Verwaltungsgericht Sigmaringen Beschluss, 25. Feb. 2005 - 1 K 158/05

published on 25/02/2005 00:00
Verwaltungsgericht Sigmaringen Beschluss, 25. Feb. 2005 - 1 K 158/05
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Gericht

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Tenor

Die Vollziehung der Entscheidung der Antragsgegnerin nach § 51 Abs. 5 LBO vom 28. Oktober 2004 wird insoweit ausgesetzt, als in ihr die Verkürzung der Abstandsflächentiefe „für das Treppenhaus mit 4,5 m Länge und 2,4 m Höhe ... auf 1,34 m gemäß § 6 Abs. 4 Nr. 2 LBO“ zugelassen wurde.

Im Übrigen werden die Anträge der Antragsteller abgelehnt.

Von den Gerichtskosten tragen die Antragsteller 3/4 sowie die Antragsgegnerin und die Beigeladenen (zusammen) jeweils 1/8.

Die Antragsteller tragen 3/4 der außergerichtlichen Kosten der Antragsgegnerin und 3/4 der der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen. Die Antragsgegnerin und die Beigeladenen (zusammen) tragen jeweils 1/8 der außergerichtlichen Kosten der Antragsteller. Im Übrigen tragen die Beteiligten ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

Der Streitwert wird auf 7.500 EUR festgesetzt.

