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Die Klage ist zulässig und begründet.
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Der Kläger hat seinen Klageantrag in sachgerechter Weise auf die Einbürgerung und nicht lediglich auf die Zusicherung der Einbürgerung gerichtet, da bei ihm die Voraussetzungen für die Einbürgerung unter Hinnahme von Mehrstaatigkeit vorliegen, so dass die Aufgabe oder der Verlust der bisherigen Staatsangehörigkeit keine Einbürgerungsvoraussetzung ist (hierzu unten).
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Der Kläger hat einen Anspruch auf Einbürgerung in die Bundesrepublik Deutschland gemäß § 85 AuslG. Der sein Einbürgerungsbegehren ablehnende Bescheid des Landratsamts Tübingen vom 08.03.2002 sowie der hierzu ergangene Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 03.06.2002 sind daher rechtswidrig und aufzuheben (§ 113 Abs. 5 S. 1 VwGO).
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Gem. § 85 AuslG i.d.F. des Art. 2 des Gesetzes zur Reform des Staatsangehörigkeitsrechts vom 15.07.1999 (BGBl. I S. 1618 ff.) ist ein Ausländer, der seit acht Jahren rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat, auf Antrag einzubürgern, wenn er (1.) sich zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland bekennt und erklärt, dass er keine Bestrebungen verfolgt oder unterstützt oder verfolgt oder unterstützt hat, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziele haben oder die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, oder glaubhaft macht, dass er sich von der früheren Verfolgung oder Unterstützung derartiger Bestrebungen abgewandt hat, (2.) eine Aufenthaltserlaubnis oder eine Aufenthaltsberechtigung besitzt, (3.) den Lebensunterhalt für sich und seine unterhaltsberechtigten Familienangehörigen ohne Inanspruchnahme von Sozial- oder Arbeitslosenhilfe bestreiten kann, (4.) seine bisherige Staatsangehörigkeit aufgibt oder verliert und (5.) nicht wegen einer Straftat verurteilt worden ist. Dieser Anspruch auf Einbürgerung besteht nach § 86 AuslG nur dann nicht, wenn (1.) der Einbürgerungsbewerber nicht über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt, (2.) tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass der Einbürgerungsbewerber Bestrebungen verfolgt oder unterstützt oder verfolgt oder unterstützt hat, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziel haben oder die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, es sei denn, der Einbürgerungsbewerber macht glaubhaft, dass er sich von der früheren Verfolgung oder Unterstützung derartiger Bestrebungen abgewandt hat, oder (3.) ein Ausweisungsgrund nach § 47 Abs. 2 Nr. 4 AuslG vorliegt.
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Der Kläger erfüllt die Einbürgerungsvoraussetzungen des § 85 Abs. 1 AuslG. Ausschlussgründe gemäß § 86 AuslG liegen bei ihm nicht vor.
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Die Voraussetzungen des § 85 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AuslG liegen – entgegen der Auffassung des Beklagten – vor. Der Kläger bekennt sich zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland. Er hat mit seinem Einbürgerungsantrag vom 21.02.2000 den Vordruck unterschrieben, dass er sich zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes bekenne und keine entgegen stehenden Bestrebungen verfolge oder unterstütze oder verfolgt oder unterstützt habe (siehe hierzu die Erklärung des Klägers vom 14.02.2000 und jetzt auch die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Staatsangehörigkeitsrecht, StAR-VwV, vom 13.12.2000 unter Nr. 85.1.1.1). Der Zweck dieses Erfordernisses eines Bekenntnisses zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung ist darin zu sehen, die Einbürgerung von Verfassungsfeinden und die daraus herrührende Gefahr für die staatliche Ordnung zu verhindern. Die persönlich abzugebende Erklärung soll dem Einbürgerungsbewerber die Notwendigkeit einer glaubhaften Hinwendung zu den Grundprinzipien der deutschen Verfassungsordnung unmittelbar vor seiner Aufnahme in den deutschen Staatsverband vor Augen führen. Deshalb werden ihm über die Erfüllung sonstiger Integrationsanzeichen hinaus sowohl ein aktives persönliches Bekenntnis als auch die Bestätigung eines nicht verfassungsgefährdenden Verhaltens in Vergangenheit und Gegenwart abverlangt. Hieraus soll zugleich darauf geschlossen werden, dass von ihm auch nach der Einbürgerung keine Gefahr für Bestand und Sicherheit des Staates sowie dessen Grundordnung ausgeht (vgl. Renner, Staatsangehörigkeitsrecht, Nachtrag zur 7. Aufl. des Kommentars zum Ausländerrecht, § 85 Rdnr. 23; Kloesel/Christ, Deutsches Ausländerrecht, § 85 Rdnr. 29).
