU-Beitrittsverhandlungen hinreichend erfüllt hat, hat der Mentalitätswandel in Verwaltung und Justiz mit dem gesetzgeberischen Tempo aber nicht Schritt halten können (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 11.01.2007). So sind im Hinblick auf rechtsstaatliche Strukturen und die Einhaltung von Menschenrechen nach wie vor erhebliche Defizite in der tatsächlichen Umsetzung der Reformen zu verzeichnen. Minderheitenschutz, Meinungsfreiheit und Religionsfreiheit sind nur eingeschränkt gewährleistet. Die bisherigen Schwierigkeiten, mit denen nichtmuslimische Glaubensgemeinschaften in der Türkei konfrontiert waren und sind, bestehen unverändert fort (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 11.01.2007; EU-Fortschrittsbericht vom 08.11.2006).
22 
Die Situation für syrisch-orthodoxe Glaubensangehörige im Südosten der Türkei hat sich nicht derart entspannt und stabilisiert, dass der Kläger bei einer Rückkehr in die Türkei als Mitglied der syrisch-orthodoxen Glaubensgemeinschaft vor erneuten Verfolgungsmaßnahmen hinreichend sicher ist. Nach wie vor wird von Übergriffen von im Tur Abdin lebenden Kurden gegenüber syrisch-orthodoxen Christen berichtet:
23 
Am 06.06.2005 wurde auf eine dreiköpfige Delegation syrisch-orthodoxer Christen, bestehend aus dem syrisch-orthodoxen Dekan Gök, dem Bürgermeister von Harabale und einem deutschen Geschäftsmann, ein Bombenanschlag verübt. Die drei Personen waren mit dem Fahrzeug unterwegs, um Grundeigentum von Christen in ein Katasteramt eintragen zu lassen (vgl. Gesellschaft für bedrohte Völker vom 09.06.2005). Laut Auskunft des Dekans Gök hat es sich um einen gezielten Anschlag auf seine Person sowie auf den Muhtar gehandelt, um eine Registrierung der Grundstücke zu verhindern und dadurch die Rückkehr von Christen in ihre Dörfer zu erschweren oder gar zu verhindern (vgl. Bundesamt, Erkenntnisse - Türkei vom August 2005).
24 
Am 01.06.2006 wurde ein syrisch-orthodoxer Christ von vier maskierten Personen vor seinem Haus in Midyat angegriffen und schwer verletzt; am 10.08.2006 wurde ein mit Sprengstoff beladener Esel in das aramäische Dorf Arkah/Harabale getrieben und der Sprengstoff dann ferngezündet mit dem Ziel, die letzten christlichen Aramäer aus dem Dorf zu vertreiben (vgl. Eastern Star News Agency vom 05.09.2006, abgedruckt in: http://www.nordirak-turabdin.info/cms/index.php?option=com_content&task=view&id=291).
25 
Am 28.08.2006 griffen 20 Kurden eines mächtigen kurdischen Agha, der mit dem türkischen Staat zusammenarbeitet, die syrisch-orthodoxen Christen Isa Dogan und Yusuf Ay, die sich wegen eines Trauerfalles in der Türkei aufhielten, in der Stadt Midyat an und verletzten diese schwer; am selben Tag bedrohte der Agha den christlichen Bürgermeister des Dorfes Hah (Anitli), ihn und die zwei Opfer zu töten, falls sie ihn anzeigen würden (vgl. Eastern Star News Agency vom 05.09.2006 aaO).
26 
Am 30.08.2006 warfen Unbekannte eine Handgranate auf das Haus der syrisch-orthodoxen Familie Seven in Midyat; diese Familie hielt sich gerade zu Besuch in der Türkei auf (vgl. Ersuchen der beiden Erzbischöfe des Tur Abdin an den türkischen Menschenrechtsbeauftragten vom 12.09.2006, abgedruckt in: http://www.nordirak-turabdin.info/cms/index.php?option=com_content&task=view&id=305).
