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| Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet. Die angefochtenen Bescheide verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO), denn sie sind rechtmäßig. |
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| Rechtsgrundlage ist die Rechtsverordnung des Landratsamts X vom 30.06.2005 über die rückwirkende Gebührenerhebung für die Schlachttier- und Fleischuntersuchung, die nach ihrem § 3 mit Wirkung vom 01.07.1995 in Kraft getreten ist. Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 dieser Rechtsverordnung werden Gebühren nach der Anlage zu dieser Verordnung erhoben „für nach dem Fleischhygienegesetz durchgeführte Schlachttier- und Fleischuntersuchungen bei Einhufern, Rindern, Kälbern, Schweinen, Ferkeln, Schafen und Ziegen“, die (u.a.) zwischen dem 01.07.1995 und dem 31.12.2004 in Schlachtbetrieben mit mehr als 2.000 Schlachtungen je Kalendermonat im Jahresdurchschnitt stattgefunden haben. Die Gebührenfestsetzung erfolgt nach Absatz 4 der Rechtsverordnung „höchstens in der Höhe, die sich bei einer Anwendung der Fleischhygieneverordnung vom 20.07.1998, zuletzt geändert durch Verordnung vom 24.01.2004, unter Einbeziehung der Kosten für die Trichinenuntersuchung und die bakteriologischen Untersuchung ergeben hätte.“ |
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| Die zitierten Bestimmungen in der Rechtsverordnung des Landratsamts stützen sich ihrerseits auf § 2a Abs. 7 des Gesetzes zur Ausführung des Fleischhygienegesetzes vom 12.12.1994 - AGFlHG - in der Fassung des Gesetzes zur Neuregelung des Gebührenrechts vom 14.12.2004 (GBl. S. 895) Nach dieser ebenfalls rückwirkend zum 01.07.1995 in Kraft getretenen Bestimmung werden die kostenpflichtigen Tatbestände und die Höhe der Gebühren, die nach § 2a Abs. 1 AGFlHG für die Amtshandlungen nach dem Fleischhygienegesetz und den zur Durchführung dieses Gesetzes erlassenen Rechtsvorschriften erhoben werden, durch Rechtsverordnung der Landratsämter oder durch Satzung der Stadtkreise bestimmt. |
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| Entgegen der Auffassung der Klägerin hat die Kammer keine Zweifel an einer Vereinbarkeit dieser Regelungen mit höherrangigem Recht. |
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| 1. Dass es - wie die Klägerin geltend macht - an einer Ermächtigungsgrundlage überhaupt mangeln könnte, weil durch Art. 7 Nr. 7 des Gesetzes zur Neuordnung des Lebensmittel- und Futtermittelrechts vom 1.9.2005, BGBl. I 2618, das Fleischhygienegesetz (FlHG i.d.F. der Bekanntmachung vom 30.6.2003, BGBl. I S. 1242, 1585 . m. nachf. Änderungen, zuletzt durch Art. 1 des Gesetzes vom 4.11.2004, BGBl. I S. 2688, 3657) aufgehoben worden ist, ist nicht zutreffend. Abgesehen davon, dass einige der Bestimmungen des Fleischhygienegesetzes auf Grund des Art. 2 § 1 Nr. 4 des genannten Neuordnungsgesetzes weiterhin für eine Übergangszeit anzuwenden sind, ist das genannte Neuordnungsgesetz erst mit Wirkung vom 7.9.2005 in Kraft getreten (dazu Art. 8 des Neuordnungsgesetzes), so dass das AGFlHG zeitlich nicht auf ein Gesetz abstellt, das außer Kraft getreten war. Entscheidend ist aber, dass die Bestimmung in § 24 FlHG nicht die bundesrechtliche Ermächtigungsgrundlage für die landesrechtliche Gebührenregelung darstellt. Mit dieser Bestimmung hat der Bundesgesetzgeber von der ihm nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 20 GG zustehenden konkurrierenden Gesetzgebungszuständigkeit Gebrauch gemacht und es dabei (zulässigerweise) dem Landesgesetzgeber überlassen, die einzelnen kostenpflichtigen Tatbestände - und damit auch die entsprechenden Gebühren - zu bestimmen und damit das in Bezug genommene Gemeinschaftsrecht in nationales Recht umzusetzen (so BVerwG, Urteil vom 27.4.2000 - 1 C 7.99 - BVerwGE 111, 143). Soweit § 24 FlHG die Umsetzung des Gemeinschaftsrechts dem Landesgesetzgeber überlässt, steht diesem auch eine originäre Gesetzgebungskompetenz nach Art. 72 Abs. 1 GG zu. Von ihr hat der Landesgesetzgeber durch das bereits erwähnte Ausführungsgesetz auch Gebrauch gemacht. Der nachträgliche Wegfall der bundesrechtlichen (konkurrierenden) Regelung hat daher nicht den von der Klägerin behaupteten Kompetenzverlust zur Folge. Dass mit dem Außerkrafttreten des § 24 FlHG auch der bundeseinheitlich geltende Maßstab entfallen sei, mag erörtert werden können, dass ein solcher aber nach der „Feyrer-Entscheidung“ des EuGH (Urteil vom 9.9.1999, NVwZ 2000, 182 f.) gefordert sei, wie dies in der Klage vorgebracht worden ist, ist indes nicht zutreffend (vgl. dazu VGH Bad.-Württ., Urt. v. 30.03.2006 - 2 S 831/05 -; BVerwG, Beschl. v. 09.10.2006 - 3 B 75.06). |
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| 2. Auch der Umstand, dass die Regelungen mit Rückwirkung getroffen wurden, führt weder unter verfassungsrechtlichen noch unter gemeinschaftsrechtlichen Aspekten zu Zweifeln an ihrer Rechtmäßigkeit. Dies gilt entgegen der Auffassung der Klägerin auch insoweit, als die Rückwirkung einen „Systemwechsel“ von einer betriebsbezogenen auf eine spezifische Gebühr ermöglicht. Hierzu hat der VGH Baden-Württemberg in seinem Urteil vom 30.03.2006 (a.a.O.) ausgeführt: |
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| „(d) Aus Rechtsgründen ist nicht zu beanstanden, dass sowohl die genannte Rechtsverordnung (s. deren § 3) als auch §§ 2a, 2b AGFlHG (s. Art 17 Abs. 5 des genannten Gesetzes zur Neuregelung des Gebührenrechts) rückwirkende (Gebühren-) Regelungen enthalten, die auch die in dem angefochtenen Bescheid zu Grunde gelegten Zeiträume umfassen. |
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| (aa) Dies gilt für das Vorbringen der Berufung, dass bereits die FlHGebVO vom 20.7.1998 (GBl. S. 459) - FlHGebVO 1998 - nicht mehr Gebührentatbestände hätte festlegen dürfen, nachdem auf Grund einer Senatsentscheidung rechtskräftig entschieden gewesen sei, dass die VO v. 10.4.1995 nur Gebührenfestsetzungen nach ihren Nrn. 80.18 ff, mithin auf der untersten Stufe als Mindestgebühr, zugelassen habe; die Rechtskraft dieser Entscheidung sei in der Folgezeit „ausgeblendet worden“. Es sei deshalb auch Verfassungsbeschwerde eingelegt (BVerfG 1 BvR 1669/02). Damit wird indes die rechtliche Tragweite des maßgeblichen Beschlusses des Senats vom 24.6.1997 - 2 S 3258/95 - (bestätigt durch BVerwG, Beschluss vom 5.7.1998 - 6 BN 2.98 -) verkannt, mit dem die Nrn. 80.18 bis 80.18.2.4 der genannten VO für ungültig erklärt worden sind, soweit dort über die Mindestgebühr hinausgehende Gebühren festgesetzt sind. Entschieden ist lediglich die Frage der Rechtmäßigkeit einer Gebührenfestlegung durch Verordnung, nicht indes deren ausschließliche Zulässigkeit. Einer rückwirkenden Regelung steht damit diese Entscheidung nicht entgegen. |
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| (bb) Zutreffend ist, dass die nachfolgende Fleischhygienegebührenverordnung vom 20.7.1998 (GBl. S. 459 ) - FlHGebVO 1998 - nur eine „betriebsbezogene Anhebung“ nach der Bestimmung der Nr. 4a Kapitel I Anhang A der RL 85/73/EWG i. d. F. der Richtlinie 96/43/EG des Rates v. 26.6.1996 zur Änderung und Kodifizierung der Richtlinie 85/73/EWG zur Sicherstellung der Finanzierung der veterinär- und hygienerechtlichen Kontrollen von lebenden Tieren und bestimmten tierischen Erzeugnissen sowie zur Änderung der Richtlinien 90/675/EWG und 91/496/EWG (ABl. Nr. L 162, 1; ber. ABl. 1997 Nr. L 8, 32) zugelassen und außerdem unzulässig gesonderte Gebühren für die Trichinenuntersuchung und die bakteriologische Untersuchung festgelegt hat. Da mit Blick auf