Verwaltungsgericht Stuttgart Urteil, 10. März 2017 - 8 K 3106/15

bei uns veröffentlicht am10.03.2017

Tenor

1. Der Bescheid der Beklagten vom 27.02.2014 und der Widerspruchsbescheid vom 12.05.2015 werden aufgehoben, soweit hierin für eine Teilfläche die Sondernutzungserlaubnis vom 25.09.2012 widerrufen und eine Widerspruchsgebühr festgesetzt wurde.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über den teilweisen Widerruf einer straßenrechtlichen Sondernutzungserlaubnis.
Der Kläger betreibt in L. am Marktplatz X die Gaststätte „XXX“. In der Vergangenheit erteilte die Beklagte dem Kläger mehrfach eine Sondernutzungserlaubnis zur Außenbewirtschaftung einer Freifläche von ca. 150 m². Diese Fläche nimmt nicht nur den Bereich ein, der sich bei einer gedanklichen Verlängerung der Grundstücksgrenzen des Gebäudes X ergibt, sondern erfasst gleichzeitig aufgrund der Ecklage des Gebäudes, auch die Fläche vor dem anderen Eckhaus X. Darüber hinaus ragt die Fläche mit einer Breite von ungefähr acht Metern über einen Teil der Gebäudefront der Beigeladenen.
Im Jahr 2009 schloss der Vater des Klägers mit der Beigeladenen eine Vereinbarung, wonach sich diese mit der Nutzung einer zusätzlichen Fläche von ungefähr 75 m² vor dem Gebäude X zur Außenbewirtschaftung einverstanden erklärte. Das Einverständnis war an verschiedene Bedingungen geknüpft und sah in § 3 eine jederzeitige Widerrufsmöglichkeit des Einverständnisses bei Nichteinhaltung der Bedingungen vor. Die zunächst nur für das Jahr 2009 geschlossene Vereinbarung wurde in den darauffolgenden Jahren von der Beigeladenen für die Jahre 2010 und 2011 stillschweigend verlängert. Im Jahr 2012 erfolgte eine ausdrückliche Verlängerung bis auf weiteres.
Mit Bescheid vom 25.09.2012 erteilte die Beklagte dem Kläger eine – widerrufliche –Erlaubnis zur Außenbewirtschaftung vor seinem Lokal für die Dauer der Freischanksaison vom 1. März bis zum 31. Oktober des Jahres. Diese Erlaubnis erstreckte sich unter Einbeziehung des von der Zustimmung der Beigeladenen erfassten Bereichs auf eine Fläche von 225 m².
Mit Schreiben vom 06.02.2014 teilte die Beigeladene der Beklagten mit, dass sie die Vereinbarung zur Nutzung einer Teilfläche als zusätzliche Terrasse und Arkadennutzung durch „XXX“ mit sofortiger Wirkung gekündigt habe. Auf Rückfrage der Beklagten erklärte die Beigeladene, dass sich der Kläger an keine Abmachungen halte. Der Zugang zum Dekanatseingang und Saal sei durch die Bestuhlung oft nicht gut zugänglich. Der Kläger stelle Motorräder unter den Arkaden ab und die Bewohner würden durch die Lautstärke der Besucher und Zigarettenrauch gestört.
Mit Bescheid vom 27.02.2014 (fälschlicherweise datierend unter dem 27.03.2014) widerrief die Beklagte die Sondernutzungserlaubnis vom 25.09.2012 zum Hinausstellen von Tischen und Stühlen vor der Gaststätte für die von dem ursprünglichen Einverständnis erfasste zusätzliche Teilfläche von 75 m² vor dem Gebäude der Beigeladenen und setzte die Sondernutzungserlaubnis mit einer Fläche von 150 m² neu fest. Nach § 5 der Sondernutzungssatzung der Stadt L. vom 02.01.2010 in Verbindung mit den Richtlinien zur Sondernutzungssatzung Ziffer 3 gelte als Außenbewirtschaftungsfläche grundsätzlich die öffentliche (Fußgänger-) Verkehrsfläche zwischen den verlängerten Grundstücksgrenzen abzüglich der notwendigen Fläche für den Gemeingebrauch, insbesondere für Fußgänger. Im Falle der Zustimmung des jeweiligen Nachbarn könne diese Außenbewirtschaftungsfläche zum Nachbarn hin vergrößert werden. Nachdem die Beigeladene mit sofortiger Wirkung die Vereinbarung bezüglich des Einverständnisses zur Nutzung der zusätzlichen Fläche gekündigt habe, sei die nach der Sondernutzungssatzung erforderliche Voraussetzung zur Nutzung dieser Teilfläche nicht mehr gegeben.
Am 03.03.2014 erhob der Kläger gegen den Widerruf der Teilfläche Widerspruch. Er habe in den vergangenen Jahren auf Verlangen der Beklagten hohe Investitionen für die Vergrößerung der Toilettenanlage sowie die Neuanschaffung von Sonnenschirmen und Pflanzen vornehmen müssen. Diese Investitionen seien zum Teil umsonst erbracht, wenn die Außenbewirtschaftungsfläche in diesem Umfang dauerhaft verkleinert werde. Er sei dringend auf eine nachhaltige Außenbewirtschaftung angewiesen. Sicher sei das Mitspracherecht der Nachbarn zu berücksichtigen, jedoch könne eine Sichtbehinderung eine Versagung der Sondernutzungserlaubnis nicht rechtfertigen.
Während des Widerspruchsverfahrens duldete die Beklagte die weitere Nutzung der zusätzlichen Fläche aufgrund einer „probeweisen“ erteilten Zustimmung der Beigeladenen. Bereits im Juli 2014 teilte die Beigeladene der Beklagten mit, aufgrund der fortbestehenden Verstöße gegen die Vereinbarung durch den Kläger an der Kündigung festzuhalten. In der Folgezeit wandte sich die Beigeladene mehrfach an die Beklagte und bekräftigte die Kündigung der Vereinbarung bezüglich des Einverständnisses zur Nutzung der zusätzlichen Fläche. Die Vertragsverstöße hätten trotz entsprechender Hinweise nicht abgenommen. Durch die ständige Ausdehnung der Außenbewirtschaftungsfläche mit Installation eines dritten Schirms sei das Dekanatsgebäude bis zum ersten Stock verdeckt und vom Marktplatz aus nicht mehr als Dienstgebäude der YYY erkennbar. Ferner sei das Gebäude aufgrund der platzierten Tische nicht frei zugänglich. Im Februar 2015 sei eine Umnutzung des Dekanatsgebäudes X mit umfassenden Umbauarbeiten beschlossen worden. Die Planungen sähen auch Veränderungen im Erdgeschoss des Dekanatsgebäudes vor, unter anderem auch die Inanspruchnahme der Außenfläche vor dem Dekanatsgebäude.
Mit Widerspruchsbescheid vom 12.05.2015, der dem Kläger ausweislich der Postzustellungsurkunde am 30.05.2015 zugestellt wurde, wies die Beklagte den Widerspruch unter Verweis auf die fehlende Zustimmung der Beigeladenen zur Nutzung der Fläche zurück. Ergänzend wies die Beklagte darauf hin, dass die dem Kläger im Jahr 2003 erteilte Gaststättenkonzession unter Berücksichtigung einer Außenbewirtschaftungsfläche von 150,20 m² mit der Auflage verbunden war, zusätzliche Toiletten zu schaffen.
10 
Der Kläger hat am 25.06.2015 Klage erhoben. Zur Begründung trägt er vor: Die Entscheidung der Beklagten sei rechtswidrig. Die Beklagte habe sich bei der Erstellung ihres Gestattungskonzeptes zur Sondernutzung in Form einer Sondernutzungssatzung einschließlich der in der Anlage enthaltenen Richtlinien nicht auf städtebauliche und baugestalterische Belange beschränkt, sondern darüber hinaus die Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis für öffentliche Flächen, welche nicht vor dem Grundstück des Antragstellers lägen, von der Zustimmung des Nachbarn abhängig gemacht. Dabei gehe die Richtlinie der Beklagten sogar soweit, die Zustimmung des Nachbarn als einziges Kriterium für derartige Fälle zu benennen („KO-Kriterium“). Der Kläger halte es für ermessensfehlerhaft, dass die Beklagte im vorliegenden Fall eine Selbstbindung in der Weise vornehme, eine Sondernutzungserlaubnis bereits dann nicht erteilen zu können, wenn ein Anlieger dem widerspreche. Damit setze sich die Beklagte, die immerhin „verfügungsberechtigt“ über den öffentlichen Straßengrund sei, in bedingungsloser Abhängigkeit dem Willen des privaten Anliegers aus. Der Beklagten sei es von vornherein verwehrt, für eine bestimmte Sondernutzungserlaubnis sprechende Gründe – die etwa auch im Interesse der Beklagten selbst liegen könnten – im Rahmen der Ermessensentscheidung abzuwägen, wenn ein Nachbar dem bloß widerspreche. Dabei komme es nach den Richtlinien der Beklagten auf den sachlichen Gehalt eines solchen Widerspruchs überhaupt nicht an, da der Nachbar die Gründe für die Nichterteilung seiner Zustimmung nicht mitteilen müsse. Also hinderten auch etwa rein willkürliche Gründe (persönliche Feindschaften sowie rassistisch, ideologisch, religiös motivierte Gründe) eine sonst durchaus genehmigungsfähige Sondernutzung.
11 
Der Kläger beantragt,
12 
den Bescheid der Beklagten vom 27.02.2014 und den Widerspruchsbescheid vom 12.05.2015 aufzuheben, soweit hierin für eine Teilfläche die Sondernutzungserlaubnis vom 25.09.2012 widerrufen und eine Widerspruchsgebühr festgesetzt wurde.
13 
Die Beklagte beantragt,
14 
die Klage abzuweisen.
15 
Zur Begründung wiederholt sie ihr Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren. Ergänzend führt sie aus, dass die Ausdehnungsmöglichkeit der Außenbewirtschaftung unter Zustimmungsvorbehalt das Ergebnis einer Abwägung zwischen städtebaulichen und gestalterischen Aspekten, den Interessen der jeweiligen Anlieger und den Interessen der gewerblichen Nutzer sei. Eine ausgedehnte Außenbewirtschaftung beeinträchtige das barocke Erscheinungsbild des Marktplatzes, indem sie die Sichtbarkeit der wesentlichen Gebäudeteile sowie der Arkaden erheblich einschränke. Für die Anlieger der betreffenden Gebäude komme es durch die Außenbewirtschaftung zu Einschränkungen des Zugangs und der Zufahrt zu ihren Gebäuden. Hingegen bestehe für den gewerblichen Nutzer der erweiterten Sondernutzungsfläche die Möglichkeit, während der Freiluftsaison noch mehr Gäste bewirten und so seine Einnahmen vergrößern zu können. Durch die Ausgestaltung der Ausdehnungsmöglichkeit unter Zustimmungsvorbehalt sei durch die Beklagte eine Abwägung der widerstreitenden Interessen vorgenommen und grundsätzlich dem Kernbereich des Anliegerrechts der Vorzug gegeben worden. Das Interesse der Anlieger an einem ungestörten Zugang überwiege das Interesse der gewerblichen Nutzer an einer erweiterten Außenbewirtschaftungsfläche. Die Gewährung der Sondernutzung unter Zustimmungsvorbehalt schränke die Interessen der gewerblichen Nutzung nicht unverhältnismäßig ein, da es lediglich die Ausdehnung der Außenbewirtschaftungsfläche auf nachbarliche Straßenflächen von einer Zustimmung abhängig mache, nicht aber die Außenbewirtschaftung auf der Fläche vor dem gewerblich genutzten Gebäude selbst. Die gewerbliche Nutzung werde durch eine fehlende Erweiterungsmöglichkeit lediglich eingeschränkt. Entgegen dem Vorbringen des Klägers stelle die grundsätzliche Zustimmungsbedürftigkeit der erweiterten Außenbewirtschaftung durch die Anlieger keine rechtswidrige Selbstbindung der Verwaltung dar. Die den Gestaltungsrichtlinien zugrundeliegende Ermessensentscheidung sei rechtmäßig. Um die überwiegenden Anliegerinteressen angemessen zu berücksichtigen, hätte die Beklagte in ihren Gestaltungsrichtlinien eine erweiterte Sondernutzung auch generell untersagen können. Die Möglichkeit einer erweiterten Sondernutzungserlaubnis unter Zustimmungsvorbehalt stelle demgegenüber ein milderes Mittel dar. Da ein Verzicht auf die Anliegerrechte lediglich durch die Anlieger selbst erfolgen könne und deren Disposition unterliege, könne es auf den Grund für die Nichterteilung der Zustimmung nicht ankommen.
16 
Mit Beschluss vom 03.01.2017 hat das Verwaltungsgericht die YYY zu dem Verfahren beigeladen.
17 
Die Beigeladene hat keinen eigenen Antrag gestellt.
18 
Sie ist der Auffassung, die Beklagte habe bei dem Widerruf zu Recht auch die Interessen der Beigeladenen berücksichtigt, die durch den Fortbestand der Sondernutzungserlaubnis erheblich beeinträchtigt würden. Die Beigeladene wolle die vor ihrem Gebäude liegende Fläche für eigene, kirchliche Aktivitäten nutzen und den ungehinderten Zugang zu den Eingängen des Gebäudes dauerhaft gesichert wissen. Die Beklagte habe bei ihrem Widerruf zu Recht auf die Gestaltungsrichtlinien abgestellt, die im Rahmen der Selbstbindung der Verwaltung und Artikel 3 des Grundgesetzes zu beachten seien.
19 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogenen Verwaltungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