27 
Am 28.09.2006 wurde der Aramäer Ibrahim Aslan auf offener Straße in Midyat von einem Kurden der mächtigen Agha-Familie niedergeschlagen und verletzt, ohne dass vorher irgend ein Wort zwischen beiden gewechselt wurde; hierdurch sollten die christlichen Aramäer in Angst und Schrecken versetzt werden (vgl. Presseerklärung der Föderation der Aramäer vom 04.10.2006, abgedruckt in: http://www.aga-online.org/downloads/de/document/FASD_Presseerklaerung.pdf). Schließlich wurde am 17.03.2007 auf den Hof des Kirchenratsvorsitzenden Yusuf Türker von Midyat eine Bombe geworfen, die jedoch nicht explodiert ist (vgl. Gesellschaft für bedrohte Völker vom 20.03.2007).
28 
Zwar gibt es seit einigen Jahren verschiedene Rückkehrprojekte von syrisch-orthodoxen Christen mit dem Ziel, verlassene Dörfer wieder neu zu errichten; auch wurden beispielsweise in Kafro bereits mehrere Häuser neu errichtet (vgl. Auswärtiges Amt, Stellungnahme vom 28.06.2004 an OVG Lüneburg; ai, Stellungnahme vom 24.06.2004 an OVG Lüneburg). Dies bedeutet jedoch keineswegs, dass diese syrisch-orthodoxen Christen aus Europa die Situation in der Türkei nicht mehr als bedrohlich empfinden und von einer hinreichenden Sicherheit ausgehen. Denn zum einen verbringen sie im Wesentlichen nur ihren Sommerurlaub in ihren neuen Häusern (vgl. Okolisan, Reisebericht Tur Abdin 2006). Zum anderen behalten die zeitweiligen Rückkehrer wohlweislich ihre in den europäischen Staaten erworbene Staatsangehörigkeit bei, so dass sie die Türkei auch jederzeit wieder verlassen können. Der Umstand, dass syrisch-orthodoxe Christen Besuchsreisen in ihre ursprünglichen Heimatdörfer machen, ist ein Zeichen ihrer Sehnsucht nach ihrer Heimat, keineswegs aber ein Indiz für eine stabile Sicherheitslage für die religiöse Minderheit in der Südosttürkei (vgl. Oberkampf, Der Tur Abdin zwischen Aufbruch, Unsicherheit und Angst, Reisebericht vom September 2006).
29 
Die gegenwärtige Sicherheitslage der syrisch-orthodoxen Christen im Tur Abdin kann vielmehr als sehr instabil und brüchig bezeichnet werden (vgl. Oberkampf vom 31.10.2006, abgedruckt in: http://www.nordirak-turabdin.info/cms/index.php?option=com_content&task=view&id=297Iter). Die von kurdischen Stämmen rekrutierten staatstreuen Dorfschützer haben nach der Vertreibung der Yeziden und syrisch-orthodoxen Christen deren Dörfer und Siedlungen mit Einverständnis der Gouverneure, Landräte und Militärkommandanten des türkischen Staates besetzt. Diese haben im Einklang mit den staatstreuen kurdischen Stammesführern und Großgrundbesitzern kein Interesse an einer Rückkehr der Yeziden und Christen und damit an einer Wiederinbesitznahme der landwirtschaftlichen Flächen durch die Rückkehrer (vgl. IMK-Menschenrechtsinformationsdienst Nr. 242-243 vom 28.05.2005). Ziel der Überfälle auf syrisch-orthodoxe Christen ist es, die restlichen Aramäer im Südosten der Türkei einzuschüchtern und zu vertreiben, sowie die im Ausland lebenden Aramäer von einer Rückkehr in die Türkei abzuhalten (vgl. Eastern Star News Agency vom 05.09.2006 aaO).