Gründe

 
I. Die Antragsteller begehren vorläufigen Rechtsschutz gegen ein Bauvorhaben auf einem Nachbargrundstück.
Die Antragsteller sind Eigentümer des Grundstücks Flst.-Nr. 7..., B-straße 8 in X. An das Grundstück der Antragsteller grenzt an dessen südlicher Grenze das Grundstück Flst.-Nr. 7..., C-Weg Nr. 1, X, der Beigeladenen. Die Grundstücke liegen im Geltungsbereich des Bebauungsplans „Y“ vom 22.07.1999. Die Grundstücke befinden sich in einer Hanglange. Das Grundstück der Antragsteller liegt über dem Grundstück der Beigeladenen.
Die Beigeladenen legten am 15.09.2004 im Kenntnisgabeverfahren nach § 51 Abs. 1 und 2 LBO Bauunterlagen vom 13.09.2004 für die Errichtung eines Wohnhauses mit Flachdach und darauf errichteten Sonnenkollektoren und Fotovoltaikanlagen vor. Sie beantragten gleichzeitig die Erteilung einer Befreiung von der im Bebauungsplan festgesetzten Baulinie bezüglich eines Nebengebäudes und die Zulassung einer Abweichung von der Abstandsfläche nach § 5 LBO. Zur Begründung wurde ausgeführt, da die Gebäudelänge größer als 16 m sei, sei die Abstandsfläche mit dem Faktor 0,6 zu ermitteln. Der nachbarschützende Teil der Abstandsfläche werde eingehalten. Das Nebengebäude (Fahrradschuppen) stehe 1,71 m über die festgesetzte Baulinie hinaus.
Die Antragsteller wurden von der Stadt X im Kenntnisgabeverfahren angehört. Ein Hinweis auf die beantragte Befreiung und die Abweichung fehlt. Ebenso fehlt eine Belehrung nach § 55 Abs. 2 Satz 3 LBO.
Die Antragsteller erhoben mit Schreiben vom 30.09.2004 Einwendungen. Sie trugen vor, das Gebäude der Beigeladenen halte die Abstandsfläche zu ihrem Grundstück hin nicht ein. Die Abstandsfläche sei mit dem Faktor 0,6 zu ermitteln. Bei einer Wandhöhe von 6,54 m ergebe sich ein Grenzabstand von mindestens 3,92 m. Geplant sei ein Grenzabstand von 2,62 m. Das Schmalseitenprivileg der LBO greife nicht ein, weil das Gebäude eine Gesamtlänge von mehr als 16 m aufweise. Das Nebengebäude sei dabei noch nicht berücksichtigt. Das Nebengebäude sei im Grenzabstand nicht zulässig. Es weise nicht die im Lageplan dargestellte Länge von 8,67 m sondern eine Gesamtlänge von 11,50 m auf. Mit zu berücksichtigen sei die Treppe ins Untergeschoss. Darüber hinaus müsse die Deklarierung des Nebengebäudes als solches angezweifelt werden. Das Nebengebäude überschreite zudem die Baugrenze in Richtung C-Weg um 1,70 m.
Durch Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 26.10.2004 erhoben die Antragsteller weitere Einwendungen. Es sei zu berücksichtigen, dass die nördliche Gebäudewand tatsächlich eine Höhe von 7,49 m und nicht von 6,54 m habe. Die Wandhöhe sei am natürlichen Geländeverlauf und nicht oberhalb der Anschüttung zu messen. Auch die Erteilung einer Ausnahme von der allgemeinen Abstandsfläche sei ermessensfehlerhaft. Der Bebauungsplan enthalte eine drittschützende Regelung über die maximale Gebäudehöhe. Danach dürfe die Fristhöhe bzw. die Oberkante des Dachabschlusses maximal 7,5 m über dem höchsten Punkt der natürlichen Geländeoberfläche im Bereich des Gebäudes betragen. Durch diese Regelung solle der Hangblick des dahinter liegenden Nachbarn geschützt werden. Die an das Gebäude gestellte „Box“ zu ihrer Grenze stelle kein Nebengebäude mehr dar, mit der Folge, dass die Abstandsflächen der Landesbauordnung zu beachten seien.
Mit Entscheidung mit Datum vom 28.10.2004 ließ die Antragsgegnerin im Wege der Ausnahme nach § 23 Abs. 3 bzw. Abs. 5 BauNVO die „Nebenanlage Fahrradabstellraum“ mit 1,5 m vor der westlichen Baugrenze in der unüberbaubaren Grundstücksfläche zu. Daneben ließ sie nach § 6 Abs. 4 Nr. 2 LBO für das Wohngebäude eine auf das Maß des § 5 Abs. 7 Satz 3 LBO verkürzte Abstandsflächentiefe (2,62 m nach Norden) zu sowie für das Treppenhaus mit 4,5 m Länge und 2,4 m Höhe eine Verkürzung der Abstandsflächentiefe auf 1,34 m gem. § 6 Abs. 4 Nr. 2 LBO. Zur Begründung führte die Antragsgegnerin aus, die Ausnahmen hätten bei Ausübung pflichtgemäßen Ermessens gewährt werden können, weil keine Nachteile erkennbar seien, die objektiv entscheidungserheblich nachbarschützende Vorschriften verletzten. Das geplante Gebäude halte die im Bebauungsplan vorgeschriebene maximale Gebäudehöhe von 7,5 m ein. Bezugspunkt für die Bemessung