Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht Beschluss, 09. Mai 2007 - 4 B 8/07
Gericht
Tenor
Die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage des Antragstellers gegen den Bescheid des Antragsgegners über die Erhebung eines Anschlussbeitrages vom 10.01.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.01.2007 wird angeordnet.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsgegner.
Der Streitwert wird auf 807,58 € festgesetzt.
Gründe
I.
- 1
Der Antragsteller begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den Anschlussbeitragsbescheid des Antragsgegners für die Gemeinde A-Stadt.
- 2
Die Gemeinde betreibt auf ihrem Gebiet öffentliche Entwässerungseinrichtungen für Schmutz- und Niederschlagswasserbeseitigung im Mischsystem, deren Betriebsfertigkeit am 01.12.2005 bekanntgemacht wurde und an die auch das Grundstück des Antragstellers angeschlossen worden ist.
- 3
Der Antragsteller ist Eigentümer des 886qm großen Grundstücks W-Str. ... in A-Stadt, ausgewiesen als Flurstück ... der Flur ... . Er erwarb dieses Grundstück mit notariellem Kaufvertrag vom 13.09.1993 von der Gemeinde. In § 4 des Kaufvertrages heißt es, dass das Grundstück „voll erschlossen“ verkauft wird, wobei etwaige Hausanschlusskosten vom Käufer zu tragen sind. Erschließungsbeiträge nach den §§ 127ff. BauGB bzw. Anliegerbeiträge gem. § 8 KAG wurden für das Grundstück nicht gezahlt. Zu dieser Zeit verfügte die Gemeinde über eine 1976 errichtete Abwasseranlage mit Mischwasserkanalisation ohne Regenentlastung, die als erste Baustufe genehmigt worden war. Gemäß Genehmigung vom 03.11.1977 war eine zweite Baustufe vorzusehen, in deren Rahmen der über 2 km als Zulauf zum Nachklärteich genutzte Vorfluter verrohrt wird. Diese Baustufe wurde jedoch nicht realisiert. Der Mischwasserkanalisation waren Hauskläranlagen vorgeschaltet.
- 4
Das Verwaltungsgericht stellte mit Urteil vom 30.07.2002 - Az. 6 A 53/97 - fest, dass die bestehende Abwasseranlage der Gemeinde nicht dem Stand der Technik entspreche. Daran anschließend forderte die untere Wasserbehörde des Kreises Dithmarschen den Antragsgegner mit Schreiben vom 13.11.2002 auf, gem. § 35 LWG und §§ 7a, 18b WHG die bestehende Abwasseranlage zu sanieren und an den Stand der Technik anzupassen. Der Antragsgegner erarbeitete daraufhin ein Abwasserbeseitigungskonzept für das auf den Grundstücken des Gemeindegebietes anfallende Schmutz- und Niederschlagswassers. Dieses umfasste neue Klärteiche nebst verrohrtem Zulauf, ein Leitungsnetz im Mischwassersystem (Schmutz- und Regenwasser), die erforderlichen Pumpwerke, Hebeanlagen, Hauptsammler sowie die Grundstücksanschlüsse mit Hausanschlussschacht. Die erforderliche Genehmigung für den Bau und den Betrieb des ersten Bauabschnitts der Abwasseranlage - Klärteiche und Zulauf - gem. §§ 35, 56 LWG erteilt die untere Wasserbehörde des Kreises Ditmarschen am 28.07.2004. Die bereits vorhandenen Mischwasserleitungen der ursprünglichen Abwasseranlage („Bürgermeisterkanal“) wurden im Wesentlichen erneuert, in einigen Straßen - so auch die in der W-Str. ... - aber auch belassen und in das neu zu errichtende System einbezogen. Insoweit wurden lediglich neue Abzweiger zu den jeweiligen Grundstücken (incl. Hausanschlussschacht) gesetzt.