20 
Die zulässige Klage ist gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) begründet, da der Verwaltungsakt in Gestalt des Widerspruchsbescheides rechtswidrig ist und den Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt.
21 
Rechtsgrundlage für die von der Beklagten getroffene Widerrufsentscheidung ist § 49 Abs. 2 Nr. 1 des Landesverwaltungsverfahrensgesetzes (LVwVfG). Danach darf ein rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden, wenn der Widerruf durch Rechtsvorschrift zugelassen oder im Verwaltungsakt vorbehalten ist. Die Voraussetzung für eine im Ermessen der Beklagten stehende Widerrufsentscheidung ist vorliegend gegeben, weil die dem Kläger am 25.09.2012 erteilte Sondernutzungserlaubnis ausdrücklich – wie in § 16 Abs. 1 Satz 2 des Straßengesetzes für Baden-Württemberg (StrG) vorgesehen – als „jederzeit widerrufliche“ erteilt worden war.
22 
Die Widerrufsentscheidung ist jedoch ermessensfehlerhaft. Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht nach § 114 Satz 1 VwGO auch, ob der Verwaltungsakt rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist. Das Gericht prüft nicht die Zweckmäßigkeit einer Entscheidung, also etwa ob eine von mehreren zulässigen und vertretbaren Lösungen tatsächlich am sachgerechtesten erscheint (vgl. BVerwG, Urteil 11.05.2016, Az.: 10 C 8/15, juris Rn. 13).
23 
Ein gesetzlicher Widerrufsvorbehalt muss grundsätzlich durch zulässige gesetzgeberische Ziele gerechtfertigt sein. Diese Ziele begrenzen stets auch die Widerruflichkeit. Deshalb begründet ein Widerrufsvorbehalt keine freie Widerruflichkeit, sondern nur die Befugnis der Behörde, nach Maßgabe der näheren Bestimmungen dieser Ermächtigung und des Zwecks der Regelung nach sachgemäßen Gesichtspunkten im Sinne des § 40 LVwVfG zu entscheiden, ob und in welchem Umfang sie den Verwaltungsakt widerruft (vgl. Ramsauer in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, 14. Aufl., § 49 Rn. 34).
24 
Da § 16 StrG die für die Ermessensausübung maßgeblichen Gründe selbst nicht aufführt, sind diese aus dem Gesamtzweck des Gesetzes herzuleiten. Nach ständiger Rechtsprechung hat sich die Ermessensausübung bei der Erteilung einer straßenrechtlichen Sondernutzungserlaubnis in erster Linie an den Auswirkungen des beabsichtigten Verhaltens auf die widmungsgemäße Nutzung der Straße, insbesondere auf die Sicherheit und Leichtigkeit des Straßenverkehrs, dem Ausgleich zeitlich und örtlich gegenläufiger Interessen verschiedener Straßenbenutzer und Straßenanlieger sowie an sonstigen unmittelbar auf den Straßengrund bezogenen sachlichen Erwägungen zu orientieren (vgl. BVerwG, Beschluss vom 12.08.1990, Az.: 7 B 155/79, juris Rn. 4; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 14.10.1996, Az.: 5 S 1775/96, juris Rn. 14). Darüber hinaus darf die Straßenbaubehörde bei der Entscheidung städtebauliche und baugestalterische Belange berücksichtigen, sofern sie einen sachlichen Bezug zur Straße haben und der Gemeinderat ein konkretes Gestaltungskonzept beschlossen hat (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 09.12.1999, Az.: 5 S 2051/98, juris Rn. 45). Die Gemeinde hat bei der Erstellung des Gestaltungskonzepts „straßenrechtliche Gestaltungsfreiheit“, die ihre Grenze nur im Willkürverbot findet. Wesentlich ist dabei, dass dieses Gestaltungskonzept vom Gemeinderat beschlossen worden ist, wobei es nicht darauf ankommt, ob dies in Form einer Satzung oder durch die verwaltungsinterne Richtlinien erfolgt (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 09.12.1999, Az.: 5 S 2051/98, juris Rn. 46). Ermessensfehlerhaft ist dagegen eine Einbeziehung von Gesichtspunkten, welche keinerlei wegerechtlichen Bezug aufweisen (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 17.03.2000, Az.: 5 S 369/99, juris Rn. 55).
25 
Die Entscheidung der Beklagten ist ermessensfehlerhaft. Vorliegend hat die Beklagte ihre Entscheidung unter Anwendung von Nummer 3 Satz 4 der in der Anlage zu ihrer Satzung über Sondernutzungen an öffentlichen Straßen enthaltenen Richtlinien ausschließlich auf die fehlende Zustimmung der Beigeladenen gestützt.
26 
Ermessensfehlerhaft ist eine Entscheidung unter anderem dann, wenn die Behörde eine in Wahrheit nicht bestehende Beschränkung ihres Ermessensspielraums annimmt oder verkennt, dass sie überhaupt ein Ermessen hat. Dies kann beispielsweise durch die Anwendung rechtswidriger Verwaltungsvorschriften bzw. eine zu Unrecht als bindend erachtete Praxis geschehen (vgl. W.-R. Schenke in: Kopp/Schenke, VwGO, 21. Aufl., § 114 Rn. 14). Dies ist vorliegend der Fall, da die in der Anlage zu der Satzung enthaltene Richtlinie in Bezug auf die Regelung in Nummer 3 Satz 4 ermessensfehlerhaft ist.
27 
Ermessenslenkende Verwaltungsvorschriften dienen dem Ziel einer gleichmäßigen Ermessensausübung sowie deren Steuerung innerhalb der Behördenhierarchie. Sie sind grundsätzlich zulässig und mit der Ermächtigung einer Behörde, nach Ermessen zu entscheiden, grundsätzlich vereinbar, soweit sie sich ihrerseits am Zweck der Ermächtigung orientieren und sachgerecht sind. Richtlinien entheben die Behörde jedoch nicht der Verpflichtung zu einer eigenverantwortlichen Ermessensentscheidung unter sachlicher Abwägung aller einschlägigen Gesichtspunkte des konkreten Falles, sondern geben ihr nur – vor allem im Innenverhältnis zum Richtliniengeber und im Interesse der Gleichbehandlung gleicher Sachverhalte – Anhaltspunkte für die gegenüber dem Bürger zu treffende Entscheidung (vgl. OVG Münster, Urteil vom 05.10.1983, Az.: 17 B 1646/83, NVwZ 1984, 600; Ramsauer, aaO, § 40 Rn. 77; Schwarz in: Fehling/Kastner/Störmer, Verwaltungsrecht, 4. Aufl., § 114 VwGO Rn. 39).
28 
Die Satzung wurde einschließlich der in der Anlage enthaltenen Richtlinien vom Gemeinderat beschlossen. Formelle Fehler der Satzung sind weder erkennbar noch vorgetragen.
29 
Die Satzung ist jedoch im Hinblick auf Nummer 3 Satz 4 der dazugehörigen Richtlinien materiell rechtswidrig. Danach kann die aufgrund von Nummer 3 Satz 3 der Richtlinien grundsätzlich beschränkte Außenbewirtschaftungsfläche im Falle der Zustimmung des Nachbarn zum Nachbarn hin vergrößert werden.
30 
Soweit Nummer 3 Satz 3 der Richtlinien grundsätzlich die Außenbewirtschaftungsfläche auf die Fläche zwischen den verlängerten Grundstückgrenzen beschränkt, dient sie dazu, dem jeweiligen Anlieger ein „Erstzugriffsrecht“ auf die vor seinem Grundstück liegende Fläche einzuräumen. Gleichzeitig bedeutet diese Regelung eine Beschränkung, die zum einen dazu dient, die Interessen des Nachbarn an einer Nutzung der Fläche vor seinem Haus zu wahren und zum anderen diesem einen störungsfreien Anliegergebrauch zu ermöglichen. Da die Regelung durch die Verwendung des Wortes „grundsätzlich“ anzeigt, dass Abweichungsmöglichkeiten bestehen, ist diese Regelung nicht zu beanstanden.
31 
Nicht vom Zweck des Gesetzes gedeckt ist jedoch der in Nummer 3 Satz 4 der Richtlinien enthaltene Zustimmungsvorbehalt des Nachbarn. Nach Nummer 3 Satz 4 der Richtlinien kann die Außenbewirtschaftungsfläche im Fall der Zustimmung des jeweiligen Nachbarn zum Nachbarn hin vergrößert werden. Dem Wortlaut dieser Regelung lässt sich nicht entnehmen, dass die Erteilung der Zustimmung allein vom Vorliegen wegerechtlicher Aspekte, und insbesondere aus Gründen des Anliegergebrauchs, abhängig gemacht werden darf. Es erscheint fraglich, ob sich eine solche Beschränkung der Regelung im Wege der Auslegung ergibt.
32 
Dabei verkennt das Gericht nicht, dass nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ermessenslenkende Verwaltungsvorschriften keiner eigenständigen richterlichen Auslegung wie Rechtsnormen unterliegen. Entscheidend ist vielmehr, wie die zuständigen Behörden die Verwaltungsvorschrift im maßgeblichen Zeitpunkt in ständiger Praxis gehandhabt haben und in welchem Umfang sie infolgedessen durch den Gleichheitssatz gebunden sind. Das gilt besonders für Fälle, in denen der Wortlaut einer Verwaltungsvorschrift unklar und darum auslegungsbedürftig ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 17.01.1996, Az.: 11 C 5/95, juris Rn. 21).
33 
Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte im Falle einer Verweigerung der nachbarlichen Zustimmung prüft, ob diese Weigerung auf wegerechtlichen Gründen beruht. Zwar hat die Beklagte sich bei der Beigeladenen erkundigt, warum diese ihr Einverständnis zur Nutzung der erweiterten Fläche widerrufen habe, eine Auseinandersetzung mit den Gründen findet sich jedoch nicht in den behördlichen Entscheidungen. Die Beklagte hat vielmehr in ihrer Klageerwiderung geschrieben, dass es auf den Grund für die Nichterteilung der Zustimmung nicht ankomme.
34 
Dem Nachbarn wird mit der Regelung in Nummer 3 Satz 4 der Richtlinien nicht nur – wie mit Satz 3 – ein „Erstzugriffsrecht“, sondern ein vollständiges Vetorecht hinsichtlich einer Sondernutzung einer öffentlichen Verkehrsfläche eingeräumt. Aufgrund der fehlenden Beschränkung auf wegerechtliche Aspekte kann der Nachbar eine Sondernutzung aus Gründen verhindern, die die Beklagte ihrer Entscheidung nicht zugrunde legen dürfte. Auch kann der Nachbar mittelbar „Fehlverhalten“ des Sondernutzers ahnden, ohne dass er die gleichen Voraussetzungen wie die Behörde, beispielsweise die Abwägung widerstreitender Interessen im Rahmen der Ermessensausübung, beachten müsste. Ohne eine Bindung des Zustimmungsvorbehalts an wegerechtliche Aspekte führt dieser dazu, dass bei der Entscheidung über eine straßenrechtliche Sondernutzungserlaubnis Erwägungen gleichsam durch die „Hintertür“ angestellt werden können, die sich nicht am Zweck des Gesetzes orientieren und nicht sachgerecht sind. So müsste die Beklagte in Anwendung ihrer Richtlinien beispielsweise eine begehrte Sondernutzungserlaubnis auch dann versagen, wenn der Nachbar eines baufälligen, unbewohnten Hauses die Zustimmung verweigert, obwohl Anliegerinteressen nicht gegeben sind. Im Ergebnis stellt der Zustimmungsvorbehalt daher nicht nur den grundsätzlichen Vorzug des Anliegerrechts gegenüber den Interessen des Sondernutzers sicher, sondern geht darüber hinaus. Durch die fehlende Beschränkung des Zustimmungsvorbehalts auf wegerechtliche Aspekte ist die abstrakte Abwägungsentscheidung ermessensfehlerhaft und daher grundsätzlich rechtswidrig.
35 
Der Annahme der Rechtwidrigkeit dieser Regelung steht auch nicht Nummer 10 der Allgemeinen Grundsätze der Richtlinien entgegen. Nach Nummer 10 der Allgemeinen Grundsätze der Richtlinien können Ausnahmen/Abweichungen von diesen Richtlinien auf Antrag genehmigt werden, wenn sonst für den Antragsteller eine unzumutbare Härte entstehen würde, kein öffentliches Interesse entgegensteht und die Grundsätze dieser Richtlinie nicht berührt werden. Es ist bereits zweifelhaft, ob die in Nummer 3 Satz 3 und 4 der Richtlinien enthaltene Beschränkung der Außenbewirtschaftungsfläche auf die Fläche vor dem gewerblich genutzten Gebäude mit einer Erweiterungsmöglichkeit im Falle der Zustimmung des Nachbarn nicht bereits einen Grundsatz der Richtlinie darstellt, von dem auch nach Nummer 10 der Allgemeinen Grundsätze der Richtlinien nicht abgewichen werden darf. Die Beschränkung dieser Ausnahme auf „unzumutbare Härtefälle“ führt jedoch im Hinblick auf die in Nummer 3 Satz 4 der Richtlinie enthaltene abstrakte fehlerhafte Abwägung nicht dazu, diese Fehlerhaftigkeit zu beheben. Denn dies bedeutet, dass der Sondernutzer einen unzumutbaren Härtefall geltend machen können muss, um sich im Zweifel gegen nicht wegerechtlich motivierte Interessen des Nachbarn durchsetzen zu können. Auch ein solcher – im Übrigen im Einzelfall vorzunehmender – Abwägungsvorgang würde an der durch den unbeschränkten Zustimmungsvorbehalt verursachten starken Stellung des Nachbarn leiden.
36 
An der Rechtswidrigkeit dieser Regelung ändert sich im vorliegenden Fall auch nichts dadurch, dass die Beigeladene ihre Zustimmung zur Erweiterung der Außenbewirtschaftungsfläche verweigert hat, weil der Kläger in der Vergangenheit regelmäßig gegen Absprachen hinsichtlich des Freihaltens der Arkaden und der freien Zugänglichkeit des Gebäudes der Beigeladenen verstoßen hat, das Gebäude der Beigeladenen durch die Sonnenschirme und Pflanzen des Klägers bis zum ersten Stock nicht mehr zu erkennen war und sie selbst eine – zum Zeitpunkt der Widerspruchsentscheidung jedoch noch ungewisse – eigene Nutzung der Freifläche anstrebt. Bei diesen Gründen handelt es sich um sachliche Erwägungen, die wegerechtlich relevant und zumindest im Hinblick auf die Zugänglichkeit des Gebäudes durch den Anliegergebrauch der Beigeladenen abgedeckt sind.
37 
Auch wenn im konkreten Fall demnach wegerechtliche relevante Gesichtspunkte zu der Verweigerung bzw. dem Widerruf der Zustimmung zur Erweiterung der Außenbewirtschaftungsfläche geführt haben, ist die Entscheidung der Beklagten dennoch ermessensfehlerhaft. Ein Ermessensfehler ist unter anderem dann zu bejahen, wenn die Behörde das ihr zustehende Ermessen nicht ausgeübt hat.
38 
Dies ist vorliegend zu bejahen. Da die in den Richtlinien enthaltene abstrakte Abwägung rechtswidrig ist, reicht diese abstrakte Ermessensbetätigung im konkreten Fall alleine nicht aus, um eine ermessensfehlerfreie Entscheidung der Beklagten zu bejahen. Die Beklagte hätte vielmehr selbst eigene Ermessenserwägungen anstellen und die betroffenen Interessen gegeneinander abwägen müssen. Dies hat sie jedoch nicht getan.
39 
Die Beklagte hat ihre Entscheidung unter Anwendung von Nummer 3 Satz 4 der in der Anlage zu ihrer Satzung über Sondernutzungen an öffentlichen Straßen enthaltenen Richtlinien ausschließlich auf die fehlende Zustimmung der Beigeladenen gestützt. Weder dem Ausgangsbescheid vom 27.02.2014 noch dem Widerspruchsbescheid vom 12.05.2015 lassen sich auf den konkreten Einzelfall bezogene Ermessenserwägungen bzw. eine Abwägung der Interessen des Klägers mit denjenigen der Beigeladenen entnehmen. Aus dem Wortlaut der Entscheidungen der Beklagten geht hervor, dass sich diese an die in der Nummer 3 Satz 4 enthaltene Regelung dergestalt gebunden fühlte, dass diese im Falle des Widerrufs der nachbarlichen Zustimmung zur Erweiterung der Außenbewirtschaftungsfläche zu widerrufen war.
40 
Die Beklagte hat auch keine Möglichkeit, die fehlenden Ermessenserwägungen nachzuholen. § 114 Satz 2 VwGO regelt nur die Ergänzung der Ermessenserwägungen, nicht die vollständige Nachholung oder die Auswechslung der die Ermessensentscheidung tragenden Gründe (vgl. BVerwG, Urteil vom 05.05.1998, Az.: 1 C 17/97, juris Rn. 40). Wie bereits ausgeführt, enthält der streitgegenständliche Bescheid keine Ermessenserwägungen. Allein die (fehlerhaften) abstrakten Ermessenserwägungen des Satz 4 Nummer 3 der Richtlinien reichen nicht aus, um eine nachträgliche Ergänzung von Ermessenserwägungen zu ermöglichen, da allein die Existenz ermessenslenkender Verwaltungsvorschriften die betroffene Behörde nicht davon enthebt, eine eigenverantwortliche Entscheidung zu treffen.
41 
Da der Verwaltungsakt rechtswidrig ist, wird der Kläger durch den Widerruf seiner Sondernutzungserlaubnis und die im Widerspruchsbescheid festgesetzte Widerspruchsgebühr auch in eigenen Rechten verletzt.
42 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
43 
Beschluss vom 10. März 2017
44 
Der Streitwert wird gemäß § 52 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes auf
45 
50 000 EUR
46 
festgesetzt. Nach Nummer 43.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit ist bei einem Rechtsstreit über eine straßenrechtliche Sondernutzungserlaubnis der zu erwartende Gewinn bis zur Grenze des Jahresbetrages, mindestens aber 500 EUR als Streitwert anzusetzen (vgl. Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit, abgedruckt in: Kopp/Schenke, VwGO 21. Aufl., Anh. § 164). Nach den Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung beträgt die jährliche Gewinneinbuße aus der fehlenden Nutzbarkeit der zusätzlichen Außenbewirtschaftungsfläche 50 000 EUR, so dass dieser Wert als Streitwert festzusetzen war.