30 
Seit dem Jahr 2005 hat die antichristliche Stimmung in der ganzen Türkei zugenommen (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe vom 29.05.2006). Christen werden in der Öffentlichkeit als potentielle Kriminelle, Separatisten und Landesverräter dargestellt, sodass vereinzelt bereits von einer Hexenjagd gesprochen wird (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Zur aktuellen Situation - Oktober 2007). Im Zuge dieser nationalistischen und christenfeindlichen Stimmung in der gesamten Türkei kam es bereits zu zahlreichen gewaltsamen Übergriffen einschließlich Morde an Mitgliedern der christlichen Minderheit (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Zur aktuellen Situation - Oktober 2007; http://www.missio-aachen.de/menschen-kulturen/laender/asien/tuerkei/angriffe2006.asp). Nach dem Mord an dem Journalisten Dink am 19.01.2007 hat sich die Sicherheitssituation der christlichen Minderheit in der Türkei aufgrund der nationalistischen Welle weiter erheblich verschlechtert (NZZ vom 28.02.2007). Der türkische Premier Erdogan sprach insoweit am 27.01.2007 vom „Tiefen Staat“ (vgl. http://www.wikipedia.org/wiki/Tiefer_Staat). Damit gab der türkische Ministerpräsident selbst zu erkennen, dass die türkischen Behörden aufgrund der nationalistischen Welle, die tief bis in die Strukturen der Polizei und sonstigen Sicherheitsbehörden hineinreicht, keinen wirksamen Schutz gegen nichtstaatliche Verfolger gewähren können. Auch die oben aufgeführten Anschläge gegen syrisch-orthodoxe Christen werden dem „Tiefen Staat“ zugeschrieben (vgl. Gesellschaft für bedrohte Völker vom 20.03.2007).
31 
Es ist auch nicht zu erwarten, dass sich die Situation in absehbarer Zeit wieder verbessert und derart stabilisiert, dass die zu verlangende Sicherheit nunmehr gegeben ist. Dem steht zum einen entgegen, dass die Reformbemühungen in der Türkei in letzter Zeit zum Stillstand gekommen sind. Hiergegen spricht auch das deutliche Erstarken des Nationalismus wie auch des Islamismus in der Türkei. Schließlich verstärken die Rückkehrprojekte von syrisch-orthodoxen Christen die Angst und die Abwehrhaltung der muslimischen Bevölkerungsteile, da diese den Verlust von Land und anderen Wirtschaftsgütern fürchten müssen. Nach allem kann von einer hinreichenden Sicherheit vor erneuten Verfolgungsmaßnahmen bei einer Rückkehr in den Südosten der Türkei keine Rede sein.
32 
Der Kläger kann auch nicht auf eine inländische Fluchtalternative im Westen der Türkei, insbesondere in Istanbul, verwiesen werden. Insoweit wurde im Urteil vom 30.06.1995 - A 18 K 17834/94 - u.a. ausgeführt, der Kläger habe keine Berufsausbildung, sondern in der Landwirtschaft seiner Eltern mitgearbeitet. Er spreche ausschließlich aramäisch, so dass er jedenfalls auf absehbare Zeit schwerlich Arbeit finden werde. Da ihm in der Zwischenzeit nur ein Leben unterhalb des Existenzminimums möglich wäre, könne in seinem Fall eine Existenzmöglichkeit in Istanbul oder in den übrigen Gebieten der Türkei nicht angenommen werden. Dass sich diese für den Zeitpunkt der Anerkennung maßgeblichen Verhältnisse nachträglich erheblich und nicht nur vorübergehend verändert haben, wird von der Beklagten weder behauptet noch im angefochtenen Bescheid dargelegt. Darüber hinaus kann vom Kläger auch vernünftigerweise nicht erwartet werden, dass er sich im Westteil der Türkei, insbesondere in Istanbul aufhält (vgl. § 60 Abs. 1 Satz 5 AufenthG i.V.m. Art. 8 der Richtlinie 2004/83/EG vom 29.04.2004). Die in Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie 2004/83/EG verwendete Formulierung „vernünftigerweise erwartet werden kann“ verbindet objektive, vernunftbezogene Aspekte mit dem subjektiv angefüllten Kriterium der Erwartung, das auch die individuellen Fähigkeiten und Gegebenheiten des Flüchtlings umfasst (vgl. Lehmann, NVwZ 2007, 508). Der Kläger hat in der Türkei lediglich landwirtschaftliche Kenntnisse erworben und im Bundesgebiet eine Berufsausbildung nicht erfahren. Zwar hat er durch seine Tätigkeit als Hilfsarbeiter in Deutschland (er ist als Autopfleger beschäftigt) eine gewisse praktische Berufserfahrung erlangt. Er verfügt jedoch nach wie vor nicht über ausreichende türkische Sprachkenntnisse, wovon sich das Gericht in der mündlichen Verhandlung überzeugt hat. Angesichts dessen kann nicht erwartet werden, dass der Kläger im Westteil der Türkei eine Existenzgrundlage findet, zumal er dort auch keine Verwandte hat, so dass ein interner Schutz nicht gegeben ist.
