Verwaltungsgericht Stuttgart Urteil, 06. Dez. 2011 - 6 K 159/11

bei uns veröffentlicht am06.12.2011

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Tatbestand

 
Die Beigeladenen sind Landwirte. Sie sind Eigentümer des Grundstücks Flst.-Nr. ... auf der Gemarkung ... Das Grundstück liegt in der Nähe der Landesgrenze zu Bayern. Die in Bayern gelegene Nachbargemeinde ... ist die Klägerin, welche eine Trinkwasserversorgungsanlage betreibt.
Die Beigeladenen erhielten am 28.12.2007 vom Landratsamt Ostalbkreis die Baugenehmigung für die Erstellung eines Mastschweinestalles, eines Ferkelstalles mit Bergehalle, eines Getreidesilos, eines Wartestalles und einer Güllegrube auf dem Grundstück Flst-Nr. ... Die Brunnen 1 und 2 der Klägerin sind etwa 600 Meter bzw. 750 Meter von dem Bauvorhaben entfernt.
Am 09.12.2008 erhob die Klägerin Untätigkeitsklage gegen diese Baugenehmigung beim Verwaltungsgericht Stuttgart und berief sich auf eine Gefahr für ihre Brunnen. Die Klage wurde durch Urteil vom 07.04.2009 - 6 K 4558/08 - abgewiesen. In den Entscheidungsgründen wird u. a. ausgeführt, dem Bauvorhaben stünden keine öffentlichen Belange entgegen. Insbesondere werde es keine schädlichen Umwelteinwirkungen hervorrufen, und es werde auch nicht zu einer Gefährdung der Wasserwirtschaft führen. Es verstoße auch nicht zu Lasten der Klägerin gegen das Rücksichtnahmegebot.
Der VGH Baden-Württemberg lehnte es durch Beschluss vom 08.02.2010 - 8 S 1188/09 - ab, die Berufung gegen dieses Urteil zuzulassen.
Am 28.04.2010 ging beim Landratsamt Ostalbkreis ein Antrag der Beigeladenen auf veränderte Ausführung ihres Bauvorhabens ein. Der Wartesauenstall solle in veränderter Form als Warmstall ausgeführt werden, und der Lichteinfall soll durch den Einbau von Lichtbändern unter dem Dach erfolgen. Die Traufhöhe wird von 2,0 m auf 3,10 m angehoben. Die Belegung wird gegenüber der ursprünglichen genehmigten Planung von 100 Wartesauen auf 107 Wartesauen, 6 Jungsauen und einen Eber angehoben. Die Belüftung des Stalles wird von offener Belüftungsweise auf eine geschlossene Zwangsbelüftung umgestellt.
Die Klägerin wandte sich durch Schreiben vom 02.06.2010 gegen das Bauvorhaben. Es wurde vorgetragen, eine zugesagte Akteneinsicht sei ihr nicht gewährt worden. Sie sehe nach wie vor eine Beeinträchtigung bzw. Gefährdung ihrer Trinkwasserversorgung durch die vorhandene Güllegrube. Die Beigeladenen und der Beklagte hätten noch keine rechtsverbindliche Aussage getroffen, wer im Schadensfall für den Schaden in der Trinkwasserversorgungsanlage der Klägerin aufkommen werde. Auch träten vermehrt Beschwerden aus der Bevölkerung wegen Geruchsbelästigung durch die Schweinemastanlage auf.
Der Geschäftsbereich Landwirtschaft des Landratsamts Ostalbkreis teilte durch Schreiben vom 01.04.2010 mit, bezüglich der Nährstoffbilanz, der Güllelagerkapazität und der Emissionsabstände würden sich wegen der zusätzlichen Tiere keine Auswirkungen ergeben. Der Bereich Landwirtschaft habe keine Bedenken gegen die veränderte Ausführung.
Das Landratsamt Ostalbkreis erteilte den Beigeladenen die Baugenehmigung am 15.06.2010. Durch Schreiben vom selben Tag unterrichtete sie die Klägerin von der Baugenehmigung.
Am 13.07.2010 erhob die Klägerin Widerspruch gegen die Baugenehmigung. Sie brachte vor, die Zahl der Tiere sei im Vergleich zum vorangegangenen Bescheid um 14 erhöht, somit um 14%. Damit steige das Gefährdungspotential und natürlich auch das Geruchsbelästigungspotential. 14% sei ein nicht unbeachtlicher Zuwachs. Es sei nicht erkennbar, dass durch weitere Auflagen oder Maßnahmen der Gefährdung bzw. Belästigung durch diesen Zuwachs Rechnung getragen werde. Durch die Änderung der Bauausführung für die Halle sei auch die Abluftführung geändert worden, und zwar nachteilig für die Klägerin, weil die Abluft nun konzentriert ins Freie geführt werde, eine Durchmischung also erst später stattfinde und so das „üble Konzentrat“ bei entsprechender Windrichtung in verstärktem Maße auf das Gebiet der Klägerin zugetrieben werde. Bereits jetzt seien starke Geruchsbelästigungen im Gemeindegebiet festzustellen. Es werde nochmals geltend gemacht, dass durch die konzentrierte Schweinehaltung die Trinkwasserbrunnen der Klägerin gefährdet würden. Es müsse sichergestellt sein, dass der Schweinezuchtbetrieb für den Schaden einzutreten habe, wenn das Wasser der Klägerin verunreinigt werde.
10 
Der Bereich Landwirtschaft des Landratsamts Ostalbkreis gab am 10.09.2010 eine weitere Stellungnahme ab. Es wurde ausgeführt, die Umplanung sei aus arbeitswirtschaftlichen und managementbedingten Gründen erfolgt. Durch die Planänderungen entfalle künftig der Festmist und damit auch eine wesentliche Emissionsquelle. Weiter trage die Umstellung auf die Zwangslüftung zu einer gezielten Abluftführung bei, was ebenfalls eine Emissionsminderung bewirke, da die Abluft in höhere Luftschichten ausgeblasen und damit deutlich schneller und besser verwirbelt werde. Insgesamt trage die vorgenommene Planänderung trotz geringfügiger Erhöhung der Tierbestände zu einer deutlichen Reduktion der anfallenden Emissionen bei. Insbesondere im Gebiet der Klägerin seien aufgrund der vorhandenen Abstände keine über das zumutbare Maß hinausgehenden Immissionen zu erwarten. Durch die am Standort vorherrschenden Winde aus überwiegend westlichen Richtungen und die freie Anströmung des Abluftkamins sei eine schnelle Verwirbelung und damit Verdünnung der Abluft gewährleistet. Es sei keine Verschlechterung zu erwarten, sondern das Gegenteil. Der Einbau eines Abluftfilters würde zusätzliche Kosten verursachen, sei unverhältnismäßig, aus fachtechnischer Sicht überzogen und daher nicht zu begründen.
11 
Das Regierungspräsidium Stuttgart wies den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 10.12.2010 als unbegründet zurück. Es machte sich die Beurteilung des Landratsamts Ostalbkreis - Landwirtschaft - vom 10.09.2010 zu eigen. Die veränderte Bauausführung des Wartesauenstalles sei als geringfügig anzusehen. Für die Klägerin entstünden aufgrund der veränderten Ausführung keine weitergehenden Auswirkungen als bei der mit Entscheidung vom 28.12.2007 genehmigten Planung. Das Regierungspräsidium schließe sich den Ausführungen des Verwaltungsgerichts Stuttgart und des VGH Baden-Württemberg im Verfahren über die Baugenehmigung vom 28.12.2007 an. - Der Widerspruchsbescheid wurde der Klägerin am 16.12.2010 zugestellt.
12 
