Verwaltungsgericht Regensburg Urteil, 15. Jan. 2015 - RO 4 K 14.50301
Gericht
Tenor
I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Tatbestand
Die Klägerin will erreichen, dass sie nicht nach Slowenien abgeschoben und ihr Asylverfahren in Deutschland durchgeführt wird.
Am
Die Klägerin ist nach ihren Angaben eine am
Mit Wirkung vom
Aufgrund eines sog. EURODAC-Treffers (SI14138) am 24. September 2014 wurde am
Mit Bescheid vom
Gegen diesen Bescheid ließ die Klägerin mit Schriftsatz vom
Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, dass die Klägerin sich nur ca. eine Stunde in Slowenien aufgehalten habe. Prüfbare Dokumente für die Asylantragstellung in Slowenien lägen nicht vor. Allein die Übernahmebestätigung durch eine slowenische Behörde genüge als Beweis nicht.
Die Klägerin beantragt:
1. Der Bescheid der Beklagten vom
2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, für die Klägerin ein Asylverfahren durchzuführen.
Die Beklagte beantragt unter Bezugnahme auf die Begründung der angefochtenen Entscheidung:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Rechtsstreit wurde am
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der vorgelegten Behörden- und der Gerichtsakten Bezug genommen.
Gründe
1.
Die Klage wurde fristgerecht erhoben. Der streitgegenständliche Bescheid wurde am 11. November 2014 zugestellt. Die Klagefrist von zwei Wochen (vgl. § 74 Abs. 1, Halbsatz 1 AsylVfG; VG Regensburg
2.
Weder die Anfechtungsklage noch die Feststellungsklage haben Erfolg.
a)
Rechtsgrundlage für die Abschiebungsanordnung ist § 34 a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG. Nach dieser Vorschrift ordnet das Bundesamt die Abschiebung eines Ausländers, der in einen sicheren Drittstaat (§ 26 a AsylVfG) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (27 a AsylVfG) abgeschoben werden soll, an, sobald feststeht, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann.
b)
Slowenien ist der für die Durchführung des Asylverfahrens zuständige Staat im Sinne des § 27 a AsylVfG. Der Asylantrag ist demnach unzulässig.
In Slowenien gilt, da es Mitgliedstaat der Europäischen Union ist, auch die Verordnung Nr. 604/2013 vom
Anträge auf internationalen Schutz im Sinne der Dublin-III-VO sind nach der Legaldefinition in Art. 2 Buchstabe b Dublin-III-VO, die insoweit auf die Legaldefinition in Art. 2 Buchstabe h der Richtlinie 2011/95 vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl L 337/9 vom 20. Dezember 2011) [sog. Qualifikationsrichtlinie = QRL] verweist, - vereinfacht ausgedrückt - regelmäßig Anträge, denen entnommen werden kann, dass der Antragsteller die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft oder die Gewährung des subsidiären Schutzstatus anstrebt. Der von der Klägerin am 19. September 2014 in Zirndorf gestellte Asylantrag ist demnach ein Antrag auf internationalen Schutz im Sinne der Dublin-III-VO.
In der mündlichen Verhandlung stellte sich heraus, dass die Klägerin und ihre gesamte Familie in Slowenien Asylanträge gestellt hatten und sich 11 bis 12 Tage (Vater und Sohn) bzw. ca. vier Tage (Mutter und Tochter) in einer Asylunterkunft aufgehalten hatten.
