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| Der Antragsteller wendet sich im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Vollziehung eines fünftägigen Ausschlusses vom Unterricht. |
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| Der Antragsteller besucht die 12. Jahrgangsstufe des ...-Gymnasiums in ... Am ...10.2016 fand eine schulische Exkursion zu der Gedenkstätte Dachau statt. |
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| Am ...10.2016 kam es über den Kurznachrichtendienst „whatsapp“ – ausweislich des vom Antragsteller vorgelegten Verlaufsausdrucks – innerhalb einer von vielen Schülern der 12. Jahrgangsstufe gebildeten Gruppenunterhaltung zu folgendem Dialog: |
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| ...10.16, 20:52 — [Antragst.]: Hey nur eine frage da leben keine Juden mehr ge? ...10.16, 20:52 — R […]: HÄ doch ...10.16, 20:52 — +49 176 […] : Natürlich? ...10.16, 20:53 — M […] E […]: Hey stimmt des das jeder einmal auf gasknopf drücken darf? ...10.16, 20:53 — J[…] Sch[…]: Ne man kostet 5 euro ...10.16, 20:53 — L[…]: Davor muss die Dusche aber voll sein ...10.16, 20:53 — J[…] Sch[…]: Jüdische Preise ...10.16, 20:53 — M […] E […]: Ja da sind genug missgeburten in der stufe das geht schnell […] ...10.16, 20:54 — +49 1522 […]: Die Debatte wird schon ein bisschen hitzig ...10.16, 20:54 — [Antragst.]: ÖY‘, [Anmerkung des Gerichts: ein Tränen lachendes Icon] ...10.16, 20:54 — Min[...]: Wie viel Asche müssen wir eigentlich mitnehmen ? ...10.16, 20:54 —+49 1575 […]: Der ofen auch ...10.16, 20:54— N[…] W […]: dachte wir besuchen SS bei der Arbeit? ...10.16, 20:54 — M[…] E[…]: Schau einen hab ich schon ...10.16, 20:54 — Min[..]: Bzw. Kohle ? ...10.16, 20:54 — Min[...]: Halt Geld ...10.16, 20:54 — +49 1573 […]: Kann man sich das als Berufspraktikum anrechnen lassen? ...10.16, 20:55 — M[…] E[…]: Haben wir eig juden in der stufe ? ...10.16, 20:55 — Min[…]: Ne aber im Lebenslauf glaub ...10.16, 20:55 — L[…] B[…]: Ne ehr Sozialpraktikum ...10.16, 20:56 — +49 1575 […]: Wieso gibts am kz keinen burger king ? ...10.16, 20:56 — M[…] E[…]: Weils da schon mcdonalds gibt ...10.16, 20:56 — M[…] E[…]: Aber hab gehört ist mit judenfleisch ...10.16, 20:57 — M[…] E[…]: Lieber nicht ...10.16, 20:57 — +49 1573 […]: An denen ist doch eh kein Gramm mehr dran ...10.16, 20:57 — M[…] S[…]: Gibt dass dann nur eine 1 Stern Bewertung? ...10.16, 20:58 — +49 176 […]: Na dann wünsch ich euch allen nen juden Appetit! ...10.16, 20:58 — M[…] E[…]: Ja weil die warsch das ganze Fleisch schon für mcdonalds rausgeschnitten haben ...10.16, 20:58 — L[…] B[…]: In welcher Einheit wird Asche nochmal gewogen ? ...10.16, 20:58 — M[…] E[…]: Könntet ihr mal auch bitte paar lehrer in die gruppe tun hätte gern deren meinung auch mal gehört ...10.16, 20:59 —+49 1575 […]: C […] D[…].vcf (Datei angehängt) ...10.16, 20:59 — M[…] S[...]: Herr S[…].vcf (Datei angehängt) ...10.16, 20:59 — M[…] E[…]: Le. hau mal rein ...10.16, 20:59 — +49 1573 […]: besser als ausschwitz mit seinen 1,1 millionen sternen wirds sowieso nicht ...10.16, 20:59 — L[…] S[…] hat +49 174 3 […] hinzugefügt ...10.16, 21:00 — M[…] E[…]: Boaah morgen dachau wird bestimmt sehr spannend ...10.16, 21:00 — +49 174 3 […] hat die Gruppe verlassen ...10.16, 21:00 — M[…] E[…]: Geh jetz schon mal am besten schlafen damit ich gut aufpassen kann […] ...10.16, 21:01 — Min[...]: Juuch Familien im Brennpunkt alter ...10.16, 21:03 — +49 1522 […]: Solche Witze sind echt brandgefährlich ...10.16, 21:03 — Min[...]: Sind aber alle auch dauerbrenner ...10.16, 21:04 — M[…] E[…]: Wir bräuchten eig kein gas wir haben ab... dabei wenn der einmal furzt sterben die auch ...10.16, 21:09 — Min[...]: Geht mal alle auf Sparflamme, wir brauchen noch Witze für morgen ...10.16, 21:09 — J[…] Sch[…]: Mit guten Witzen können wir die Stimmung morgen anheizen ...10.16, 21:12 — +49 1590 […]: Ihr Vollidioten wisst schon, dass Dachau kein Vernichtungslager war? Da wurden keine Menschen vergast, da gibt es gerade mal eine Gaskammer und die wurde nie benutzt. Das war kein Vernichtungslager wie Auschwitz, sondern ein Arbeitslager ...10.16, 21:14 — N[…] W[…]: hey L. wo hast du deinen Mein Herz blutet Pulli her ...10.16, 21:14 — N[…] W[…]: will den auch kaufen ...10.16, 21:14 — N[…] W[…]: der ist cool ...10.16, 21:14 — M[…] E[…]: Ja eine reicht doch digger ...10.16, 21:15 — +49 1575 […]: K[…] K[…].vcf (Datei. angehängt) ...10.16, 21:16 — [Antragst.]: L.[…] trotzdem kein grund uns hier als Vollidioten zu beleidigen oder? ...10.16, 21:16 — +49 1522 […]: L.[…] du brauchst jetzt nicht so hitzig zu reagieren ...10.16, 21:16 — +49 1522 […]: Wir haben dir schließlich nichts getan ...10.16, 21:16 — M[…] E[…]: Ja wenn du so weiter machst dann wird die gaskammer morgen zum ersten mal benutzt ...10.16, 21:17 — Min[…]: Jungs welchen Teil von schürt euer Feuer habt ihr nicht verstanden? ...10.16, 21:17 — +49 1590 […]: 1. Heißt es “Mein Herz brennt“ 2. Das ist das erste Lied auf dem Rammstein-Album “Mutter“ und ist somit ein Bandmerchandise-Produkt. Im Laden bekommst du das nicht. Da werde ich es wohl aus dem Internet haben ...10.16, 21:17 — N[…] W[…]: ok ...10.16, 21:18 — Min[...]: Juch wusste garnicht das herzen brennen können ...10.16, 21:18 — [Antragst.]: L[…] bitte hör auf ...10.16, 21:18 — +49 1590 […]: Und wenn du es genau wider willst, ich hab den Pulli bei ... bestellt. Da dir das vermutlich nicht Mainstream genug ist, wird dir Rammstein nicht gefallen, schätze ich mal ...10.16, 21:18 — V[…] M[…]: entspann dich L.[…] das interessiert hier niemand ...10.16, 21:18 — J[…] Sch[…]: Dankeschön, dafür erzähl ich dir vielleicht Mal wie man die Dusche benutzt ...10.16, 21:18 — Min[...]: *wissen ...10.16, 21:19 — N[…] W[…]: Jungs L[…] roastet mich helft mal ...10.16, 21:19 — [Antragst.]: L.