die unzulässig festgelegten gesonderten Gebühren von der Nichtigkeit der FlHGebVO 1998 auszugehen ist (dazu der o.a. Zulassungsbeschluss des Senats), entfällt der Einwand, der Normgeber dürfe nicht „kumulativ“ auch eine kostendeckende Anhebung der EG-Pauschgebühr für den Zeitraum 20.7.1998 und 31.12.2004 vorsehen, wie dies mit der Rechtsverordnung des Beklagten nunmehr geregelt werde. Auch ist die mit der Berufung vorgetragene Beschränkung auf die betriebsbezogene Anhebung der Gebühr nicht gegeben und daher auch auszuschließen, dass - wie die Berufung meint - „deswegen“ eine rückwirkende Anhebung nach Nr. 4b Kapitel I Anhang A der genannten Richtlinie ausscheide. |
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| (e) Die Übertragung der Regelungsbefugnis nach § 2a und § 2 b AGFlHG auf Stadt- und Landkreise beruht auf der Ermächtigung in Art. 17 Abs. 5 in Verbindung mit Art. 2 des genannten Gesetzes zur Neuregelung des Gebührenrechts. Sie begegnet unter kompetenzrechtlichen Erwägungen keinen Bedenken (vgl. dazu auch das o.a. Urteil des EuGH vom 9.9.1999, C- 374/97 - (Feyrer) Slg. 1999, I-5153 = NVwZ 2000, 182 ff. m. Anm. Kunze NVwZ 2001, 291). Denn es steht jedem Mitgliedsstaat frei, die Zuständigkeiten auf innerstaatlicher Ebene zu verteilen und die nicht unmittelbar anwendbaren Gemeinschaftsrechtsakte durch Maßnahmen regionaler oder örtlicher Behörden durchzuführen (dazu EuGH, Urteil vom 9.9.1999, C-374/97, a.a.O.), sofern diese Zuständigkeitsverteilung eine ordnungsgemäße Durchführung der betreffenden Gemeinschaftsrechtsakte ermöglicht. Einer Übertragung der Regelungskompetenz für die Abweichung von den EG-Pauschalbeträgen auf die Land- und Stadtkreise steht daher EG-Recht nicht entgegen und sie ist auch bundesrechtlich zulässig (so schon BVerwG, Beschluss vom 21.4.1999 - 1 B 26.99 - Buchholz 418.5 Fleischbeschau Nr. 18). |
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| (f) Auch die dabei eingeräumte Möglichkeit, rückwirkend zum 1.7.1995 von einer betriebsbezogenen Anhebung auf der Grundlage von Nr. 4a auf die „kostendeckende“ Anhebung nach Nr. 4b des Anhangs zur Richtlinie 85/73/EWG (s. Art. 2 Abs. 3 dieser Richtlinie i.d.F. der Richtlinie 93/118/EG i.V.m. Kapitel I Nr. 4 des Anhangs; Art. 5 Abs. 3 der genannten Richtlinie i.d.F. der Richtlinie 96/43/EG i.V. mit Anhang A Kapitel I Nr. 4) umzustellen, wie dies § 1 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 und § 3 der RVO des Beklagten regelt, ist entgegen dem Vorbringen der Berufung verfassungsrechtlich nicht unter dem Gesichtspunkt des Rückwirkungsverbots zu beanstanden. |
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| Der Senat hat bereits in seinem Normenkontrollurteil vom 5.7.2001 - 2 S 2898/98 - dargelegt, dass der Normgeber befugt ist, eine unklare Rechtslage auch rückwirkend zu bereinigen. Dies entspricht der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. dazu Urteil vom 27. April 2000 - 1 C 8.99 - GewA 2000, 384; Urteil vom 18.10.2001 - 3 C 1.01 - NVwZ 2002, 486 ff., Beschluss vom 31.7.2002 - 3 B 145.01 - NVwZ 2003, 480 ff.). Dies gilt auch für die hier in Rede stehende Rechtsverordnung des Beklagten. Einem etwaigen schützenswerten Vertrauen eines Betroffenen wird dadurch Rechnung getragen, dass nach Art. 17 Abs. 5 des Gesetzes zur Neuregelung des Gebührenrechts im Zeitraum 1.1.1995 bis 31.12.2004 keine höheren Gebühren erhoben werden, als nach der FlHGebVO vom 20.7.1998 einschließlich der Kosten für die Trichinenuntersuchung und die bakteriologische Fleischuntersuchung. Diesem Gebot trägt auch die Rechtsverordnung des Beklagten in ihrem § 1 Abs. 4 Rechnung. Mithin darf eine höhere Gebühr, als sie auf der bisherigen Grundlage angefallen wäre, nicht festgesetzt werden. Eine andere rechtliche Beurteilung der Zulässigkeit einer