sei der höchste Punkt des natürlichen Geländes im Bereich des geplanten Gebäudes. Das führe nicht zwangsläufig zu einer Wandhöhe von 7,5 m. Denn nach dem Bebauungsplan seien Aufschüttungen und Abgrabungen bis maximal 1 m zulässig, wobei an den Grundstücksgrenzen niveaugleiche Geländeübergänge herzustellen seien. Für die Beigeladenen sei dies nicht mehr möglich, weil auf dem Grundstück der Antragsteller eine rechtswidrige Aufschüttung vorgenommen worden sei, die mit einer über 2 m hohen Stützmauer an der Grundstücksgrenze ende. Die von den Beigeladenen geplante Aufschüttung von 45 cm Höhe an der Grundstücksgrenze und von 90 cm an der nördlichen Außenwand des geplanten Gebäudes könne in sinnvoller Weise nicht verwehrt werden. Dadurch entstehe eine relevante Wandhöhe von 6,54 m. Die Sonnenkollektoren bzw. die Fotovoltaikanlage seien bei der Höhe des Gebäudes nicht zu berücksichtigen. Diese Anlagen seien nach Nr. 21 des Anhangs zu § 50 Abs. 1 LBO verfahrensfrei. Sie könnten nicht als Dach angesehen werden, da sie das Gebäude nicht gegen die Unbilden der Witterung abzuschließen geeignet seien. Der Fahrradabstellraum erfülle die Anforderungen des § 6 Abs. 1 LBO und benötige deshalb keine Abstandsfläche. Für den Gebäudeteil Treppenhaus könne eine Unterschreitung der Abstandsfläche auf die Tiefe von 1,34 m zugelassen werden, weil bei objektiver Würdigung der nachbarlichen Belange keine erhebliche Beeinträchtigung erkennbar sei. Aufgrund der topografischen Verhältnisse könne es allenfalls zu einer geringfügigen Verschattung der nachbarlichen Stützmauer kommen, weil dieser Gebäudeteil die Stützmauer um ca. 1 m überrage.
Die Entscheidung vom 28.10.2004 wurde dem Architekten der Beigeladenen mit Fax vom 29.10.2004 übermittelt. An die Antragsteller und die Beigeladenen wurde die Entscheidung mit Begleitschreiben vom 03.11.2004 zugestellt, das am 04.11.2004 bei der Post eingeliefert wurde.
Der Prozessbevollmächtigte der Antragsteller legte mit Schreiben vom 04.11.2004, eingegangen bei der Antragsgegnerin am 05.11.2004, Widerspruch „gegen die Genehmigung des Bauvorhabens Wohnhaus K“ ein und bat um Sachstandsmitteilung.
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Mit Schreiben vom 05.11.2004 teilte die Antragsgegnerin mit, dass im Kenntnisgabeverfahren keine Baugenehmigung erteilt werde. Nachdem jetzt am 28.10.2004 die Entscheidung über die beantragte Abweichung/Ausnahme ergangen sei, dürfe nach dem Willen des Gesetzgebers mit der Bauausführung begonnen werden, ohne dass es einer Freigabe behördlicherseits bedürfe. Der Widerspruch vom 04.11.2004 entfalte keine aufschiebende Wirkung.
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Die Antragsteller haben am 19.01.2005 beim Verwaltungsgericht Sigmaringen einen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gestellt. Zur Begründung tragen sie vor, sie hätten im Kenntnisgabeverfahren von dem Bauvorhaben der Beigeladenen erfahren. Nachdem sie von den ersten Baumaßnahmen Kenntnis genommen hätten, sei davon auszugehen, dass hierfür eine entsprechende Genehmigung vorliege. Sie hätten deshalb mit Schreiben vom 04.11.2004 hiergegen Widerspruch eingelegt. Über den Widerspruch sei bislang nicht entschieden. Derzeit seien die Erdaushubarbeiten im Gange. Der von ihnen eingelegte Widerspruch gegen die erteilte Baugenehmigung werde Erfolg haben. Bei der Berechnung der Abstandsfläche müsse von einer Wandhöhe von 7,5 m ausgegangen werden, da nach Nr. 1.2.4 des Bebauungsplans der Bezugspunkt für die Bemessung der Gebäudehöhe der höchste Punkt im natürlichen Geländebereich des geplanten Gebäudes darstelle. Die geplante Aufschüttung an der nördlichen Gebäudewand sei nach der Ziff. 2.2.1 des Bebauungsplans unzulässig. Durch die Aufschüttung werde nicht der im Bebauungsplan vorausgesetzte Zweck, die Schaffung eines wohnungsbezogenen Freiraums, erreicht. Bei einer Gebäudehöhe von 7,5 m müsse die Abstandsfläche mindestens 3 m betragen. Die Verfahrensfreiheit der Fotovoltaikanlage und der Solarkollektoren besage nicht, dass sie bei der Bemessung der Höhe des Gebäudes nicht zu berücksichtigen seien. Dadurch werde die maximale Gebäudehöhe von 7,5 m überschritten. Durch das „Treppenhaus“ im nachbarschützenden Grenzabstand würden nachbarliche Belange erheblich beeinträchtigt. Mit Schreiben vom 21.02.2005 haben die Antragsteller ihren Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes dahingehend klar gestellt, dass er sich gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 28.10.2004 richtet.