33 
Nach allem ist noch keine dauerhafte Veränderung der Lage in der Türkei eingetreten, so dass die Voraussetzungen für die seinerzeit erfolgte Anerkennung des Klägers als Asylberechtigter und der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nicht weggefallen sind. Damit ist für den angefochtenen Widerrufsbescheid des Bundesamtes kein Raum.
34 
Auch Ziffer 3 des Bescheids des Bundesamtes vom 22.03.2007 ist aufzuheben. Durch die Aufhebung der Widerrufsentscheidung wird die negative Feststellung des Bundesamts zu § 60 AufenthG angesichts des Eventualverhältnisses gegenstandslos, so dass auch dieser Teil der Aufhebung unterliegt (vgl. BVerwG, Urt. v. 15.04.1997, BVerwGE 104, 260 und Urt. v. 26.06.2002, NVwZ 2003, 356).
35 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, § 83 b AsylVfG.

Gründe

 
14 
Die zulässige Klage ist begründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten.
15 
Maßgebend ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG). Abzustellen ist deshalb auf § 73 AsylVfG i. d. F. des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19.08.2007 (BGBl. I S. 1970).
16 
Nach § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG sind - vorbehaltlich des Satzes 3 - die Anerkennung als Asylberechtigter und die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft unverzüglich zu widerrufen, wenn die Voraussetzungen für sie nicht mehr vorliegen. Dies ist insbesondere der Fall, wenn der Ausländer nach Wegfall der Umstände, die zur Anerkennung als Asylberechtigter oder zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft geführt haben, es nicht mehr ablehnen kann, den Schutz des Staates in Anspruch zu nehmen, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, oder wenn er als Staatenloser in der Lage ist, in das Land zurückzukehren, in dem er seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte (§ 73 Abs. 1 Satz 2 AsylVfG). Mit § 73 Abs. 1 Satz 2 AsylVfG wird Art. 11 Abs. 1 lit. e und f der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 in nationales Recht umgesetzt; diese Regelung entspricht inhaltlich der „Beendigungs-„ oder „Wegfall - der - Umstände - Klausel“ in Art. 1 C Nr. 5 S. 1 GFK. Mit der Formulierung „Wegfall der Umstände“ ist eine nachträgliche erhebliche und nicht nur vorübergehende Änderung der für die Anerkennung maßgeblichen Verhältnisse gemeint (vgl. BVerwG, Urt. vom 01.11.2005, BVerwGE 124, 276 = NVwZ 2006, 707). Unter „Schutz“ ist ausschließlich der Schutz vor erneuter Verfolgung zu verstehen. Allgemeine Gefahren (z. B. aufgrund von Kriegen, Naturkatastrophen oder einer schlechten Wirtschaftslage) werden von § 73 Abs. 1 Satz 2 AsylVfG nicht erfasst (vgl. BVerwG, Urt. vom 01.11.2005 a.a.O.).
17 
Ein Widerruf der Anerkennung als Asylberechtigter und der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft kommt somit im Regelfall nur in Betracht, wenn sich die zum Zeitpunkt der Anerkennung maßgeblichen Verhältnisse nachträglich erheblich und nicht nur vorübergehend so verändert haben, dass bei einer Rückkehr des Ausländers in seinen Herkunftsstaat eine Wiederholung der für die Flucht maßgeblichen Verfolgungsmaßnahmen auf absehbare Zeit mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen ist und nicht aus anderen Gründen erneut Verfolgung droht (vgl. BVerwG, Urt. vom 01.11.2005 a.a.O. und Urteil vom 18.07.2006, BVerwGE 126, 243 = NVwZ 2006, 1420). Ändert sich im Nachhinein lediglich die Beurteilung der Verfolgungslage, so rechtfertigt dies den Widerruf nicht, selbst wenn die andere Beurteilung auf erst nachträglich bekannt gewordenen oder neuen Erkenntnismitteln beruht (vgl. BVerwG, Urt. v. 19.09.2000, BVerwGE 112, 80 und Urt. v. 08.05.2003, BVerwGE 118, 174).