[…] willst du morgen statt nach dachau ins Krankenhaus [Anmerkung des Gerichts: ein blinzelndes Icon] ...10.16, 21:19 — +49 1590 […]: Witziges Kerlchen, J.. Fühlst du dich jetzt besser, wenn du vergeblich versuchst, mich fertig zu machen? ...10.16, 21:19 — J[…] Sch[…]: Sheesh ...10.16, 21:20 — N[…] W[…]: damn gurl. ...10.16, 21:20 — +49 1590 […]: Das hatte ich eigentlich nicht vor, [Antragst.]. Ich weiß nicht, wie du darauf kommst. ...10.16, 21:20 — +49 1522 […]:[Antragst.]gut dass tu deine versteckten Drohungen immer mit einem smiley […] entschärfst sonst könnte L.[…] noch angst bekommen ...10.16, 21:20 —+49 1522 […]: J. du wurdest geroastet ...10.16, 21:21 — +49 1522 […]: Um dich abzukühlen solltest du mal duschen gehen ...10.16, 21:21 — +49 176 […]: Wenn du L.[…] ins Krankenhaus beförderst kannst du danach noch zum Friseur gehen [Antragst.]? Vielleicht kann der dir ne nicht ganz so schwule Frisur verpassen […] ...10.16, 21:21 — Min[…]: A. bist wieder von den Toten auferstanden […] ...10.16, 21:22 — Min[…]: Jaman lass L.[…] mal duschen, dann kann der sein Herzbrand mal löschen ...10.16, 21:22 — +49 1522 […]: @49176[…] Gut dass du ein Lebenszeichen von dir gibst wir hatten uns schon sorgen gemacht ob wir deine Physik gfs überhaupt noch hören […] ...10.16, 21:23 — +49 1522 […] : Da wäre uns sicher ein guter Vortrag abhanden gekommen ...10.16, 21:23 — Min[…]: Nicht in diesem Universum ...10.16, 21:23 — Min[…]: Also die hält aber schwarze Löcher ...10,16, 21:23 — +49 1573 […]: T. sags doch nicht ich hab immer noch ne wette über 3 Bier laufen ...10.16, 21:23 — J[…] Sch[…]: Nicht in diesem Millennium ...10.16, 21:23 — +49 1590 […]: Aber A[…], das wäre doch gar nicht nötig, dass [Antragst.] mich ins Krankenhaus fährt. Denn abgesehen davon, dass mir nichts fehlt, ganz im Gegensatz zu [Antragst.]s Kopf, finde ich den Weg zum nächsten Krankenhaus auch selbst ...10.16, 21:23— Min[…]: Zum Verständnis ...10.16, 21:23 — +49 1522 […]: Ja ich auch aber solange sie am Freitag nicht kommt hab ich gewonnen […] ...10.16, 21:24 — [Antragst.]: A.[…] du fettes Stück scheise anstatt mich schwul zu nennen lass dich von deinem 30 jährigen pädophilen freund flachIegen […] ...10.16, 21:24 — +49 1573 […]: Der ist erst 29 […] ...10.16, 21:24 — +49 1590 […]: Außerdem, A[…], woher weißt du denn, ob [Antragst.] das überhaupt gemacht hätte? […] ...10.16, 21:25 — +49 176 […]: Oh [Antragst.] wird kreativ mit seinen Beleidigungen, fettes Stück scheiße, wow, das hat mich jetzt SOO getroffen, das hab ich ja noch nie gehört, reife Leistung […] |
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| Am ...10.2016 wurde in diesem Gruppenchat, nachdem offenbar bekannt geworden war, dass der Inhalt dieser Unterhaltung an Lehrkräfte und über diese an weitere Stellen weitergegeben wurde, die folgende Unterhaltung geführt: |
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| ...10.16, 21:55 — Ab[…] M[…]: Hier haben anscheinend Leute heftig gesnitcht bei den Lehrern ...10.16, 21:55 — Ab[…] M[…]: Find ich asozial ...10.16, 22:00 — +49 1522 […]: Realtalk […] ...10.16, 22:01 — +49 1590 […]: Was denn überhaupt gepetzt? ...10.16, 22:02 — Min[…]: Was geht so bei allen ? ...10.16, 22:05 — +49 1575 […]: Hä was denn gesnitcht? ...10.16, 22:05 — +49 1590 […]: Kp ...10.16, 22:05 — T […] R[…]: Den Chat ...10.16, 22:06 — T […] R[…]: Wo jeder jeden beleidigt hat ...10.16, 22:06 — T […] R[…]: Und judenwitze gemacht hag ...10.16, 22:06 — T […] R[…]: Polizei ist eingeschaltet dies das ...10.16, 22:06 — Min[…]: Jetzt Anzeige an alle die beleidigt haben ...10.16, 22:06 — +49 1575 […]: Als ob |
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| Der Antragsteller hat ausweislich des Gesprächsverlaufs die Unterhaltung am ...10.2016 um ...:... Uhr verlassen. Die Thematik war danach Gegenstand weiterer Unterhaltungen in dieser Chatgruppe. Am ...10.2016 kam es im Rahmen dieser zu der folgenden Äußerung: |
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| ...10.16, 18:42 — +49 1590 […]: Wenn hier jemand fliegt, dann [M.E.] und [Antragst.], insbesondere [Antragst.]. Aber da habe ich dann auch kein bisschen Mitleid. Wer derart Mobbing betreibt, ist selbst schuld |
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| Die Gruppenunterhaltung wurde offenbar am ...10.2016 aufgelöst; wegen des weiteren Inhalts der Unterhaltung wird auf Bl. 34-53 der Gerichtsakte Bezug genommen. |
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| In der – in Auszügen übersandten – Schülerakte des Antragstellers wird eine Attestpflicht festgehalten. Es wird berichtet, dass der Antragsteller sich im Unterricht auf den Tisch lege und schlafe. Die vom Antragsgegner übersandten Auszüge aus der Schülerakte enthalten ferner Aufsätze des Antragstellers zu den Themen „Verhalten gegenüber Mitschülern“, „Das Verhalten im Theater“ und – insofern mehrfach – zu dem Handyverbot in Schulen. Wegen des Inhalts der hierzu übersandten Unterlagen des Antragsgegners wird auf Bl. 72-191 der Gerichtsakte Bezug genommen. |
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| Mit Bescheid des Schulleiters des ...-Gymnasiums, ..., vom ...10.2016 wurde der Antragsteller für fünf Tage vom Unterricht ausgeschlossen. Ihm wurde untersagt, die Schule im Zeitraum ...11.-...11.2016 zu besuchen. Er wurde verpflichtet, in dieser Zeit eine umfangreiche Hausarbeit zum Holocaust anzufertigen. Die konkrete Aufgabenstellung werde mitgeteilt. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass es am Vorabend der Schul-Exkursion in das Konzentrationslager Dachau (...10.2016) im Kurzmitteilungsdienst WhatsApp zu einem Chat von Schülern der Jahrgangsstufe gekommen sei. Im Rahmen dieses Klassen-Chats seien judenfeindliche Äußerungen getroffen worden, die jeden Respekt gegenüber den Opfern des Holocaust vermissen ließen. Zudem seien Mitschüler massiv beleidigt worden. Der Antragsteller habe daran teilgenommen und sei durch Drohungen und Beleidigungen gegen Mitschüler aufgefallen: „L.