Gründe

20 
Die zulässige Klage ist gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) begründet, da der Verwaltungsakt in Gestalt des Widerspruchsbescheides rechtswidrig ist und den Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt.
21 
Rechtsgrundlage für die von der Beklagten getroffene Widerrufsentscheidung ist § 49 Abs. 2 Nr. 1 des Landesverwaltungsverfahrensgesetzes (LVwVfG). Danach darf ein rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden, wenn der Widerruf durch Rechtsvorschrift zugelassen oder im Verwaltungsakt vorbehalten ist. Die Voraussetzung für eine im Ermessen der Beklagten stehende Widerrufsentscheidung ist vorliegend gegeben, weil die dem Kläger am 25.09.2012 erteilte Sondernutzungserlaubnis ausdrücklich – wie in § 16 Abs. 1 Satz 2 des Straßengesetzes für Baden-Württemberg (StrG) vorgesehen – als „jederzeit widerrufliche“ erteilt worden war.
22 
Die Widerrufsentscheidung ist jedoch ermessensfehlerhaft. Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht nach § 114 Satz 1 VwGO auch, ob der Verwaltungsakt rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist. Das Gericht prüft nicht die Zweckmäßigkeit einer Entscheidung, also etwa ob eine von mehreren zulässigen und vertretbaren Lösungen tatsächlich am sachgerechtesten erscheint (vgl. BVerwG, Urteil 11.05.2016, Az.: 10 C 8/15, juris Rn. 13).
23 
Ein gesetzlicher Widerrufsvorbehalt muss grundsätzlich durch zulässige gesetzgeberische Ziele gerechtfertigt sein. Diese Ziele begrenzen stets auch die Widerruflichkeit. Deshalb begründet ein Widerrufsvorbehalt keine freie Widerruflichkeit, sondern nur die Befugnis der Behörde, nach Maßgabe der näheren Bestimmungen dieser Ermächtigung und des Zwecks der Regelung nach sachgemäßen Gesichtspunkten im Sinne des § 40 LVwVfG zu entscheiden, ob und in welchem Umfang sie den Verwaltungsakt widerruft (vgl. Ramsauer in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, 14. Aufl., § 49 Rn. 34).
24 
Da § 16 StrG die für die Ermessensausübung maßgeblichen Gründe selbst nicht aufführt, sind diese aus dem Gesamtzweck des Gesetzes herzuleiten. Nach ständiger Rechtsprechung hat sich die Ermessensausübung bei der Erteilung einer straßenrechtlichen Sondernutzungserlaubnis in erster Linie an den Auswirkungen des beabsichtigten Verhaltens auf die widmungsgemäße Nutzung der Straße, insbesondere auf die Sicherheit und Leichtigkeit des Straßenverkehrs, dem Ausgleich zeitlich und örtlich gegenläufiger Interessen verschiedener Straßenbenutzer und Straßenanlieger sowie an sonstigen unmittelbar auf den Straßengrund bezogenen sachlichen Erwägungen zu orientieren (vgl. BVerwG, Beschluss vom 12.08.1990, Az.: 7 B 155/79, juris Rn. 4; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 14.10.1996, Az.: 5 S 1775/96, juris Rn. 14). Darüber hinaus darf die Straßenbaubehörde bei der Entscheidung städtebauliche und baugestalterische Belange berücksichtigen, sofern sie einen sachlichen Bezug zur Straße haben und der Gemeinderat ein konkretes Gestaltungskonzept beschlossen hat (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 09.12.1999, Az.: 5 S 2051/98, juris Rn. 45). Die Gemeinde hat bei der Erstellung des Gestaltungskonzepts „straßenrechtliche Gestaltungsfreiheit“, die ihre Grenze nur im Willkürverbot findet. Wesentlich ist dabei, dass dieses Gestaltungskonzept vom Gemeinderat beschlossen worden ist, wobei es nicht darauf ankommt, ob dies in Form einer Satzung oder durch die verwaltungsinterne Richtlinien erfolgt (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 09.12.1999, Az.: 5 S 2051/98, juris Rn. 46). Ermessensfehlerhaft ist dagegen eine Einbeziehung von Gesichtspunkten, welche keinerlei wegerechtlichen Bezug aufweisen (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 17.03.2000, Az.: 5 S 369/99, juris Rn. 55).
25 
Die Entscheidung der Beklagten ist ermessensfehlerhaft. Vorliegend hat die Beklagte ihre Entscheidung unter Anwendung von Nummer 3 Satz 4 der in der Anlage zu ihrer Satzung über Sondernutzungen an öffentlichen Straßen enthaltenen Richtlinien ausschließlich auf die fehlende Zustimmung der Beigeladenen gestützt.
26 
Ermessensfehlerhaft ist eine Entscheidung unter anderem dann, wenn die Behörde eine in Wahrheit nicht bestehende Beschränkung ihres Ermessensspielraums annimmt oder verkennt, dass sie überhaupt ein Ermessen hat. Dies kann beispielsweise durch die Anwendung rechtswidriger Verwaltungsvorschriften bzw. eine zu Unrecht als bindend erachtete Praxis geschehen (vgl. W.-R. Schenke in: Kopp/Schenke, VwGO, 21. Aufl., § 114 Rn. 14). Dies ist vorliegend der Fall, da die in der Anlage zu der Satzung enthaltene Richtlinie in Bezug auf die Regelung in Nummer 3 Satz 4 ermessensfehlerhaft ist.
27 
Ermessenslenkende Verwaltungsvorschriften dienen dem Ziel einer gleichmäßigen Ermessensausübung sowie deren Steuerung innerhalb der Behördenhierarchie. Sie sind grundsätzlich zulässig und mit der Ermächtigung einer Behörde, nach Ermessen zu entscheiden, grundsätzlich vereinbar, soweit sie sich ihrerseits am Zweck der Ermächtigung orientieren und sachgerecht sind. Richtlinien entheben die Behörde jedoch nicht der Verpflichtung zu einer eigenverantwortlichen Ermessensentscheidung unter sachlicher Abwägung aller einschlägigen Gesichtspunkte des konkreten Falles, sondern geben ihr nur – vor allem im Innenverhältnis zum Richtliniengeber und im Interesse der Gleichbehandlung gleicher Sachverhalte – Anhaltspunkte für die gegenüber dem Bürger zu treffende Entscheidung (vgl. OVG Münster, Urteil vom 05.10.1983, Az.: 17 B 1646/83, NVwZ 1984, 600; Ramsauer, aaO, § 40 Rn. 77; Schwarz in: Fehling/Kastner/Störmer, Verwaltungsrecht, 4. Aufl., § 114 VwGO Rn. 39).
28 
Die Satzung wurde einschließlich der in der Anlage enthaltenen Richtlinien vom Gemeinderat beschlossen. Formelle Fehler der Satzung sind weder erkennbar noch vorgetragen.
29 
Die Satzung ist jedoch im Hinblick auf Nummer 3 Satz 4 der dazugehörigen Richtlinien materiell rechtswidrig. Danach kann die aufgrund von Nummer 3 Satz 3 der Richtlinien grundsätzlich beschränkte Außenbewirtschaftungsfläche im Falle der Zustimmung des Nachbarn zum Nachbarn hin vergrößert werden.
30 
Soweit Nummer 3 Satz 3 der Richtlinien grundsätzlich die Außenbewirtschaftungsfläche auf die Fläche zwischen den verlängerten Grundstückgrenzen beschränkt, dient sie dazu, dem jeweiligen Anlieger ein „Erstzugriffsrecht“ auf die vor seinem Grundstück liegende Fläche einzuräumen. Gleichzeitig bedeutet diese Regelung eine Beschränkung, die zum einen dazu dient, die Interessen des Nachbarn an einer Nutzung der Fläche vor seinem Haus zu wahren und zum anderen diesem einen störungsfreien Anliegergebrauch zu ermöglichen. Da die Regelung durch die Verwendung des Wortes „grundsätzlich“ anzeigt, dass Abweichungsmöglichkeiten bestehen, ist diese Regelung nicht zu beanstanden.
31 
Nicht vom Zweck des Gesetzes gedeckt ist jedoch der in Nummer 3 Satz 4 der Richtlinien enthaltene Zustimmungsvorbehalt des Nachbarn. Nach Nummer 3 Satz 4 der Richtlinien kann die Außenbewirtschaftungsfläche im Fall der Zustimmung des jeweiligen Nachbarn zum Nachbarn hin vergrößert werden. Dem Wortlaut dieser Regelung lässt sich nicht entnehmen, dass die Erteilung der Zustimmung allein vom Vorliegen wegerechtlicher Aspekte, und insbesondere aus Gründen des Anliegergebrauchs, abhängig gemacht werden darf. Es erscheint fraglich, ob sich eine solche Beschränkung der Regelung im Wege der Auslegung ergibt.
32 
Dabei verkennt das Gericht nicht, dass nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ermessenslenkende Verwaltungsvorschriften keiner eigenständigen richterlichen Auslegung wie Rechtsnormen unterliegen. Entscheidend ist vielmehr, wie die zuständigen Behörden die Verwaltungsvorschrift im maßgeblichen Zeitpunkt in ständiger Praxis gehandhabt haben und in welchem Umfang sie infolgedessen durch den Gleichheitssatz gebunden sind. Das gilt besonders für Fälle, in denen der Wortlaut einer Verwaltungsvorschrift unklar und darum auslegungsbedürftig ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 17.01.1996, Az.: 11 C 5/95, juris Rn. 21).