Rückwirkung ist auch auf der Grundlage der mit der Berufung vorgelegten rechtsgutachtlichen Stellungnahme vom 25.5.2001 nicht geboten. Wie der Beklagte zu Recht hervorhebt, ist dieses Gutachten mit Blick auf die bayerische Rechtslage erstellt, für die eine gegenüber der gesetzlich vorgesehenen Rückwirkung weitergehende satzungsrechtliche Regelung als verfassungswidrig deswegen aufgezeigt wird, weil eine sog. echte Rückwirkung in Rede stehe (Gutachten S. 14). Um eine solche Rückwirkung geht es hier aber nicht, abgesehen davon, dass der Gutachter selbst die Besonderheiten anderer landesrechtlicher Regelungen hervorhebt (Gutachten S. 19 ff.). |
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| Ferner begegnet die mit dem „Systemwechsel“ verbundene Änderung der Behördenzuständigkeit keinen Bedenken hinsichtlich des Rückwirkungsverbots, wie dies in der Berufungsverhandlung geltend gemacht worden ist. § 3 Abs. 3 LVwVfG bzw. § 26 AO gelten nicht, da der Behördenwechsel hier durch das o.a. genannte Gesetz erfolgt ist. Der Übergang kraft Gesetzes bewirkt einen Wegfall der bisherigen Zuständigkeit und die Begründung der Zuständigkeit des Beklagten, ohne dass damit rückwirkend eine Kompetenzübertragung verbunden ist. Vielmehr geht es in diesem Zusammenhang allein um die Fortsetzung des Verfahrens durch die neue Behörde. Sie erfolgt - dem Rechtsgedanken der genannten verfahrensrechtlichen Bestimmungen entsprechend - unter Wahrung der Interessen des Betroffenen, wenn - wie dies hier der Fall ist - sichergestellt ist, dass seine Rechtsstellung durch die Zuständigkeitsänderung nicht nachteilig berührt wird. |
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| (g) Auch eine dem Gemeinschaftsrecht widersprechende Rechtslage ist nicht festzustellen. |
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| Der Einwand der Berufung, es fehle bereits an der Feststellung, dass im Bundesgebiet die Voraussetzungen für eine Abweichung von der Gemeinschaftsgebühr entsprechend der Vorgabe der RL 85/43/EWG gegeben seien, wird mit dem Hinweis darauf, in § 2a Abs. 1 Satz 2 AGFlHG werde dies lediglich „lapidar“ festgelegt, nicht substantiiert begründet. Warum die dort getroffene Feststellung unzutreffend sein könnte, wird nicht aufgezeigt. Es wird auch verkannt, dass mit ihr der Forderung des Bundesverwaltungsgerichts Rechnung getragen ist, nach der der Landesgesetzgeber durch Rechtssatz zu entscheiden hat, dass von der Gemeinschaftsgebühr abgewichen werden darf und dass die Voraussetzungen für eine derartige Abweichung entsprechend den Feststellungen des Bundesministeriums der Gesundheit vom 24.10.1997 (BAnz. Nr. 204, S. 13298) erfüllt sind (s. dazu auch den Vorspann des mit der Berufung vorgelegten Aufsatzes von Orlop in: Fleischwirtschaft 1987, 1481). |
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| Die Rechtswidrigkeit folgt auch nicht aus dem von der Berufung unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Senats (dazu Beschluss vom 20.9.1999 -2 S 1558/99 -; ferner Papier, DÖV 1993, 809, 810) angeführten Gesichtspunkt, dass grundsätzlich die Anwendung von nicht oder nicht ordnungsgemäß umgesetzten Richtlinien zu Lasten des Gemeinschaftsbürgers nicht in Betracht komme, weil der nicht umgesetzte Akt keine vertikalen Rechtswirkungen zu Lasten des Gemeinschaftsbürgers entfalte. Eine fehlende Umsetzung der RL 85/43/EWG sei aber festzustellen, da dort angeführte Betriebe anderer Lebensmittelbereiche nicht mit Gebühren belastet seien. Ob dies der Sache nach auch hier zutrifft, bedarf keiner Entscheidung. Denn diese Erwägung ist nach der Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 9.9.1999 C-374/97, a.a.O.) jedenfalls für die Richtlinie 85/73/EWG nicht tragend. Der Gerichtshof hat dargelegt, dass auch dann, wenn der