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Die Antragstellerin begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen die Baugenehmigung der Antragsgegnerin vom 11.11.2004, mit welcher den Beigeladenen der Neubau eines Dreifamilienwohnhauses mit zwei Garagen im Untergeschoss und einer Fertiggarage auf dem Grundstück Flst.-Nr. ... in ..., genehmigt worden ist.
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Der Antrag ist zulässig, da der Widerspruch und die Anfechtungsklage eines Dritten gegen eine Baugenehmigung keine aufschiebende Wirkung haben (vgl. § 212 a Abs. 1 BauGB). In solchen Fällen kann gemäß §§ 80 a Abs. 3, 80 Abs. 5 VwGO beim zuständigen Gericht die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs bzw. der Anfechtungsklage beantragt werden.
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Der Antrag ist jedoch nicht begründet. Die im Rahmen der §§ 80 a Abs. 3, 80 Abs. 5 VwGO gebotene Abwägung der widerstreitenden Interessen der Beteiligten führt im vorliegenden Fall dazu, dass dem Interesse der Beigeladenen an der sofortigen Verwirklichung der Baugenehmigung der Vorrang einzuräumen ist. Maßgeblich hierfür ist, dass der Widerspruch der Antragstellerin aller Voraussicht nach erfolglos bleiben wird. Denn nach der hier gebotenen summarischen Überprüfung der Sach- und Rechtslage ist nicht ersichtlich, dass das genehmigte Vorhaben gegen baurechtliche Vorschriften verstößt, auf deren Einhaltung die Antragstellerin als Baunachbarin einen Anspruch hätte.
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Das Bauvorhaben verstößt mit überwiegender Wahrscheinlichkeit weder gegen nachbarschützende Vorschriften des Bauordnungsrechts noch des Bauplanungsrechts.
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Ein Verstoß gegen nachbarschützende Vorschriften des Bauordnungsrechts ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Insbesondere hält das genehmigte Bauvorhaben mit einem Abstand von 4,98 m zum Grundstück der Antragstellerin die nachbarschützenden Mindestabstandsflächen nach § 5 LBO ohne weiteres ein (mindestens 2,50 m; vgl. § 5 Abs. 7 S. 2 LBO).
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Auch ein Verstoß gegen nachbarschützende Vorschriften des Bauplanungsrechtes dürfte mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht vorliegen.
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Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens beurteilt sich nach dem Bebauungsplan "H." aus dem Jahr 1977, bei dem es sich um einen qualifizierten Bebauungsplan gemäß § 30 Abs. 1 BauGB handelt und gegen dessen Rechtsgültigkeit keine Bedenken bestehen.
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Danach ist das Bauvorhaben von der Art der baulichen Nutzung (Wohngebäude) ohne weiteres zulässig, da der Bebauungsplan ein "reines Wohngebiet (WR)" festsetzt.
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Soweit das Bauvorhaben unstreitig von Festsetzungen des Bebauungsplanes abweicht und hierfür Befreiungen nach § 31 Abs. 2 BauGB erteilt wurden, kann für die hier zu treffende Entscheidung dahinstehen, ob die erteilten Befreiungen rechtmäßig sind, da ausnahmslos nicht nachbarschützende Festsetzungen betroffen sind. Denn bei der nicht eingehaltenen Grundflächenzahl (GRZ) und der ebenfalls nicht eingehaltenen Geschossflächenzahl (GFZ) handelt es sich um sogenannte Maßfaktoren der baulichen Nutzung, die regelmäßig ausschließlich städtebaulichen Interessen an einer bestimmten baulichen Ausnutzung der Grundstücke und Gestaltung der Baukörper dienen und daher regelmäßig nicht nachbarschützend sind. Nachbarschützende Wirkung entfalten solche Festsetzungen ausnahmsweise nur dann, wenn sich aus dem Bebauungsplan ergibt, dass diese gerade auch im Interesse der Nachbarn erlassen werden sollten (VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 13.12.1991 - 3 S 2464/91 -). Hinweise auf einen solchen Willen des Satzungsgebers sind im vorliegenden Fall jedoch nicht ersichtlich. Nichts anderes gilt auch soweit zwischen den Beteiligten die Frage der Notwendigkeit und Zulässigkeit einer weiteren Befreiung hinsichtlich der Zahl der Vollgeschosse im Streit ist, da es sich auch bei dieser Festsetzung um einen Maßfaktor der baulichen Nutzung in dem vorgenannten Sinne handelt.
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Soweit die genannten Festsetzungen demnach selbst keine nachbarschützenden Wirkungen entfalten, kann die Antragstellerin allenfalls eine Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme durch das Bauvorhaben geltend machen, da dieses auch bei der Befreiung von nicht nachbarschützenden Festsetzungen eines Bebauungsplanes zu beachten ist und folglich einen nachbarlichen Abwehranspruch begründen kann (vgl. BVerwG, DVBl. 1990, S. 364 ff.; Brügelmann/Dürr, BauGB Band 2, § 31 Rdnr. 53). Nach den hierzu von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen wäre das Bauvorhaben dann rücksichtslos, wenn es nach seiner Größe, Lage und Umfang die Antragstellerin unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände des Einzelfalles, insbesondere der Schutzwürdigkeit und der Schutzbedürftigkeit der Beteiligten und der Intensität entstehender Nachteile unzumutbar in städtebaulich erheblichen Belangen beeinträchtigen würde.