[…] willst du morgen statt nach Dachau ins Krankenhaus“, „A.[…] du fettes Stück scheise anstatt mich schwul zu nennen lass dich von deinem 30jährigen pädophilen freund flachlegen“. In der Niveaulosigkeit einzelner Formulierungen sehe der Schulleiter eine erhebliche sittliche Gefährdung anderer Schüler. Zudem hätten seine Äußerungen durch die große WhatsApp-Gruppe eine hohe Öffentlichkeit erlangt. Der Vorfall werde von der ganzen Oberstufe, den Eltern, den Lehrern, inzwischen sogar weit über die Schule hinaus hoch emotional diskutiert. Der schulische Frieden wie der Schulbetrieb seien schwer gestört, es sei eine Krisensituation entstanden. Der Antragsteller habe sich sofort für seine Äußerungen entschuldigt, leider jedoch in der Anhörung (...10.2016) diese Entschuldigung relativiert. Zudem hätten die unterrichtenden Lehrer in der Klassenkonferenz (...10.2016) festgestellt, dass es beim Antragsteller eine regelmäßige Strategie sei, ständige Verfehlungen mit Entschuldigungen „unter den Tisch zu kehren“. Es bleibe also offen, wie ernst die Entschuldigung war. Die Klassenkonferenz habe zudem ins Feld geführt, dass die Jahrgangsstufe und der Antragsteller durch ein Schulseminar im Jüdischen Museum in Berlin und in aktuellen Unterrichtseinheiten jüngst für die Problematik des Holocaust sensibilisiert worden seien. Man habe deshalb erwartet, dass der Antragsteller als volljähriger Schüler erst gar nicht an einem Chat judenfeindlichen Inhalts teilnehme. Zudem hätten die unterrichtenden Lehrer festgehalten, dass es auch sonst im Unterricht in erheblichem Maß zu respektlosen und menschenfeindlichen Äußerungen komme. Aus diesem Grund sei im letzten Zeugnis sein Verhalten mit der schlechtesten Note „ausreichend“ beurteilt worden. Nach Bewertung aller Erkenntnisse halte er die getroffene Maßnahme für angemessen; er bleibe damit unter dem Votum der Klassenkonferenz. Fehler zu machen, gehöre zum Erwachsenwerden dazu, daraus Konsequenzen zu ziehen auch. Er sichere zu, dass die Schule ihrerseits alles tun werde, damit er sein Abitur erfolgreich abschließen könne. Umgekehrt lasse er keinen Zweifel daran, dass er zu weitergehenden Maßnahmen greife, sollte der Antragsteller sein Verhalten nicht spürbar ändern. Antisemitismus, Beleidigungen gegen Mitschüler oder Störungen des Schulfriedens würden an der Schule nicht geduldet. |
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| Gegen diesen Bescheid hat der Antragsteller mit Schreiben vom ...11.2016 Widerspruch erhoben. |
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| Der Antragsteller hat hier am ...11.2016 (Faxeingang um ...:... Uhr) den vorliegenden Eilantrag gestellt. Zur Begründung wird ausgeführt, dass im vorliegenden Fall dem Antragsteller kein Fehlverhalten durch seine Äußerungen im Rahmen der klasseninternen Whatsapp-Gruppe anzulasten sei. Der Antragsteller habe weder die Rechte seiner Mitschüler noch die Erfüllung der Aufgabe der Schule in einer ausreichend schwerwiegenden Weise gefährdet, die die Verhängung eines zeitweiligen Unterrichtsausschlusses rechtfertige. Tatsache sei, dass der Antragsteller, im Gegensatz zu seinen Mitschülern, zu keiner Zeit eine antisemitische Äußerung getätigt habe. Tatsächlich sei es innerhalb des Chats zu diversen, gegenseitigen Beleidigungen gekommen. Diese seien jedoch, für die Teilnehmer des Chats offensichtlich, nicht wörtlich zu verstehen, sondern in weitaus harmloserer Art und Weise gemeint gewesen als die Äußerungen für Außenstehende wirkten. Weder habe der Antragsteller seine „Drohung“ gegenüber seinem Mitschüler L.[…] ernst gemeint, als er „L.[…] willst du morgen statt nach Dachau ins Krankenhaus“ äußerte. Noch seien die Äußerungen gegenüber seiner Mitschülerin A[…] ernst zu nehmen gewesen. Auch sei vom Antragsgegner bei seiner Entscheidung die Tatsache nicht berücksichtigt worden, dass die betroffene Mitschülerin, die der Antragsteller beleidigt haben soll, diejenige gewesen sei, die den Antragsteller beleidigt und zu seinen Äußerungen provoziert habe. Gänzlich unberücksichtigt bleibe bei der Entscheidung des Antragsgegners, dass der gesamte klasseninterne Chatverlauf nicht nur auf einen Tag vor der Exkursion begrenzt sei, sondern bereits seit dem ...07.2015 bestehe und sich die Schüler hierin klassenintern des Öfteren auf diese Art und Weise unterhielten. Der Austausch von Beleidigungen sowie die teilweise antisemitischen Äußerungen von Mitschülern des Antragstellers hätten sich in einer Chat-Gruppe innerhalb der Klassenstufe abgespielt. Dass die Angelegenheit nunmehr derart weite Kreise ziehe, wie es die Schule dem Antragsteller vorhalte, rühre vorrangig daher, dass ihr von Seiten der Schule derartiges Gewicht verliehen worden sei. Von keinem der Chatteilnehmer sei beabsichtigt gewesen, die Äußerungen in die Öffentlichkeit zu tragen. Der Antragsgegner beziehe früheres Fehlverhalten in seine Entscheidung mit ein, welches längst erledigt sei, da sich der Antragsteller dafür entschuldigt habe. Zudem, dies führe der Antragsgegner selbst aus, sei das vorangegangene Fehlverhalten des Antragstellers bereits mit einer “ausreichenden“ Bewertung des Verhaltens im letzten Zeugnis beurteilt worden. Somit seien die rechtlichen Möglichkeiten, das frühere Fehlverhalten durch Erziehungs- und Ordnungsmaßnahmen zu ahnden, verbraucht. Dieses in die Entscheidung über einen Schulausschluss miteinfließen zu lassen, sei daher unzulässig, zumal die Angaben in dem Bescheid zu dem angeblichen früheren Fehlverhalten des Antragstellers ohnehin nicht konkretisiert würden. Unabhängig hiervon habe der Antragsteller seine Entschuldigung nicht relativiert, sondern lediglich erklären wollen, dass er zu den von ihm getätigten Äußerungen durch die Aussagen seiner Mitschüler provoziert worden sei und dies bei der Beurteilung durch die Schule keine Rolle spiele, was für ihn nicht nachvollziehbar sei. Allenfalls sei aus Gründen der Verhältnismäßigkeit der nunmehr ausgesprochene 5-tägige Schulausschluss zunächst anzudrohen gewesen. Die bloße Androhung des vorübergehenden Schulausschlusses sei schließlich das mildere Mittel als der ausgesprochene vorübergehende Schulausschluss. Obwohl er sich zu keiner Zeit an den antisemitischen Äußerungen seiner Mitschüler im Jahrgangsstufen-Chat beteiligt habe und obwohl er im Vorfeld seiner negativen Äußerungen offensichtlich provoziert worden sei, sei er der einzige Schüler, welcher mit einem Schulausschluss bestraft wurde. Die Aussagen der Mitschüler des Antragstellers hingegen, die sich z.T. zu schwerwiegenden antisemitschen Äußerungen hätten hinreißen lassen, seien lediglich mit einigen Stunden Nachsitzen geahndet worden. |