Am 14.01.2011 erhob die Klägerin Klage beim Verwaltungsgericht Stuttgart. Sie macht noch geltend, der Schweinemastbetrieb der Beigeladenen sei ein industrieller Betrieb, der in der völlig freien Landschaft auf einem kleinen Hügel liege, welcher zu den Trinkwasserbrunnen der Klägerin abfalle. Die Brunnen lägen an der tiefsten Stelle. Die Untergründe seien zerklüftet. Eindringende Gülle würde sofort in die wasserführenden Schichten vorstoßen. Nunmehr solle eine Art Zwangsbelüftung des Wartesauenstalles eingerichtet werden. Es habe sich herausgestellt, dass die Geruchsbelästigung durch den Schweinemastbetrieb extrem sei. Dadurch werde das Hoheitsgebiet der Klägerin ungemein belastet. Die Geruchsbelästigung werde nun durch die Änderung in der Abluftführung wesentlich verschärft. Durch den Abluftkamin werde die Luft an einer Stelle konzentriert ausgestoßen. Bei entsprechenden Windlagen oder auch bei Inversionslagen sei die Geruchsbelästigung nicht nur ekelerregend, sondern fast nicht auszuhalten. Durch diese Abluftführung werde sie, die Klägerin, in ihren eigenen Rechten beeinträchtigt, denn ihre Planungshoheit werde in erheblichem Maße beeinträchtigt. Sie habe auch bereits ein ausgewiesenes Baugebiet, bei dem es unmöglich geworden sei, weitere Baugrundstücke zu verkaufen. Es könne dort keine Ansiedlung mehr stattfinden, wenn der Betrieb der Beigeladenen in der bisherigen Weise emittiere. Auch habe sie ein Rathaus und einen Kindergarten und sei daher durch die Gerüche in eigenen Rechten verletzt. Abgesehen davon habe sie auch für gesunde Wohnverhältnisse zu sorgen. Zudem gelte das Rücksichtnahmegebot.
13 
Die Klägerin beantragt,
14 
1. die Baugenehmigung des Landratsamts Ostalbkreis vom 15.06.2010 sowie den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 10.12.2010 aufzuheben;
15 
2. den Beklagten zu verpflichten, die im Zuge der Baudurchführung gemäß Baugenehmigung vom 28.12.2007 gemäß Ziffern 2, 8, 9 und 10 der Nebenbestimmungen für Jauche- und Güllebehälter von der Bauherrschaft vorgelegten Nachweise bzw. die von dem Beklagten eingeforderten Nachweise der Klägerin in Kopie zur Verfügung zu stellen;
16 
3. hilfsweise, den Beklagten zu verpflichten, der Baugenehmigung vom 15.06.2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 10.12.2010 folgende Auflage hinzuzufügen: „Die Abluft aus dem Wartesauenstall ist vor Austreten aus dem Abluftkamin durch einen Filter von Ammoniak- und Schweineausdünstungen wirksam zu reinigen, so dass diese Ausdünstungen durch Gerüche wirksam neutralisiert sind“.
17 
Ferner stellt sie folgenden Hilfsbeweisantrag: „ Die Schweinemastanlage der Beigeladenen sondert ins Gemeindegebiet der Klägerin hinein starke Ammoniak- und Schweineausdünstungen, insbesondere bei Westwind und ganz besonders Inversionswetterlagen, ab. Beweis durch Einholung eines Sachverständigengutachtens und allgemeinen Augenschein“.
18 
Der Beklagte beantragt,
19 
die Klage abzuweisen.
20 
Er tritt dem Beweisantrag entgegen und erwidert, durch die jetzt genehmigte veränderte Ausführung des Wartesauenstalles ändere sich nichts daran, dass der Klägerin keine Abwehrrechte gegen das Bauvorhaben zustünden. Die geringfügige Änderung der Tierzahl sowie die Änderung des Lüftungs- und Haltungssystems seien minimal. Die Wartesauen hätten das kleinste Emissionspotential am Aussiedlungsstandort. Der notwendige Mindestabstand erhöhe sich lediglich von 309 auf 312 m. Er sei in jede Richtung mehr als gegeben. Die Änderung des Lüftungs- und Haltungssystems von Trauf- First- Lüftung zur Zwangslüftung (Unterdruck) und von Tiefstreu auf Spaltenboden führe nun zu einer Standardlösung, für die es gute Erfahrungswerte gebe. Die Planänderung führe eher zu einer Verbesserung, da die Emissionen aktiv in die Atmosphäre geblasen würden und somit höher und besser verteilt würden. Die topographischen Verhältnisse und die Windverhältnisse seien der Beurteilung zugrunde gelegt worden. Nachweise über die Prüfung der Qualität des eingebauten Betons seien inzwischen an den Klägerin-Vertreter übersandt worden. Im übrigen werde der Klägerin auf Antrag jederzeit die gebotene Akteneinsicht gewährt.
21 
Die Beigeladenen beantragen ebenfalls,
22 
die Klage abzuweisen.
23 
Auch sie treten dem Beweisantrag entgegen. Sie halten die Klage für unzulässig, weil die Klägerin kein Rechtsschutzinteresse habe. Die bauliche Änderung führe zu einer Verbesserung der Situation, sodass ihr die begehrte Rechtslage keinen Vorteil brächte, sondern sogar nachteilig für sie wäre. Die Klage sei aber auch unbegründet. Es bestehe hier keine interkommunale Abstimmungspflicht nach § 2 Abs. 2 BauGB. Eine eigene hinreichend konkrete und verfestigte Planung, die durch das Vorhaben nachhaltig gestört sein könnte, sei weder vorgetragen noch erkennbar. Eine Entwicklung des Ortsteils nach Westen sei nicht vorgesehen oder zu erwarten. Zu den bebauten Gebieten der Klägerin halte das Vorhaben einen Abstand von rund 760 m ein, während nach der VDI- Richtlinie 347 ein Abstand von 312 m zulässig gewesen wäre. Schutzmindernd sei zudem zu berücksichtigen, dass die am stärksten betroffenen bebauten Bereiche der Klägerin am Ortsrand, also an der Grenze zum Außenbereich lägen. Auch durch die geänderte Planung werde die Trinkwasserversorgung der Klägerin nicht gefährdet. Die Interessen der Gemeindebürger oder Belange des Natur- und Landschaftsschutzes könne die Klägerin als Nachbargemeinde nicht geltend machen. Vor diesem Hintergrund bleibe für den Hilfsantrag kein Raum. Dem weiteren Hauptantrag sei durch die gewährte Akteneinsicht Genüge getan worden.
24 
Die Akten des Landratsamts Ostalbkreis zu der ursprünglichen und nunmehrigen Bauplanung liegen dem Gericht vor, ebenso die Akten des Regierungspräsidiums Stuttgart. Ferner liegt dem Gericht die Gerichtsakte wegen der früheren Klage gegen die Baugenehmigung (Az.: 6 K 4558/08) vor. Auf alle diese Akten sowie auf die aktuelle Gerichtsakte wird wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
25 
1. Die Klage mit dem Hauptantrag Nr. 1 ist zulässig. Es ist nicht von vornherein ausgeschlossen, dass das Vorhaben der Beigeladenen die Klägerin in ihrer Planungshoheit verletzt.
26 
Die Klage ist aber nicht begründet. Die Baugenehmigung vom 15.06.2010 sowie der Widerspruchsbescheid vom 10.12.2010 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten.
27 
Das Gericht weist wie schon in der mündlichen Verhandlung nochmals darauf hin, dass es im vorliegenden Klageverfahren ausschließlich die Rechtmäßigkeit der Änderungsplanung prüft, also die Änderung des Wartesauenstalles. Gegen das am 28.12.2007 genehmigte Bauvorhaben kann die Klägerin hingegen nicht mehr vorgehen, denn insoweit existiert das Urteil des Gerichts vom 07.04.2009 - 6 K 4558/08-, gegen das der VGH Baden-Württemberg die Berufung nicht zugelassen hat und das daher gemäß § 121 VwGO Bindungswirkung zwischen den Beteiligten entfaltet. Das am 15.06.2010 genehmigte Bauvorhaben ist daher von der Klägerin hinzunehmen und bei ihren Planungen als vorgegeben zu berücksichtigen. Auch ist bereits rechtskräftig geklärt, dass die Klägerin keinen Anspruch auf Erlass einer baurechtlichen Auflage hat, wonach die Beigeladenen eine Gewässerschadenhaftpflichtversicherung abschließen müssten.
28 