- 5
Nach § 4 der Allgemeinen Abwassersatzung der Gemeinde vom 08.09.2005 (AAS) besteht die Anlage aus zwei jeweils selbständigen öffentlichen Einrichtungen zur zentralen Schmutzwasser- und zur zentralen Niederschlagswasserbeseitigung im Mischsystem. Die Betriebsfertigkeit der Anlage wurde am 01.12.2005 bekanntgemacht. Zugleich beschloss die Gemeinde eine Beitrags- und Gebührensatzung. Die Kosten der Anlage stammten aus zwei Bauabschnitten. Zum ersten Bauabschnitt zählen die Kosten für Klärteiche und Grunderwerb in Höhe von 569.120,02 € sowie für die Leitung Zulauf Klärteiche, Kanaluntersuchung und Beweissicherung in Höhe von 215.534,50 €. Die Kosten des zweiten Bauabschnitts belaufen sich auf insgesamt 1.944,845,65 € und umfassen die Abwasserkanäle, Hausanschlussschächte, Druckrohrleitungen und Pumpwerke. Von der Gesamtsumme von 2.729.500,17 € verblieb abzüglich der Zuschüsse und des Gemeindeanteils ein Anteil von 1.132.000,00 €, den die Gemeinde in einen Schmutzwasser- und einen Niederschlagswasseranteil aufteilte und die Kosten für die Straßenentwässerung herausrechnete. Bei der Beitragsbedarfsberechnung für das Schmutzwasser wurden ferner Kosten in Höhe von 286.000,- € für die Hausanschlüsse herausgerechnet. Die so errechneten Beitragssätze von 1,81 €/qm für Schmutzwasser und von 3,08 €/qm für Niederschlagswasser wurden in § 15 BGS übernommen.
- 6
Mit Bescheid vom 10.01.2006 zog der Antragsgegner den Antragsteller als Grundstückseigentümer zu einem Anschlussbeitrag in Höhe von 3.230,32 € für die zentrale Abwasserbeseitigungsanlage der Gemeinde A-Stadt heran. Der Beitrag setzt sich zusammen aus 1.300,00 € für den Hausanschlussschacht, 1.603,66 € als Schmutzwasserbeitrag sowie 326,66 € als Niederschlagswasserbeitrag. Den dagegen eingelegten Widerspruch wies der Antragsgegner mit Widerspruchsbescheid vom 17.01.2007, dem Antragsteller am 18.01. zugestellt, als unbegründet zurück. Zugleich lehnte er den gestellten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ab. Beim Neubau der Kanalisation mit Klärteichen handele es sich um die erstmalige Herstellung einer Abwasserbeseitigungsanlage, da diese Anlage auf der Grundlage eines Gesamtkonzepts für die gesamte Gemeinde hergestellt worden sei. Dies gelte auch dann, wenn die neue Anlage die Leitungen der bisherigen Anlagen einbeziehe. Für diese neue Anlage seien noch keine Beiträge erhoben worden. Zuvor seien für das Grundstück auch keine Erschließungskosten erhoben worden, weder nach dem BauGB noch nach § 8 KAG. Auch wenn die Grundstückseigentümer Kanalisationsbeiträge gezahlt hätten, stelle der Neubau jedenfalls einen Vorteil für alle angeschlossenen Grundstücke der Gemeinde dar, der in der intensiveren Reinigung des Abwassers liege und beitragsfähig sei.
- 7
Am Montag, den 19.02.2007 hat der Antragsteller Klage erhoben - Az. 4 A 38/07 - und gleichzeitig einen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gestellt.