18 
Maßgeblich für die Prüfung der Voraussetzungen des Widerrufs von Asyl- und Flüchtlingsanerkennungen, die in Erfüllung eines rechtskräftigen Verpflichtungsurteils ergangen sind, ist der Zeitpunkt des rechtskräftig gewordenen Verpflichtungsurteils. Nur wenn das Bundesamt die Anerkennung von sich aus ausgesprochen hat, kommt es im Widerrufsverfahren darauf an, ob sich die für die Beurteilung der Verfolgungslage maßgeblichen Verhältnisse nach Ergehen des bestandskräftigen Anerkennungsbescheids erheblich geändert haben (vgl. BVerwG, Urt. v. 08.05.2003, BVerwGE 118, 174).
19 
In Anwendung dieser Grundsätze haben sich die maßgeblichen Verhältnisse für syrisch-orthodoxe Christen in der Türkei seit der Anerkennung des Klägers nicht erheblich und dauerhaft so verändert, dass die für die Flucht maßgeblichen Verfolgungsmaßnahmen auf absehbare Zeit mit hinreichender Sicherheit auszuschließen sind.
20 
Zwar wird in der obergerichtlichen Rechtsprechung mittlerweile eine mittelbare Gruppenverfolgung von syrisch-orthodoxen Christen aus dem Tur Abdin verneint (vgl. VGH Kassel, Urt. v. 22.02.2006 - 6 UE 2268/04.A - Juris -; OVG Bremen, Urt. v. 21.02.2001 - 2 A 291/99.A - Juris -; OVG Lüneburg, Urt. v. 21.06.2005 - 11 LB 256/02 - Juris -; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 27.10.2005 - A 12 S 603/05 - Juris -). Hieraus kann jedoch nicht auf eine Verfolgungssicherheit geschlossen werden, zumal in diesen Entscheidungen erstmals um die Anerkennung als politischer Flüchtling gestritten wurde und nicht um den Widerruf einer seinerzeit ausgesprochenen Asylanerkennung oder Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft. Im Widerrufsverfahren ist keine generalisierende Betrachtungsweise und auch keine Erörterung einer Gruppenverfolgung geboten, maßgebend ist vielmehr die Frage, ob konkret der als politisch Verfolgter anerkannte Kläger bei einer Rückkehr in die Türkei vor Verfolgungsmaßnahmen auf absehbare Zeit hinreichend sicher ist (vgl. OVG Koblenz, Urt. v. 05.06.2007 - 10 A 11576/06 - Juris -).
21 
Die Verhältnisse in der Türkei im Hinblick auf die Gesetzgebung haben sich seit der Anerkennung des Klägers durchaus verändert. Im Zuge der Bemühungen, der Europäischen Union beizutreten, hat das türkische Parlament bislang acht Gesetzespakete verabschiedet (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht v. 11.01.2007). Auch wenn mit Inkrafttreten des achten Gesetzespakets am 01.06.2005 die Türkei die politischen Kopenhagener Kriterien für die Aufnahme von EU-Beitrittsverhandlungen hinreichend erfüllt hat, hat der Mentalitätswandel in Verwaltung und Justiz mit dem gesetzgeberischen Tempo aber nicht Schritt halten können (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 11.01.2007). So sind im Hinblick auf rechtsstaatliche Strukturen und die Einhaltung von Menschenrechen nach wie vor erhebliche Defizite in der tatsächlichen Umsetzung der Reformen zu verzeichnen. Minderheitenschutz, Meinungsfreiheit und Religionsfreiheit sind nur eingeschränkt gewährleistet. Die bisherigen Schwierigkeiten, mit denen nichtmuslimische Glaubensgemeinschaften in der Türkei konfrontiert waren und sind, bestehen unverändert fort (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 11.01.2007; EU-Fortschrittsbericht vom 08.11.2006).