Mitgliedstaat die Richtlinie nicht innerhalb der Frist umgesetzt habe, ein Einzelner sich der Erhebung von höheren Gebühren als den im Anhang Kapitel I Nr. 1 festgesetzten Pauschalbeträgen nicht widersetzen kann, sofern diese Gebühren die tatsächlich entstandenen Kosten nicht überschreiten. Ein Mitgliedstaat kann danach auch von der ihm durch den genannten Anhang eingeräumten Befugnis, eine spezifische, die Pauschalbeträge übersteigende Gebühr zu erheben, ohne weitere Voraussetzungen unter dem alleinigen Vorbehalt Gebrauch machen , dass die spezifische Gebühr die tatsächlichen Kosten nicht überschreitet. Auch darf ein Mitgliedstaat, der die Befugnis zur Erhebung der Gebühren für Untersuchungen und Hygienekontrollen von frischem Fleisch den kommunalen Behörden übertragen hat, nach Art. 2 Abs. 3 der Richtlinie bis zur Höhe der der zuständigen kommunalen Behörde tatsächlich entstandenen Untersuchungskosten höhere Gebühren als die Gemeinschaftsgebühren erheben. Nichts anderes kann im Übrigen auch für die RL 85/73/EWG in ihrer späteren Fassung gelten. |
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| Die o.a. gesetzliche Neuregelung ist auch nicht wegen des mit der Berufung geltend gemachten Einwands rechtswidrig, die in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs entwickelten Grundsätze zur Zulässigkeit rückwirkenden EG-Rechts seien nicht beachtet. Denn auf diese Grundsätze kommt es im vorliegenden Fall nicht entscheidungserheblich an. Entgegen der Berufung wird hier EG-Recht nicht rückwirkend wieder in Kraft gesetzt. Für den in § 3 der Rechtsverordnung des Beklagten (rückwirkend) geregelten Gebührenzeitraum ab 1.7.1995 sind maßgeblich zum einen die Richtlinie 85/73/EWG in der Fassung der Richtlinie 93/118/EG, die bis 1.7.1997 Anwendung gefunden hat. Zum anderen ist ab diesem Zeitpunkt die Richtlinie 85/73/EWG in der Fassung der Richtlinie 96/43/EG maßgeblich, die die RL 93/118/EWG ersetzt. Die Bezugnahme auf diese gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben erfolgt hier ersichtlich durch das nationale Recht, das das Gemeinschaftsrecht schon mit dieser Beschränkung nicht berührt, sondern lediglich Normlücken des nationalen Gebührenrechts bei der Umsetzung des Gemeinschaftsrechts schließt (so zutreffend OVG NW, Urteil vom 14.12.2004 - 9 A 4232/02 - KStZ 2005, 72 m.w.N.). Der Senat hat - allerdings noch mit Blick auf die FlHGebVO 1998 - dargelegt, dass diese eine Rückwirkung gemeinschaftsrechtlicher Vorschriften gerade nicht regele, sondern dass eine mittlerweile außer Kraft getretene EG-Rechtsnorm für einen Zeitraum umgesetzt werde, für den sie sich selbst Rechtswirkung beigemessen hat und für den sie auch umzusetzen war oder unmittelbar Geltung besaß (NK-Urteil vom 5.7.2001 - 2 S 2989/98 -; vgl. auch BVerwG, Beschluss v. 27.4.2000 - 12.99 - Buchholz 418.5 Fleischbeschau Nr. 21). Daran ist auch für die hier in Rede stehende Rechtsverordnung festzuhalten. Auch das Bundesverwaltungsgericht hat entschieden, es sei unschädlich, dass im Zeitpunkt des Erlasses der Neuregelung die Richtlinie 93/118/EG außer Kraft getreten sei. Denn sie sei nicht mit Wirkung „ex tunc“ von Anfang an, sondern „mit Wirkung „ex nunc“ außer Kraft getreten mit der Folge, dass die Rückwirkungsanordnung lediglich für den Zeitraum, in dem diese Gemeinschaftsrechtsakte nach wie vor Gültigkeit haben, an diese anknüpfe (so BVerwG, Urteil vom 18.10.2001 - 3 C 1.01, a.a.O., S. 488, m.w.N.). Demnach ist eine Auseinandersetzung mit den mit der Berufung aufgezeigten Grundsätzen eines EG-rechtlich begründeten Rückwirkungsverbots entbehrlich (zu ihm s. aber auch das genannte NK-Urteil des Senats vom 5.7.2001 - 2 S 2989/98 -). Dies gilt auch für den Hinweis der Berufung auf die Ausführungen von Zuleeg in: Das Recht der Europäischen Gemeinschaften