- 8
Bei der Neugestaltung der gemeindlichen Abwasseranlage handele es sich zwar um eine Verbesserungsmaßnahme, die grundsätzlich beitragsfähig sei, weil sie ihm durch die neu geschaffenen Klärteiche auch ein entsprechenden Vorteil hinsichtlich der Reinigung des Abwassers biete. Der Bescheid sei aber rechtswidrig, soweit er ihn zu Erschließungskosten heranziehe. Es müsste differenziert werden zwischen den Kosten für die neu errichteten Klärteiche und des daraus resultierenden Vorteils und der Kosten für die Errichtung eines neuen Leitungsnetzes. Für den Antragsteller liege ein beitragsfähiger Vorteil nur in der Verbesserung der Reinigungsleistung und insoweit sei er auch nur zu Beiträgen heranzuziehen. Die Leitung in der W-Str. ... sei bereits im Zeitpunkt des Grundstückskaufs vorhanden gewesen und von ihm bezahlt worden, da er das Grundstück als „voll erschlossen“ gekauft und einen entsprechend höheren Preis gezahlt habe. Aus der Neuerrichtung der Abwasserkanäle im überwiegenden Gemeindegebiet erwachse ihm deshalb kein Vorteil, so dass er mit den diesbezüglichen Kosten des sog. zweiten Bauabschnitts in Höhe von 1.944.845,65 € nicht belastet werden könne. Beteiligt werden könne er nur an den Kosten für den ersten Bauabschnitt, also für den Bau der Klärteiche und für den Grunderwerb in Höhe von 569.120,02 € sowie für die „Leitung Zulauf Klärteiche“ nebst Kanaluntersuchung und Beweissicherung in Höhe von 215.534,50 €. Zu berücksichtigen sei dabei allerdings, dass Kosten für eine Kanaluntersuchung und für eine Beweissicherung grundsätzlich nicht umlagefähig seien. Daneben könne er nur noch an den Kosten für die Setzung des Kontrollschachts und dem Anschluss an den bereits vorhandenen Abwasserkanal nebst Hausanschlussschacht, in Höhe von insgesamt 312.050,44 € beteiligt werden.
- 9
Der Antragsteller beantragt,
- 10
die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage gem. § 80 Abs. 5 VwGO anzuordnen.
- 11
Der Antragsgegner beantragt,
- 12
den Antrag abzulehnen.
- 13
Der Antrag sei unbegründet, da der angefochtene Bescheid rechtmäßig sei und die Vollziehung für den Antragsteller auch keine unzumutbare Härte darstelle. Im übrigen verweist er auf die Begründung des Widerspruchsbescheides.
- 14
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte nebst beigezogenen Verwaltungsvorgängen und auf die beigezogenen Akten aus den Verfahren 4 A 38/07 und 6 A 53/97 verwiesen.
II.
- 15
Der Antrag ist zulässig und begründet.
- 16
Der Antrag ist gem. § 80 Abs. 5 VwGO i.V.m. § 80 Abs. 2 Nr.1 VwGO zulässig. In der Hauptsache wird die Aufhebung eines belastenden Verwaltungsaktes begehrt, nämlich des Beitragsbescheids vom 10.01.2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 17.01.2007. Bei dem Beitragsbescheid handelt es sich um die Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten, gegen den die erhobene Anfechtungsklage keinen Suspensiveffekt entfaltet. Einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung gem. § 80 Abs. 6 VwGO hatte der Antragsteller erfolglos gestellt.
- 17
Der Antrag ist auch begründet.
- 18
Bei öffentlichen Abgaben und Kosten ordnet das Gericht die aufschiebende Wirkung der Klage gemäß § 80 Abs. 5 und Abs. 4 S. 3 VwGO an, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen, wenn der Erfolg der Klage oder des Rechtsmittels ebenso wahrscheinlich ist wie deren Misserfolg (std. Rspr. des 2. Senats des Schl.-Holst. OVG, vgl. Beschlüsse vom 19.04.1991 - 2 M 2/91 -, NVwZ-RR 1992, 106 f; vom 24.06.1998 - 2 M 7/98 -, Die Gemeinde 1998, 341 f; vom 03.06.1999 - 2 M 9/99 -; vom 04.12.2000 - 2 M 43/00 - m.w.N.).
- 19
Nach summarischer Prüfung überwiegen die Erfolgaussichten der in der Hauptsache erhobenen Klage, weil vieles dafür spricht, dass der Beitragsbescheid vom 10.01.2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 17.01.2007 rechtswidrig ist und den Antragsteller in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 VwGO).