Aber auch die ursprüngliche Behauptung, nur ca. eine Stunde in Slowenien gewesen zu sein und prüfbare Dokumente für die Asylantragstellung in Slowenien lägen nicht vor, wäre widerlegt gewesen. Die slowenische Behörde erklärt, dass sie verpflichtet ist, die Klägerin nach Art. 18 Abs. 1 Buchstabe b Dublin-III-VO wieder aufzunehmen. Damit bestätigt sie, dass die Klägerin in Slowenien einen Asylantrag gestellt, Slowenien aber vor der Entscheidung über diesen Antrag wieder verlassen hat, denn diese Vorschrift setzt eine derartige Antragstellung in Slowenien voraus (vgl. Filzwieser/Sprung, Dublin-III-Verordnung, Stand: 1. Februar 2014, Art. 18 Dublin-III-VO, Anmerkung K9). Dafür, dass die Klägerin in Slowenien einen Asylantrag gestellt hat, spricht auch die Erfassung ihrer Fingerabdrücke im EURODAC-System. Dessen Zweck besteht darin, die Bestimmung des für die Prüfung eines Asylantrags zuständigen Mitgliedstaats zu erleichtern (vgl. Art. 1 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 2725/2000 vom 11. Dezember 2000 über die Einrichtung von „Eurodac“ für den Vergleich von Fingerabdrücken zum Zwecke der effektiven Anwendung des Dubliner Übereinkommens, ABl L 316/1 vom 15. Dezember 2000). Durch den positiven Abgleich mit den im EURODAC-System erfassten Fingerabdrücken ist nach Anhang II, Verzeichnis A, Abschnitt II.2, der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 vom 2. September 2003 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Be-stimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (ABl L 222/3 vom 5. September 2003) in der Fassung der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 118/2014 vom 30. Januar 2014 (ABl L 39/1 vom 8. Februar 2014) bewiesen, dass in Slowenien ein Verfahren anhängig ist.
Slowenien hat dem Wiederaufnahmegesuch daher zu Recht stattgegeben.
c)
In Umsetzung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte wurde mit Wirkung vom 1. Januar 2014 die Vorschrift des Art. 3 Abs. 2 Satz 3 Dublin-III-VO in Kraft gesetzt. Nach dieser Vorschrift hat der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat die Prüfung der Bestimmungskriterien fortzusetzen, um festzustellen, ob ein anderer Mitgliedstaat als zuständig bestimmt werden kann, wenn es sich als unmöglich erweist, einen Antragsteller an den zunächst als zuständig bestimmten Mitgliedstaat zu überstellen, weil es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für den Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, welche die Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 der EU-Grundrechtecharta mit sich bringen.
Mit „Asylverfahren und Aufnahmebedingungen“ ist der Gesamtkomplex des Asylsystems in dem Mitgliedstaat gemeint und es genügt, wenn in irgendeinem Bereich dieses Gesamtsystems Mängel auftreten. Das Gesamtsystem umfasst den Zugang zum Asylverfahren, das Asylverfahren selbst, die Behandlung während des Verfahrens, die Handhabung der Anerkennungsvoraussetzungen, das Rechtsschutzsystem und auch die in der Genfer Flüchtlingskonvention und der Qualifikationsrichtlinie geregelte Behandlung nach der Anerkennung (vgl. Lübbe, „Systemische Mängel“ in Dublin-Verfahren, ZAR 2014, 105, 108). Unerlässlich ist aber, dass diese Mängel aufgrund größerer Funktionsstörungen regelhaft so defizitär sind, dass anzunehmen ist, dass dort auch dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher, d. h. überwiegender Wahrscheinlichkeit die Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 der EU-Grundrechtecharta droht (vgl. BVerwG
Eine derartige Gefahr kann aktuell auf der Grundlage einer am Abend des