Durch das geänderte Bauvorhaben werden weder die Planungshoheit noch sonstige Rechte der Klägerin als Betreiberin einer Trinkwasserversorgungsanlage und als Eigentümerin von Gebäuden im Gemeindegebiet verletzt. Auch die bereits im Gemeindegebiet vorhandenen Baugebiete werden nicht unzumutbar in Mitleidenschaft gezogen. Das Gericht kommt in Übereinstimmung mit dem Landratsamt Ostalbkreis und dem Regierungspräsidium Stuttgart zu der Überzeugung, dass sich für die Klägerin keine weitergehenden Auswirkungen ergeben als bei der ursprünglichen Planung des Wartesauenstalles. Auf den zutreffenden Widerspruchsbescheid vom 10.12.2010 wird Bezug genommen, um Wiederholungen zu vermeiden (§ 117 Abs. 5 VwGO). Das Gericht stützt sich für seine Überzeugungsbildung auf die sachverständigen Stellungnahmen des Geschäftsbereiches Landwirtschaft des Landratsamts Ostalbkreis vom 01.04.2010, vom 10.09.2010, vom 17.11.2010, vom 30.11.2011 (vgl. Schriftsatz des Beklagten unter diesem Datum) und vom 06.12.2011 in der mündlichen Verhandlung. Danach ist der Mindestabstand, der nach der VDI-Richtlinie 3471 zu errechnen ist und nunmehr 312 m beträgt, nach allen Himmelsrichtungen mehr als gegeben. Die bauliche Änderung zu einer Zwangslüftung und zu einem Spaltenboden führt nach Ansicht des Geschäftsbereiches Landwirtschaft sogar eher zu einer Verbesserung. Die Emissionen würden aktiv in die Atmosphäre geblasen und somit höher und besser verteilt. Bei dieser Bewertung seien die topographischen Verhältnisse und die Windverhältnisse eingehend gewürdigt worden.
29 
Das Gericht ist von der Richtigkeit dieser Stellungnahmen überzeugt. Die Sachkunde des Verfassers bzw. der Verfasser steht außer Zweifel und wurde auch von der Klägerin nicht substantiiert angezweifelt. Die Stellungnahmen sind auch ausführlich, in sich widerspruchsfrei und vollständig. Die Verhältnisse des Einzelfalles wurden berücksichtigt, auch wenn der Klägerin-Vertreter dies - allerdings nur pauschal - angezweifelt hat. Auch wurde zurecht die VDI-Richtlinie 3471 angewandt, deren Berechnungsmethoden vor allem durch Erfahrungswerte gewonnen wurden und die in der Fachwelt anerkannt ist. Ein Fall, der es gebieten würde, von den so errechneten Mindestabständen eine Ausnahme zu machen (vor allem bei vollkommen ungewöhnlichen topographischen oder klimatischen Verhältnissen) liegt nicht vor. Selbst der Klägerin-Vertreter ging in der mündlichen Verhandlung von der grundsätzlichen Eignung der VDI-Richtlinie aus. Das Gericht ist auch befugt, die gutachterlichen Stellungnahmen im gerichtlichen Verfahren zu verwerten (vgl. z.B. BVerwG, Beschluss vom 30.09.2010 -8 B 15/10-, juris).
30 
Der in der mündlichen Verhandlung gestellte Hilfsbeweisantrag war abzulehnen. Das Gericht sieht keine Veranlassung, ein Sachverständigengutachten einzuholen oder einen Augenschein einzunehmen. Hierbei geht es zugunsten der Klägerin davon aus, dass der Beweisantrag sich lediglich auf die geänderte Planung bezieht, obwohl dies im Antrag nicht klar zum Ausdruck kommt. Das Gericht wäre nur dann zur Einholung eines Sachverständigengutachtens verpflichtet, wenn die Stellungnahmen des Geschäftsbereiches Landwirtschaft an offen erkennbaren Mängeln oder unlösbaren Widersprüchen leiden würden, wenn sie von unzutreffenden sachlichen Voraussetzungen ausgingen oder wenn Anlass zu Zweifeln an der Sachkunde oder Unparteilichkeit des Gutachters bestünde (vgl. wiederum den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 30.09.2010). Dies ist aber nicht der Fall, wie bereits ausgeführt worden ist. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin konnte mit seinen Ausführungen die Richtigkeit der verwerteten Stellungnahmen nicht in Frage stellen. Weder zweifelte er die Sachkunde des Verfassers an noch stellte er grundsätzlich in Frage, dass die VDI-Richtlinie 3471 sich zur Beurteilung der Geruchsemissionen bei Schweinehaltung eigne. Sein Vortrag beschränkte sich vielmehr auf einen Hinweis, dass hier ein Sonderfall vorliege, der bei den Stellungnahmen nicht berücksichtigt worden sei und dass es im Gemeindegebiet der Klägerin stinke, seit das Bauvorhaben der Beigeladenen in Betrieb gegangen sei. Die Behauptung der nicht ausreichenden Ermittlung des Sachverhalts trifft aber nicht zu, wie sich insbesondere aus den Stellungnahmen vom 17.11.2010 und vom 10.09.2010 ergibt. Sowohl Topographie als auch klimatische Bedingungen sind vollständig in die Bewertung eingestellt worden. Dass vom Betrieb der Beigeladenen Gerüche ausgehen, ist unbestritten. Sie sind aber zumutbar, zumal sowohl das Gemeindegebiet der Klägerin als auch die baden-württembergische Nachbargemeinde ... ländlich geprägt sind. Damit ist der der Entscheidung zugrundeliegende Sachverhalt ausreichend geklärt, woraus sich auch ergibt, dass sich die Einholung eines Gutachtens dem Gericht nicht aufdrängt.
31 
Das Gericht sieht aber auch keinen Anlass, einen Augenschein einzunehmen. Feststellungen, welchen Umfang die Emissionen durch die geänderte Bauausführung aufweisen und welcher Abstand einzuhalten ist, sind nicht durch einen Augenschein zu gewinnen, sondern durch Äußerungen sachverständiger Stellen. Dies ist hier geschehen. Auch das Gericht geht im Übrigen auch ohne Augenschein davon aus, dass sich die Schweinehaltung nicht geruchsfrei vollzieht. Dies ist bei den vorliegenden dörflichen Verhältnissen und bei den bei weitem eingehaltenen Mindestabständen aber auch nicht bedenklich. Auch konnte das Gericht sich in ausreichendem Maße ein Bild von den tatsächlichen Verhältnissen in ... und ... machen, indem es die Akten des Landratsamts Ostalbkreis einschließlich Lageplänen ausgewertet hat.
32 
2. Die Klage mit dem weiteren Hauptantrag Nr. 2 ist unzulässig, weil der Klägerin insoweit das Rechtsschutzbedürfnis fehlt. Das Landratsamt Ostalbkreis hat dem Klägerin-Vertreter durch Schreiben vom 30.11.2011 die Beton-Prüfungsnachweise übersandt. Es hat dem Gericht ferner mitgeteilt, es gewähre der Klägerin auf Antrag jederzeit die gebotene Akteneinsicht. Die Kammer hat keinen Anlass, hieran zu zweifeln. Für die Klägerin wurde bisher auch nicht geltend gemacht, sie habe beim Landratsamt einen Antrag auf Akteneinsicht gestellt, und diese sei ihr darauf verweigert worden. Selbstverständlich ist, dass das Landratsamt keinen Anlass hatte, hinsichtlich der Akteneinsicht ohne ausdrücklichen Antrag tätig zu werden. Ein stattgebendes Urteil würde die Rechtsposition der Klägerin unter diesen Umständen nicht verbessern. Sie kann sich auch selbst die gewünschten Kopien anfertigen, wenn sie Akteneinsicht erhält.
33 
3. Die Klage ist mit dem Hilfsantrag (Nr. 3 der Klageanträge) zulässig, aber nicht begründet. Da nach den Ausführungen unter 1. die Abluft aus dem Wartesauenstall auch ohne Filter zu keinen unzumutbaren Auswirkungen für die Klägerin führt, hat sie keinen Anspruch auf Einbau des verlangten Filters.
34 
4. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1 und 3, 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht der Billigkeit, dass die Klägerin auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen trägt, weil diese einen Antrag gestellt haben und damit ein Kostenrisiko eingegangen sind.
35 
5. Es besteht kein Anlass, die Berufung zuzulassen.