33 
Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte im Falle einer Verweigerung der nachbarlichen Zustimmung prüft, ob diese Weigerung auf wegerechtlichen Gründen beruht. Zwar hat die Beklagte sich bei der Beigeladenen erkundigt, warum diese ihr Einverständnis zur Nutzung der erweiterten Fläche widerrufen habe, eine Auseinandersetzung mit den Gründen findet sich jedoch nicht in den behördlichen Entscheidungen. Die Beklagte hat vielmehr in ihrer Klageerwiderung geschrieben, dass es auf den Grund für die Nichterteilung der Zustimmung nicht ankomme.
34 
Dem Nachbarn wird mit der Regelung in Nummer 3 Satz 4 der Richtlinien nicht nur – wie mit Satz 3 – ein „Erstzugriffsrecht“, sondern ein vollständiges Vetorecht hinsichtlich einer Sondernutzung einer öffentlichen Verkehrsfläche eingeräumt. Aufgrund der fehlenden Beschränkung auf wegerechtliche Aspekte kann der Nachbar eine Sondernutzung aus Gründen verhindern, die die Beklagte ihrer Entscheidung nicht zugrunde legen dürfte. Auch kann der Nachbar mittelbar „Fehlverhalten“ des Sondernutzers ahnden, ohne dass er die gleichen Voraussetzungen wie die Behörde, beispielsweise die Abwägung widerstreitender Interessen im Rahmen der Ermessensausübung, beachten müsste. Ohne eine Bindung des Zustimmungsvorbehalts an wegerechtliche Aspekte führt dieser dazu, dass bei der Entscheidung über eine straßenrechtliche Sondernutzungserlaubnis Erwägungen gleichsam durch die „Hintertür“ angestellt werden können, die sich nicht am Zweck des Gesetzes orientieren und nicht sachgerecht sind. So müsste die Beklagte in Anwendung ihrer Richtlinien beispielsweise eine begehrte Sondernutzungserlaubnis auch dann versagen, wenn der Nachbar eines baufälligen, unbewohnten Hauses die Zustimmung verweigert, obwohl Anliegerinteressen nicht gegeben sind. Im Ergebnis stellt der Zustimmungsvorbehalt daher nicht nur den grundsätzlichen Vorzug des Anliegerrechts gegenüber den Interessen des Sondernutzers sicher, sondern geht darüber hinaus. Durch die fehlende Beschränkung des Zustimmungsvorbehalts auf wegerechtliche Aspekte ist die abstrakte Abwägungsentscheidung ermessensfehlerhaft und daher grundsätzlich rechtswidrig.
35 
Der Annahme der Rechtwidrigkeit dieser Regelung steht auch nicht Nummer 10 der Allgemeinen Grundsätze der Richtlinien entgegen. Nach Nummer 10 der Allgemeinen Grundsätze der Richtlinien können Ausnahmen/Abweichungen von diesen Richtlinien auf Antrag genehmigt werden, wenn sonst für den Antragsteller eine unzumutbare Härte entstehen würde, kein öffentliches Interesse entgegensteht und die Grundsätze dieser Richtlinie nicht berührt werden. Es ist bereits zweifelhaft, ob die in Nummer 3 Satz 3 und 4 der Richtlinien enthaltene Beschränkung der Außenbewirtschaftungsfläche auf die Fläche vor dem gewerblich genutzten Gebäude mit einer Erweiterungsmöglichkeit im Falle der Zustimmung des Nachbarn nicht bereits einen Grundsatz der Richtlinie darstellt, von dem auch nach Nummer 10 der Allgemeinen Grundsätze der Richtlinien nicht abgewichen werden darf. Die Beschränkung dieser Ausnahme auf „unzumutbare Härtefälle“ führt jedoch im Hinblick auf die in Nummer 3 Satz 4 der Richtlinie enthaltene abstrakte fehlerhafte Abwägung nicht dazu, diese Fehlerhaftigkeit zu beheben. Denn dies bedeutet, dass der Sondernutzer einen unzumutbaren Härtefall geltend machen können muss, um sich im Zweifel gegen nicht wegerechtlich motivierte Interessen des Nachbarn durchsetzen zu können. Auch ein solcher – im Übrigen im Einzelfall vorzunehmender – Abwägungsvorgang würde an der durch den unbeschränkten Zustimmungsvorbehalt verursachten starken Stellung des Nachbarn leiden.
36 
An der Rechtswidrigkeit dieser Regelung ändert sich im vorliegenden Fall auch nichts dadurch, dass die Beigeladene ihre Zustimmung zur Erweiterung der Außenbewirtschaftungsfläche verweigert hat, weil der Kläger in der Vergangenheit regelmäßig gegen Absprachen hinsichtlich des Freihaltens der Arkaden und der freien Zugänglichkeit des Gebäudes der Beigeladenen verstoßen hat, das Gebäude der Beigeladenen durch die Sonnenschirme und Pflanzen des Klägers bis zum ersten Stock nicht mehr zu erkennen war und sie selbst eine – zum Zeitpunkt der Widerspruchsentscheidung jedoch noch ungewisse – eigene Nutzung der Freifläche anstrebt. Bei diesen Gründen handelt es sich um sachliche Erwägungen, die wegerechtlich relevant und zumindest im Hinblick auf die Zugänglichkeit des Gebäudes durch den Anliegergebrauch der Beigeladenen abgedeckt sind.
37 
Auch wenn im konkreten Fall demnach wegerechtliche relevante Gesichtspunkte zu der Verweigerung bzw. dem Widerruf der Zustimmung zur Erweiterung der Außenbewirtschaftungsfläche geführt haben, ist die Entscheidung der Beklagten dennoch ermessensfehlerhaft. Ein Ermessensfehler ist unter anderem dann zu bejahen, wenn die Behörde das ihr zustehende Ermessen nicht ausgeübt hat.
38 
Dies ist vorliegend zu bejahen. Da die in den Richtlinien enthaltene abstrakte Abwägung rechtswidrig ist, reicht diese abstrakte Ermessensbetätigung im konkreten Fall alleine nicht aus, um eine ermessensfehlerfreie Entscheidung der Beklagten zu bejahen. Die Beklagte hätte vielmehr selbst eigene Ermessenserwägungen anstellen und die betroffenen Interessen gegeneinander abwägen müssen. Dies hat sie jedoch nicht getan.
39 
Die Beklagte hat ihre Entscheidung unter Anwendung von Nummer 3 Satz 4 der in der Anlage zu ihrer Satzung über Sondernutzungen an öffentlichen Straßen enthaltenen Richtlinien ausschließlich auf die fehlende Zustimmung der Beigeladenen gestützt. Weder dem Ausgangsbescheid vom 27.02.2014 noch dem Widerspruchsbescheid vom 12.05.2015 lassen sich auf den konkreten Einzelfall bezogene Ermessenserwägungen bzw. eine Abwägung der Interessen des Klägers mit denjenigen der Beigeladenen entnehmen. Aus dem Wortlaut der Entscheidungen der Beklagten geht hervor, dass sich diese an die in der Nummer 3 Satz 4 enthaltene Regelung dergestalt gebunden fühlte, dass diese im Falle des Widerrufs der nachbarlichen Zustimmung zur Erweiterung der Außenbewirtschaftungsfläche zu widerrufen war.
40 
Die Beklagte hat auch keine Möglichkeit, die fehlenden Ermessenserwägungen nachzuholen. § 114 Satz 2 VwGO regelt nur die Ergänzung der Ermessenserwägungen, nicht die vollständige Nachholung oder die Auswechslung der die Ermessensentscheidung tragenden Gründe (vgl. BVerwG, Urteil vom 05.05.1998, Az.: 1 C 17/97, juris Rn. 40). Wie bereits ausgeführt, enthält der streitgegenständliche Bescheid keine Ermessenserwägungen. Allein die (fehlerhaften) abstrakten Ermessenserwägungen des Satz 4 Nummer 3 der Richtlinien reichen nicht aus, um eine nachträgliche Ergänzung von Ermessenserwägungen zu ermöglichen, da allein die Existenz ermessenslenkender Verwaltungsvorschriften die betroffene Behörde nicht davon enthebt, eine eigenverantwortliche Entscheidung zu treffen.
41 
Da der Verwaltungsakt rechtswidrig ist, wird der Kläger durch den Widerruf seiner Sondernutzungserlaubnis und die im Widerspruchsbescheid festgesetzte Widerspruchsgebühr auch in eigenen Rechten verletzt.
42 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
43 
Beschluss vom 10. März 2017
44 
Der Streitwert wird gemäß § 52 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes auf
45 
50 000 EUR
46 
festgesetzt. Nach Nummer 43.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit ist bei einem Rechtsstreit über eine straßenrechtliche Sondernutzungserlaubnis der zu erwartende Gewinn bis zur Grenze des Jahresbetrages, mindestens aber 500 EUR als Streitwert anzusetzen (vgl. Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit, abgedruckt in: Kopp/Schenke, VwGO 21. Aufl., Anh. § 164). Nach den Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung beträgt die jährliche Gewinneinbuße aus der fehlenden Nutzbarkeit der zusätzlichen Außenbewirtschaftungsfläche 50 000 EUR, so dass dieser Wert als Streitwert festzusetzen war.

Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Stuttgart Urteil, 10. März 2017 - 8 K 3106/15

Urteilsbesprechungen zu Verwaltungsgericht Stuttgart Urteil, 10. März 2017 - 8 K 3106/15

Referenzen - Gesetze

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 52 Verfahren vor Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit


(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.
Verwaltungsgericht Stuttgart Urteil, 10. März 2017 - 8 K 3106/15 zitiert 7 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 52 Verfahren vor Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit


(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 114


Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens übersch

Referenzen - Urteile

Verwaltungsgericht Stuttgart Urteil, 10. März 2017 - 8 K 3106/15 zitiert oder wird zitiert von 1 Urteil(en).

Verwaltungsgericht Stuttgart Urteil, 10. März 2017 - 8 K 3106/15 zitiert 1 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesverwaltungsgericht Urteil, 11. Mai 2016 - 10 C 8/15

bei uns veröffentlicht am 11.05.2016

Tatbestand 1 Die Klägerin wendet sich gegen einen Bescheid, mit dem sie zur Zahlung von Zinsen für eine überzahlte Zuwendung verpflichtet wird.

Referenzen

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Verwaltungsbehörde kann ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen.

Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich gegen einen Bescheid, mit dem sie zur Zahlung von Zinsen für eine überzahlte Zuwendung verpflichtet wird.

2

Der Beklagte gewährte der Klägerin im August 1989 eine Zuwendung von bis zu 1 143 000 DM aus Mitteln der Finanzhilfen des Bundes für Investitionen zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse der Gemeinden als Anteilfinanzierung unter Zugrundelegung der vorläufigen Verwaltungsvorschriften zu § 44 LHO vom 14. Juni 1987 (VV-LHO). Die Förderbedingungen verpflichteten die Klägerin, die Verwendung der Zuwendung innerhalb eines Jahres nach Erfüllung des Zuwendungszwecks nachzuweisen (Nr. 6.1 Anlage 3 zur VV-LHO), und die Bewilligungsbehörde, den Nachweis der Verwendung von der Zuwendungsempfängerin zu verlangen (Nr. 10.1 VV-LHO). Die Klägerin rief die gesamte Zuwendung bis 13. Dezember 1996 ab. Am 1. Juni 1997 stellte sie die geförderte Baumaßnahme fertig. Im Dezember 2007 übersandte sie dem Beklagten einen Verwendungsnachweis. Nach Prüfung der von der Klägerin beigebrachten Unterlagen verminderte der Beklagte mit Bescheid vom 1. Dezember 2008 die der Klägerin bewilligte Zuwendung um 89 745 € auf 494 662 €.

3

Mit weiterem Bescheid vom 14. September 2010 verpflichtete der Beklagte die Klägerin zur Zahlung von Zinsen in Höhe von 60 517 € für den Zeitraum 13. Dezember 1996 bis 9. März 2008. Zur Begründung führte er aus, nach § 49a Abs. 4 HVwVfG könnten Zinsen verlangt werden, wenn eine Leistung in Anspruch genommen werde, obwohl andere Mittel anteilig oder vorrangig einzusetzen seien. Außergewöhnliche Umstände, die eine Nichterhebung von Zinsen rechtfertigen könnten, seien nicht erkennbar. Insbesondere könne die Klägerin sich nicht auf fehlendes Verschulden berufen. Sie habe bei Abruf der Mittel nicht berücksichtigt, dass der in der Förderungsberechnung angesetzte Finanzierungsanteil Dritter nicht bezuschusst werde. Ausschließlich zu ihren Lasten gehe auch der Umstand, dass die Akten ohne Abrechnung und Aufstellung eines Verwendungsnachweises archiviert worden seien. Eine Verpflichtung des Zuwendungsgebers, den Verwendungsnachweis anzufordern, bestehe nicht.

4

Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Der Verwaltungsgerichtshof hat die von der Klägerin zuletzt auf den Zeitraum 13. Dezember 1996 bis 31. Dezember 2006 beschränkte Berufung zurückgewiesen. Als Rechtsgrundlage für die festgesetzte Zinsforderung sei § 49a Abs. 3 des Hessischen Verwaltungsverfahrensgesetzes - HVwVfG - in der Fassung des Gesetzes zur Änderung verwaltungsverfahrens- und kostenrechtlicher Vorschriften vom 1. Dezember 1994 (HEGVBl. I S. 677) analog heranzuziehen. Eine unmittelbare Anwendung der Vorschrift komme nicht in Betracht. Der ursprüngliche Zuwendungsbescheid habe seine Wirkung nicht in Folge des Eintritts einer auflösenden Bedingung verloren, sondern weil die Höhe der Zuwendung verbindlich erst in dem Schlussbescheid im Dezember 2008 geregelt worden sei. Auf eine solche Fallkonstellation sei § 49a Abs. 3 HVwVfG entsprechend anwendbar.

5

Die Ermessensausübung des Beklagten sei gemessen an § 49a Abs. 3 Satz 2 HVwVfG rechtlich nicht zu beanstanden. Es schade nicht, dass der Beklagte angenommen habe, eine Ermessensentscheidung im Rahmen des § 49a Abs. 4 HVwVfG treffen zu müssen. Beide Ermessensermächtigungen dienten dem Ziel einer sparsamen und wirtschaftlichen Haushaltsführung. Es bedürfe jeweils außergewöhnlicher Umstände, um die Nichterhebung von Zinsen zu rechtfertigen. Solche lägen nicht vor. Der Beklagte habe zu Recht angenommen, dass die Klägerin die die Zinsansprüche auslösende Überzahlung alleine verschuldet habe. Das folge zwar nicht aus dem Umstand, dass die Klägerin fiktive Finanzierungsbeiträge Dritter nicht zu ihren Lasten berücksichtigt habe. Es folge aber daraus, dass die Klägerin eine Verringerung der förderfähigen Ausgaben an den insgesamt gestiegenen Gesamtkosten nicht in ihre Berechnungen eingestellt und deshalb die gesamte Fördersumme abgerufen habe. Diese Ursache für die Überzahlung falle nicht in den Verantwortungsbereich des Beklagten, der den Zuwendungshöchstbetrag für die Klägerin zutreffend errechnet habe. Zudem sei die Klägerin ihrer aus den Förderbedingungen folgenden Verpflichtung, den Verwendungsnachweis binnen eines Jahres nach Abschluss der Arbeiten einzureichen, nicht nachgekommen. Der Geltendmachung von Erstattungszinsen stehe schließlich nicht entgegen, dass der Beklagte bei der ihm gemäß Ziff. 9.1 und 10.1 VV-LHO obliegenden Kontrolle der zweckentsprechenden Mittelverwendung über Jahre hinweg versagt habe. Denn nach den Förderbedingungen sei die Klägerin vorrangig in der Pflicht gewesen. Sie könne sich nicht unter Hinweis auf die fehlende Kontrolle den Zinsvorteil dauerhaft sichern.