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Die Antragsteller beantragen,
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die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs gegen die den Beigeladenen erteilte Entscheidung über den Befreiungsantrag vom 28. Oktober 2004 bis zur bestandskräftigen Entscheidung über ihren Widerspruch anzuordnen
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Die Antragsgegnerin beantragt,
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den Antrag abzulehnen.
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Zur Begründung trägt sie vor, der Antrag der Antragsteller sei unzulässig. Die Antragsgegnerin habe eine Baugenehmigung, gegen die Widerspruch hätte eingelegt werden können, nicht erteilt. Daher könne auch nicht die aufschiebende Wirkung eines Widerspruchs angeordnet werden. Die Antragsteller wüssten positiv, dass im Kenntnisgabeverfahren keine Baugenehmigung erteilt werde. Der Antrag sei aber auch unbegründet. Zur Begründung verweist die Antragsgegnerin auf ihre Verwaltungsakten sowie auf eine Stellungnahme des Regierungspräsidiums vom 19.01.2005.
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Die Beigeladenen beantragen,
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die Anträge abzulehnen.
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Zur Begründung tragen sie vor, der nachbarschützende Teil der Abstandsfläche sei eingehalten. Die Festsetzung nach Ziff. 1.2.4 des Bebauungsplans über die Gebäudehöhe sei unwirksam, da sie unbestimmt sei. Die geplante Aufschüttung sei zulässig. Durch die Aufschüttung werde vor dem Haus eine begehbare Gartenfläche geschaffen. Im Norden des Gebäudes befinde sich ein überdachter Kellertreppenabgang, der in den Schriftsätzen „etwas hochfliegend als Treppenhaus bezeichnet werde. Tatsächlich rage die Oberkante des Kellertreppenabgangs lediglich um 1 m über die Oberkante der auf dem Nachbargrundstück bestehenden Stützmauer hinaus. Durch den Kellertreppenabgang sei allenfalls eine geringe Verschattung der Stützmauer, aber nicht eine Verschattung des Gebäudes der Antragsteller zu erwarten. Die Antragsgegnerin habe daher zu Recht eine Befreiung nach § 6 Abs. 4 Nr. 2 LBO erteilt. Die Fotovoltaikanlage ändere nichts an der Berechnung der Wandhöhe. Es handele sich um untergeordnete Bauteile gemäß § 5 Abs. 6 Nr. 1 LBO. Im Übrigen ragten sie lediglich etwa 0,7 m über die Oberkante des Dachabschlusses hinaus, seien aber um 0,8 m zurückversetzt, so dass sich hierdurch keine Erhöhung der Abstandsfläche ergebe. Die Ziff. 1.2.3 des Bebauungsplans über die Gebäudehöhe sei unwirksam. Wenn ihre Wirksamkeit unterstellt werde, sei sie nicht nachbarschützend. Das Rücksichtnahmegebot werde durch die Fotovoltaikanlage nicht verletzt.
20 
Der Kammer haben die Bauakten der Antragsgegnerin sowie der Bebauungsplan „S“ einschließlich seiner Begründung und der Textteil des Grünordnungsplans vorgelegen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird darauf sowie Gerichtsakte verwiesen.
21 
II. Wird ein Bauvorhaben aufgrund eines Kenntnisgabeverfahrens (§ 51 LBO) durchgeführt, ergeht keine Baugenehmigung. Wegen des Fehlens eines anfechtbaren Verwaltungsakts kann einem Dritten vorläufiger Rechtsschutz gegen dieses Vorhaben nicht nach § 80 Abs. 5 i.V.m. § 80 a Abs. 3 VwGO gewährt werden. Hier ist einstweiliger Rechtschutz nach § 123 VwGO statthaft. Soweit die Baurechtsbehörde im Kenntnisgabeverfahren eine Entscheidung über eine Abweichung, Ausnahme oder Befreiung nach § 51 Abs. 5 LBO trifft, ist gegen diesen Verwaltungsakt ein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung gemäß § 80a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 i.V.m. § 80 Abs. 5 und Abs. 2 Satz 1 VwGO i.V.m. § 212a BauGB statthaft (vgl. § 123 Abs. 5 VwGO), wenn der Dritte geltend macht, gerade durch diese Entscheidung in seinen Rechten verletzt zu sein.
22 