22 
Die Situation für syrisch-orthodoxe Glaubensangehörige im Südosten der Türkei hat sich nicht derart entspannt und stabilisiert, dass der Kläger bei einer Rückkehr in die Türkei als Mitglied der syrisch-orthodoxen Glaubensgemeinschaft vor erneuten Verfolgungsmaßnahmen hinreichend sicher ist. Nach wie vor wird von Übergriffen von im Tur Abdin lebenden Kurden gegenüber syrisch-orthodoxen Christen berichtet:
23 
Am 06.06.2005 wurde auf eine dreiköpfige Delegation syrisch-orthodoxer Christen, bestehend aus dem syrisch-orthodoxen Dekan Gök, dem Bürgermeister von Harabale und einem deutschen Geschäftsmann, ein Bombenanschlag verübt. Die drei Personen waren mit dem Fahrzeug unterwegs, um Grundeigentum von Christen in ein Katasteramt eintragen zu lassen (vgl. Gesellschaft für bedrohte Völker vom 09.06.2005). Laut Auskunft des Dekans Gök hat es sich um einen gezielten Anschlag auf seine Person sowie auf den Muhtar gehandelt, um eine Registrierung der Grundstücke zu verhindern und dadurch die Rückkehr von Christen in ihre Dörfer zu erschweren oder gar zu verhindern (vgl. Bundesamt, Erkenntnisse - Türkei vom August 2005).
24 
Am 01.06.2006 wurde ein syrisch-orthodoxer Christ von vier maskierten Personen vor seinem Haus in Midyat angegriffen und schwer verletzt; am 10.08.2006 wurde ein mit Sprengstoff beladener Esel in das aramäische Dorf Arkah/Harabale getrieben und der Sprengstoff dann ferngezündet mit dem Ziel, die letzten christlichen Aramäer aus dem Dorf zu vertreiben (vgl. Eastern Star News Agency vom 05.09.2006, abgedruckt in: http://www.nordirak-turabdin.info/cms/index.php?option=com_content&task=view&id=291).
25 
Am 28.08.2006 griffen 20 Kurden eines mächtigen kurdischen Agha, der mit dem türkischen Staat zusammenarbeitet, die syrisch-orthodoxen Christen Isa Dogan und Yusuf Ay, die sich wegen eines Trauerfalles in der Türkei aufhielten, in der Stadt Midyat an und verletzten diese schwer; am selben Tag bedrohte der Agha den christlichen Bürgermeister des Dorfes Hah (Anitli), ihn und die zwei Opfer zu töten, falls sie ihn anzeigen würden (vgl. Eastern Star News Agency vom 05.09.2006 aaO).
26 
Am 30.08.2006 warfen Unbekannte eine Handgranate auf das Haus der syrisch-orthodoxen Familie Seven in Midyat; diese Familie hielt sich gerade zu Besuch in der Türkei auf (vgl. Ersuchen der beiden Erzbischöfe des Tur Abdin an den türkischen Menschenrechtsbeauftragten vom 12.09.2006, abgedruckt in: http://www.nordirak-turabdin.info/cms/index.php?option=com_content&task=view&id=305).
27 
Am 28.09.2006 wurde der Aramäer Ibrahim Aslan auf offener Straße in Midyat von einem Kurden der mächtigen Agha-Familie niedergeschlagen und verletzt, ohne dass vorher irgend ein Wort zwischen beiden gewechselt wurde; hierdurch sollten die christlichen Aramäer in Angst und Schrecken versetzt werden (vgl. Presseerklärung der Föderation der Aramäer vom 04.10.2006, abgedruckt in: http://www.aga-online.org/downloads/de/document/FASD_Presseerklaerung.pdf). Schließlich wurde am 17.03.2007 auf den Hof des Kirchenratsvorsitzenden Yusuf Türker von Midyat eine Bombe geworfen, die jedoch nicht explodiert ist (vgl. Gesellschaft für bedrohte Völker vom 20.03.2007).