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Eine solche unzumutbare Beeinträchtigung ist hier jedoch nicht anzunehmen. Dem Grundstück der Antragstellerin wird durch das beabsichtigte Bauvorhaben insbesondere nicht in unzumutbarer Weise Licht, Luft oder Sonne entzogen. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg (vgl. z. B. Urt. v. 03.12.1991 - 3 S 2464/91 -) und des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. z. B. B. v. 22.11.1984, NVwZ 1985, 635) kann ein Nachbar hinsichtlich der Belichtung, Besonnung und Belüftung seines Grundstücks grundsätzlich nicht mehr an Rücksichtnahme beanspruchen, als ihn die diesen Interessen speziell dienenden bauordnungsrechtlichen Abstandsvorschriften der §§ 5 ff. LBO gewähren. Wie bereits dargelegt, hält das Bauvorhaben der Beigeladenen den nachbarschützenden Mindestabstand zum Grundstück der Antragstellerin jedoch ein. Da das geplante Gebäude ausschließlich Wohnzwecken dient, kann auch eine unzumutbare Beeinträchtigung der Wohnruhe durch dessen Nutzung (einschließlich Garagenstellplätze) offensichtlich ausgeschlossen werden. Dies bedarf keiner vertiefenden Betrachtung, nachdem die Antragstellerin selbst nichts Gegenteiliges vorgetragen hat.
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Soweit das Bauvorhaben die straßenseitige Baugrenze nicht einhält, bedarf diese Überschreitung hier bereits deshalb keiner Erörterung, weil straßenseitigen Baugrenzen grundsätzlich keine nachbarschützende Funktion zu Gunsten der seitlich an das Baugrundstück angrenzenden Nachbargrundstücke zukommt. Auch insoweit ist daher lediglich zu prüfen, ob in dieser Überschreitung ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot liegen könnte, was jedoch in Anbetracht des Maßes der Überschreitung und des Abstandes des betreffenden Gebäudeteils zum Grundstück der Antragstellerin wiederum ausgeschlossen werden kann.
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Soweit das Bauvorhaben mit seinem Treppenhausanbau an der nordöstlichen Giebelseite auch die dortige Baugrenze überschreitet, kommt dieser zwar nachbarschützende Wirkung zu Gunsten der Antragstellerin zu, da diese Baugrenze parallel zu ihrem Grundstück verläuft. Insoweit ist nach der hier gebotenen summarischen Überprüfung der Sach- und Rechtslage jedoch davon auszugehen, dass die Antragsgegnerin diese Überschreitung der Baugrenze nach § 23 Abs. 3 S. 2 BauNVO rechtsfehlerfrei zugelassen hat. Nach § 23 Abs. 3 S. 1 BauNVO dürfen Gebäude und Gebäudeteile eine festgesetzte Baugrenze nicht überschreiten. Nach Satz 2 der Vorschrift kann ein Vortreten von (unwesentlichen) Gebäudeteilen (wie beispielsweise auch Treppenhäusern; vgl. Fickert/Fieseler, BauNVO, Komm. 8. Aufl., § 23 Rdnr. 14) in geringfügigem Ausmaß aber zugelassen werden. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg kann bei der Ausfüllung des unbestimmten Rechtsbegriffs "in geringfügigem Ausmaß" unter anderem auch auf § 5 Abs. 6 LBO zurückgegriffen werden, wonach bei der Bemessung der Abstandsflächen Vorbauten außer Betracht bleiben können, wenn diese nicht breiter als 5 m sind, nicht mehr als 1,5 m vortreten und von den Nachbargrenzen mindestens 2 m entfernt bleiben. Diese Maße hält das genannte Treppenhaus ein, denn es tritt lediglich 0,80 m vor die Giebelwand hervor, ist lediglich 2,97 m breit und bleibt über 4 m von der Grundstücksgrenze der Antragstellerin entfernt. Ein Vortreten "in geringfügigem Ausmaß" kann daher im vorliegenden Fall - auch im Verhältnis zur Grundfläche des gesamten Baukörpers - bejaht werden. Die Zulassung der Überschreitung der genannten Baugrenze gemäß § 23 Abs. 3 S. 2 BauNVO erweist sich schließlich auch nicht als ermessensfehlerhaft, da nicht ersichtlich ist, dass hierdurch gewichtige Privatinteressen der Antragstellerin unzumutbar tangiert sein könnten.
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Sonstige Verstöße gegen nachbarschützende Vorschriften des Planungsrechtes sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
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Bei dieser Beurteilung der Erfolgsaussichten des eingelegten Rechtsbehelfs sieht die Kammer keine Veranlassung, entgegen der Vorschrift des § 212 a Abs. 1 BauGB die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs anzuordnen.
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