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Das Bekenntnis des Klägers zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes und seine Loyalitätserklärung werden auch nicht durch seine Aktivitäten für die ISYF (International Sikh Youth Federation) entwertet. Ob das Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung und die Loyalitätserklärung lediglich formelle Einbürgerungsvoraussetzungen sind oder ob der Einbürgerungsbewerber auch tatsächlich materiell aus innerer Überzeugung zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung bekennen muss, bedarf im vorliegenden Verfahren keine abschließenden Klärung (siehe hierzu Berlit, Gemeinschaftskommentar zum Staatsangehörigkeitsrecht, § 85 AuslG, Januar 2002, Rdnr. 112 ff.). Auch der Umfang, im dem der Kläger für die ISYF tätig war, muss nicht abschließend geklärt werden. Denn die Aktivitäten der ISYF sind keine Bestrebungen im Sinne des § 85 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AuslG, deren Unterstützung eine Einbürgerung des Klägers ausschließen könnte.
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a) Die Aktivitäten der ISYF sind nicht gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet (§ 85 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Fallgruppe 1 AuslG).
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Das Schutzgut der freiheitlichen demokratischen Grundordnung umfasst die Grundprinzipien der Staatsgestaltung, die das Grundgesetz als unantastbar anerkennt und die deshalb gegen Angriffe verteidigt werden sollen. Der demokratische Staat des Grundgesetzes erwartet von seinen Bürgern eine Verteidigung seiner freiheitlichen Ordnung. Der Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung entspricht demnach auch dem Zweck der Einbürgerungsvorschriften (BVerwG, Urteile vom 21.10.1986 und vom 31.05.1994, BVerGE 75, 86, 93 f. und 96, 86, 91, zu § 8 RuStAG a.F. m.w.N. aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts). Dieses Schutzgut betrifft damit die Ausgestaltung der deutschen und nicht der indischen Verfassungsordnung. Daher ist die exilpolitische Tätigkeit eines Ausländers nur dann gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des § 85 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AuslG gerichtet, wenn sie auf die Veränderung oder Beseitigung der hierzu gehörenden Verfassungsgrundsätze (vgl. § 4 Abs. 2 BVerfSchG) gerade in Deutschland abzielt. Die Aktivitäten der Organisation im Heimatland des Ausländers sind nicht für dieses Tatbestandsmerkmal der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, sondern für die auswärtigen Belange (hierzu unten) von Bedeutung.
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Im vorliegenden Fall gibt es keine aktuellen Erkenntnisse, die eine Aktivität der ISYF gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung in Deutschland belegen. Auch von Seiten des Verfassungsschutzes gab es in den letzten zehn Jahren keine Hinweise darauf, dass diese Organisation in Deutschland Gewalt anwendet. Im Verfassungsschutzbericht Baden-Württemberg 1990 wird berichtet, dass es verschiedene extremistische Sikh-Gruppierungen gebe, die alle die Gründung eines unabhängigen Staates Khalistan (Land der Reinen) wollten, über den einzuschlagenden Weg und die einzusetzenden Mitteln jedoch unterschiedliche Auffassungen hätten. Die