6

Mit der Revision macht die Klägerin im Wesentlichen geltend, die Zinsansprüche des Beklagten für Zeiträume vor dem 1. Januar 2007 seien verjährt.

7

Sie beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Kassel vom 12. April 2012 und das Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 13. Mai 2014 zu ändern und den Bescheid des Amtes für Straßen- und Verkehrswesen K. vom 14. September 2010 aufzuheben, soweit damit Zinsen für die Zeit vor dem 1. Januar 2007 festgesetzt wurden.

8

Der Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

9

Er verteidigt das Urteil.

Entscheidungsgründe

10

Die Revision der Klägerin ist mit der Rechtsfolge der Aufhebung des streitgegenständlichen Bescheids begründet. Das angegriffene Urteil beruht auf einer unrichtigen Anwendung von § 114 Satz 1 VwGO. Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden, da der Sachverhalt geklärt ist (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO). Der Bescheid des Beklagten vom 14. September 2010 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten.

11

1. Der Verwaltungsgerichtshof ist zu Recht davon ausgegangen, dass eine Verpflichtung der Klägerin zur Verzinsung der Erstattungsforderung alleine aus einer entsprechenden Anwendung des § 49a Abs. 3 HVwVfG folgen kann. Der Senat ist an die nicht mit Verfahrensrügen angegriffene Auslegung des Verwaltungsgerichtshofs gebunden, der Bescheid des Beklagten vom 10. August 1989 sei ein in verschiedener Hinsicht vorläufiger Bescheid, der insoweit durch den endgültigen Bescheid vom 1. Dezember 2008 ersetzt worden sei (§ 137 Abs. 2 VwGO). Dies zugrunde gelegt ist, wie der Verwaltungsgerichtshof zutreffend erkannt hat, § 49a Abs. 4 HVwVfG nicht anwendbar. In Rede stehen nämlich nicht lediglich Zwischenzinsen, sondern Erstattungszinsen (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Januar 2013 - 8 C 2.12 - Buchholz 316 § 49a VwVfG Nr. 12 Rn. 15 ff.). Diese regelt § 49a Abs. 3 HVwVfG, der seinem Wortlaut nach allerdings nur bei Rücknahme, Widerruf und Eintritt einer auflösenden Bedingung einschlägig ist. Die Vorschrift ist aber auf Fälle, in denen ein vorläufiger Bescheid durch einen endgültigen Bescheid ersetzt wird und dadurch der Behaltensgrund für eine Geldleistung entfällt, entsprechend anwendbar. Denn für eine Privilegierung einer Erstattungsforderung, die durch Erlass eines endgültigen Bescheides entsteht, gegenüber Erstattungsforderungen, die durch Rücknahme, Widerruf oder Eintritt einer auflösenden Bedingung begründet werden, ist ein sachlicher Grund nicht erkennbar (vgl. BVerwG, Urteil vom 19. November 2009 - 3 C 7.09 - Buchholz 316 § 49a VwVfG Nr. 8 Rn. 24 ff.).

12

Die entsprechende Anwendung des § 49a Abs. 3 HVwVfG durch den Verwaltungsgerichtshof ist revisionsgerichtlicher Prüfung zugänglich. Nach § 137 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 VwGO kann die Revision auch darauf gestützt werden, dass das angefochtene Urteil auf der Verletzung einer Vorschrift des Verwaltungsverfahrensgesetzes eines Landes beruht, die ihrem Wortlaut nach mit dem Verwaltungsverfahrensgesetz des Bundes übereinstimmt. Die Vorschrift soll die Einheitlichkeit der Anwendung des Verwaltungsverfahrensrechts in Bund und Ländern sichern (BVerwG, Beschluss vom 30. November 1994 - 4 B 243.94 - Buchholz 310 § 80 VwGO Nr. 59). Dieser Vereinheitlichungszweck gebietet es, sie nicht nur in Fallkonstellationen anzuwenden, in denen um die richtige Anwendung des in Bund und Land einheitlich positiv geregelten Verwaltungsverfahrensrechts gestritten wird, sondern auch in Konstellationen, in denen es um die rechtlich zutreffende Schließung einer im Bundes- wie im Landesverwaltungsverfahrensgesetz gleichermaßen bestehenden Lücke geht (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Januar 2013 - 8 C 2.12 - Buchholz 316 § 49a VwVfG Nr. 12 Rn. 19). Um einen solchen Fall handelt es sich hier. Die Verzinsung einer Erstattungsforderung, die durch die Ersetzung eines vorläufigen Bescheides durch einen endgültigen Bescheid ausgelöst wird, ist weder im Bundes- noch im hessischen Landesrecht geregelt. Die bestehende Regelungslücke ist, wie der Vergleich mit den in § 49a VwVfG und § 49a HVwVfG ausdrücklich geregelten Sachverhalten zeigt, auch dem Bereich des Verwaltungsverfahrensrechts zuzurechnen. Sowohl in den von § 49a VwVfG und § 49a HVwVfG erfassten Fällen als auch im vorliegenden nicht geregelten Fall geht es um die Bewältigung der Folgen des Wegfalls des Rechtsgrunds für eine Geldleistung. Die Bewältigung dieser Folgen hat der Gesetzgeber mit § 49a VwVfG und § 49a HVwVfG dem Verwaltungsverfahrensrecht zugeordnet. Die damit aufgeworfenen Fragen sind daher in gleicher Weise revisibel.

13

2. Die Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofs zur Ermessenskontrolle sind mit § 114 Satz 1 VwGO nicht vereinbar. Die Vorschrift legt den gerichtlichen Prüfungsumfang bei Ermessensentscheidungen fest. Das Gericht hat danach nur zu prüfen, ob die Verwaltung den ihr eingeräumten Ermessensspielraum ausgeschöpft hat, ob sie die gesetzlichen Grenzen der Ermessensbetätigung überschritten hat und ob sie die nach dem Zweck der Ermessensermächtigung für die Entscheidung relevanten Gesichtspunkte bei ihrer Entscheidung berücksichtigt hat (vgl. Rennert, in: Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 114 Rn. 10). Es darf die getroffene Entscheidung nur anhand derjenigen Erwägungen überprüfen, die die Behörde tatsächlich angestellt hat, wozu auch in Einklang mit § 114 Satz 2 VwGO nachgeschobene Erwägungen zählen (vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Juni 2013 - 8 C 46.12 - BVerwGE 147, 81 Rn. 34). Tragen diese Erwägungen nicht, so ist die Entscheidung rechtswidrig und muss aufgehoben werden. Das Gericht ist nicht befugt, die behördliche Entscheidung aus Gründen, die für die Verwaltung nicht oder nicht allein ausschlaggebend waren, im Ergebnis aufrecht zu erhalten (BVerwG, Urteil vom 17. März 1981 - 1 C 6.77 - Buchholz 402.24 § 10 AuslG Nr. 80 S. 5 f.; Rennert, a.a.O., Rn. 22 ff.).

14

a) Der Verwaltungsgerichtshofs hat zutreffend erkannt, dass die Ermessensentscheidung nicht schon deswegen rechtswidrig ist, weil der Beklagte von § 49a Abs. 4 HVwVfG und nicht von § 49a Abs. 3 HVwVfG ausgegangen ist. Das folgt aus § 47 Abs. 3 VwVfG, der lediglich die Umdeutung einer gebundenen in eine Ermessensentscheidung verbietet, nicht aber die Umdeutung einer Ermessensentscheidung in eine andere Ermessensentscheidung (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 16. Aufl. 2015, § 47 Rn. 30). Lässt der Gesetzgeber das Auswechseln der Ermessensermächtigung bei einer Umdeutung eines Verwaltungsakts zu, muss dies erst recht für den Fall des bloßen Begründungswechsels gelten.

15

b) Nicht zu beanstanden ist auch die Annahme des Verwaltungsgerichtshofs, der Zweck des § 49a Abs. 3 Satz 2 HVwVfG werde wesentlich durch die Grundsätze der sparsamen und wirtschaftlichen Haushaltsführung geprägt, die nur ausnahmsweise bei Vorliegen entsprechend gewichtiger Gesichtspunkte mit dem Ergebnis eines Absehens von der Zinserhebung überwunden werden können. Die Vorschrift des § 49a Abs. 3 HVwVfG soll ebenso wie die Vorschrift des § 49a Abs. 3 VwVfG verhindern, dass unverbrauchte Zuwendungen anstelle ihrer zeitnahen Verwendung oder Zurückführung an den Zuwendungsgeber vom Zuwendungsempfänger zinsbringend zu seinen Gunsten verwendet werden (vgl. LT-Drs. 13/5844 S. 7 f.; BT-Drs. 13/1534 S. 6 f.). Ein Absehen von der Erhebung von Zinsen nach § 49a Abs. 3 Satz 2 HVwVfG kann daher nur dann in Betracht kommen, wenn die vom Gesetzgeber regelmäßig angenommene Möglichkeit des Zuwendungsnehmers, sich für die Dauer der Überzahlung einen Zinsvorteil auf Kosten des Zuwendungsgebers zu verschaffen, ausnahmsweise nicht kompensiert werden muss.

16

c) Der Verwaltungsgerichtshof hat jedoch unter Verstoß gegen § 114 Satz 1 VwGO angenommen, der Beklagte habe sein Ermessen in einer dem Zweck des § 49a Abs. 3 Satz 2 HVwVfG entsprechenden Weise ausgeübt. Er hat in seine Ermessensprüfung Erwägungen eingestellt, die der Beklagte in seinem Bescheid selbst nicht benannt und im Laufe des Prozesses auch nicht zulässigerweise gemäß § 114 Satz 2 VwGO nachgeschoben hat.

17

aa) Der Beklagte hat in der Begründung seines Bescheides ausgeführt, die Klägerin habe die Überzahlung zu vertreten, weil sie bei Abruf der ihr gewährten Zuwendung den von Dritten zu tragenden Finanzierungsbeitrag nicht berücksichtigt habe. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Verantwortung der Klägerin für das Entstehen der Überzahlung dagegen aus dem Umstand abgeleitet, dass der Anteil der förderfähigen Ausgaben an den Gesamtkosten während der Bauphase erheblich gesunken sei, sodass die zuwendungsfähigen Baukosten am Ende trotz einer Gesamtkostensteigerung niedriger gewesen seien als im ursprünglichen Zuwendungsbescheid veranschlagt. Mit diesen Erwägungen führt der Verwaltungsgerichtshof Gesichtspunkte in die Ermessensprüfung ein, die der Beklagte nicht zur Begründung seiner Ermessensentscheidung herangezogen hat. Er überschreitet damit den ihm durch § 114 Satz 1 VwGO vorgegebenen, auf die von der Behörde benannten Ermessensgesichtspunkte beschränkten Prüfungsrahmen. Der von der Behörde genannte Gesichtspunkt ist auch nicht allein deswegen mit dem vom Verwaltungsgerichtshof benannten identisch, weil aus beiden die Verantwortlichkeit der Klägerin für die Überzahlung abgeleitet wird.