28 
Zwar gibt es seit einigen Jahren verschiedene Rückkehrprojekte von syrisch-orthodoxen Christen mit dem Ziel, verlassene Dörfer wieder neu zu errichten; auch wurden beispielsweise in Kafro bereits mehrere Häuser neu errichtet (vgl. Auswärtiges Amt, Stellungnahme vom 28.06.2004 an OVG Lüneburg; ai, Stellungnahme vom 24.06.2004 an OVG Lüneburg). Dies bedeutet jedoch keineswegs, dass diese syrisch-orthodoxen Christen aus Europa die Situation in der Türkei nicht mehr als bedrohlich empfinden und von einer hinreichenden Sicherheit ausgehen. Denn zum einen verbringen sie im Wesentlichen nur ihren Sommerurlaub in ihren neuen Häusern (vgl. Okolisan, Reisebericht Tur Abdin 2006). Zum anderen behalten die zeitweiligen Rückkehrer wohlweislich ihre in den europäischen Staaten erworbene Staatsangehörigkeit bei, so dass sie die Türkei auch jederzeit wieder verlassen können. Der Umstand, dass syrisch-orthodoxe Christen Besuchsreisen in ihre ursprünglichen Heimatdörfer machen, ist ein Zeichen ihrer Sehnsucht nach ihrer Heimat, keineswegs aber ein Indiz für eine stabile Sicherheitslage für die religiöse Minderheit in der Südosttürkei (vgl. Oberkampf, Der Tur Abdin zwischen Aufbruch, Unsicherheit und Angst, Reisebericht vom September 2006).
29 
Die gegenwärtige Sicherheitslage der syrisch-orthodoxen Christen im Tur Abdin kann vielmehr als sehr instabil und brüchig bezeichnet werden (vgl. Oberkampf vom 31.10.2006, abgedruckt in: http://www.nordirak-turabdin.info/cms/index.php?option=com_content&task=view&id=297Iter). Die von kurdischen Stämmen rekrutierten staatstreuen Dorfschützer haben nach der Vertreibung der Yeziden und syrisch-orthodoxen Christen deren Dörfer und Siedlungen mit Einverständnis der Gouverneure, Landräte und Militärkommandanten des türkischen Staates besetzt. Diese haben im Einklang mit den staatstreuen kurdischen Stammesführern und Großgrundbesitzern kein Interesse an einer Rückkehr der Yeziden und Christen und damit an einer Wiederinbesitznahme der landwirtschaftlichen Flächen durch die Rückkehrer (vgl. IMK-Menschenrechtsinformationsdienst Nr. 242-243 vom 28.05.2005). Ziel der Überfälle auf syrisch-orthodoxe Christen ist es, die restlichen Aramäer im Südosten der Türkei einzuschüchtern und zu vertreiben, sowie die im Ausland lebenden Aramäer von einer Rückkehr in die Türkei abzuhalten (vgl. Eastern Star News Agency vom 05.09.2006 aaO).
30 
Seit dem Jahr 2005 hat die antichristliche Stimmung in der ganzen Türkei zugenommen (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe vom 29.05.2006). Christen werden in der Öffentlichkeit als potentielle Kriminelle, Separatisten und Landesverräter dargestellt, sodass vereinzelt bereits von einer Hexenjagd gesprochen wird (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Zur aktuellen Situation - Oktober 2007). Im Zuge dieser nationalistischen und christenfeindlichen Stimmung in der gesamten Türkei kam es bereits zu zahlreichen gewaltsamen Übergriffen einschließlich Morde an Mitgliedern der christlichen Minderheit (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Zur aktuellen Situation - Oktober 2007; http://www.missio-aachen.de/menschen-kulturen/laender/asien/tuerkei/angriffe2006.asp). Nach dem Mord an dem Journalisten Dink am 19.01.2007 hat sich die Sicherheitssituation der christlichen Minderheit in der Türkei aufgrund der nationalistischen Welle weiter erheblich verschlechtert (NZZ vom 28.02.2007). Der türkische Premier Erdogan sprach insoweit am 27.01.2007 vom „Tiefen Staat“ (vgl. http://www.wikipedia.org/wiki/Tiefer_Staat). Damit gab der türkische Ministerpräsident selbst zu erkennen, dass die türkischen Behörden aufgrund der nationalistischen Welle, die tief bis in die Strukturen der Polizei und sonstigen Sicherheitsbehörden hineinreicht, keinen wirksamen Schutz gegen nichtstaatliche Verfolger gewähren können. Auch die oben aufgeführten Anschläge gegen syrisch-orthodoxe Christen werden dem „Tiefen Staat“ zugeschrieben (vgl. Gesellschaft für bedrohte Völker vom 20.03.2007).