daraus entstehenden Differenzen zwischen den einzelnen Organisation würden nicht nur im Heimatland (überwiegend dem indischen Bundesstaat Punjab) ausgetragen, sondern seit einigen Jahren auch im Bundesgebiet. Die Anwendung von Gewalt sei dabei keine Seltenheit. Die mitgliederstärkste Organisation sei die ISYF, die auch in Baden-Württemberg aktiv sei (Innenministerium Baden-Württemberg, Verfassungsschutzbericht Baden-Württemberg 1990, S. 126). Ob diese Gewalttätigkeiten schon als Aktivitäten gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland anzusehen oder eher als private Konflikte einzustufen sind, erscheint bereits fraglich. Jedenfalls enthalten aber die Verfassungsschutzberichte der letzten zehn Jahre keine Hinweise mehr auf solche Gewalttätigkeiten. So wird beispielsweise im Verfassungsschutzbericht Baden-Württemberg 1994 (S. 126 f.) von zahlreichen Sprengstoffanschlägen terroristischer Sikhs in Indien berichtet. Von Deutschland wird referiert, dass sich Aktivisten der extremistischen Gruppen wie der in mehrere Flügel gespaltenen ISYF um den Zusammenhalt ihrer Anhängerschaft bemühten. Sie hielten dabei enge Kontakte zu ihren Gesinnungsfreunden in aller Welt und unterstützten die Kämpfe in der Heimat vor allem mit finanziellen Mitteln. Ähnliche Hinweise enthält beispielsweise der Verfassungsschutzbericht Baden-Württemberg 1997 (S. 172), wonach die ISYF auch 1997 wieder Spendenkampagnen bei Veranstaltungen im Stuttgarter Tempel und bei Landsleuten in Asylbewerberwohnheimen initiiert hätte. Die dabei erzielten Einnahmen würden vor allem zur Unterstützung des terroristischen Kampfs in der Heimat, aber auch zur Finanzierung der Tempel in Deutschland verwendet. Stützpunkte extremistischer Sikh-Organisationen fänden sich in Mannheim und Stuttgart, aber auch in Reutlingen, Tübingen und Gomaringen sowie im südbadischen Raum. Nach dem aktuellen Verfassungsschutzbericht Baden-Württemberg 2003 (herausgegeben vom Innenministerium Baden-Württemberg, Redaktionsschluss Mai 2004) sind die verschiedenen terroristischen Gruppen der Sikhs im Punjab ideologisch zerstritten und nicht zu mehr als einer begrenzten Kooperation im propagandistischen Bereich in der Lage (S. 134). Die geschwächte Stellung der Sikh-Organisationen im Punjab, aber auch der Machtkampf zwischen deren Anführern spiegele sich nicht nur in den Aktivitäten, sondern vor allem in Rivalitäten und internen Auseinandersetzungen der im Bundesgebiet vertretenen Extremistengruppen wieder. So hätten die Teilnehmerzahlen bei Demonstrationen in den vergangen Jahren kontinuierlich abgenommen, weil man immer weniger bereit gewesen sei, sich an Aktivitäten „gegnerischer“ Sikh-Vereinigungen zu beteiligen. Trotz der Unstimmigkeiten bemühten sich die hier lebenden Funktionäre bei jeder sich bietenden Gelegenheit, ihre Gesinnungsgenossen von der Notwendigkeit zu überzeugen, ihr Engagement für den Kampf um ein freies „Khalistan“ zu forcieren. Hauptaufgabe aller Auslandssektionen der extremistischen Sikhs sei nach wie vor die finanzielle Unterstützung des „Befreiungskampfs“ in der Heimat (S. 135). Über die extremistischen Sikhs in Baden-Württemberg wird berichtet, dass Funktionäre Versammlungen in erster Linie zu Propagandazwecken, zu Spendenaufrufen und zur Mitgliederwerbung nutzten (S. 136). Von Gewalttätigkeiten in Deutschland wird nicht berichtet.