Gründe

 
25 
1. Die Klage mit dem Hauptantrag Nr. 1 ist zulässig. Es ist nicht von vornherein ausgeschlossen, dass das Vorhaben der Beigeladenen die Klägerin in ihrer Planungshoheit verletzt.
26 
Die Klage ist aber nicht begründet. Die Baugenehmigung vom 15.06.2010 sowie der Widerspruchsbescheid vom 10.12.2010 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten.
27 
Das Gericht weist wie schon in der mündlichen Verhandlung nochmals darauf hin, dass es im vorliegenden Klageverfahren ausschließlich die Rechtmäßigkeit der Änderungsplanung prüft, also die Änderung des Wartesauenstalles. Gegen das am 28.12.2007 genehmigte Bauvorhaben kann die Klägerin hingegen nicht mehr vorgehen, denn insoweit existiert das Urteil des Gerichts vom 07.04.2009 - 6 K 4558/08-, gegen das der VGH Baden-Württemberg die Berufung nicht zugelassen hat und das daher gemäß § 121 VwGO Bindungswirkung zwischen den Beteiligten entfaltet. Das am 15.06.2010 genehmigte Bauvorhaben ist daher von der Klägerin hinzunehmen und bei ihren Planungen als vorgegeben zu berücksichtigen. Auch ist bereits rechtskräftig geklärt, dass die Klägerin keinen Anspruch auf Erlass einer baurechtlichen Auflage hat, wonach die Beigeladenen eine Gewässerschadenhaftpflichtversicherung abschließen müssten.
28 
Durch das geänderte Bauvorhaben werden weder die Planungshoheit noch sonstige Rechte der Klägerin als Betreiberin einer Trinkwasserversorgungsanlage und als Eigentümerin von Gebäuden im Gemeindegebiet verletzt. Auch die bereits im Gemeindegebiet vorhandenen Baugebiete werden nicht unzumutbar in Mitleidenschaft gezogen. Das Gericht kommt in Übereinstimmung mit dem Landratsamt Ostalbkreis und dem Regierungspräsidium Stuttgart zu der Überzeugung, dass sich für die Klägerin keine weitergehenden Auswirkungen ergeben als bei der ursprünglichen Planung des Wartesauenstalles. Auf den zutreffenden Widerspruchsbescheid vom 10.12.2010 wird Bezug genommen, um Wiederholungen zu vermeiden (§ 117 Abs. 5 VwGO). Das Gericht stützt sich für seine Überzeugungsbildung auf die sachverständigen Stellungnahmen des Geschäftsbereiches Landwirtschaft des Landratsamts Ostalbkreis vom 01.04.2010, vom 10.09.2010, vom 17.11.2010, vom 30.11.2011 (vgl. Schriftsatz des Beklagten unter diesem Datum) und vom 06.12.2011 in der mündlichen Verhandlung. Danach ist der Mindestabstand, der nach der VDI-Richtlinie 3471 zu errechnen ist und nunmehr 312 m beträgt, nach allen Himmelsrichtungen mehr als gegeben. Die bauliche Änderung zu einer Zwangslüftung und zu einem Spaltenboden führt nach Ansicht des Geschäftsbereiches Landwirtschaft sogar eher zu einer Verbesserung. Die Emissionen würden aktiv in die Atmosphäre geblasen und somit höher und besser verteilt. Bei dieser Bewertung seien die topographischen Verhältnisse und die Windverhältnisse eingehend gewürdigt worden.
29 
Das Gericht ist von der Richtigkeit dieser Stellungnahmen überzeugt. Die Sachkunde des Verfassers bzw. der Verfasser steht außer Zweifel und wurde auch von der Klägerin nicht substantiiert angezweifelt. Die Stellungnahmen sind auch ausführlich, in sich widerspruchsfrei und vollständig. Die Verhältnisse des Einzelfalles wurden berücksichtigt, auch wenn der Klägerin-Vertreter dies - allerdings nur pauschal - angezweifelt hat. Auch wurde zurecht die VDI-Richtlinie 3471 angewandt, deren Berechnungsmethoden vor allem durch Erfahrungswerte gewonnen wurden und die in der Fachwelt anerkannt ist. Ein Fall, der es gebieten würde, von den so errechneten Mindestabständen eine Ausnahme zu machen (vor allem bei vollkommen ungewöhnlichen topographischen oder klimatischen Verhältnissen) liegt nicht vor. Selbst der Klägerin-Vertreter ging in der mündlichen Verhandlung von der grundsätzlichen Eignung der VDI-Richtlinie aus. Das Gericht ist auch befugt, die gutachterlichen Stellungnahmen im gerichtlichen Verfahren zu verwerten (vgl. z.B. BVerwG, Beschluss vom 30.09.2010 -8 B 15/10-, juris).
30 
Der in der mündlichen Verhandlung gestellte Hilfsbeweisantrag war abzulehnen. Das Gericht sieht keine Veranlassung, ein Sachverständigengutachten einzuholen oder einen Augenschein einzunehmen. Hierbei geht es zugunsten der Klägerin davon aus, dass der Beweisantrag sich lediglich auf die geänderte Planung bezieht, obwohl dies im Antrag nicht klar zum Ausdruck kommt. Das Gericht wäre nur dann zur Einholung eines Sachverständigengutachtens verpflichtet, wenn die Stellungnahmen des Geschäftsbereiches Landwirtschaft an offen erkennbaren Mängeln oder unlösbaren Widersprüchen leiden würden, wenn sie von unzutreffenden sachlichen Voraussetzungen ausgingen oder wenn Anlass zu Zweifeln an der Sachkunde oder Unparteilichkeit des Gutachters bestünde (vgl. wiederum den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 30.09.2010). Dies ist aber nicht der Fall, wie bereits ausgeführt worden ist. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin konnte mit seinen Ausführungen die Richtigkeit der verwerteten Stellungnahmen nicht in Frage stellen. Weder zweifelte er die Sachkunde des Verfassers an noch stellte er grundsätzlich in Frage, dass die VDI-Richtlinie 3471 sich zur Beurteilung der Geruchsemissionen bei Schweinehaltung eigne. Sein Vortrag beschränkte sich vielmehr auf einen Hinweis, dass hier ein Sonderfall vorliege, der bei den Stellungnahmen nicht berücksichtigt worden sei und dass es im Gemeindegebiet der Klägerin stinke, seit das Bauvorhaben der Beigeladenen in Betrieb gegangen sei. Die Behauptung der nicht ausreichenden Ermittlung des Sachverhalts trifft aber nicht zu, wie sich insbesondere aus den Stellungnahmen vom 17.11.2010 und vom 10.09.2010 ergibt. Sowohl Topographie als auch klimatische Bedingungen sind vollständig in die Bewertung eingestellt worden. Dass vom Betrieb der Beigeladenen Gerüche ausgehen, ist unbestritten. Sie sind aber zumutbar, zumal sowohl das Gemeindegebiet der Klägerin als auch die baden-württembergische Nachbargemeinde ... ländlich geprägt sind. Damit ist der der Entscheidung zugrundeliegende Sachverhalt ausreichend geklärt, woraus sich auch ergibt, dass sich die Einholung eines Gutachtens dem Gericht nicht aufdrängt.
31 
Das Gericht sieht aber auch keinen Anlass, einen Augenschein einzunehmen. Feststellungen, welchen Umfang die Emissionen durch die geänderte Bauausführung aufweisen und welcher Abstand einzuhalten ist, sind nicht durch einen Augenschein zu gewinnen, sondern durch Äußerungen sachverständiger Stellen. Dies ist hier geschehen. Auch das Gericht geht im Übrigen auch ohne Augenschein davon aus, dass sich die Schweinehaltung nicht geruchsfrei vollzieht. Dies ist bei den vorliegenden dörflichen Verhältnissen und bei den bei weitem eingehaltenen Mindestabständen aber auch nicht bedenklich. Auch konnte das Gericht sich in ausreichendem Maße ein Bild von den tatsächlichen Verhältnissen in ... und ... machen, indem es die Akten des Landratsamts Ostalbkreis einschließlich Lageplänen ausgewertet hat.
32 
2. Die Klage mit dem weiteren Hauptantrag Nr. 2 ist unzulässig, weil der Klägerin insoweit das Rechtsschutzbedürfnis fehlt. Das Landratsamt Ostalbkreis hat dem Klägerin-Vertreter durch Schreiben vom 30.11.2011 die Beton-Prüfungsnachweise übersandt. Es hat dem Gericht ferner mitgeteilt, es gewähre der Klägerin auf Antrag jederzeit die gebotene Akteneinsicht. Die Kammer hat keinen Anlass, hieran zu zweifeln. Für die Klägerin wurde bisher auch nicht geltend gemacht, sie habe beim Landratsamt einen Antrag auf Akteneinsicht gestellt, und diese sei ihr darauf verweigert worden. Selbstverständlich ist, dass das Landratsamt keinen Anlass hatte, hinsichtlich der Akteneinsicht ohne ausdrücklichen Antrag tätig zu werden. Ein stattgebendes Urteil würde die Rechtsposition der Klägerin unter diesen Umständen nicht verbessern. Sie kann sich auch selbst die gewünschten Kopien anfertigen, wenn sie Akteneinsicht erhält.
33 
3. Die Klage ist mit dem Hilfsantrag (Nr. 3 der Klageanträge) zulässig, aber nicht begründet. Da nach den Ausführungen unter 1. die Abluft aus dem Wartesauenstall auch ohne Filter zu keinen unzumutbaren Auswirkungen für die Klägerin führt, hat sie keinen Anspruch auf Einbau des verlangten Filters.
34 
4. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1 und 3, 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht der Billigkeit, dass die Klägerin auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen trägt, weil diese einen Antrag gestellt haben und damit ein Kostenrisiko eingegangen sind.
35 
5. Es besteht kein Anlass, die Berufung zuzulassen.

Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Stuttgart Urteil, 06. Dez. 2011 - 6 K 159/11

Urteilsbesprechungen zu Verwaltungsgericht Stuttgart Urteil, 06. Dez. 2011 - 6 K 159/11

Referenzen - Gesetze

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 117


(1) Das Urteil ergeht "Im Namen des Volkes". Es ist schriftlich abzufassen und von den Richtern, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben, zu unterzeichnen. Ist ein Richter verhindert, seine Unterschrift beizufügen, so wird dies mit dem Hinderungsgr

Baugesetzbuch - BBauG | § 2 Aufstellung der Bauleitpläne


(1) Die Bauleitpläne sind von der Gemeinde in eigener Verantwortung aufzustellen. Der Beschluss, einen Bauleitplan aufzustellen, ist ortsüblich bekannt zu machen. (2) Die Bauleitpläne benachbarter Gemeinden sind aufeinander abzustimmen. Dabei können

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 121


Rechtskräftige Urteile binden, soweit über den Streitgegenstand entschieden worden ist,1.die Beteiligten und ihre Rechtsnachfolger und2.im Fall des § 65 Abs. 3 die Personen, die einen Antrag auf Beiladung nicht oder nicht fristgemäß gestellt haben.
Verwaltungsgericht Stuttgart Urteil, 06. Dez. 2011 - 6 K 159/11 zitiert 4 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 117


(1) Das Urteil ergeht "Im Namen des Volkes". Es ist schriftlich abzufassen und von den Richtern, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben, zu unterzeichnen. Ist ein Richter verhindert, seine Unterschrift beizufügen, so wird dies mit dem Hinderungsgr

Baugesetzbuch - BBauG | § 2 Aufstellung der Bauleitpläne


(1) Die Bauleitpläne sind von der Gemeinde in eigener Verantwortung aufzustellen. Der Beschluss, einen Bauleitplan aufzustellen, ist ortsüblich bekannt zu machen. (2) Die Bauleitpläne benachbarter Gemeinden sind aufeinander abzustimmen. Dabei können

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 121


Rechtskräftige Urteile binden, soweit über den Streitgegenstand entschieden worden ist,1.die Beteiligten und ihre Rechtsnachfolger und2.im Fall des § 65 Abs. 3 die Personen, die einen Antrag auf Beiladung nicht oder nicht fristgemäß gestellt haben.

Referenzen - Urteile

Verwaltungsgericht Stuttgart Urteil, 06. Dez. 2011 - 6 K 159/11 zitiert oder wird zitiert von 1 Urteil(en).

Verwaltungsgericht Stuttgart Urteil, 06. Dez. 2011 - 6 K 159/11 zitiert 1 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesverwaltungsgericht Beschluss, 30. Sept. 2010 - 8 B 15/10

bei uns veröffentlicht am 30.09.2010

Gründe 1 Die Beschwerde des Klägers, der ausschließlich Verfahrensrügen gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO erhebt, hat Erfolg.

Referenzen

(1) Die Bauleitpläne sind von der Gemeinde in eigener Verantwortung aufzustellen. Der Beschluss, einen Bauleitplan aufzustellen, ist ortsüblich bekannt zu machen.

(2) Die Bauleitpläne benachbarter Gemeinden sind aufeinander abzustimmen. Dabei können sich Gemeinden auch auf die ihnen durch Ziele der Raumordnung zugewiesenen Funktionen sowie auf Auswirkungen auf ihre zentralen Versorgungsbereiche berufen.

(3) Bei der Aufstellung der Bauleitpläne sind die Belange, die für die Abwägung von Bedeutung sind (Abwägungsmaterial), zu ermitteln und zu bewerten.

(4) Für die Belange des Umweltschutzes nach § 1 Absatz 6 Nummer 7 und § 1a wird eine Umweltprüfung durchgeführt, in der die voraussichtlichen erheblichen Umweltauswirkungen ermittelt werden und in einem Umweltbericht beschrieben und bewertet werden; die Anlage 1 zu diesem Gesetzbuch ist anzuwenden. Die Gemeinde legt dazu für jeden Bauleitplan fest, in welchem Umfang und Detaillierungsgrad die Ermittlung der Belange für die Abwägung erforderlich ist. Die Umweltprüfung bezieht sich auf das, was nach gegenwärtigem Wissensstand und allgemein anerkannten Prüfmethoden sowie nach Inhalt und Detaillierungsgrad des Bauleitplans angemessenerweise verlangt werden kann. Das Ergebnis der Umweltprüfung ist in der Abwägung zu berücksichtigen. Wird eine Umweltprüfung für das Plangebiet oder für Teile davon in einem Raumordnungs-, Flächennutzungs- oder Bebauungsplanverfahren durchgeführt, soll die Umweltprüfung in einem zeitlich nachfolgend oder gleichzeitig durchgeführten Bauleitplanverfahren auf zusätzliche oder andere erhebliche Umweltauswirkungen beschränkt werden. Liegen Landschaftspläne oder sonstige Pläne nach § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe g vor, sind deren Bestandsaufnahmen und Bewertungen in der Umweltprüfung heranzuziehen.

Rechtskräftige Urteile binden, soweit über den Streitgegenstand entschieden worden ist,

1.
die Beteiligten und ihre Rechtsnachfolger und
2.
im Fall des § 65 Abs. 3 die Personen, die einen Antrag auf Beiladung nicht oder nicht fristgemäß gestellt haben.

(1) Das Urteil ergeht "Im Namen des Volkes". Es ist schriftlich abzufassen und von den Richtern, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben, zu unterzeichnen. Ist ein Richter verhindert, seine Unterschrift beizufügen, so wird dies mit dem Hinderungsgrund vom Vorsitzenden oder, wenn er verhindert ist, vom dienstältesten beisitzenden Richter unter dem Urteil vermerkt. Der Unterschrift der ehrenamtlichen Richter bedarf es nicht.

(2) Das Urteil enthält

1.
die Bezeichnung der Beteiligten, ihrer gesetzlichen Vertreter und der Bevollmächtigten nach Namen, Beruf, Wohnort und ihrer Stellung im Verfahren,
2.
die Bezeichnung des Gerichts und die Namen der Mitglieder, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben,
3.
die Urteilsformel,
4.
den Tatbestand,
5.
die Entscheidungsgründe,
6.
die Rechtsmittelbelehrung.

(3) Im Tatbestand ist der Sach- und Streitstand unter Hervorhebung der gestellten Anträge seinem wesentlichen Inhalt nach gedrängt darzustellen. Wegen der Einzelheiten soll auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen verwiesen werden, soweit sich aus ihnen der Sach- und Streitstand ausreichend ergibt.