Nach ihrem klarstellenden Schriftsatz vom 21.02.2005 begehren die Antragsteller ausschließlich vorläufigen Rechtsschutz gegen die Entscheidung der Antragsgegnerin vom 28.10.2004.
23 
Die Anträge sind zulässig.
24 
Die Antragsteller haben mit Schreiben vom 04.11.2004 gegen die Entscheidung der Antragsgegnerin vom 28.10.2004 am 05.11.2004 wirksam Widerspruch eingelegt. Dabei kann dahin gestellt bleiben, wann der Bescheid vom 28.10.2004 den Antragsstellern bzw. den Beigeladenen zugestellt wurde. Denn der Architekt der Beigeladenen hat den Bescheid vom 28.10.2004 bereits vorab, nämlich am 29.10.2004, mit Fax erhalten. Dadurch ist der Bescheid wirksam geworden und konnte Gegenstand eines Widerspruchsverfahrens sein. Die Kammer legt das Widerspruchsschreiben der Antragsteller in dem Sinne aus, dass es sich gegen die für das Bauvorhaben der Beigeladenen erforderliche bauaufsichtliche Zulassung, hier den Bescheid vom 28.10.2004, richtet. In diesem Sinne hat die Antragsgegnerin den Widerspruch der Antragsteller auch verstanden (vgl. Schreiben an den Prozessbevollmächtigten der Antragsteller vom 05.11.2004).
25 
Bei der Entscheidung der Frage, ob die Vollziehung der einem Dritten erteilten baurechtlichen Zulassung nach § 80 a Abs. 3 VwGO ausgesetzt wird, sind die privaten Interessen des Antragstellers an der Verhinderung des Vollzugs der Zulassung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den eingelegten Rechtsbehelf und das Interesse der Allgemeinheit und der durch den Verwaltungsakt Begünstigten am sofortigen Vollzug gegeneinander abzuwägen. Die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs, dessen aufschiebende Wirkung angeordnet werden soll, sind ein wesentliches Kriterium für die Entscheidung über die Aussetzung der Vollziehung. Dabei ist die Zulassungsentscheidung nur auf die Vereinbarkeit mit solchen Vorschriften zu prüfen, die - auch - dem Schutz des Nachbarn zu dienen bestimmt sind. Erweist sich der Rechtsbehelf bei dieser Prüfung als wahrscheinlich aussichtslos, weil der angefochtene Verwaltungsakt aller Voraussicht nach Rechte des Nachbarn nicht verletzt, so kann dem Antrag regelmäßig nicht stattgegeben werden. Umgekehrt ist für den Fall eines wahrscheinlichen Erfolges des Rechtsbehelfs dem Antrag in der Regel zu entsprechen.
26 
Im vorliegenden Verfahren können die Regelungen im Bescheid der Antragsgegnerin vom 28.10.2004 nur daraufhin überprüft werden, ob sie nachbarschützende Rechte der Antragsteller verletzen. Das Bauvorhaben im Übrigen ist nicht inhaltlicher Gegenstand des gerichtlichen Eilverfahrens.
27 
Der Bescheid vom 28.10.2004 enthält folgende Entscheidungen: Zulassung des „Fahrradabstellraums“ in der unüberbaubaren Grundstücksfläche (Überschreitung der westlichen Baugrenze), Verkürzung der nördlichen Abstandsflächentiefe für das Wohngebäude sowie Verkürzung der Abstandsflächentiefe für das „Treppenhaus“ mit 4,5 m Länge und 2,4 m Tiefe.
28 
Bezüglich des Fahrradabstellraums beschränkt sich der Bescheid der Antragsgegnerin auf seine bauplanungsrechtliche Zulassung westlich der westlichen Baugrenze nach 23 Abs. 5 BauNVO. Eine bauordnungsrechtliche Entscheidung nach der Landesbauordnung in Bezug auf den Fahrradabstellraum enthält der Bescheid nicht. Nachbarschützende Rechte der Antragsteller werden durch die teilweise Zulassung des Fahrradabstellraums in der nicht überbaubaren Grundstücksfläche nicht verletzt. Der Bebauungsplan „S“ vom 22.07.1999 schließt die Errichtung von Nebenanlagen und baulichen Anlage im Sinne des 23 Abs. 5 Satz 2 BauNVO auf den nicht überbaubaren Grundstücksflächen nicht aus. Es stellt sich damit nicht die Frage nach der Zulässigkeit der Überschreitung Baugrenze. Die westliche Baugrenze wäre auch nicht nachbarschützend, da sie nicht gegenüber der Grundstücksgrenze der Antragsteller liegt. Das bei der Ermessensentscheidung über die Zulassung nach § 23 Abs. 5 BauNVO zu berücksichtigende Rücksichtnahmegebot ist nicht verletzt. Der Fahrradabstellraum ist, soweit der von der Entscheidung betroffen ist, als Nebenanlage nach § 6 Abs. 1 LBO im Grenzabstand zulässig. Gründe, die dennoch für eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots sprechen könnten, sind nicht erkennbar, zumal da er aufgrund der Anschüttung an der Südgrenze des Grundstücks der Antragsteller, bezogen auf das geschaffene Geländeniveau, nur teilweise in Erscheinung tritt.