- 20
Rechtsgrundlage ist § 2 Abs. 1 der Beitrags- und Gebührensatzung der Gemeinde A-Stadt vom 01.12.2005 (BGS) i.V.m. § 8 KAG. Danach erhebt die Gemeinde Beiträge für die Herstellung der zentralen öffentlichen Abwasserbeseitigungseinrichtungen i.S.d. § 1 BGS i.V.m. § 4 der gemeindlichen Satzung über die Abwasserbeseitigung vom 08.09.2005 (AAS). Die Erhebung von Beiträgen für den Ausbau sowie für den Umbau zentraler öffentlicher Abwasserbeseitigungsanlagen ist gem. § 2 Abs. 2 BGS einer besonderen Satzung vorbehalten. Gegenstand der Beitragserhebung sind zwei selbständige öffentliche Einrichtungen zur zentralen Abwasserbeseitigung von Schmutz- und Regenwasser. Die von den Grundstücken stammenden Abwasser werden in einem Mischkanal gesammelt und fortgeleitet. Bestandteil der öffentlichen Abwasserbeseitigungseinrichtungen sind neben den Gemeinschaftsanlagen i.S.d. § 5 Abs. 1 AAS auch die jeweils ersten Grundstücksanschlüsse, d.h. die Leitung vom Sammler bis zum ersten Schacht auf dem jeweils zu entwässernden Grundstück, §§ 5 Abs. 4, 6 Nr. 3 AAS.
- 21
Die Gemeinde ist gem. § 4 GO i.V.m. §§ 1, 8 KAG ermächtigt, eine solche Beitrags- und Gebührensatzung zu erlassen. Gem. § 8 KAG können Beiträge zur Deckung des Aufwands für die Herstellung, den Aus- und Umbau sowie die Erneuerung von öffentlichen Einrichtungen von denjenigen Grundstückseigentümern erhoben werden, denen hierdurch Vorteile erwachsen. Anschlussbeiträge werden zur Finanzierung von Investitionsaufwendungen für Maßnahmen erhoben, mit denen ein fest umgrenzter Personenkreis, den Beitragspflichtigen, besondere Vorteile vermittelt werden (Thiem / Böttcher, Kommunalabgabengesetz, Std. Januar 2007, § 8 KAG, Rn. 33, 812). Bei der Feststellung der beitragsrelevanten Maßnahme ist zu differenzieren zwischen der Herstellung einer neuen Anlage bzw. dem Aus- und Umbau einer bestehenden Anlage. Die Beitragspflicht aus § 8 Abs. 1 KAG setzt den beitragsrelevanten Vorteil unmittelbar in Beziehung zu der jeweiligen beitragsrelevanten Maßnahme, so dass der Vorteil ausschließlich mit Blick auf die jeweilige Investitionsmaßnahme zu definieren und zu ermitteln ist (Thiem / Böttcher aaO Rn. 75). Bei Maßnahmen, die die Herstellung einer Einrichtung zum Ziel haben, beruht der beitragspflichtige Vorteil auf der Möglichkeit, die betreffende Einrichtung bzw. ihre Leistungen in Anspruch zu nehmen. Aus- und Umbaubeiträge dienen demgegenüber der Finanzierung von Erweiterungen und Verbesserungen bei bereits bestehenden Einrichtungen, so dass sich der Vorteil nicht schon aus der Möglichkeit ergibt, diese Einrichtung in Anspruch zu nehmen, sondern ausschließlich darin besteht und auch nur insoweit wirkt, wie die Maßnahme eine Situationsverbesserung darstellt (Thiem / Böttcher aaO Rn. 76 f.).
- 22
Als beitragsfähige Investitionsnahme nennt § 2 Abs. 1 BGS nur die Herstellung der zentralen öffentlichen Abwasserbeseitigungseinrichtungen. Eine solche erstmalige Herstellung einer öffentlichen Einrichtung i.S.d. § 8 Abs. 1 KAG ist grundsätzlich nur gegeben, wenn ein Grundstück erstmalig die Möglichkeit erhält, an eine öffentliche Einrichtung angeschlossen zu werden (OVG Schleswig, Urt. v. 26.03.1992, KStZ 1992, 157).