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Den Schwund der extremistischen Sikh-Organisationen an Mitgliedern und politischer Bedeutung belegt auch der vom Bundesminister des Innern herausgegebene Verfassungsschutzbericht 2003 (2004, 278 Seiten). Obwohl dort auf 68 Seiten (S. 163 bis S. 230) über sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern berichtet wird, ist die ISYF darin nicht einmal in dem zusammenfassenden Überblick erwähnt. Ihr Name taucht nur in einer Tabelle mit einer „Übersicht über weitere erwähnenswerte Organisationen sowie deren wesentliche Presseerzeugnisse“ (S. 229) auf, allerdings gibt sie danach keine Publikationen heraus. In dem einleitenden Überblick wird in einem einzigen Satz über südasiatische seperatistische Organisationen aus Sri Lanka sowie Organisationen der Sikhs berichtet, die für einen unabhängigen Staat Khalistan auf dem Gebiet Indiens einträten und sich weiterhin auf propagandistische Aktivitäten und die Beschaffung von Geldmitteln konzentriert hätten. Weitere im Internet einzusehende Verfassungsschutzberichte von Landesämtern für Verfassungsschutz bestätigen diese Einschätzung. Eine konkretere Aussage zur Gefährlichkeit Sikh-Extremismus hat, soweit ersichtlich, lediglich das Bundesamt für Verfassungsschutz in seiner Stellungnahme vom 19.06.2001 an das Verwaltungsgericht Sigmaringen getroffen. Diese Auskunft wurde vom Kläger im hiesigen Verfahren vorgelegt, ist aber auch im Internet zugänglich. Danach sind dem Bundesamt für Verfassungsschutz keine Straftaten von Mitgliedern oder Funktionären der ISYF oder „Babbar Khalsa International“ (BK) bekannt geworden, die geeignet seien, die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden. Dem Bundesamt für Verfassungsschutz lägen keine Erkenntnisse über Aktivitäten der Organisationen in Deutschland vor, die eine Einstufung als terroristische Organisationen im Sinne des § 129a StGB zulassen würden. Die Aktivitäten von ISYF und BK in Deutschland seien bisher gewaltfrei. Für die Realisierung ihrer politischen Ziele in Indien befürworteten die Mitglieder dieser Organisationen jedoch die Anwendung gewaltsamer, auch terroristischer Handlungsweisen in der Krisenregion. Dies komme vereinzelt auch in öffentlichen Äußerungen extremistischer Sikhs in Deutschland zum Ausdruck. Auf Grund der politischen Zielsetzungen von ISYF und BK bestehe der Verdacht, dass die von ihnen in Deutschland gesammelten Spendengelder auch zur Unterstützung gewalttätiger Organisationen im Krisengebiet verwendet würden. Konkrete Erkenntnisse über den Verbleib der Gelder im Krisengebiet lägen dem Bundesamt für Verfassungsschutz jedoch nicht vor.
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b) Die Bestrebungen der ISYF sind auch nicht gegen den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet und haben keine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziele (§ 85 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Fallgruppe 2 AuslG).
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Der Begriff „Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland“ ist enger zu verstehen als die öffentliche Sicherheit nach allgemeinem Polizeirecht. Er schützt Bestand und Funktionstüchtigkeit des Staates und seiner Einrichtungen. Das schließt den Schutz vor Einwirkungen durch Gewalt und Drohungen mit Gewalt auf die Wahrnehmung staatlicher Funktionen ein. Danach richten sich auch Gewaltanschläge und Gewaltdrohungen ausländischer Terrororganisationen im Bundesgebiet gegen die innere Sicherheit des Staates. Bereits die Anwesenheit möglicher ausländischer Helfer terroristischer Gewalttäter beeinträchtigt die Fähigkeit des Staates, sich nach Innen und nach Außen gegen Angriffe und Störungen zur Wehr zu setzen, und damit seine Sicherheit. In diesem Zusammenhang kommt es nicht darauf an, ob Ausländer mit in Deutschland begangenen Gewalttätigkeiten berechtigte Belange gegenüber dem Regime im Heimatstaat wahrnehmen. Denn die gewaltsame Austragung auswärtiger Konflikte auf dem Territorium der Bundesrepublik Deutschland ist in keinem Fall hinnehmbar (BVerwG, Urteil vom 31.05.1994, BVerwGE 96, 86, 91 f. zum Ausweisungsgrund des § 46 Abs. 1 AuslG). Dementsprechend hat das Bundesverwaltungsgericht in dieser Entscheidung der Einbürgerungsklage eines Palästinensers stattgegeben, der Mitglied einer Organisation war, deren bewaffneter Kampf sich auf den Nahen Osten beschränkte. Das Bundesverwaltungsgericht hat hierzu ausgeführt, die logistische Mitwirkung der in Deutschland tätigen Außenstelle dieser Organisation möge innerstaatliche Auswirkungen haben und möglicherweise Belange der Bundesrepublik Deutschland berühren. Eine Gefährdung der inneren Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland sei darin jedoch noch nicht zu sehen (a.a.O., S. 94).