29 
Die Verkürzung der Abstandsflächentiefe für den Hauptbaukörper des Bauvorhabens in nördliche Richtung verletzt keine nachbarschützenden Vorschriften. Der nachbarschützende Teil der Abstandsfläche beträgt nach 5 Abs. 7 Satz 3 LBO 0,4 der Wandhöhe. Dieser ist eingehalten.
30 
Die Tiefe der Abstandsfläche bemisst sich nach der Wandhöhe (§ 5 Abs. 4 Satz 1 LBO). Der untere Bezugspunkt für die Ermittlung der Wandhöhe ist der Schnittpunkt der Wand mit der Geländeoberfläche (§ 5 Abs. 4 Satz 2 LBO). Die Kammer hat keine Bedenken daran, dass dieser Punkt für die Berechnung der Wandhöhe von der Antragsgegnerin richtig ermittelt worden ist. Die Kammer teilt die Rechtsauffassung der Antragsteller nicht, dass die in den Plänen dargestellte Anschüttung an der nördlichen Gebäudeseite nicht berücksichtigt werden dürfe. Die Aufschüttung ist nach der Nr. 2.2.1 des Bebauungsplans „S“ zulässig. Die Frage, ob es für die Festlegung des unteren Bezugspunktes auf die geplante Geländeoberfläche eines rechtfertigenden Grundes für Anschüttung bedarf (bejahend: VGH Baden-Württemberg, Beschlüsse vom 08.10.1996 - 8 S 2566/96 - und vom 05.05.1998 - 8 S 864/98; verneinend: VGH Baden-Württemberg, 3 S 1798/94 -22.08.1994 - und Sauter, Landesbauordnung, 3. Auflage, Loseblattsammlung, § 3 LBO Rdnr. 66a ff, Stand April 2001) kann hier offen bleiben, da hier ein solcher vorliegt. Dieser folgt hier aus der besonderen Situation, die durch die Aufschüttung auf dem Grundstück der Antragsteller selbst erfolgt ist. Diese haben an ihrer südlichen Grundstücksgrenze selbst eine nach dem Bebauungsplan unzulässige Aufschüttung mit einer Höhe von über 1,5 m (gemessen anhand der vorliegenden Pläne) vorgenommen. Durch die Aufschüttung wird der Höhenunterschied zwischen den Grundstücken in dem nach dem Bebauungsplan zulässigen Maß (1 m Aufschüttung über die natürliche Geländeoberfläche) vermindert.
31 
Die Frage, ob die durchgehende Reihe von Sonnenkollektoren auf dem Flachdach entlang der nördlichen Grundstücksgrenze bei der Ermittlung der Abstandfläche zu berücksichtigten ist, kann offen bleiben. Aus der Sicht der Antragsteller wirken sich die Sonnenkollektoren wie ein auf das Flachdach aufgesetztes kleines Pultdach aus, wobei die Kollektorenfläche nach Süden ausgerichtet ist. Wäre für die Sonnenkollektoren eine zusätzliche Abstandsfläche einzuhalten, wäre der nachbarschützende Teil der Abstandsfläche (7,24 m x 0,4 = 2,90 m) eingehalten, da sie gegenüber der nördlichen Gebäudewand ausreichend weit (0,65 m, gemessen anhand der vorliegenden Pläne) nach Süden zurückgesetzt sind.
32 
Dagegen dürfte die Antragsgegnerin das „Treppenhaus“ zu Unrecht im nachbarschützenden Teil Abstandsfläche zugelassen habe. Das „Treppenhaus“ kann nach § 5 Abs. 6 LBO bei der Bemessung der Abstandsfläche schon deshalb nicht als Vorbau außer Betracht bleiben, weil der Mindestabstand von 2 m zur Nachbargrenze nicht eingehalten wird. In der angefochtenen Entscheidung ging die Antragsgegnerin davon aus, dass das „Treppenhaus“ eine Wandlänge von 4,5 m aufweise. Bei einer Wandlänge von weniger als 5 m beträgt die nachbarschützende Tiefe der Abstandsfläche nach § 5 Abs. 7 Sätze 2 und 3 LBO 2 m. Es dürfte aber eher davon auszugehen sein, dass der Gebäudeteil, auf den die Antragsgegnerin die Zulassung einer geringeren Abstandsflächentiefe beschränkte, das „Treppenhaus“ nicht allein bildet. Es ist wahrscheinlicher, dass der überdachte Zugang zur Treppe, den die Antragsgegnerin noch dem Fahrradabstellraum zurechnete, als Teil des „Treppenhauses“ mit zu berücksichtigen ist, da er ihm funktionell zugeordnet ist. Die erforderliche Abstandfläche beträgt dann 2,5 m. Durch die Entscheidung der Antragsgegnerin wurde die Tiefe auf 1,34 m verkürzt.