18

bb) Der Beklagte hat in der Begründung seines Bescheides weiter ausgeführt, lediglich die Klägerin, nicht aber der Beklagte sei verantwortlich für die rechtzeitige Einreichung des Verwendungsnachweises gewesen. Demgegenüber ist der Verwaltungsgerichtshof, unter Hinweis auf Ziff. 9.1 und 10.1 VV-LHO (StAnz 1987, 1475, 1478) von einer Verpflichtung des Beklagten ausgegangen, den Verwendungsnachweis aktiv einzufordern. Er hat diese Pflicht dann aber hinter die Verpflichtungen der Klägerin für eine rechtmäßige Abwicklung des Zuwendungsverhältnisses zurücktreten lassen. Mit diesen Erwägungen, die nicht Gegenstand der behördlichen Ermessenprüfung waren und vom Beklagten auch nicht zulässigerweise nach § 114 Satz 2 VwGO in das Verfahren eingeführt wurden, durfte der Verwaltungsgerichtshof sein Ergebnis, die behördliche Ermessensausübung sei nicht zu beanstanden, ebenfalls nicht rechtfertigen.

19

3. Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden, da der Sachverhalt geklärt ist (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO). Die zu überprüfenden Ermessenserwägungen ergeben sich aus der Begründung des Bescheides des Beklagten vom 14. September 2010 und hinsichtlich eventueller Ergänzungen im Sinne des § 114 Satz 2 VwGO aus dem Vortrag des Beklagten im gerichtlichen Verfahren.

20

Der Bescheid des Beklagten vom 14. September 2010 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Der Beklagte hat seine Ermessensausübung auf einen rechtlich unzutreffenden Gesichtspunkt gestützt. Er ist in seinem Bescheid davon ausgegangen, dass ihn keinerlei Verpflichtung getroffen habe, den Verwendungsnachweis anzumahnen. Diese Annahme widerspricht dem klaren Wortlaut der von ihm in das Förderverhältnis einbezogenen Förderbedingungen (vgl. Nr. 10.1 VV-LHO).

21

Der Beklagte hat zudem in seine Ermessensentscheidung nicht einbezogen, in welchem Umfang die Dauer der Überzahlung - und damit auch die Dauer der der Klägerin auferlegten Verzinsungspflicht - von ihm selbst mitverursacht worden ist. Das hätte nach dem oben beschriebenen Zweck des § 49a Abs. 3 Satz 2 HVwVfG aber nahe gelegen. Hierbei ist nämlich in Rechnung zu stellen, dass der Beklagte das Zuwendungsverhältnis selbst durch einen in verschiedener Hinsicht nur vorläufigen Bescheid geregelt hatte, der seiner Natur nach auf eine endgültige Regelung durch einen Schlussbescheid ausgelegt war. Vor Erlass dieses Schlussbescheides konnte der Beklagte das Zuwendungsverfahren selbst nicht als abgeschlossen betrachten, sondern musste das Zuwendungsverhältnis auch seinerseits dauernd unter Beobachtung halten. Dem geben die erwähnten Bestimmungen in Nr. 10.1 VV-LHO Ausdruck. Dann aber liegt das Risiko eines verspäteten Abschlusses des Zuwendungsverfahrens nicht einseitig bei der Zuwendungsempfängerin. Diesem Umstand musste der Beklagte bei seiner Ermessensentscheidung, ob und in welcher Höhe Erstattungszinsen zu erheben seien, Rechnung tragen.

22

Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO.

Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Verwaltungsbehörde kann ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Verwaltungsbehörde kann ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen.

Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich gegen einen Bescheid, mit dem sie zur Zahlung von Zinsen für eine überzahlte Zuwendung verpflichtet wird.

2

Der Beklagte gewährte der Klägerin im August 1989 eine Zuwendung von bis zu 1 143 000 DM aus Mitteln der Finanzhilfen des Bundes für Investitionen zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse der Gemeinden als Anteilfinanzierung unter Zugrundelegung der vorläufigen Verwaltungsvorschriften zu § 44 LHO vom 14. Juni 1987 (VV-LHO). Die Förderbedingungen verpflichteten die Klägerin, die Verwendung der Zuwendung innerhalb eines Jahres nach Erfüllung des Zuwendungszwecks nachzuweisen (Nr. 6.1 Anlage 3 zur VV-LHO), und die Bewilligungsbehörde, den Nachweis der Verwendung von der Zuwendungsempfängerin zu verlangen (Nr. 10.1 VV-LHO). Die Klägerin rief die gesamte Zuwendung bis 13. Dezember 1996 ab. Am 1. Juni 1997 stellte sie die geförderte Baumaßnahme fertig. Im Dezember 2007 übersandte sie dem Beklagten einen Verwendungsnachweis. Nach Prüfung der von der Klägerin beigebrachten Unterlagen verminderte der Beklagte mit Bescheid vom 1. Dezember 2008 die der Klägerin bewilligte Zuwendung um 89 745 € auf 494 662 €.

3

Mit weiterem Bescheid vom 14. September 2010 verpflichtete der Beklagte die Klägerin zur Zahlung von Zinsen in Höhe von 60 517 € für den Zeitraum 13. Dezember 1996 bis 9. März 2008. Zur Begründung führte er aus, nach § 49a Abs. 4 HVwVfG könnten Zinsen verlangt werden, wenn eine Leistung in Anspruch genommen werde, obwohl andere Mittel anteilig oder vorrangig einzusetzen seien. Außergewöhnliche Umstände, die eine Nichterhebung von Zinsen rechtfertigen könnten, seien nicht erkennbar. Insbesondere könne die Klägerin sich nicht auf fehlendes Verschulden berufen. Sie habe bei Abruf der Mittel nicht berücksichtigt, dass der in der Förderungsberechnung angesetzte Finanzierungsanteil Dritter nicht bezuschusst werde. Ausschließlich zu ihren Lasten gehe auch der Umstand, dass die Akten ohne Abrechnung und Aufstellung eines Verwendungsnachweises archiviert worden seien. Eine Verpflichtung des Zuwendungsgebers, den Verwendungsnachweis anzufordern, bestehe nicht.

4

Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Der Verwaltungsgerichtshof hat die von der Klägerin zuletzt auf den Zeitraum 13. Dezember 1996 bis 31. Dezember 2006 beschränkte Berufung zurückgewiesen. Als Rechtsgrundlage für die festgesetzte Zinsforderung sei § 49a Abs. 3 des Hessischen Verwaltungsverfahrensgesetzes - HVwVfG - in der Fassung des Gesetzes zur Änderung verwaltungsverfahrens- und kostenrechtlicher Vorschriften vom 1. Dezember 1994 (HEGVBl. I S. 677) analog heranzuziehen. Eine unmittelbare Anwendung der Vorschrift komme nicht in Betracht. Der ursprüngliche Zuwendungsbescheid habe seine Wirkung nicht in Folge des Eintritts einer auflösenden Bedingung verloren, sondern weil die Höhe der Zuwendung verbindlich erst in dem Schlussbescheid im Dezember 2008 geregelt worden sei. Auf eine solche Fallkonstellation sei § 49a Abs. 3 HVwVfG entsprechend anwendbar.

5

Die Ermessensausübung des Beklagten sei gemessen an § 49a Abs. 3 Satz 2 HVwVfG rechtlich nicht zu beanstanden. Es schade nicht, dass der Beklagte angenommen habe, eine Ermessensentscheidung im Rahmen des § 49a Abs. 4 HVwVfG treffen zu müssen. Beide Ermessensermächtigungen dienten dem Ziel einer sparsamen und wirtschaftlichen Haushaltsführung. Es bedürfe jeweils außergewöhnlicher Umstände, um die Nichterhebung von Zinsen zu rechtfertigen. Solche lägen nicht vor. Der Beklagte habe zu Recht angenommen, dass die Klägerin die die Zinsansprüche auslösende Überzahlung alleine verschuldet habe. Das folge zwar nicht aus dem Umstand, dass die Klägerin fiktive Finanzierungsbeiträge Dritter nicht zu ihren Lasten berücksichtigt habe. Es folge aber daraus, dass die Klägerin eine Verringerung der förderfähigen Ausgaben an den insgesamt gestiegenen Gesamtkosten nicht in ihre Berechnungen eingestellt und deshalb die gesamte Fördersumme abgerufen habe. Diese Ursache für die Überzahlung falle nicht in den Verantwortungsbereich des Beklagten, der den Zuwendungshöchstbetrag für die Klägerin zutreffend errechnet habe. Zudem sei die Klägerin ihrer aus den Förderbedingungen folgenden Verpflichtung, den Verwendungsnachweis binnen eines Jahres nach Abschluss der Arbeiten einzureichen, nicht nachgekommen. Der Geltendmachung von Erstattungszinsen stehe schließlich nicht entgegen, dass der Beklagte bei der ihm gemäß Ziff. 9.1 und 10.1 VV-LHO obliegenden Kontrolle der zweckentsprechenden Mittelverwendung über Jahre hinweg versagt habe. Denn nach den Förderbedingungen sei die Klägerin vorrangig in der Pflicht gewesen. Sie könne sich nicht unter Hinweis auf die fehlende Kontrolle den Zinsvorteil dauerhaft sichern.

6

Mit der Revision macht die Klägerin im Wesentlichen geltend, die Zinsansprüche des Beklagten für Zeiträume vor dem 1. Januar 2007 seien verjährt.

7

Sie beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Kassel vom 12. April 2012 und das Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 13. Mai 2014 zu ändern und den Bescheid des Amtes für Straßen- und Verkehrswesen K. vom 14. September 2010 aufzuheben, soweit damit Zinsen für die Zeit vor dem 1. Januar 2007 festgesetzt wurden.

8

Der Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

9

Er verteidigt das Urteil.

Entscheidungsgründe

10

Die Revision der Klägerin ist mit der Rechtsfolge der Aufhebung des streitgegenständlichen Bescheids begründet. Das angegriffene Urteil beruht auf einer unrichtigen Anwendung von § 114 Satz 1 VwGO. Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden, da der Sachverhalt geklärt ist (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO). Der Bescheid des Beklagten vom 14. September 2010 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten.

11

1. Der Verwaltungsgerichtshof ist zu Recht davon ausgegangen, dass eine Verpflichtung der Klägerin zur Verzinsung der Erstattungsforderung alleine aus einer entsprechenden Anwendung des § 49a Abs. 3 HVwVfG folgen kann. Der Senat ist an die nicht mit Verfahrensrügen angegriffene Auslegung des Verwaltungsgerichtshofs gebunden, der Bescheid des Beklagten vom 10. August 1989 sei ein in verschiedener Hinsicht vorläufiger Bescheid, der insoweit durch den endgültigen Bescheid vom 1. Dezember 2008 ersetzt worden sei (§ 137 Abs. 2 VwGO). Dies zugrunde gelegt ist, wie der Verwaltungsgerichtshof zutreffend erkannt hat, § 49a Abs. 4 HVwVfG nicht anwendbar. In Rede stehen nämlich nicht lediglich Zwischenzinsen, sondern Erstattungszinsen (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Januar 2013 - 8 C 2.12 - Buchholz 316 § 49a VwVfG Nr. 12 Rn. 15 ff.). Diese regelt § 49a Abs. 3 HVwVfG, der seinem Wortlaut nach allerdings nur bei Rücknahme, Widerruf und Eintritt einer auflösenden Bedingung einschlägig ist. Die Vorschrift ist aber auf Fälle, in denen ein vorläufiger Bescheid durch einen endgültigen Bescheid ersetzt wird und dadurch der Behaltensgrund für eine Geldleistung entfällt, entsprechend anwendbar. Denn für eine Privilegierung einer Erstattungsforderung, die durch Erlass eines endgültigen Bescheides entsteht, gegenüber Erstattungsforderungen, die durch Rücknahme, Widerruf oder Eintritt einer auflösenden Bedingung begründet werden, ist ein sachlicher Grund nicht erkennbar (vgl. BVerwG, Urteil vom 19. November 2009 - 3 C 7.09 - Buchholz 316 § 49a VwVfG Nr. 8 Rn. 24 ff.).