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Die oben zitierten Erkenntnismittel lassen nur den Schluss zu, dass die ISYF den bewaffneten Kampf ausschließlich im Ausland (in Indien) führt, in Deutschland hingegen gewaltfrei agiert. Die innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland ist durch die ISYF damit nicht gefährdet.
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c) Schließlich gefährden die Aktivitäten bzw. Bestrebungen der ISYF nicht durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland (§ 85 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Variante 3 AuslG).
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Auch diese Tatbestandsvariante hat die Schutzrichtung, Gewaltanwendung als Mittel politischer Auseinandersetzung zu bannen (Berlit, GK-StAR, 2000, § 86 AuslG, Rdnr. 117). Hiervon sind alle Formen kriegerischer Aktivitäten, auch außerhalb des Bundesgebietes gegen Nichtdeutsche und unabhängig von ihrer Legitimität oder den Möglichkeiten ihrer folgerechtlichen Rechtfertigung umfasst. Eine Gewaltanwendung im Bundesgebiet selbst ist nicht nötig. Vielmehr reicht es aus, dass die Organisation im Herkunftsstaat gewaltförmig agiert oder – als politische Exilorganisation – dortige Bestrebungen durch Wort („Propaganda“) oder Tat (etwa durch Überweisung von Spenden; organisatorische bzw. logistische Unterstützung; Anwerbung von „Kämpfern“) unterstützt. Dies gilt etwa für die im Gesetzgebungsverfahren hervorgehobene PKK oder die Auslandsorganisationen der LTTE (Berlit, a.a.O., Rdnr. 121).
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Im vorliegenden Fall bestehen keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür, dass die exilpolitischen Aktivitäten der ISYF im Bundesgebiet die auswärtigen Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden. Das Gericht hat zu dieser Frage eine Auskunft des Auswärtigen Amtes eingeholt. Dieses ist für die auswärtigen Angelegenheiten und die Pflege der Beziehungen zu auswärtigen Staaten zuständig (Art. 32 GG und § 1 Abs. 1 und 2 und § 2 des Gesetzes über den Auswärtigen Dienst vom 30.08.1990, BGBl I, 1842). Dem Auswärtigen Amt kommt daher nicht nur die Vertretung der Bundesrepublik Deutschland nach außen, sondern als Fachbehörde auch nach innen gegenüber anderen Bundes- und Landesbehörden die Bewertung der auswärtigen Belange der Bundesrepublik Deutschland zu. Auf die Frage, ob die Aktivitäten der ISYF eine Rolle für die Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Indien spielen, hat das Auswärtige Amt geantwortet, Aktivitäten bestimmter Sikh-Gruppierungen (darunter die ISYF) in Deutschland würden von indischer Seite in bilateralen Gesprächen von Terrorismusexperten beider Länder thematisiert. Ferner hat das Gericht die Frage gestellt, ob die Bestrebungen der ISYF durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland im Sinne von § 85 Abs. 1 Nr. 1 und § 86 Nr. 2 AuslG gefährden. Zur Beantwortung dieser Frage hat das Auswärtige Amt lediglich darauf verwiesen, dass sich die Aktivitäten von Organisationen der Sikhs laut Verfassungsschutzbericht 2003 weiterhin auf Propaganda und die Beschaffung von Geldmitteln konzentrierten und weitergehende Informationen beim Auswärtigen Amt nicht vorlägen. Die ausdrückliche Frage, ob die Bestrebungen der ISYF die auswärtigen Belange gefährden, konnte das Auswärtige Amt nicht bejahen, obwohl sie Gegenstand bilateraler Gespräche sind. Aus dieser Beantwortung durch das Auswärtige Amt ist zu folgern, dass die exilpolitische Tätigkeit der ISYF in Deutschland zwar Gegenstand bilateraler Gespräche ist, aber die diplomatischen Beziehungen zwischen beiden Ländern nicht belastet oder beeinträchtigt.
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Zu dieser Einschätzung des Auswärtigen Amtes hat der Beklagte im Übrigen auch nicht Stellung genommen. Das Gericht sieht daher keinen Anlass, die auswärtigen Belange anders einzuschätzen als das Auswärtige Amt.