(4) Ein Urteil, das bei der Verkündung noch nicht vollständig abgefaßt war, ist vor Ablauf von zwei Wochen, vom Tag der Verkündung an gerechnet, vollständig abgefaßt der Geschäftsstelle zu übermitteln. Kann dies ausnahmsweise nicht geschehen, so ist innerhalb dieser zwei Wochen das von den Richtern unterschriebene Urteil ohne Tatbestand, Entscheidungsgründe und Rechtsmittelbelehrung der Geschäftsstelle zu übermitteln; Tatbestand, Entscheidungsgründe und Rechtsmittelbelehrung sind alsbald nachträglich niederzulegen, von den Richtern besonders zu unterschreiben und der Geschäftsstelle zu übermitteln.

(5) Das Gericht kann von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es der Begründung des Verwaltungsakts oder des Widerspruchsbescheids folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt.

(6) Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat auf dem Urteil den Tag der Zustellung und im Falle des § 116 Abs. 1 Satz 1 den Tag der Verkündung zu vermerken und diesen Vermerk zu unterschreiben. Werden die Akten elektronisch geführt, hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle den Vermerk in einem gesonderten Dokument festzuhalten. Das Dokument ist mit dem Urteil untrennbar zu verbinden.

Gründe

1

Die Beschwerde des Klägers, der ausschließlich Verfahrensrügen gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO erhebt, hat Erfolg.

2

1. Zu Recht rügt der Kläger eine Verletzung der Aufklärungspflicht nach § 86 Abs. 1 VwGO, auf der das angegriffene Urteil beruhen kann.

3

Zwar hat der Kläger keinen nach § 86 Abs. 2 VwGO beachtlichen Beweisantrag gestellt, weil er die Vernehmung des Dr. F. im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Oberverwaltungsgericht nur bedingt beantragt und sich im Übrigen auf schriftsätzliche Beweisanregungen beschränkt hat. Soweit diese aber auf eine interdisziplinäre gutachtliche Klärung der Auswirkungen der Multi- oder Polymorbidität auf die Berufsfähigkeit des Klägers abzielten und unter Hinweis auf entsprechende fachärztliche Stellungnahmen vom 20. März und vom 10. und 18. April 2006 geltend machten, die von den Vorinstanzen angenommene Fähigkeit des Klägers zur Teilzeittätigkeit als Aktengutachter sei jedenfalls bis Ende des Jahres 2003 entfallen, hätte sich dem Oberverwaltungsgericht eine weitere Sachaufklärung von Amts wegen durch Einholen eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens aufdrängen müssen.

4

Nach § 86 Abs. 1 VwGO ist das Gericht verpflichtet, den entscheidungserheblichen Sachverhalt von Amts wegen aufzuklären und die erforderlichen Beweise zu erheben. Erfordert die Tatsachenfeststellung besondere Sachkunde, darf ohne Zuziehung von Sachverständigen nur entschieden werden, wenn das Gericht nach eigenem pflichtgemäßen Ermessen selbst über die nötige Sachkunde verfügt und dies für die Beteiligten nachvollziehbar darlegt (vgl. Beschlüsse vom 28. August 1995 - BVerwG 3 B 5.95 - Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 270 S. 16 und vom 13. Januar 2009 - BVerwG 9 B 64.08 - Buchholz a.a.O. Nr. 372 Rn. 6). Allerdings kann es im Verwaltungsverfahren eingeholte und von den Beteiligten vorgelegte Sachverständigengutachten im Wege des Urkundenbeweises verwerten. In diesem Fall ist es zum Einholen eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens nur verpflichtet, wenn die vorgelegten Gutachten an offen erkennbaren Mängeln oder unlösbaren Widersprüchen leiden, wenn sie von unzutreffenden sachlichen Voraussetzungen ausgehen oder wenn Anlass zu Zweifeln an der Sachkunde oder Unparteilichkeit des Gutachters besteht (Beschlüsse vom 4. Dezember 1991 - BVerwG 2 B 135.91 - Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 238 S. 67 und vom 7. Juni 1995 - BVerwG 5 B 141.94 - Buchholz a.a.O. Nr. 268 S. 14). Ein Mangel in diesem Sinne liegt unter anderem vor, wenn die vorgelegten Gutachten im Hinblick auf die beweiserhebliche Frage unvollständig sind oder wenn ihre Ergebnisse durch neues beweiserhebliches Vorbringen eines Beteiligten ernsthaft erschüttert werden.

5

Nach diesen Kriterien hätte über die Frage, ob und in welchem Umfang die Fähigkeiten des Klägers zur Ausübung der ärztlichen Tätigkeit zur Einkommenserzielung, bei der die ärztliche Aus- und Weiterbildung ganz oder teilweise verwendet werden kann infolge eines körperlichen Gebrechens oder wegen Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte im vom Oberverwaltungsgericht für maßgeblich gehaltenen Zeitraum vom 4. Dezember 2003 bis zum 1. Februar 2004 eingeschränkt waren, durch Einholen eines medizinischen Sachverständigengutachtens Beweis erhoben werden müssen, weil die im Verwaltungsverfahren eingeholten oder vorgelegten Gutachten sich zu diesen vom Berufungsgericht für entscheidungserheblich gehaltenen Tatsachen nicht äußerten. Sie gaben weder über das Eintreten einer Berufsfähigkeit des Klägers zu einem nach ihrer Erstellung liegenden Zeitpunkt Aufschluss, noch nahmen sie Stellung zur auch nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts entscheidungsrelevanten Frage möglicher Auswirkungen der Polymorbidität des Klägers auf seine Berufsfähigkeit.

6

Die Gutachten aus dem psychiatrischen Fachgebiet, in dem die weitestgehenden gesundheitlich bedingten Einschränkungen festgestellt wurden, datieren bereits von Juni und November 2002, also mehr als ein Jahr vor dem vom Oberverwaltungsgericht für maßgeblich gehaltenen Zeitraum vom 4. Dezember 2003 bis zum 1. Februar 2004. Zur Frage, ob die angenommene eingeschränkte Berufsfähigkeit des Klägers bis zum Ablauf dieses Zeitraums entfallen sein könnte, liegen keine Gutachten vor. Die angefochtene Entscheidung legt auch keine eigene fachärztliche Sachkunde des Oberverwaltungsgerichts dar, auf die sich dessen Annahme stützen könnte, die gutachtlichen Feststellungen träfen auch für den späteren, allein maßgeblichen Zeitraum noch zu. Dass die übrigen ärztlichen Atteste, Befundberichte und Stellungnahmen des Dr. G., des Dr. F. und des Dipl.-med. Z. diese Einschätzung tragen könnten, legt die vorinstanzliche Beweiswürdigung nicht dar. Es ergibt sich auch nicht aus den Unterlagen selbst. Die Stellungnahmen des Dr. F. vom 17. August 2005 und 18. April 2006 und des Dipl.-med. Z. vom 7. August 2005 enthalten vielmehr konkrete Hinweise auf eine stetige Verschlechterung und Chronifizierung der verschiedenen Erkrankungen sowie auf eine psychische Destabilisierung trotz fortgesetzter Therapien. Danach drängt sich die Frage auf, ob dieser Prozess bis zum 1. Februar 2004 so weit fortgeschritten war, dass er auch eine im Jahr zuvor noch für möglich gehaltene Teilzeittätigkeit des Klägers als Aktengutachter ausschloss. Dieser Frage hätte das Oberverwaltungsgericht durch Einholen eines fachärztlichen Sachverständigengutachtens nachgehen müssen, da es die nach dem 1. Februar 2004 vorgelegten Belege nur für unergiebig oder nicht beweiskräftig, aber nicht für geeignet hielt, die Berufsfähigkeit im maßgeblichen Zeitraum positiv oder negativ zu klären. Soweit das Berufungsgericht meint, auf die bescheinigten Verschlechterungen des Krankheitsbildes komme es nicht an, übersieht es, dass eine Verschlechterung im Zeitraum von 2002/03 bis zum 1. Februar 2004 nach seinen materiell-rechtlichen Annahmen durchaus entscheidungserheblich war.