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| Der Antragsteller beantragt (sachdienlich gefasst), |
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| die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs gegen den Bescheid des ...-Gymnasiums, ..., vom ...10.2016 anzuordnen. |
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| Der Antragsgegner beantragt, |
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| Zur Begründung wird ausgeführt, der dem Unterrichtsausschluss zugrunde liegende Vorfall habe in der Schule große Unruhe verursacht. Es werde insofern auf die Stellungnahme des Schulleiters vom ...11.2016 verwiesen. Der Antragsteller habe sich wenig einsichtig gezeigt. Er habe sich in der Anhörung zwar spontan entschuldigt, jedoch immer wieder geäußert, dass die Mobbing-Opfer selbst Schuld seien. Im Unterricht seien ferner abfällige Äußerungen gefallen. Der Antragsteller habe die antisemitischen Äußerungen provoziert und erst hervorgerufen und sich auch im weiteren Verlauf nicht deeskalierend eingebracht. Unter Berücksichtigung seines sonstigen Verhaltens und der schwerwiegenden Beleidigungen habe sich die Klassenkonferenz für einen zweiwöchigen Unterrichtsausschluss ausgesprochen. Obwohl der Unterrichtsausschluss erst ab dem ...11.2016 vorgesehen sei, habe der Antragsteller bereits am ... und ...11.2016 unentschuldigt gefehlt. Er habe wohl gegenüber anderen Schülern behauptet, auszuschlafen. Ein Versuch der Kontaktaufnahme, um ihm mitzuteilen, dass der Unterrichtsausschluss ausgesetzt sei, sei gescheitert. Das Verhalten sei bei fünf Schülern mit jeweils vier Stunden und bei sieben Schülern mit jeweils zwei Stunden Nachsitzen geahndet worden. Der Schüler M.E. habe von der Schule ausgeschlossen werden sollen, habe sich jedoch freiwillig von der Schule abgemeldet. Die Polizei habe, obwohl seitens der Schule gebeten worden sei, „den Ball flach“ zu halten, den Staatsschutz über den Vorfall informiert. |
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| Der Schulleiter des ...-Gymnasiums teilte – auf Aufforderung des Berichterstatters – dem Regierungspräsidium T. mit, dass die whatsapp-Chatgruppe alle Schüler der Jahrgangsstufe umfasse. Diskussionen im Elternbeirat seien bis auf die Ebene der 9. Klasse geführt worden. Die Wogen in der Elternschaft seien hoch gegangen. Ehemalige Schüler hätten sich mit der Frage an die Schule gewandt, ob es dort Antisemitismus gebe. Am ...10. sei auf dem Schulhof „Nazis raus“ gerufen worden. Der Vater des Antragstellers sei im Beisein des stellvertretenden Schulleiters darauf angesprochen worden, ob dieser von der Schule „fliegen solle“. Zur Beruhigung der Situation hätten die Beratungslehrerin, die schulpsychologische Beratungsstelle und die Religions- und Ethiklehrer hinzugezogen werden müssen. Die Arbeitsatmosphäre sei weiterhin angespannt und erfordere zusätzliche pädagogische Maßnahmen. Die beleidigte Mitschülerin habe sich aus der Schule vorläufig abgemeldet und sei in psychologischer Behandlung. Die unterrichtenden Lehrer, die viel Zeit u.a. in Seminare zum Holocaust oder in die Mobbing-Prävention gesteckt hätten, hätten sich sehr enttäuscht über den Vorfall und die Hauptakteure geäußert. Einzelne Lehrer hätten Angst von negativen Äußerungen des Schülers M.E. und des Antragstellers geäußert. Die Schulgeschäfte seien über 10 Tage quasi stillgestanden, andere Schulangelegenheiten müssten zurückstehen. Der Vorfall falle in die Zeit der Fremdevaluation, welche zulasten der Schule verfälscht werden könnte. Insbesondere beim Schulleiter und der Tutorin seien das Berufs- und Privatleben durch das aufwändige Krisenmanagement massiv beeinträchtigt; die Abteilungsleiter hätten in hohem Maße Schulleitungsaufgaben übernehmen müssen. In der vorangegangenen Zeit sei es zu Äußerungen des Antragstellers wie „Homosexuelle sind widernatürlich“, er würde „sein Kind umbringen, wenn es homosexuell wäre“, der Mann stehe über der Frau oder Frauen seien dümmer und müssten zu Hause bleiben gekommen. Im Geschichtsunterricht würden semitische Themen mit abfälliger Mimik oder Sätzen wie „Was haben die Juden in Palästina verloren?“, „Wer an die Evolutionstheorie glaubt, ist dumm“ oder Mitschüler seien „Schwuchteln“ kommentiert. Es sei beim Antragsteller Strategie, sich im Ton zu vergreifen und sich gleich anschließend wieder zu entschuldigen. Als respektloses Verhalten wurden das Schlafen im Unterricht, demonstrative Arbeitsverweigerungen, das Drehen des Rückens zu den Lehrern, das Nicht-Mitbringen von Arbeitsmaterial sowie regelmäßiges Zuspätkommen angeführt. Den Unterrichtsausschluss vollziehe der Antragsteller selbst; Versuche, Kontakt zu ihm aufzunehmen, um ihm die Aussetzung der Vollziehung wegen des schwebenden Antragsverfahrens mitzuteilen, seien mangels Erreichbarkeit gescheitert. Bei der Zeugnisausgabe habe der Antragsteller geäußert, dass Lehrer „Rassissten“ seien, während in der Anhörung im vorliegenden Verfahren seinerseits das Verhältnis als gut beschrieben worden sei. Er habe auch geäußert, dass er sich nicht mehr gut verhalten müsse, da es keine Verhaltensnoten mehr gebe. Den Anstoß für den Schulausschluss hätten die im Bescheid zitierten Äußerungen gegeben. |