- 23
Jedenfalls hinsichtlich der bestehenden Einrichtung zur zentralen Schmutzwasserbeseitigung neigt die Kammer dazu, die vorgenommene (Neu-) Errichtung mit dem Antragsgegner als eine solche erstmalige Herstellung anzusehen und insoweit auch eine Beitragsfähigkeit zu bejahen. Dies gilt selbst dann, wenn man die 1976 errichtete Anlage nicht als - langandauerndes - Provisorium betrachtet (etwa weil es nur als eine erste Baustufe genehmigt wurde), sondern eine nach dem als damaligem Bauprogramm der Gemeinde auf Dauer angelegte und aus Sicht des einzelnen Grundstücks funktionsfähig hergestellte, dem Stand der Technik entsprechende Einrichtung, an die auch das klägerische Grundstück nach seiner Bebauung angeschlossen worden ist. Dem Antragsteller ist zwar zuzugeben, dass die grundlegende technische Änderung einer vorhandenen Abwasserbeseitigungseinrichtung nach der zitierten Rechtsprechung des OVG Schleswig nur als deren Ausbau, Umbau oder Erneuerung zu bewerten ist und nicht als erstmalige Herstellung einer anderen Einrichtung (Urteil vom 26.03.1992 aaO und vom 25.01.1996, Die Gemeinde 1996, 302 unter Hinweis auf die rechtliche Identität der Einrichtung). Etwas anderes muss u.U. aber dann gelten, wenn die angebotene Leistung schlechthin nicht mehr vergleichbar ist und die Anlage so wesentlich umgestaltet worden ist, dass von einer Neuerstellung gesprochen werden muss (vgl. Friedl / Wiethe-Körprich in Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand März 2006, § 8 KAG, Rn. 752 mit Verweisen insbesondere auf die Rechtsprechung des VGH München). Gerade wenn - wie hier - der Grundstückseigentümer zuvor nur die Möglichkeit hatte, das in seiner Hauskläranlage vorgeklärte Abwasser nach Art eines Überlaufs in die Straßenentwässerung einzuleiten („Bürgermeisterkanal“), ihm aber nunmehr nach Herstellung einer zentralen Ortsentwässerung das ungeklärte Schmutzwasser abgenommen wird, kann von einer identischen Einrichtung nicht mehr ausgegangen werden (so Habermann in Dewenter u.a., Praxis der Kommunalverwaltung, Kommunalabgabengesetz des Landes Schleswig-Holstein, § 8 Rn. 441; vgl. auch Leitsatz 2 des HessVGH, Urteil vom 27.06.1984 in juris). Dies müsste auch dann gelten, wenn die alten Leitungen teilweise weitergenutzt und in das neue Leitungsnetz integriert werden, wenn jedenfalls zentrale Anlagenteile neu geschaffen werden (vgl. VGH München, Urteil vom 08.11.1994, BayVBl. 1995, 436).
- 24
Erscheint die Erhebung eines Beitrages für die Herstellung der zentralen Einrichtung zur Schmutzwasserbeseitigung demgemäß als dem Grunde nach denkbar, ist dies nach dem gegenwärtigen Stand des Verfahrens für die gesonderte Einrichtung zur zentralen Niederschlagswasserbeseitigung allerdings fraglich. Anhaltspunkte für eine auch insoweit gegebene Situationsverbesserung sind derzeit nicht vorgetragen. Es bleibt vielmehr unklar, wie auf den auch zum Niederschlagswasserbeitrag herangezogenen Grundstücken das dort anfallende Regenwasser zuvor beseitigt worden ist. Sollte das Regenwasser ebenfalls in den als Bürgermeisterkanal bezeichneten Mischwasserkanal geleitet worden sein, dürften jedenfalls hier keine grundlegenden Änderungen an der angebotenen Leistung festzustellen sein, sondern allenfalls ein Umbau ohne Situationsverbesserung. Die Schaffung eines beitragsrelevanten Vorteils wäre nur bei Herstellung der Niederschlagswasserbeseitigungseinrichtung denkbar, wenn das anfallende Regenwasser zuvor versickert oder erlaubnispflichtig in ein oberirdisches Gewässer abgeleitet worden wäre.