im innerstaatlichen Bereich, S. 247, wonach einer Ermächtigung keine rückwirkende Kraft zukommen dürfe. Denn davon kann hier gerade nicht ausgegangen werden, da das Landesrecht - und ihm folgend die Rechtsverordnung des Beklagten - keine rückwirkende Ermächtigung darstellt, sondern lediglich die richtlinienkonforme Anhebung der Gemeinschaftsgebühr für solche Zeiträume eröffnet, in denen das Gemeinschaftsrecht selbst dies zulässt. Dies stellt keinen Fall des (regelmäßig unzulässigen) Gebrauchmachens von einer gemeinschaftsrechtlichen Ermächtigung für einen Zeitraum vor deren Inkrafttreten dar (dazu OVG NW, Urteil vom 14.12.2004, a.a.O.). |
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| Auch der mit der Berufung gerügte „Systemwechsel“ - die Anhebung der Gebühr nicht mehr nach Nr. 4a, sondern nach Nr. 4b des Anhangs A Kapitel I der RL 85/73/EWG i. d. F. der RL 96/43/EG - ist nicht zu beanstanden. Ob die EG-Pauschalen für bestimmte Betriebe anzuheben sind oder eine Gebühr zu erheben ist, die die tatsächlichen Kosten deckt, ist eine nach den Vorgaben der genannten Richtlinie zu beantwortende Frage, bei der Ermessen eröffnet ist (s. der Wortlaut von Nr. 4 des genannten Anhangs A Kapitel I der RL 85/73/EWG, ABl. L 162/1, 7). Dieses Ermessen unterliegt keinen weiteren europarechtlichen Einschränkungen. Allerdings hat die Ermessenentscheidung durch „Rechtssatz“ zu erfolgen (dazu BVerwG, Urteil vom 29.8.1996 - 3 C 7.95, BVerwGE 102, 39; Urteil vom 27.4.2000 - 1 C 7.99, a.a.O.). Dies ist hier mit der Rechtsverordnung des Beklagten erfolgt. Auch durfte der Gesetzgeber dem Verordnungsgeber hier die Wahl unter mehreren Alternativen überlassen und sich auf die Festlegung der dabei zu beachtenden Grundsätze beschränken (so BVerwG, Urteil vom 24.7.2000, a.a.O.). Dementsprechend ist es dem Verordnungsgeber auch nicht verwehrt, einen „Systemwechsel“ dadurch vorzunehmen, dass er bei einem Abweichen von den EG-Pauschgebühren von der „betriebsbezogenen“ zur „kostendeckenden“ Anhebung übergeht. Auch hinsichtlich dieses Übergangs ist durch die Bestimmung in § 1 Abs. 4 der Rechtsverordnung des Beklagten sichergestellt, dass höhere Gebühren, als sie sich bisher nach den Bestimmungen der FlHGebVO 1998 ergeben hätten, nicht anfallen dürfen. In diesem Wechsel liegt daher auch entgegen dem Vorbringen der Berufung nicht etwa deshalb ein Eingriff in den durch Art. 12 GG geschützten Gewerbebetrieb, weil sich die Betroffenen auf eine betriebsbezogene Anhebung der Gemeinschaftsgebühr eingestellt hätten. Ob der eingerichtete und ausgeübte Gewerbebetrieb dabei überhaupt als Schutzgut betroffen ist, ist fraglich, bedarf aber keiner abschließenden Entscheidung. Denn jedenfalls kann ein „Eingriff“ in dieses Schutzgut schon deshalb ausgeschlossen werden, weil eine weitergehende Belastung durch den Systemwechsel nicht eintreten kann, wie der genannten Bestimmung zu entnehmen ist.“ |
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| Die Kammer schließt sich diesen - auch vom Bundesverwaltungsgericht gebilligten (vgl. Beschl. v. 09.10.2006, a.a.O.) und vom Verwaltungsgerichtshof im Beschluss vom 14.03.2008 (- 2 S 713/07 -) bestätigten - überzeugenden Ausführungen in vollem Umfang an. |
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| 3. Anders als die Klägerin meint, widerspricht die in der Verordnung getroffene Regelung auch nicht in ihren Details den Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts. Sie sieht für die nach dem Fleischhygienegesetz durchgeführten Schlachttier- und Fleischuntersuchungen die Erhebung einer kostendeckenden Gebühr vor, mit der - wie in § 1 Abs. 3 der Verordnung ausdrücklich klargestellt wird - alle mit der Schlachttier- und Fleischuntersuchung im Zusammenhang stehenden Leistungen einschließlich der Untersuchung auf Trichinen abgegolten werden. Die Gebühr ist somit eine einheitliche Gebühr, bei deren Kalkulation - in gemeinschaftsrechtlich unbedenklicher Weise - die Kosten der Trichinenuntersuchung eingeflossen sind (so bereits VGH Bad.-Württ,. Beschl. v. 14.03.2008, a.a.O.) |