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Die Überschreitung der Abstandsfläche kann voraussichtlich nicht nach § 6 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 LBO zugelassen werden. Nach dieser Vorschrift sind geringere Tiefen der Abstandsflächen zuzulassen, wenn Beleuchtung mit Tageslicht sowie Belüftung in ausreichendem Maße gewährleistet bleiben, Gründe des Brandschutzes nicht entgegenstehen und, soweit die Tiefe der Abstandsfläche den nachbarschützenden Teil unterschreitet, nachbarliche Belange nicht erheblich beeinträchtigt werden. Bei der Auslegung des Begriffs der erheblichen Beeinträchtigung ist davon auszugehen, dass die Abstandsflächen nicht in vollem Umfang, sondern nur in einem gesetzlich genau festgelegten Maß nachbarschützend sind. Mit dieser Beschränkung des Nachbarschutzes auf ein bestimmtes Maß der Abstandsfläche bestimmt der Gesetzgeber zugleich die Grenzen dessen, was einem Grundstückseigentümer durch die Bebauung eines Nachbargrundstücks in Bezug auf die damit verbundene Beeinträchtigung der Besonnung, Belichtung und Belüftung seines eigenen Grundstücks (noch) zugemutet werden kann. Eine Unterschreitung dieses Maßes stellt damit grundsätzlich eine nicht mehr zumutbare und somit im Sinn des § 6 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 LBO erhebliche Beeinträchtigung der nachbarlichen Belange dar, ohne dass es auf das Ausmaß dieser Unterschreitung ankommt. Dafür spricht auch, dass die Abstandsvorschriften andernfalls durch § 6 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 LBO in einer Weise relativiert würden, die die Frage nach dem Sinn der ganzen komplizierten Berechnungsvorschriften aufwerfen würde. Angesichts des umfangreichen Katalogs von Einschränkungen und Vergünstigungen zugunsten des Bauherrn in § 5 LBO besteht auch mit Rücksicht auf seine Interessen kein Grund zu einer solchen Aufweichung der Abstandsvorschriften. Allein mit dem Hinweis darauf, dass der nachbarschützende Teil der Abstandsfläche nur geringfügig unterschritten wird, kann daher das Fehlen einer erheblichen Beeinträchtigung der nachbarlichen Belange nicht begründet werden. Voraussetzung hierfür ist vielmehr, dass die vorhandene Situation auf dem Nachbargrundstück durch bestimmte Besonderheiten gekennzeichnet ist, die eine vom Regelfall abweichende Beurteilung rechtfertigen (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschlüsse vom 08.10.1996 - 8 S 2566/96 - und vom 10.10.1996 - 3 S 2205/94 -). Solche Umstände sind auf dem Grundstück der Antragsteller, nicht erkennbar. Zwar liegt ein Teil des „Treppenhauses“ aufgrund der Aufschüttung auf dem Grundstück der Antragsteller unterhalb des auf ihrem Grundstück neu geschaffenen Geländeniveaus. Die Wand des Treppenhauses ragt darüber aber noch ca. 1,4 m (gemessen anhand der vorliegenden Pläne) hinaus. Vor ihr ist, da es sich um einen Teil eines Gebäudes handelt, eine Abstandsfläche einzuhalten. Die Beurteilung der Frage, ob eine geringere Abstandsfläche möglicherweise dennoch zugelassen werden kann, bedarf der Einnahme eines Augenscheins im Hauptsacheverfahren.
34 
Da das Bauvorhaben auch ohne die Überdachung des Treppenabgangs zur Einliegerwohnung verwirklicht werden kann, konnte die Aussetzung der Vollziehung des Bescheides vom 28.10.2004 auf diesen Teil beschränkt werden.
35 
Nachdem sich das Verfahren ausschließlich auf die im Bescheid vom 28.10.2004 ausdrücklich geregelten Aspekte des Bauvorhabens der Beigeladenen beschränkt, hat die Kammer keine Entscheidung bezüglich des überdachten Zugangs zum „Treppenhaus“ zu treffen, der sich im Osten an den eigentlichen Fahrradabstellraum anschließt. Es war auch nicht zu entscheiden, ob die Regelung in der Nr. 1.2.3 und 1.2.4 des Bebauungsplans S über die zulässige First- bzw. Dachhöhe nachbarschützend (Anhaltspunkte dafür ergeben sich aus der Begründung des Bebauungsplans nicht) ist und ob sie durch die Sonnenkollektoren bzw. die Fotovoltaikanlage auf dem Flachdach des Bauvorhabens der Beigeladenen verletzt wird.
36 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1, § 154 Abs. 3, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 63 Abs. 1, § 6 Abs. 1 Nr. 4, § 52 Abs. 1 GKG. Die Kammer orientiert sich dabei an der Nr. 9.7.1 des Streitwertkatalogs (vgl. Streitwertkatalog 2004 für die Verwaltungsgerichtsbarkeit, VBlBW 2004, 467 ff. oder w.w.w.Bundesverwaltungsgericht.de).
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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a). (2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur 1. bei der
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published on 24/01/2006 00:00