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Der Beklagte hat in diesem Zusammenhang in der mündlichen Verhandlung auf die Gefährlichkeit des internationalen Terrorismus hingewiesen, der von Deutschland aus nicht unterstützt werden dürfe. Er hat die Rechtsauffassung des Regierungspräsidiums Tübingen weitergegeben, dass die extremistische bzw. terroristische Betätigung der ISYF einer Einbürgerung des Klägers deshalb entgegenstehe. Diese Rechtsauffassung trifft jedoch nicht zu, weil der Gesetzgeber in § 85 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AuslG nicht ausschließlich auf die „Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen“ abstellt, sondern darüber hinaus auch noch verlangt, dass die vom Einbürgerungsbewerber unterstützten Bestrebungen hierdurch die auswärtigen Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden. Da diese auswärtigen Belange durch die terroristischen Aktivitäten der ISYF in Indien nicht gefährdet sind, kommt es auf das Ausmaß und die Gefährlichkeit dieses Sikh-Terrorismus und auf die Handlungen des Klägers nicht an.
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2. Die übrigen Einbürgerungsvoraussetzungen liegen vor.
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Der Kläger hat seinen gewöhnlichen Aufenthalt seit acht Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet und hat einen Einbürgerungsantrag gestellt (§ 85 Abs. 1 Satz 1 AuslG). Zwar ist er noch nicht ganz acht Jahre im Besitz einer Aufenthaltsgenehmigung, weil ihm die Aufenthaltsbefugnis erst am 13.02.1997 erteilt wurde. Jedoch zählt als rechtmäßiger Aufenthalt des Klägers im Bundesgebiet entsprechend § 35 Abs. 1 Satz 2 AuslG auch der Zeitraum, in dem der Kläger während seines Asylverfahrens eine Aufenthaltsgestattung gemäß § 55 AsylVfG hatte (StAR-VwV Nr. 85.1.1 Satz 5 Buchst. f; Hailbronner, in: Hailbronner/Renner, Staatsangehörigkeitsrecht, Kommentar, 3. Aufl. 2001, § 85 AuslG Rdnr. 20). Damit liegt ein achtjähriger rechtmäßiger Aufenthalt im Sinne des § 85 Abs. 1 Satz 1 AuslG vor.
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Der Kläger ist im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis (§ 85 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AuslG).
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Dass der Kläger seinen Lebensunterhalt für sich und seine unterhaltsberechtigten Familienangehörigen ohne Inanspruchnahme von Sozial- oder Arbeitslosenhilfe bestreiten kann, wird vom Beklagten nicht bestritten (§ 85 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AuslG).
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Die Aufgabe oder der Verlust seiner bisherigen Staatsangehörigkeit (§ 85 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AuslG) ist im Falle des Klägers keine Einbürgerungsvoraussetzung, weil der Kläger politisch Verfolgter im Sinne von § 51 AuslG ist. Deshalb wird kraft Gesetzes vermutet, dass er seine bisherige Staatsangehörigkeit nicht oder nur unter besonders schwierigen Bedingungen aufgeben kann, so dass von der Voraussetzung des § 85 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 abgesehen wird (§ 87 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 6 AuslG).
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Schließlich ist der Kläger nicht wegen einer Straftat verurteilt worden (§ 85 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 AuslG). Die vom Beklagten im vorangegangenen Einbürgerungsverfahren angeführte Straftat ist aus dem Bundeszentralregister getilgt und daher nicht mehr zu berücksichtigen.
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Schließlich ist der Anspruch des Klägers auf Einbürgerung auch nicht nach § 86 AuslG ausgeschlossen. Zu Unrecht beruft sich der Beklagte auf § 86 Nr. 2 AuslG. Danach besteht ein Anspruch auf Einbürgerung nach § 85 AuslG nicht, wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass der Einbürgerungsbewerber bestimmte Bestrebungen verfolgt oder unterstützt oder verfolgt oder unterstützt hat, die dem Tatbestand des § 85 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AuslG entsprechen. Dass beim Kläger keine solchen tatsächlichen Anhaltspunkte vorliegen, wurde bereits (oben unter 1.) dargelegt.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Das Gericht sieht gemäß § 167 Abs. 2 VwGO davon ab, das Urteil für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Es besteht kein Anlass, gemäß § 124 a Abs. 1 die Berufung zuzulassen.
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