7

Darüber hinaus musste sich dem Oberverwaltungsgericht eine sachverständige Klärung der fachärztlich-interdisziplinären Gesamtbewertung der Wechselwirkungen psychischer und physischer Erkrankungen aufdrängen. Eine solche Wechselwirkung ergab sich nicht erst aus den zuletzt vorgelegten Attesten wie dem fachärztlichen Befundbericht des Dipl.-med. Z. vom 20. März 2006, sondern bereits aus der internistischen Stellungnahme des Dr. G. vom 6. November 2003, der Krankheitsbilder anderer Fachrichtungen auflistete und darauf hinwies, keine diese Disziplinen einbeziehende Beurteilung abgeben zu können. Auf eine relevante Wechselwirkung deutete auch die Stellungnahme Dr. F. vom 17. August 2005 hin, nach der die Schmerzchronifizierung mit einer psychischen Destabilisierung einherging.

8

Die fachärztlich-psychiatrischen Gutachten vom 30. November 2002/25. Februar 2003 sowie vom 24. Juni 2003 und das fachärztlich-orthopädische Gutachten vom 22. September 2003 klären die Wechselwirkungen der verschiedenen Erkrankungen und die Folgen der Polymorbidität für die Berufsfähigkeit des Klägers nicht, sondern beschränken sich - dem jeweiligen Gutachtenauftrag entsprechend - jeweils auf ein Fachgebiet. Dies erklärt ihre erheblich voneinander abweichenden Einschätzungen, nach denen der Kläger - aus orthopädischer Sicht - im September 2003 noch vollschichtig aufsichtsführend tätig sein konnte, während ihm aus psychiatrischer Sicht bereits im Juni 2003 nur noch eine Teilzeitbeschäftigung von fünf Stunden täglich möglich war. Ob der Kläger aus psychiatrischer Sicht eine aufsichtsführende Tätigkeit hätte ausführen können, oder ob er aus orthopädischer Sicht zu einer trotz der psychischen Erkrankung für möglich gehaltenen Erwerbstätigkeit als Aktengutachter in der Lage gewesen wäre, wurde nicht gutachtlich geklärt.

9

Die erforderliche Beweiserhebung durfte auch nicht schon deshalb unterbleiben, weil der Kläger sich nicht der in einem Gutachten angeregten stationären psychiatrischen Behandlung unterzog. Soweit das angegriffene Urteil in der Beweiswürdigung hierauf Bezug nimmt, übersieht es, dass nach seinen eigenen Ausführungen zu § 10 Abs. 1 Satz 1 der Versorgungssatzung jedenfalls zu klären war, ob bis zum möglichen Erfolg der vorgeschlagenen stationären psychosomatischen Rehabilitation - deren Geeignetheit vorausgesetzt - eine zumindest vorübergehende Berufsunfähigkeit vorlag (§ 10 Abs. 3 Satz 2 der Versorgungssatzung).

10

Auf die Frage, inwieweit neben der Verletzung der Aufklärungspflicht auch die gleichzeitig gerügte Verletzung rechtlichen Gehörs vorliegt, kommt es danach nicht mehr an.

11

Im Interesse der Verfahrensbeschleunigung macht der Senat von der Möglichkeit der Aufhebung der Entscheidung und der Zurückverweisung der Sache an das Oberverwaltungsgericht Gebrauch (§ 133 Abs. 6 VwGO).

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

Rechtskräftige Urteile binden, soweit über den Streitgegenstand entschieden worden ist,

1.
die Beteiligten und ihre Rechtsnachfolger und
2.
im Fall des § 65 Abs. 3 die Personen, die einen Antrag auf Beiladung nicht oder nicht fristgemäß gestellt haben.

(1) Das Urteil ergeht "Im Namen des Volkes". Es ist schriftlich abzufassen und von den Richtern, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben, zu unterzeichnen. Ist ein Richter verhindert, seine Unterschrift beizufügen, so wird dies mit dem Hinderungsgrund vom Vorsitzenden oder, wenn er verhindert ist, vom dienstältesten beisitzenden Richter unter dem Urteil vermerkt. Der Unterschrift der ehrenamtlichen Richter bedarf es nicht.

(2) Das Urteil enthält

1.
die Bezeichnung der Beteiligten, ihrer gesetzlichen Vertreter und der Bevollmächtigten nach Namen, Beruf, Wohnort und ihrer Stellung im Verfahren,
2.
die Bezeichnung des Gerichts und die Namen der Mitglieder, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben,
3.
die Urteilsformel,
4.
den Tatbestand,
5.
die Entscheidungsgründe,
6.
die Rechtsmittelbelehrung.

(3) Im Tatbestand ist der Sach- und Streitstand unter Hervorhebung der gestellten Anträge seinem wesentlichen Inhalt nach gedrängt darzustellen. Wegen der Einzelheiten soll auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen verwiesen werden, soweit sich aus ihnen der Sach- und Streitstand ausreichend ergibt.

(4) Ein Urteil, das bei der Verkündung noch nicht vollständig abgefaßt war, ist vor Ablauf von zwei Wochen, vom Tag der Verkündung an gerechnet, vollständig abgefaßt der Geschäftsstelle zu übermitteln. Kann dies ausnahmsweise nicht geschehen, so ist innerhalb dieser zwei Wochen das von den Richtern unterschriebene Urteil ohne Tatbestand, Entscheidungsgründe und Rechtsmittelbelehrung der Geschäftsstelle zu übermitteln; Tatbestand, Entscheidungsgründe und Rechtsmittelbelehrung sind alsbald nachträglich niederzulegen, von den Richtern besonders zu unterschreiben und der Geschäftsstelle zu übermitteln.

(5) Das Gericht kann von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es der Begründung des Verwaltungsakts oder des Widerspruchsbescheids folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt.

(6) Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat auf dem Urteil den Tag der Zustellung und im Falle des § 116 Abs. 1 Satz 1 den Tag der Verkündung zu vermerken und diesen Vermerk zu unterschreiben. Werden die Akten elektronisch geführt, hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle den Vermerk in einem gesonderten Dokument festzuhalten. Das Dokument ist mit dem Urteil untrennbar zu verbinden.

Gründe

1

Die Beschwerde des Klägers, der ausschließlich Verfahrensrügen gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO erhebt, hat Erfolg.

2

1. Zu Recht rügt der Kläger eine Verletzung der Aufklärungspflicht nach § 86 Abs. 1 VwGO, auf der das angegriffene Urteil beruhen kann.

3

Zwar hat der Kläger keinen nach § 86 Abs. 2 VwGO beachtlichen Beweisantrag gestellt, weil er die Vernehmung des Dr. F. im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Oberverwaltungsgericht nur bedingt beantragt und sich im Übrigen auf schriftsätzliche Beweisanregungen beschränkt hat. Soweit diese aber auf eine interdisziplinäre gutachtliche Klärung der Auswirkungen der Multi- oder Polymorbidität auf die Berufsfähigkeit des Klägers abzielten und unter Hinweis auf entsprechende fachärztliche Stellungnahmen vom 20. März und vom 10. und 18. April 2006 geltend machten, die von den Vorinstanzen angenommene Fähigkeit des Klägers zur Teilzeittätigkeit als Aktengutachter sei jedenfalls bis Ende des Jahres 2003 entfallen, hätte sich dem Oberverwaltungsgericht eine weitere Sachaufklärung von Amts wegen durch Einholen eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens aufdrängen müssen.