Tenor Die Beschwerden der Antragsteller gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 25. Februar 2005 - 1 K 158/05 - werden zurückgewiesen. Auf die Beschwerden der Antragsgegnerin und der Beigeladenen wird dieser Beschluss geänder
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Annotations

(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.

(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage eines Dritten gegen die bauaufsichtliche Zulassung eines Vorhabens haben keine aufschiebende Wirkung.

(2) Widerspruch und Anfechtungsklage gegen die Geltendmachung des Kostenerstattungsbetrags nach § 135a Absatz 3 sowie des Ausgleichsbetrags nach § 154 durch die Gemeinde haben keine aufschiebende Wirkung.

(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.

(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.

(1) Die überbaubaren Grundstücksflächen können durch die Festsetzung von Baulinien, Baugrenzen oder Bebauungstiefen bestimmt werden. § 16 Absatz 5 ist entsprechend anzuwenden.

(2) Ist eine Baulinie festgesetzt, so muss auf dieser Linie gebaut werden. Ein Vor- oder Zurücktreten von Gebäudeteilen in geringfügigem Ausmaß kann zugelassen werden. Im Bebauungsplan können weitere nach Art und Umfang bestimmte Ausnahmen vorgesehen werden.

(3) Ist eine Baugrenze festgesetzt, so dürfen Gebäude und Gebäudeteile diese nicht überschreiten. Ein Vortreten von Gebäudeteilen in geringfügigem Ausmaß kann zugelassen werden. Absatz 2 Satz 3 gilt entsprechend.

(4) Ist eine Bebauungstiefe festgesetzt, so gilt Absatz 3 entsprechend. Die Bebauungstiefe ist von der tatsächlichen Straßengrenze ab zu ermitteln, sofern im Bebauungsplan nichts anderes festgesetzt ist.

(5) Wenn im Bebauungsplan nichts anderes festgesetzt ist, können auf den nicht überbaubaren Grundstücksflächen Nebenanlagen im Sinne des § 14 zugelassen werden. Das Gleiche gilt für bauliche Anlagen, soweit sie nach Landesrecht in den Abstandsflächen zulässig sind oder zugelassen werden können.

(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteiligten können die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.

(2) Wer einen Antrag, eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf zurücknimmt, hat die Kosten zu tragen.

(3) Kosten, die durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entstehen, fallen dem Antragsteller zur Last.

(4) Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, können diesem auferlegt werden.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Kosten sind die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens.

(2) Die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts oder eines Rechtsbeistands, in den in § 67 Absatz 2 Satz 2 Nummer 3 und 3a genannten Angelegenheiten auch einer der dort genannten Personen, sind stets erstattungsfähig. Soweit ein Vorverfahren geschwebt hat, sind Gebühren und Auslagen erstattungsfähig, wenn das Gericht die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig erklärt. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können an Stelle ihrer tatsächlichen notwendigen Aufwendungen für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen den in Nummer 7002 der Anlage 1 zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz bestimmten Höchstsatz der Pauschale fordern.

(3) Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nur erstattungsfähig, wenn sie das Gericht aus Billigkeit der unterliegenden Partei oder der Staatskasse auferlegt.

(1) Sind Gebühren, die sich nach dem Streitwert richten, mit der Einreichung der Klage-, Antrags-, Einspruchs- oder Rechtsmittelschrift oder mit der Abgabe der entsprechenden Erklärung zu Protokoll fällig, setzt das Gericht sogleich den Wert ohne Anhörung der Parteien durch Beschluss vorläufig fest, wenn Gegenstand des Verfahrens nicht eine bestimmte Geldsumme in Euro ist oder gesetzlich kein fester Wert bestimmt ist. Einwendungen gegen die Höhe des festgesetzten Werts können nur im Verfahren über die Beschwerde gegen den Beschluss, durch den die Tätigkeit des Gerichts aufgrund dieses Gesetzes von der vorherigen Zahlung von Kosten abhängig gemacht wird, geltend gemacht werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit.

(2) Soweit eine Entscheidung nach § 62 Satz 1 nicht ergeht oder nicht bindet, setzt das Prozessgericht den Wert für die zu erhebenden Gebühren durch Beschluss fest, sobald eine Entscheidung über den gesamten Streitgegenstand ergeht oder sich das Verfahren anderweitig erledigt. In Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen oder der Finanzgerichtsbarkeit gilt dies nur dann, wenn ein Beteiligter oder die Staatskasse die Festsetzung beantragt oder das Gericht sie für angemessen hält.

(3) Die Festsetzung kann von Amts wegen geändert werden

1.
von dem Gericht, das den Wert festgesetzt hat, und
2.
von dem Rechtsmittelgericht, wenn das Verfahren wegen der Hauptsache oder wegen der Entscheidung über den Streitwert, den Kostenansatz oder die Kostenfestsetzung in der Rechtsmittelinstanz schwebt.
Die Änderung ist nur innerhalb von sechs Monaten zulässig, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat.

(1) In folgenden Verfahren wird die Verfahrensgebühr mit der Einreichung der Klage-, Antrags-, Einspruchs- oder Rechtsmittelschrift oder mit der Abgabe der entsprechenden Erklärung zu Protokoll fällig:

1.
in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten,
2.
in Sanierungs- und Reorganisationsverfahren nach dem Kreditinstitute-Reorganisationsgesetz,
3.
in Insolvenzverfahren und in schifffahrtsrechtlichen Verteilungsverfahren,
3a.
in Verfahren nach dem Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz,
4.
in Rechtsmittelverfahren des gewerblichen Rechtsschutzes und
5.
in Prozessverfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit.
Im Verfahren über ein Rechtsmittel, das vom Rechtsmittelgericht zugelassen worden ist, wird die Verfahrensgebühr mit der Zulassung fällig.

(2) Soweit die Gebühr eine Entscheidung oder sonstige gerichtliche Handlung voraussetzt, wird sie mit dieser fällig.

(3) In Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen bestimmt sich die Fälligkeit der Kosten nach § 9.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.