- 25
Die Klärung der damit im Zusammenhang stehenden Fragen kann dem Hauptsacheverfahren überlassen bleiben. Nachvollziehbar rügt der Antragsteller jedenfalls die Beitragsfähigkeit der im 1. Bauabschnitt eingeflossenen, der Höhe nach allerdings bislang nicht bezifferten Kosten für „Kanaluntersuchung, Beweissicherung“. Unter Beachtung der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit kann nur der für die Herstellung tatsächlich notwendige Aufwand beitragsfähig i.S.d § 8 Abs. 1 KAG sein (Habermann aaO Rn. 303, 521). Der Antragsgegner hat bislang nicht dargelegt, welchem Zweck die gerügten Maßnahmen dienten und warum sie notwendig im o.g. Sinne waren. Erhebliche Zweifel an der Notwendigkeit bestehen insoweit jedenfalls hinsichtlich einer Beweissicherung, die aller Wahrscheinlichkeit nach nicht der Umsetzung des Bauprogramms oder der Abnahme des Bauwerks, sondern eher der Abwehr / Begründung von Schadensersatzansprüchen oder der Begegnung von Einwendungen vonseiten der Beitragspflichtigen dienen dürfte (vgl. Driehaus in Driehaus aaO Rn. 323a m.w.N.). Sollten sich diese Zweifel erhärten, wären in die vorgenommene Gesamtkalkulation beider Beitragssätze Kosten eingestellt worden, die nicht beitragsfähig sind, so dass ein Verstoß gegen das Kostenüberschreitungsverbot vorläge oder sogar ein erheblicher methodischer Fehler, der unabhängig von seinen Auswirkungen auf den Beitragssatz zu dessen Unwirksamkeit führen muss (vgl. Habermann aaO Rn. 564a m.w.N.).
- 26
Schließlich bestehen auch Bedenken an der Rechtmäßigkeit der Erstattungsforderung hinsichtlich des von der Gemeinde gesetzten Hausanschlussschachtes. Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Erstattungsanspruch ist § 3 S. 3 BGS, wonach die Gemeinde Kostenerstattung bzw. Aufwendungsersatz für zusätzliche Grundstücksanschlüsse, die gem. § 5 Abs. 4 S. 2 AAS nicht zur öffentlichen Einrichtung gehören, und für von ihr erstellte Hausanschlussschächte fordert.
- 27
Erstattungsansprüche dieser Art waren ursprünglich gewohnheitsrechtlich anerkannt, finden heute aber ihre gesetzliche Ermächtigungsgrundlage in § 9a KAG, eingeführt zum 01.01.2004 durch Art. 1 des Gesetzes zur Änderung des KAG und des LAbfWG vom 30.11.2003, GVOBl 2003, 614.
- 28
Nach 66 Abs. 1 Nr. 2 LVwG müssen Satzungen die Rechtsvorschriften angeben, welche zum Erlass der Satzung berechtigen. Dies ist insbesondere bei belastenden Eingriffen wie der Abgabenerhebung erforderlich (vgl. Friedersen in: Praxis der Kommunalverwaltung, LVwG § 65 Anm. 3 und § 66 Anm. 2). Gegen dieses Zitiergebot verstößt die Beitrags- und Gebührensatzung der Gemeinde, da sie § 9a KAG nicht als gesetzliche Ermächtigungsgrundlage für den Erstattungsanspruch aufführt. Sie ist deshalb unwirksam und stellt keine gültige Rechtsgrundlage für einen Erstattungsanspruch dar. § 9 a KAG hätte nach seinem Inkrafttreten in die Eingangsformel aufgenommen werden müssen (vgl. OVG Schleswig, Urteil vom 21.06.2000 - 2 L 80/96 - in Die Gemeinde, 2000, 231 mwN). Seit Schaffung einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage darf eine in der Satzung vorgesehene Erstattungsregelung nicht mehr auf Gewohnheitsrecht gestützt werden (vgl. Habermann aaO, (§ 9a KAG Rd. 5, 10).
- 29
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Streitwertentscheidung auf § 63 Abs. 2, § 53 Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG, wobei der Streitwert der Hauptsache in Höhe von 3.230,32 € wegen des vorläufigen Charakters der Entscheidung mit 25% anzusetzen ist.
moreResultsText
moreResultsText
Annotations
(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).
(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur
- 1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten, - 2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten, - 3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen, - 3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen, - 4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.
(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.
(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn
- 1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder - 2.
eine Vollstreckung droht.
(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.
(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.
(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.
(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.
(4) In Verfahren
- 1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro, - 2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro, - 3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und - 4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.
(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert
- 1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist, - 2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.
(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.