12

Die entsprechende Anwendung des § 49a Abs. 3 HVwVfG durch den Verwaltungsgerichtshof ist revisionsgerichtlicher Prüfung zugänglich. Nach § 137 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 VwGO kann die Revision auch darauf gestützt werden, dass das angefochtene Urteil auf der Verletzung einer Vorschrift des Verwaltungsverfahrensgesetzes eines Landes beruht, die ihrem Wortlaut nach mit dem Verwaltungsverfahrensgesetz des Bundes übereinstimmt. Die Vorschrift soll die Einheitlichkeit der Anwendung des Verwaltungsverfahrensrechts in Bund und Ländern sichern (BVerwG, Beschluss vom 30. November 1994 - 4 B 243.94 - Buchholz 310 § 80 VwGO Nr. 59). Dieser Vereinheitlichungszweck gebietet es, sie nicht nur in Fallkonstellationen anzuwenden, in denen um die richtige Anwendung des in Bund und Land einheitlich positiv geregelten Verwaltungsverfahrensrechts gestritten wird, sondern auch in Konstellationen, in denen es um die rechtlich zutreffende Schließung einer im Bundes- wie im Landesverwaltungsverfahrensgesetz gleichermaßen bestehenden Lücke geht (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Januar 2013 - 8 C 2.12 - Buchholz 316 § 49a VwVfG Nr. 12 Rn. 19). Um einen solchen Fall handelt es sich hier. Die Verzinsung einer Erstattungsforderung, die durch die Ersetzung eines vorläufigen Bescheides durch einen endgültigen Bescheid ausgelöst wird, ist weder im Bundes- noch im hessischen Landesrecht geregelt. Die bestehende Regelungslücke ist, wie der Vergleich mit den in § 49a VwVfG und § 49a HVwVfG ausdrücklich geregelten Sachverhalten zeigt, auch dem Bereich des Verwaltungsverfahrensrechts zuzurechnen. Sowohl in den von § 49a VwVfG und § 49a HVwVfG erfassten Fällen als auch im vorliegenden nicht geregelten Fall geht es um die Bewältigung der Folgen des Wegfalls des Rechtsgrunds für eine Geldleistung. Die Bewältigung dieser Folgen hat der Gesetzgeber mit § 49a VwVfG und § 49a HVwVfG dem Verwaltungsverfahrensrecht zugeordnet. Die damit aufgeworfenen Fragen sind daher in gleicher Weise revisibel.

13

2. Die Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofs zur Ermessenskontrolle sind mit § 114 Satz 1 VwGO nicht vereinbar. Die Vorschrift legt den gerichtlichen Prüfungsumfang bei Ermessensentscheidungen fest. Das Gericht hat danach nur zu prüfen, ob die Verwaltung den ihr eingeräumten Ermessensspielraum ausgeschöpft hat, ob sie die gesetzlichen Grenzen der Ermessensbetätigung überschritten hat und ob sie die nach dem Zweck der Ermessensermächtigung für die Entscheidung relevanten Gesichtspunkte bei ihrer Entscheidung berücksichtigt hat (vgl. Rennert, in: Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 114 Rn. 10). Es darf die getroffene Entscheidung nur anhand derjenigen Erwägungen überprüfen, die die Behörde tatsächlich angestellt hat, wozu auch in Einklang mit § 114 Satz 2 VwGO nachgeschobene Erwägungen zählen (vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Juni 2013 - 8 C 46.12 - BVerwGE 147, 81 Rn. 34). Tragen diese Erwägungen nicht, so ist die Entscheidung rechtswidrig und muss aufgehoben werden. Das Gericht ist nicht befugt, die behördliche Entscheidung aus Gründen, die für die Verwaltung nicht oder nicht allein ausschlaggebend waren, im Ergebnis aufrecht zu erhalten (BVerwG, Urteil vom 17. März 1981 - 1 C 6.77 - Buchholz 402.24 § 10 AuslG Nr. 80 S. 5 f.; Rennert, a.a.O., Rn. 22 ff.).

14

a) Der Verwaltungsgerichtshofs hat zutreffend erkannt, dass die Ermessensentscheidung nicht schon deswegen rechtswidrig ist, weil der Beklagte von § 49a Abs. 4 HVwVfG und nicht von § 49a Abs. 3 HVwVfG ausgegangen ist. Das folgt aus § 47 Abs. 3 VwVfG, der lediglich die Umdeutung einer gebundenen in eine Ermessensentscheidung verbietet, nicht aber die Umdeutung einer Ermessensentscheidung in eine andere Ermessensentscheidung (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 16. Aufl. 2015, § 47 Rn. 30). Lässt der Gesetzgeber das Auswechseln der Ermessensermächtigung bei einer Umdeutung eines Verwaltungsakts zu, muss dies erst recht für den Fall des bloßen Begründungswechsels gelten.

15

b) Nicht zu beanstanden ist auch die Annahme des Verwaltungsgerichtshofs, der Zweck des § 49a Abs. 3 Satz 2 HVwVfG werde wesentlich durch die Grundsätze der sparsamen und wirtschaftlichen Haushaltsführung geprägt, die nur ausnahmsweise bei Vorliegen entsprechend gewichtiger Gesichtspunkte mit dem Ergebnis eines Absehens von der Zinserhebung überwunden werden können. Die Vorschrift des § 49a Abs. 3 HVwVfG soll ebenso wie die Vorschrift des § 49a Abs. 3 VwVfG verhindern, dass unverbrauchte Zuwendungen anstelle ihrer zeitnahen Verwendung oder Zurückführung an den Zuwendungsgeber vom Zuwendungsempfänger zinsbringend zu seinen Gunsten verwendet werden (vgl. LT-Drs. 13/5844 S. 7 f.; BT-Drs. 13/1534 S. 6 f.). Ein Absehen von der Erhebung von Zinsen nach § 49a Abs. 3 Satz 2 HVwVfG kann daher nur dann in Betracht kommen, wenn die vom Gesetzgeber regelmäßig angenommene Möglichkeit des Zuwendungsnehmers, sich für die Dauer der Überzahlung einen Zinsvorteil auf Kosten des Zuwendungsgebers zu verschaffen, ausnahmsweise nicht kompensiert werden muss.

16

c) Der Verwaltungsgerichtshof hat jedoch unter Verstoß gegen § 114 Satz 1 VwGO angenommen, der Beklagte habe sein Ermessen in einer dem Zweck des § 49a Abs. 3 Satz 2 HVwVfG entsprechenden Weise ausgeübt. Er hat in seine Ermessensprüfung Erwägungen eingestellt, die der Beklagte in seinem Bescheid selbst nicht benannt und im Laufe des Prozesses auch nicht zulässigerweise gemäß § 114 Satz 2 VwGO nachgeschoben hat.

17

aa) Der Beklagte hat in der Begründung seines Bescheides ausgeführt, die Klägerin habe die Überzahlung zu vertreten, weil sie bei Abruf der ihr gewährten Zuwendung den von Dritten zu tragenden Finanzierungsbeitrag nicht berücksichtigt habe. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Verantwortung der Klägerin für das Entstehen der Überzahlung dagegen aus dem Umstand abgeleitet, dass der Anteil der förderfähigen Ausgaben an den Gesamtkosten während der Bauphase erheblich gesunken sei, sodass die zuwendungsfähigen Baukosten am Ende trotz einer Gesamtkostensteigerung niedriger gewesen seien als im ursprünglichen Zuwendungsbescheid veranschlagt. Mit diesen Erwägungen führt der Verwaltungsgerichtshof Gesichtspunkte in die Ermessensprüfung ein, die der Beklagte nicht zur Begründung seiner Ermessensentscheidung herangezogen hat. Er überschreitet damit den ihm durch § 114 Satz 1 VwGO vorgegebenen, auf die von der Behörde benannten Ermessensgesichtspunkte beschränkten Prüfungsrahmen. Der von der Behörde genannte Gesichtspunkt ist auch nicht allein deswegen mit dem vom Verwaltungsgerichtshof benannten identisch, weil aus beiden die Verantwortlichkeit der Klägerin für die Überzahlung abgeleitet wird.

18

bb) Der Beklagte hat in der Begründung seines Bescheides weiter ausgeführt, lediglich die Klägerin, nicht aber der Beklagte sei verantwortlich für die rechtzeitige Einreichung des Verwendungsnachweises gewesen. Demgegenüber ist der Verwaltungsgerichtshof, unter Hinweis auf Ziff. 9.1 und 10.1 VV-LHO (StAnz 1987, 1475, 1478) von einer Verpflichtung des Beklagten ausgegangen, den Verwendungsnachweis aktiv einzufordern. Er hat diese Pflicht dann aber hinter die Verpflichtungen der Klägerin für eine rechtmäßige Abwicklung des Zuwendungsverhältnisses zurücktreten lassen. Mit diesen Erwägungen, die nicht Gegenstand der behördlichen Ermessenprüfung waren und vom Beklagten auch nicht zulässigerweise nach § 114 Satz 2 VwGO in das Verfahren eingeführt wurden, durfte der Verwaltungsgerichtshof sein Ergebnis, die behördliche Ermessensausübung sei nicht zu beanstanden, ebenfalls nicht rechtfertigen.

19

3. Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden, da der Sachverhalt geklärt ist (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO). Die zu überprüfenden Ermessenserwägungen ergeben sich aus der Begründung des Bescheides des Beklagten vom 14. September 2010 und hinsichtlich eventueller Ergänzungen im Sinne des § 114 Satz 2 VwGO aus dem Vortrag des Beklagten im gerichtlichen Verfahren.

20

Der Bescheid des Beklagten vom 14. September 2010 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Der Beklagte hat seine Ermessensausübung auf einen rechtlich unzutreffenden Gesichtspunkt gestützt. Er ist in seinem Bescheid davon ausgegangen, dass ihn keinerlei Verpflichtung getroffen habe, den Verwendungsnachweis anzumahnen. Diese Annahme widerspricht dem klaren Wortlaut der von ihm in das Förderverhältnis einbezogenen Förderbedingungen (vgl. Nr. 10.1 VV-LHO).

21

Der Beklagte hat zudem in seine Ermessensentscheidung nicht einbezogen, in welchem Umfang die Dauer der Überzahlung - und damit auch die Dauer der der Klägerin auferlegten Verzinsungspflicht - von ihm selbst mitverursacht worden ist. Das hätte nach dem oben beschriebenen Zweck des § 49a Abs. 3 Satz 2 HVwVfG aber nahe gelegen. Hierbei ist nämlich in Rechnung zu stellen, dass der Beklagte das Zuwendungsverhältnis selbst durch einen in verschiedener Hinsicht nur vorläufigen Bescheid geregelt hatte, der seiner Natur nach auf eine endgültige Regelung durch einen Schlussbescheid ausgelegt war. Vor Erlass dieses Schlussbescheides konnte der Beklagte das Zuwendungsverfahren selbst nicht als abgeschlossen betrachten, sondern musste das Zuwendungsverhältnis auch seinerseits dauernd unter Beobachtung halten. Dem geben die erwähnten Bestimmungen in Nr. 10.1 VV-LHO Ausdruck. Dann aber liegt das Risiko eines verspäteten Abschlusses des Zuwendungsverfahrens nicht einseitig bei der Zuwendungsempfängerin. Diesem Umstand musste der Beklagte bei seiner Ermessensentscheidung, ob und in welcher Höhe Erstattungszinsen zu erheben seien, Rechnung tragen.

22

Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO.

Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Verwaltungsbehörde kann ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.