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| Hierauf replizierte der Antragsteller mit Schriftsatz vom ...11.2016, dass bei einer Gesamtbetrachtung der Angelegenheit, sowohl der Schulleiter als auch das Regierungspräsidium überreagiert hätten. Die sowohl historisch als auch politisch sehr interessante Frage „Was haben die Juden in Palästina verloren?“, wäre im Unterricht zu erörtern gewesen. Es klinge wie Hohn und Spott, von einer erfolgten Sensibilisierung über das Thema zu sprechen, wenn derartige Fragen offen geblieben seien. Die Lehrerschaft sei offensichtlich mit dem Verteilen von ungerechten und diskriminierenden Ordnungsmaßnahmen überfordert, sodass keine Zeit bleibe, auf derart interessante Fragen einzugehen. Eine solche Frage schreie förmlich nach Aufklärung danach, wie es zur Gründung des Staates Israel gekommen sei. Die Frage hätte mit dem Schüler intensiv – zumindest im Zwiegespräch – erörtert werden müssen. Der spätere Unterhaltungsverlauf im Gruppenchat sei dem Antragsteller nicht zurechenbar. Andere Schüler seien mit weniger intensiven Strafen belangt worden. Der Antragsteller hingegen habe im weiteren Verlauf geschwiegen, was nunmehr zu seinen Lasten berücksichtigt werde. Seitens des Antragstellers habe es weder respektlose noch menschenfeindliche Äußerungen gegeben. Homosexualität werde von ihm als unnatürlich empfunden. Er habe lediglich im Unterricht gesagt, dass er Homosexualität bei seinem eigenen Kind nicht respektieren werde. Es sei auch lediglich so gewesen, dass ein Schüler geäußert habe, dass er nicht an die Evolutionstheorie glaube. Der Lehrer habe sodann geäußert, dass diese wissenschaftlich erwiesen sei („was selbstverständlich nicht der Wahrheit“ entspreche) und wer an die Evolutionstheorie nicht glaube, dumm sei. Erst daraufhin habe der Antragsteller gesagt, dass man das doch nicht sagen könne. Er könne ja dann auch sagen, dass derjenige, der an die Evolutionstheorie glaube, der Dumme sei. Nach seiner Ansicht, sei die Darstellung des Antragstellers durchaus nachvollziehbar, zumal der jeweilige Lehrer tatsächlich falsche Angaben gemacht habe und dann auch noch die Ansicht eines Schülers mit einem derartigen Kommentar beurteilt habe. Der jeweilige Lehrer habe zum einen falsche Tatsachen verbreitet und zum anderen den Schüler beleidigt. Die ungleiche Bestrafung der am Unterhaltungsverlauf beteiligten Schüler sei nicht nachvollziehbar. Die hohen Wogen und die Unruhe im Schulbetrieb seien auf das Verhalten der Schule und die ungleiche Bestrafung der Schüler zurückzuführen. Wegen der Einzelheiten der Replik wird auf Bl. 199-204 der Gerichtsakte Bezug genommen. |
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| Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte Bezug genommen. |
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| 1. Der nach §§ 90 Abs. 3 Satz 4 SchG, 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3, Abs. 5 Satz 1 VwGO statthafte und auch ansonsten zulässige Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ist unbegründet. Das Gericht legt den Antrag sachdienlich (§§ 88, 122 Abs. 1 VwGO) dahingehend aus, dass er sich gegen das zuständige Land Baden-Württemberg, vertreten durch das Regierungspräsidium T., richtet. Insbesondere hat sich der Verwaltungsakt noch nicht erledigt, denn der Antragsgegner ist nicht gehindert, den Zeitpunkt für den Unterrichtsausschluss neu festzulegen (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 02.01.2008 – 9 S 2908/07 –, juris). |
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| Gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht in den Fällen, in denen Rechtsbehelfe gegen Verwaltungsakte keine aufschiebende Wirkung entfalten, die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs ganz oder teilweise anordnen. Bei der vom Gericht zu treffenden eigenen Entscheidung über die Frage der Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs sind die privaten Interessen des Antragstellers an der Verschonung vom Vollzug des Verwaltungsakts bis zur rechtskräftigen Entscheidung über das eingelegte Rechtsmittel und das Interesse der Allgemeinheit am sofortigen Vollzug gegeneinander abzuwägen. Dabei sind die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs, dessen aufschiebende Wirkung wiederhergestellt werden soll, ein wesentliches Kriterium (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 31.07.1989 – 1 S 3675/88 –, NJW 1990, 61). Erweist sich der Rechtsbehelf als wahrscheinlich erfolglos, so dürfte regelmäßig dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung der Vorrang zukommen. Erweist sich der Rechtsbehelf als voraussichtlich begründet, dürfte dagegen regelmäßig das private Aussetzungsinteresse überwiegen (vgl. zur Interessenabwägung VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 13.03.1997 – 13 S 1132/96 –, VBlBW 1997, 390 <390 f.>). |
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| Unter Zugrundelegung dieses Prüfungsmaßstabs dürfte der Widerspruch des Antragstellers gegen den Bescheid des ...-Gymnasiums vom ...10.2016 voraussichtlich keinen Erfolg haben. Der fünftägige Schulausschluss dürfte rechtmäßig sein und den Antragsteller nicht in seinen Rechten verletzen. |
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| a. Die Rechtsgrundlage der Maßnahme ist § 90 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d) in Verbindung mit Abs. 6 Satz 1 SchG. Danach kann der Schulleiter einen Ausschluss vom Unterricht für bis zu fünf Unterrichtstage verhängen. |