31 
Es ist auch nicht zu erwarten, dass sich die Situation in absehbarer Zeit wieder verbessert und derart stabilisiert, dass die zu verlangende Sicherheit nunmehr gegeben ist. Dem steht zum einen entgegen, dass die Reformbemühungen in der Türkei in letzter Zeit zum Stillstand gekommen sind. Hiergegen spricht auch das deutliche Erstarken des Nationalismus wie auch des Islamismus in der Türkei. Schließlich verstärken die Rückkehrprojekte von syrisch-orthodoxen Christen die Angst und die Abwehrhaltung der muslimischen Bevölkerungsteile, da diese den Verlust von Land und anderen Wirtschaftsgütern fürchten müssen. Nach allem kann von einer hinreichenden Sicherheit vor erneuten Verfolgungsmaßnahmen bei einer Rückkehr in den Südosten der Türkei keine Rede sein.
32 
Der Kläger kann auch nicht auf eine inländische Fluchtalternative im Westen der Türkei, insbesondere in Istanbul, verwiesen werden. Insoweit wurde im Urteil vom 30.06.1995 - A 18 K 17834/94 - u.a. ausgeführt, der Kläger habe keine Berufsausbildung, sondern in der Landwirtschaft seiner Eltern mitgearbeitet. Er spreche ausschließlich aramäisch, so dass er jedenfalls auf absehbare Zeit schwerlich Arbeit finden werde. Da ihm in der Zwischenzeit nur ein Leben unterhalb des Existenzminimums möglich wäre, könne in seinem Fall eine Existenzmöglichkeit in Istanbul oder in den übrigen Gebieten der Türkei nicht angenommen werden. Dass sich diese für den Zeitpunkt der Anerkennung maßgeblichen Verhältnisse nachträglich erheblich und nicht nur vorübergehend verändert haben, wird von der Beklagten weder behauptet noch im angefochtenen Bescheid dargelegt. Darüber hinaus kann vom Kläger auch vernünftigerweise nicht erwartet werden, dass er sich im Westteil der Türkei, insbesondere in Istanbul aufhält (vgl. § 60 Abs. 1 Satz 5 AufenthG i.V.m. Art. 8 der Richtlinie 2004/83/EG vom 29.04.2004). Die in Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie 2004/83/EG verwendete Formulierung „vernünftigerweise erwartet werden kann“ verbindet objektive, vernunftbezogene Aspekte mit dem subjektiv angefüllten Kriterium der Erwartung, das auch die individuellen Fähigkeiten und Gegebenheiten des Flüchtlings umfasst (vgl. Lehmann, NVwZ 2007, 508). Der Kläger hat in der Türkei lediglich landwirtschaftliche Kenntnisse erworben und im Bundesgebiet eine Berufsausbildung nicht erfahren. Zwar hat er durch seine Tätigkeit als Hilfsarbeiter in Deutschland (er ist als Autopfleger beschäftigt) eine gewisse praktische Berufserfahrung erlangt. Er verfügt jedoch nach wie vor nicht über ausreichende türkische Sprachkenntnisse, wovon sich das Gericht in der mündlichen Verhandlung überzeugt hat. Angesichts dessen kann nicht erwartet werden, dass der Kläger im Westteil der Türkei eine Existenzgrundlage findet, zumal er dort auch keine Verwandte hat, so dass ein interner Schutz nicht gegeben ist.
33 
Nach allem ist noch keine dauerhafte Veränderung der Lage in der Türkei eingetreten, so dass die Voraussetzungen für die seinerzeit erfolgte Anerkennung des Klägers als Asylberechtigter und der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nicht weggefallen sind. Damit ist für den angefochtenen Widerrufsbescheid des Bundesamtes kein Raum.
34 
Auch Ziffer 3 des Bescheids des Bundesamtes vom 22.03.2007 ist aufzuheben. Durch die Aufhebung der Widerrufsentscheidung wird die negative Feststellung des Bundesamts zu § 60 AufenthG angesichts des Eventualverhältnisses gegenstandslos, so dass auch dieser Teil der Aufhebung unterliegt (vgl. BVerwG, Urt. v. 15.04.1997, BVerwGE 104, 260 und Urt. v. 26.06.2002, NVwZ 2003, 356).
35 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, § 83 b AsylVfG.
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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalit
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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalit
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published on 27/10/2005 00:00

Tenor Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 06. April 2005 -A 16 K 12137/03- wird zurückgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens. Die Revision wird nicht zugelassen. Tatbestand
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Annotations

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.