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| Entgegen der Auffassung der Klägerin steht der vorgenommenen Gebührenstaffelung zwischen Betrieben mit bis zu 500, mit mehr als 500 bis zu 2.000 Schlachtungen sowie Großbetrieben mit mehr als 2.000 Schlachtungen je Kalendermonat im Jahresdurchschnitt mit degressiv gestaffelten Gebührensätzen rechtlich nichts im Weg. Vielmehr ist im Baumann-Urteil des EuGH (Urt. v. 19.03.2009 - C-309/07-, Rn. 24) ausgeführt, dass ein Mitgliedsstaat nach Nr. 4 b eine Gebühr erheben darf, die nach der Größe des Betriebs und der Zahl der geschlachteten Tiere innerhalb einer Tierart gestaffelt ist, wenn feststeht, dass diese Faktoren sich - wie im vorliegenden Fall - tatsächlich auf die Kosten auswirken, die für die Durchführung der in den einschlägigen Vorschriften des Gemeinschaftsrechts vorgeschriebenen veterinär- und hygienerechtlichen Kontrollen tatsächlich anfallen. |
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| Anders als die Klägerin meint, folgt aus einer Abrechnung nach den tatsächlichen Kosten kein generelles Verbot jeglicher teilweise erfolgender Pauschalierung. Ein solches Verbot kann auch dem Baumann-Urteil des EuGH (a.a.O.) nicht entnommen werden. Darin ist vielmehr nur ausgeführt, dass die Gebühr nicht die Form eines Pauschalbetrags annehmen darf (Rn. 21). Entsprechendes gilt für das dort (Rn. 21) in Bezug genommene Urteil des EuGH vom selben Tag (Kommission/Deutschland - C-270/07-). In der letztgenannten Entscheidung wird betont (Rn. 32), dass eine Abrechnung nach Nr. 4 b der Richtlinie 85/73 zum einen nicht den Betrag der tatsächlich entstandenen Kosten übersteigen darf und dass sie zum anderen sämtliche Kosten umfassen muss, ohne dass bestimmte Kosten unberücksichtigt bleiben könnten. Sie darf damit nicht die Form einer „pauschalen“ Gebühr in dem Sinne annehmen, in dem die Kommission diesen Begriff versteht, da es….. zum Wesen einer pauschal festgesetzten Gebühr gehört, dass sie in bestimmten Fällen die tatsächlichen Kosten für die Maßnahmen, die mit ihr finanziert werden sollen, übersteigt und in anderen Fällen niedriger ist. |
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| Die konkret erfolgte Abrechnung durfte nach diesen Grundsätzen auch Personalkosten in der vorgenommenen Weise einbeziehen. Die Tatsache, dass dabei allgemeine Verwaltungspersonalkosten nach Maßgabe der VwV Kostenfestlegung vom 21.10.2002 (GABl v. 27.11.2002 S. 770) ermittelt und berücksichtigt wurden, führt nicht zu einer insgesamt unzulässigen Pauschalabrechnung. Die kalkulatorisch berücksichtigten Kosten eines Stellenanteils einer halben Stelle im gehobenen Dienst (Durchschnittskosten der Laufbahn) liegen gemessen an den Gesamtkosten der Betriebskategorie im fraglichen Zeitraum nach den nicht bestrittenen Angaben des Beklagten bei rund 11,4% jährlich. Der Stellenanteil ermittelt sich aus den mit der Durchführung der amtlichen Untersuchungen im unmittelbaren sachlichen Zusammenhang stehenden Verwaltungstätigkeiten des vom Beklagten hierfür eingesetzten Personals, wie insbesondere Kostenrechnung, Kalkulation, Festsetzung und Einziehung von Gebühren, Beschaffungswesen für fachspezifische Ausstattung, Geräte, Betriebsmittel, Dienst- und Schutzkleidung, Planung, Ausschreibung und Abrechnung von Fremdleistungen wie Probentransport- und Laborleistungen, Personalverwaltung, Haushalts- und Kassentätigkeiten, Organisation, Statistik etc. Die entsprechende Ermittlung ist nach Auffassung der Kammer sachgerecht und berücksichtigt in hinreichender Weise die konkrete Situation (so auch VGH Bad.