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| b. In formeller Hinsicht dürfte der verfahrensgegenständliche Bescheid die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllen. Die Verfügung wurde für das ...-Gymnasium vom hierfür zuständigen Schulleiter erlassen. Die für die Maßnahme erforderliche Anhörung des Antragstellers ist – wie aus seinem Vortrag ersichtlich – am ...10.2016 und damit vor dem Erlass der Verfügung erfolgt (§ 90 Abs. 7 Satz 2 SchG). |
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| c. Auch die materiellen Voraussetzungen für den Unterrichtsausschluss dürften bei der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen – aber auch genügenden – summarischen Beurteilung aller Voraussicht nach gegeben sein. Maßgeblich für die Beurteilung der Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts über den Eilantrag, nachdem ein Widerspruchsbescheid bislang nicht erlassen wurde. |
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| aa. Der Antragsteller dürfte als Schüler durch ein schweres Fehlverhalten seine Pflichten verletzt und dadurch die Erfüllung der Aufgabe der Schule oder die Rechte anderer gefährdet haben (§ 90 Abs. 6 Satz 1 SchG). |
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| (1) Der Beitrag des Antragstellers in der whatsapp-Gruppe der Jahrgangsstufe |
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| „Hey nur eine frage da leben keine Juden mehr ge?“ |
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| führte zu einer weiteren verbalen Eskalation in Gestalt von – obschon offenbar zumindest teilweise scherzhaft gemeinten – Äußerungen, welche den Holocaust verharmlosten und dessen Opfer zu bloßen Werk- und Nährstoffen herabwürdigten und so dadurch zum reinen Objekt der Belustigung machten. Ein solches Verhalten wie es sich in dieser Gruppenunterhaltung vollzog, stellt – gleich wie ernst- oder scherzhaft es gemeint gewesen sein mag – ein von der Rechtsordnung und Gesellschaft nicht hinnehmbares sowie sinn- und geschmackloses Verhalten dar, welches auch nicht als – wie von anderen Mitschülern im späteren Verlauf der Unterhaltung teilweise als solches angesehen – noch zulässige, verfassungsrechtlich geschützte Ausübung der Meinungsfreiheit oder als Ausübung der allgemeinen Handlungsfreiheit in Form eines „Witzes“ bewertet werden kann. Dem Recht der freien Meinungsäußerung – und erst Recht der allgemeinen Handlungsfreiheit als subsidiäres Auffanggrundrecht – kann dem Grundgesetz und den darin niedergelegten Grundrechten angesichts des sich allgemeinen Kategorien entziehenden Unrechts und des Schreckens, welche die nationalsozialistische Herrschaft über Europa und weite Teile der Welt gebracht hat, und der als Gegenentwurf hierzu verstandenen Entstehung der Bundesrepublik Deutschland eine verfassungsimmanente Schranke für Bestimmungen und Maßnahmen, die der Gutheißung des nationalsozialistischen Regimes in den Jahren zwischen 1933 und 1945 Grenzen setzen, entnommen werden (vgl. BVerfGE, Beschluss vom 04.11.2009 – 1 BvR 2150/08 –, BVerfGE 124, 300 <329>. Eine andere Bewertung der vorliegenden, den Holocaust verharmlosenden Äußerungen ist nicht geboten. |
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| Angesichts der in den vom Antragsgegner vorgelegten Unterlagen und den darin enthaltenen und im Verwaltungsvorgang dokumentierten Ausführungen dürfte die sich selbst beantwortende Frage des Antragstellers, ob in Dachau noch Juden lebten, darauf gezielt haben, die Unterhaltung mit dem Verlauf und dem Inhalt, der ihr später zukam, hervorzurufen. Es müsste dem Antragsteller jedenfalls bei seinem Bildungs- und Entwicklungsstand als volljähriger Gymnasialschüler sowie in Kenntnis der bisherigen Verhaltensweisen seiner Mitschüler bewusst und auch für ihn subjektiv vorhersehbar gewesen sein, dass die Unterhaltung den Verlauf nehmen würde, den sie sodann auch tatsächlich nahm. Hierfür dürfte im Übrigen auch sprechen, dass das Verhalten des Antragstellers auch in der Vergangenheit offenbar durch Minderheiten diskriminierende und insbesondere judenfeindliche Äußerungen – wie die Frage danach, was die Juden in Palästina zu suchen hätten – geprägt war. |
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| Insbesondere billigte der Antragsteller im weiteren Fortgang mit einem Tränen lachenden Smiley offenkundig die judenfeindlichen Äußerungen seiner Mitschüler. Sein Vortrag in der Antragsschrift und in der Replik, wonach er keine antisemitischen oder menschenverachtenden Äußerungen getätigt habe, geht insofern an den, im von ihm selbst vorgelegten Unterhaltungsverlauf dokumentierten, tatsächlichen Umständen vorbei. Insofern dürfte der Antragsgegner zu Recht berücksichtigt haben, dass es der Antragsteller war, der objektiv den Anlass für die Unterhaltung gesetzt und diese so auch subjektiv bewusst und gewollt hervorgerufen hat. Durch seine holocaustverharmlosende Äußerung und den dadurch bewirkten Unterhaltungsverlauf dürfte er allein aufgrund der – soweit ersichtlich – zu Recht erfolgten Strafanzeige und der daraufhin eingeleiteten polizeilichen Ermittlungen eine Störung des Schulfriedens bewirkt haben. Dass insofern ein Zusammenwirken mehrerer Personen vorliegt, dürfte aufgrund des aus schuldordnungsrechtlicher Sicht gegebenen Veranlassungszusammenhangs unerheblich sein, da die Äußerung des Antragstellers die Ursache für dieses Zusammenwirken gesetzt haben dürfte. Bereits dieses Verhalten dürfte den Tatbestand des § 90 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d), Abs. 6 Satz 1 SchG erfüllen. Es kommt daher nicht darauf an, ob – wie der Antragsgegner vorbringt – ein schweres Fehlverhalten auch in einem möglicherweise pflichtwidrigen Unterlassen eines Versuchs der Deeskalation der Unterhaltung gesehen werden kann. |
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| (2) Auch seine Äußerung gegenüber einer Mitschülerin |
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| „A[…] du fettes Stück scheise anstatt mich schwul zu nennen lass dich von deinem 30 jährigen pädophilen freund flachIegen“ |