4

Nach § 86 Abs. 1 VwGO ist das Gericht verpflichtet, den entscheidungserheblichen Sachverhalt von Amts wegen aufzuklären und die erforderlichen Beweise zu erheben. Erfordert die Tatsachenfeststellung besondere Sachkunde, darf ohne Zuziehung von Sachverständigen nur entschieden werden, wenn das Gericht nach eigenem pflichtgemäßen Ermessen selbst über die nötige Sachkunde verfügt und dies für die Beteiligten nachvollziehbar darlegt (vgl. Beschlüsse vom 28. August 1995 - BVerwG 3 B 5.95 - Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 270 S. 16 und vom 13. Januar 2009 - BVerwG 9 B 64.08 - Buchholz a.a.O. Nr. 372 Rn. 6). Allerdings kann es im Verwaltungsverfahren eingeholte und von den Beteiligten vorgelegte Sachverständigengutachten im Wege des Urkundenbeweises verwerten. In diesem Fall ist es zum Einholen eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens nur verpflichtet, wenn die vorgelegten Gutachten an offen erkennbaren Mängeln oder unlösbaren Widersprüchen leiden, wenn sie von unzutreffenden sachlichen Voraussetzungen ausgehen oder wenn Anlass zu Zweifeln an der Sachkunde oder Unparteilichkeit des Gutachters besteht (Beschlüsse vom 4. Dezember 1991 - BVerwG 2 B 135.91 - Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 238 S. 67 und vom 7. Juni 1995 - BVerwG 5 B 141.94 - Buchholz a.a.O. Nr. 268 S. 14). Ein Mangel in diesem Sinne liegt unter anderem vor, wenn die vorgelegten Gutachten im Hinblick auf die beweiserhebliche Frage unvollständig sind oder wenn ihre Ergebnisse durch neues beweiserhebliches Vorbringen eines Beteiligten ernsthaft erschüttert werden.

5

Nach diesen Kriterien hätte über die Frage, ob und in welchem Umfang die Fähigkeiten des Klägers zur Ausübung der ärztlichen Tätigkeit zur Einkommenserzielung, bei der die ärztliche Aus- und Weiterbildung ganz oder teilweise verwendet werden kann infolge eines körperlichen Gebrechens oder wegen Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte im vom Oberverwaltungsgericht für maßgeblich gehaltenen Zeitraum vom 4. Dezember 2003 bis zum 1. Februar 2004 eingeschränkt waren, durch Einholen eines medizinischen Sachverständigengutachtens Beweis erhoben werden müssen, weil die im Verwaltungsverfahren eingeholten oder vorgelegten Gutachten sich zu diesen vom Berufungsgericht für entscheidungserheblich gehaltenen Tatsachen nicht äußerten. Sie gaben weder über das Eintreten einer Berufsfähigkeit des Klägers zu einem nach ihrer Erstellung liegenden Zeitpunkt Aufschluss, noch nahmen sie Stellung zur auch nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts entscheidungsrelevanten Frage möglicher Auswirkungen der Polymorbidität des Klägers auf seine Berufsfähigkeit.

6

Die Gutachten aus dem psychiatrischen Fachgebiet, in dem die weitestgehenden gesundheitlich bedingten Einschränkungen festgestellt wurden, datieren bereits von Juni und November 2002, also mehr als ein Jahr vor dem vom Oberverwaltungsgericht für maßgeblich gehaltenen Zeitraum vom 4. Dezember 2003 bis zum 1. Februar 2004. Zur Frage, ob die angenommene eingeschränkte Berufsfähigkeit des Klägers bis zum Ablauf dieses Zeitraums entfallen sein könnte, liegen keine Gutachten vor. Die angefochtene Entscheidung legt auch keine eigene fachärztliche Sachkunde des Oberverwaltungsgerichts dar, auf die sich dessen Annahme stützen könnte, die gutachtlichen Feststellungen träfen auch für den späteren, allein maßgeblichen Zeitraum noch zu. Dass die übrigen ärztlichen Atteste, Befundberichte und Stellungnahmen des Dr. G., des Dr. F. und des Dipl.-med. Z. diese Einschätzung tragen könnten, legt die vorinstanzliche Beweiswürdigung nicht dar. Es ergibt sich auch nicht aus den Unterlagen selbst. Die Stellungnahmen des Dr. F. vom 17. August 2005 und 18. April 2006 und des Dipl.-med. Z. vom 7. August 2005 enthalten vielmehr konkrete Hinweise auf eine stetige Verschlechterung und Chronifizierung der verschiedenen Erkrankungen sowie auf eine psychische Destabilisierung trotz fortgesetzter Therapien. Danach drängt sich die Frage auf, ob dieser Prozess bis zum 1. Februar 2004 so weit fortgeschritten war, dass er auch eine im Jahr zuvor noch für möglich gehaltene Teilzeittätigkeit des Klägers als Aktengutachter ausschloss. Dieser Frage hätte das Oberverwaltungsgericht durch Einholen eines fachärztlichen Sachverständigengutachtens nachgehen müssen, da es die nach dem 1. Februar 2004 vorgelegten Belege nur für unergiebig oder nicht beweiskräftig, aber nicht für geeignet hielt, die Berufsfähigkeit im maßgeblichen Zeitraum positiv oder negativ zu klären. Soweit das Berufungsgericht meint, auf die bescheinigten Verschlechterungen des Krankheitsbildes komme es nicht an, übersieht es, dass eine Verschlechterung im Zeitraum von 2002/03 bis zum 1. Februar 2004 nach seinen materiell-rechtlichen Annahmen durchaus entscheidungserheblich war.

7

Darüber hinaus musste sich dem Oberverwaltungsgericht eine sachverständige Klärung der fachärztlich-interdisziplinären Gesamtbewertung der Wechselwirkungen psychischer und physischer Erkrankungen aufdrängen. Eine solche Wechselwirkung ergab sich nicht erst aus den zuletzt vorgelegten Attesten wie dem fachärztlichen Befundbericht des Dipl.-med. Z. vom 20. März 2006, sondern bereits aus der internistischen Stellungnahme des Dr. G. vom 6. November 2003, der Krankheitsbilder anderer Fachrichtungen auflistete und darauf hinwies, keine diese Disziplinen einbeziehende Beurteilung abgeben zu können. Auf eine relevante Wechselwirkung deutete auch die Stellungnahme Dr. F. vom 17. August 2005 hin, nach der die Schmerzchronifizierung mit einer psychischen Destabilisierung einherging.

8

Die fachärztlich-psychiatrischen Gutachten vom 30. November 2002/25. Februar 2003 sowie vom 24. Juni 2003 und das fachärztlich-orthopädische Gutachten vom 22. September 2003 klären die Wechselwirkungen der verschiedenen Erkrankungen und die Folgen der Polymorbidität für die Berufsfähigkeit des Klägers nicht, sondern beschränken sich - dem jeweiligen Gutachtenauftrag entsprechend - jeweils auf ein Fachgebiet. Dies erklärt ihre erheblich voneinander abweichenden Einschätzungen, nach denen der Kläger - aus orthopädischer Sicht - im September 2003 noch vollschichtig aufsichtsführend tätig sein konnte, während ihm aus psychiatrischer Sicht bereits im Juni 2003 nur noch eine Teilzeitbeschäftigung von fünf Stunden täglich möglich war. Ob der Kläger aus psychiatrischer Sicht eine aufsichtsführende Tätigkeit hätte ausführen können, oder ob er aus orthopädischer Sicht zu einer trotz der psychischen Erkrankung für möglich gehaltenen Erwerbstätigkeit als Aktengutachter in der Lage gewesen wäre, wurde nicht gutachtlich geklärt.

9

Die erforderliche Beweiserhebung durfte auch nicht schon deshalb unterbleiben, weil der Kläger sich nicht der in einem Gutachten angeregten stationären psychiatrischen Behandlung unterzog. Soweit das angegriffene Urteil in der Beweiswürdigung hierauf Bezug nimmt, übersieht es, dass nach seinen eigenen Ausführungen zu § 10 Abs. 1 Satz 1 der Versorgungssatzung jedenfalls zu klären war, ob bis zum möglichen Erfolg der vorgeschlagenen stationären psychosomatischen Rehabilitation - deren Geeignetheit vorausgesetzt - eine zumindest vorübergehende Berufsunfähigkeit vorlag (§ 10 Abs. 3 Satz 2 der Versorgungssatzung).

10

Auf die Frage, inwieweit neben der Verletzung der Aufklärungspflicht auch die gleichzeitig gerügte Verletzung rechtlichen Gehörs vorliegt, kommt es danach nicht mehr an.

11

Im Interesse der Verfahrensbeschleunigung macht der Senat von der Möglichkeit der Aufhebung der Entscheidung und der Zurückverweisung der Sache an das Oberverwaltungsgericht Gebrauch (§ 133 Abs. 6 VwGO).

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.