-Württ, Urt. v. 30.03.2006, a.a.O., vgl. auch Urt. v. 10.02.2005 - 2 S 2488/03 -, VBlBW 2005, 314). Eine noch weitergehende Konkretisierung der Personalkosten auf die jeweils konkret tätig gewordenen Personen wäre demgegenüber nicht nur unpraktikabel und aufwändig, sondern würde einen - bei einer Gebührenkalkulation erforderlichen - prognostischen Ansatz letztlich unmöglich machen, weil entsprechende Feststellungen nur im Nachhinein getroffen werden könnten. Eine derartige Anforderung kann dem Baumann-Urteil des EuGH (a.a.O.) aber nicht entnommen werden; vielmehr reicht es aus, wenn der nach Nr. 4 b ermittelten Gebührenfestsetzung eine Gebührenbedarfsberechnung zugrunde liegt, die auf einer verursachungsgerechten Zuordnung der Kosten zu dem einzelnen Schlachtbetrieb auf der Grundlage sorgfältig ermittelter prognostischer Werte basiert (OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 30.09.2009 - 17 A 2609/03 - , KStZ 2010, 16; vgl. auch BayVGH, Urt. v. 29.04.2010 - 4 BV 07.2285 -). |
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| Der Umstand, dass bei der Ermittlung der Gebührensätze des Abrechnungszeitraums 2004 in der Kalkulation zur Basis der Personalkosten 2003 ein Aufschlag für die im öffentlichen Dienst der Kommunen erwarteten tariflichen Lohn- und Gehaltssteigerungen in Höhe von 4,07 % berücksichtigt wurde, ist in diesem Zusammenhang ebenfalls nicht zu beanstanden. Diese Vorgehensweise entspricht vielmehr der bei der Gebührenkalkulation allgemein anerkannten Vorgehensweise, um zu vermeiden, dass Gebührenunterdeckungen - auch bei zeitlich verschobenen Tariferhöhungen durch entsprechende später kassenwirksam werdende tarifliche Nachzahlungen - entstehen. Auch hierbei handelt es sich um in sachgerechter Weise ansetzbare prognostische Kosten im oben genannten Sinn (vgl. in diesem Sinn zum Risikozuschlag auch das obiter dictum im Urteil des VGH Bad.-Württ, v. 30.03.2006, a.a.O). |
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| Hinzu kommt, dass über die Anforderungen des EuGH hinaus nicht die tatsächliche Kostenhöhe in vollem Umfang zugrundegelegt wurde, sondern dass - unter Beachtung des Verschlechterungsverbotes nach Art. 17 Abs. 5 des Gesetzes zur Neuregelung des Gebührenrechts vom 14.12.2004 i. V. m. § 1 Abs. 4 der GebührenVO vom 30.06.2005 - die nicht kostendeckend ausgelegten Gebührenregelungen aus der Fleischhygiene-Gebührenverordnung des Landes vom 20.07.1998 rechnerisch zugrunde gelegt wurden, so dass nach Angabe des Beklagten der gesamte Verwaltungszweig der Schlachttier- und Fleischuntersuchung des Beklagten im Zeitraum von Juli 1995 bis Ende 2004 defizitär sei; weiter hat der Beklagte vorgetragen, dass die tatsächlichen Kosten - bezogen auf den Betrieb der Klägerin - durch die insgesamt erhobenen Gebühren nicht gedeckt sei; für den gesamten Nacherhebungszeitraum 2003 und 2004 verbleibe insgesamt eine Unterdeckung von knapp 15.000 EUR. |
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| Die Berufung wird gemäß § 124 a Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache im Hinblick auf die Konstellation einer prognostisch bedingten und nach generellen landesrechtlichen Vorgaben erfolgenden Teilpauschalierung im Rahmen einer Realkostenabrechnung nach den Anforderungen des Baumann-Urteils des EuGH (v. 19.03.2009, a.a.O.) zugelassen; die angesprochene generelle Problematik erschöpft sich nach Auffassung der Kammer auch nicht durch das Auslaufen der Richtlinie zum 01.01.2008 (zu Letzterem vgl. VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 30.06.2009 - 2 S 895/09 -). |
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| Beschluss vom 15. Juli 2010 |
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