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| dürfte nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen, aber auch genügenden summarischen Prüfung den Tatbestand des § 90 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d), Abs. 6 SchG erfüllen. Zwar rechtfertigen beleidigende Äußerungen und Verhaltensweisen einen Unterrichtsauschluss nicht in jedem Falle, vielmehr sind zur Einordnung des Gewichts der jeweiligen Verfehlung die konkreten Einzelfallumstände heranzuziehen (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 23.06.2009 – 9 S 938/09 –, juris ). Insoweit sind etwa das Alter des betroffenen Schülers, der allgemeine Sprachgebrauch unter seinen Altersgenossen und Schulkameraden sowie Anlass und Kontext der Äußerungen in den Blick zu nehmen (vgl. VGH Baden-Württemberg., Beschluss vom 23.06.2009 – 9 S 938/09 –, juris). Im vorliegenden Fall dürfte dieses Verhalten des Antragstellers gerade in der Gesamtbetrachtung des aus der Aktenlage ersichtlichen Sachverhalts die Voraussetzungen eines schweren Fehlverhaltens erfüllen. |
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| Die Kammer verkennt dabei nicht, dass der Umgangston in der vom Antragsteller vorgelegten whatsapp-Kommunikation in Wortwahl und Niveau teilweise weit unter dem, welches von 17- bis 18-jährigen Gymnasiasten zu erwarten ist, liegen dürfte. Dennoch dürfte zu berücksichtigen sein, dass – wie dem Antragsteller bekannt sein musste und ausweislich seines letzten Schriftsatzes auch war – die beleidigte Schülerin bereits vorher wegen Mobbings und psychischer Probleme in Behandlung war. Derartige personenbezogene Äußerungen zulasten einer psychisch angeschlagenen Person zu tätigen, kann in seinem erheblichen sittlichen Unwert auch nicht dadurch abgemildert werden, dass diese möglicherweise durch eine geringfügige Ehrverletzung provoziert wurden. Zwar kann wohl auch der vorangegangene Beitrag dieser Schülerin |
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| „Wenn du L.[…] ins Krankenhaus beförderst kannst du danach noch zum Friseur gehen [Antragst.]? Vielleicht kann der dir ne nicht ganz so schwule Frisur verpassen“ |
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| aufgrund der darin enthaltenen Diskriminierung homosexueller Männer nicht hingenommen werden. In seinem Unwert bleibt dieser jedoch hinter der Äußerung des Antragstellers zurück, da er sich – zumindest ist derartiges nicht vorgebracht worden – nicht auf besondere, die Persönlichkeit des Antragstellers betreffende, Merkmale – wie eine Homosexualität – beziehen dürfte. Der Äußerung des Antragstellers fehlt es vielmehr an auch nur ansatzweise erkennbaren Anzeichen von Empathie, Sozialadäquanz oder Verhältnismäßigkeit. Im Übrigen dürfte von einem volljährigen und altersgemäß denken Gymnasiasten erwartet werden, auch solchen Äußerungen wie denen der Schülerin A. zu widerstehen. Dieses Verhalten des Antragstellers dürfte – jedenfalls mit Blick auf seine holocaustverharmlosende Äußerung – den Tatbestand des § 90 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d), Abs. 6 Satz 1 SchG erfüllen. |
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| (3) Nicht anderes dürfte hinsichtlich der Äußerung |
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| „L.[…] willst du morgen statt nach dachau ins Krankenhaus“ |
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| gelten, wobei es auf Ebene des Eingriffstatbestands hierauf nicht mehr ankommen dürfte. Auch wenn diese – wie der Antragsteller vorbringt – keine ernstgemeinte Drohung dargestellt haben sollte, wurde diese Äußerung von Teilen der Mitschüler offenbar als „versteckte Drohung“ aufgefasst, welche nur durch „Smileys“ verharmlost werden sollte. Auch aus Sicht eines objektiven Betrachters aus dem betroffenen Personenkreis dürfte trotz der angeblich fehlenden Ernsthaftigkeit diese Äußerung als Drohung aufzufassen sein. |
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| (4) Nach alledem dürfte der Tatbestand des § 90 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d), Abs. 6 Satz 1 SchG erfüllt sein. |
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| bb. Die Entscheidung des Schulleiters dürfte hinsichtlich der Rechtsfolgenbestimmung keinen rechtlichen Bedenken begegnen. Die Vorschrift des § 90 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d) SchG räumt der entscheidenden Stelle ein durch § 90 Abs. 6 Satz 1 SchG konkretisiertes Entschließungs- und Auswahlermessen ein, welches einer auf die Einhaltung der rechtlichen Grenzen des Ermessens beschränkten Kontrolldichte unterliegt (§ 114 Satz 1 VwGO). Eine Überschreitung dieser rechtlichen Grenzen des Ermessens ist nach summarischer Prüfung nicht erkennbar. |
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| Entgegen der Auffassung des Antragstellers wurden in die Entscheidung keine nicht zu berücksichtigenden Umstände oder sachfremden Erwägungen einbezogen. Die Ausführungen im Bescheid – ebenso wie die im Verfahren vorgelegten Stellungnahmen des Schulleiters – dürften erkennen lassen, dass das – nicht näher konkretisierte – Vorverhalten des Antragstellers nicht auf Ebene der Tatbestandsvoraussetzungen, sondern auf Ebene der Verhältnismäßigkeit im Rahmen der Prüfung milderer Mittel in die Entscheidungsfindung einbezogen worden sein dürfte. Dies dürfte in diesem Zusammenhang zulässig sein; ein „Verbrauch“ von Sanktionsmaßnahmen dürfte daher unerheblich sein, da jenes Fehlverhalten nicht mit dem hier verfahrensgegenständlichen Unterrichtsausschluss sanktioniert worden sein dürfte. |
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| Es dürfte auch keine fehlerhafte Bewertung der Belange vorliegen. Der Schulleiter hat – soweit ersichtlich – vielmehr von einem zeitlich längerem Unterrichtsausschluss abgesehen und so bewusst ein milderes Mittel zur Verfolgung des legitimen Ziels der Erziehung in Form der Sanktionierung des eigenverantwortlichen Fehlerverhaltens des Antragstellers und des so in zurechenbarer Weise herbeigeführten Zustands eingesetzt (vgl. zu den Zielen von Erziehungs- und Ordnungsmaßnahmen Rux/Niehues, Schulrecht, 5. Aufl., 2013, Rn. 441). Dieses Mittel dürfte erforderlich und angemessen gewesen sein. |
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| Gleichermaßen effektive, jedoch zugleich eingriffsmildere Maßnahmen sind nach summarischer Prüfung ebenso wenig ersichtlich, wie ein grobes Missverhältnis in der Relation von verfolgtem Zweck und eingesetztem Mittel (vgl. allgemein zur Verhältnismäßigkeit Kloepfer, Verfassungsrecht, Band II, 2011, § 51 Rn. 100-102). Inakzeptable Verhaltensweisen des Antragstellers lassen sich anhand der vorgelegten Auszüge aus der Schülerakte bis in das Jahr 2011 verfolgen und werden durch den letzten Schriftsatz des Antragstellers eher bestätigt. In diesem Schriftsatz bestreitet der Antragsteller nämlich nicht, die „historisch“ und „politisch sehr interessante Frage“, was die Juden denn in Palästina verloren hätten, gestellt zu haben. Soweit anhand der vorgelegten Dokumentation ersichtlich, hat die Schule versucht, durch schlechte Verhaltensnoten und Kontaktaufnahme mit den Eltern dem Verhalten entgegenzuwirken. Dies bewirkte beim Antragsteller offenbar keine nachhaltige Verhaltensänderung, da er – soweit aus den Auszügen aus der Schülerakte ersichtlich – sich hierzu lediglich dahingehend geäußert hat, dass er sich wegen des Wegfalls der Verhaltensnoten nicht mehr gut benehmen müsse. Da diese milderen Mittel der Erziehung und Verhaltenssteuerung – soweit ersichtlich – fruchtlos blieben, dürfte es nicht rechtlich fehlerhaft sein, lediglich förmliche Erziehungs- und Ordnungsmaßnahmen als noch verbleibende geeignete Maßnahmen anzusehen. Auch eine Androhung eines Unterrichtsausschlusses dürfte kein gleichermaßen effektives Mittel darstellen, da selbst schlechte Verhaltensnoten den Antragsteller offenbar nicht nachhaltig beeindruckten. |
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| Die Dauer des Unterrichtsausschlusses von fünf Tagen dürfte rechtlich nicht zu beanstanden sein. Der Schulleiter hat in seiner Ermessensentscheidung drei Verhaltensweisen des Antragstellers berücksichtigt. Die Kammer vermag – auch unter Berücksichtigung der den Beteiligten mitgeteilten Rechtsprechung des VGH Baden-Württemberg (statt vieler VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 02.01.2008 – 9 S 2908/07 –, juris) und der bei einer lediglich summarischen Prüfung begrenzten Erkenntnismöglichkeiten – kein grobes, eine Unangemessenheit und damit Ermessenfehlerhaftigkeit der Maßnahme begründendes, Missverhältnis zwischen Zweck und Mitteln zu erkennen, wenn das bewussten Setzen des Anlasses für die holocaustverharmlosende Unterhaltung und deren offenkundige Billigung, das Bedrohen eines Mitschülers mit erheblichen – „Krankenhaus“-reifen – Verletzungen sowie das gezielte Herabwürdigen einer bereits psychisch angeschlagenen Mitschülerin mit einem Unterrichtsausschluss von fünf Tagen sanktioniert wird. |
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| Dabei dürfte der Schulleiter die Folgen dieses Verhaltens in Gestalt der persönlichen Folgen für die Mitschülerin und dem konkret zu besorgenden, erheblichen Ansehensverlust der Schule in der Öffentlichkeit zutreffend berücksichtigt haben. Zumindest das offenbar über Jahre hinweg bis zum Grad der Inakzeptabilität reichende und als solches mit Strafarbeiten und schlechten Verhaltensnoten sanktionierte bisherige Verhalten des Antragstellers dürfte auch den Umfang von fünf Tagen rechtfertigen. Ob der Antragsteller im Rahmen der Anhörung eine etwaige Entschuldigung tatsächlich relativiert hat oder nicht, dürfte unerheblich sein, da nach alledem selbst bei einer glaubhaften Entschuldigung, der fünftägige Unterrichtsausschluss nicht als grob unangemessen anzusehen sein dürfte. |
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| Es ist für das vorliegende Verfahren unerheblich, wenn andere Mitschüler – aus der subjektiven Sicht des Antragstellers – milder „bestraft“ wurden. Selbst wenn die Sanktionierung der anderen Schüler ermessensfehlerhaft gewesen wäre – wofür keine Anhaltspunkte substantiiert vorgetragen wurden oder mit Blick auf das begrenzt überprüfbare behördliche Auswahl- und Erschließungsermessen ersichtlich sind –, dürfte dies nach alledem nicht für die – ausschließlich den Gegenstand des vorliegenden Verfahrens bildende – den Antragsteller betreffende Entscheidung gelten. Allein aufgrund einer vermeintlichen Fehlerhaftigkeit der gegenüber anderen Schülern verhängten Sanktionsmittel, dürfte der Antragsteller kaum beanspruchen können, von ihn betreffenden ermessensfehlerfrei angeordneten Erziehungs- und Ordnungsmaßnahmen verschont zu werden. Das ...-Gymnasium hat im Übrigen durch den geplanten Schulausschluss des Schülers M.E. auch eingriffsintensivere Maßnahmen vorgesehen. Eine zulasten des Antragstellers wirkende Ermessensfehlerhaftigkeit vermag die Kammer in der vorliegend gebotenen summarischen Prüfung daher nicht zu erkennen. |
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| d. Nach alledem ist der Antrag abzulehnen. |
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| 3. Die Streitwertfestsetzung erfolgt gemäß § 52 Abs. 2 GKG unter Berücksichtigung von Ziffer 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013. Durch die Anordnung der aufschiebenden Wirkung wäre voraussichtlich die Hauptsacheentscheidung vorweggenommen worden, da der Antragsteller Schüler der 12. Jahrgangsstufe ist und der Unterrichtsausschluss sich deshalb voraussichtlich vor dem Ende seiner Schulzeit erledigt hätte. |
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