Selbst die Klägerin trägt hierzu nichts Erhebliches vor. Die Familie hat sich zwar in der mündlichen Verhandlung ausgiebig über die - ihres Erachtens - unzumutbaren Zustände in der slowenischen Asylunterkunft beklagt und diese geschildert. Die Eindrücke der Familie sind aber offensichtlich von ihrer persönlichen Sicht geprägt und beruhen wohl auf einem Vergleich ihrer Lebensverhältnisse im Iran und denen in ihrer aktuellen Unterkunft in Amberg mit denen in der Unterkunft in Slowenien. Der Vater der Familie erklärte in der mündlichen Verhandlung eher beiläufig, er habe ungefähr 100.000.- EUR für die Flucht der Familie ausgegeben. Für die Frauen der Familien sei in der Türkei sogar eine Wohnung angemietet worden bis deren Weiterreise vom Vater der Familie frei gegeben worden sei. Die Ausgabe derartiger Summen legt nahe, dass die Familie im Iran in gediegenen Verhältnissen lebte und deshalb deren Unterbringung in der Flüchtlingsunterkunft in Slowenien quasi eine Art „Kulturschock“ bedeutete. Auch der mehrfach von der Familie gezogene Vergleich mit den Verhältnissen in ihrer derzeitigen Unterkunft in Amberg vermag keine unmenschliche oder entwürdigende Behandlung und keine systemischen Mängel in Slowenien aufzuzeigen. Sie hatten Unterkunft, Verpflegung und medizinische Versorgung. Ein gebrochenes Bein des Vaters der Familie wurde nach seinen Angaben in Slowenien behandelt. Sie konnten ihre Asylanträge stellen. Dass diese bei der kurzen Aufenthaltsdauer in Slowenien nicht abschließend bearbeitet werden konnten, verwundert nicht. Die von der Familie gelobten Zustände in der deutschen Asylunterkunft sind, wie man den zahlreichen Berichten in den Medien über die Zustände in deutschen Asylunterkünften und über die Proteste gegen diese Zustände entnehmen kann, wohl überdurchschnittlich gut und geben weder das deutsche Mindestniveau für Asylunterkünfte wieder noch stellen sie das Mindestmaß für Anforderungen an Asylunterkünfte in der gesamten EU dar. Das Gericht hält es durchaus für zumutbar, dass Asylbewerber - anders als in einem Hotelbetrieb - die von ihnen benutzten Räume, Gegenstände und Anlagen eigenständig sauber halten. Die Erledigung von Reinigungsarbeiten in Toiletten, Schränken oder (sofern vorhanden) Küchen durch Reinigungskräfte gehört nicht zum Mindeststandard der Unterbringung. Ansprechpartner für die Familie waren wohl auch in Slowenien vorhanden, denn nach deren Angaben in der mündlichen Verhandlung wurde ihnen ihr Zimmer zugewiesen und das Essen gekocht und zur Abholung bereit gestellt. Gegenteiliges wird durch die Aussage in der mündlichen Verhandlung, einen Hausmeister habe es nicht gegeben, nicht belegt. In welcher Weise die Familie den Kontakt zu den Verantwortlichen für die Unterkunft gesucht und inwieweit sie Abhilfe für die von ihnen beklagten Mängel tatsächlich begehrt hat, wurde nicht vorgetragen.
Ob und in welcher Weise die Männer der Familie, denn nur diese sollen nach den Angaben in der mündlichen Verhandlung von anderen bedroht worden sein, Hilfe von den slowenischen Behörden gesucht haben, konnte in der mündlichen Verhandlung nicht geklärt werden. Ein unterkunftseigener Sicherheitsdienst gehört nicht zum Standardniveau für die Unterbringung von Asylbewerbern und dessen Fehlen vermag somit systemische Mängel nicht aufzuzeigen.
Von der Möglichkeit, das erstmalige Vorbringen der Familie in der mündlichen Verhandlung nach § 74 Abs. 2 Satz 2 AsylVfG in Verbindung mit § 87 b Abs. 3 Satz 1 VwGO als verspätet zurückzuweisen, wird abgesehen, da - wie dargelegt - auch die Zulassung dieses Vorbringens die Erledigung des Rechtsstreits nicht verzögert.
Art. 3 Abs. 2 Satz 3 Dublin-III-VO steht der Abschiebung nach Slowenien nicht entgegen.
d)
Auch die Tatsache, dass der Asylantrag nach deutschem Recht (vgl. § 13 Abs. 2 AsylVfG) regelmäßig neben dem Antrag auf Zuerkennung internationalen Schutzes auch den Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter beinhaltet und damit von seinem Inhalt umfassender ist als der Antrag auf internationalen Schutz nach europäischem Recht (vgl. Art. 2 Buchstabe b Dublin-III-VO), steht einer sofortigen Abschiebung nach Slowenien nicht entgegen.
Slowenien ist nämlich Mitgliedstaat der EU und damit ein sicherer Drittstaat im Sinne des Art. 16 a Abs. 2 Satz 1 GG, § 26 a Abs. 2 AsylVfG. Ein Ausländer, der aus einem derartigen Staat in das Bundesgebiet einreist, kann sich nicht auf das Asylgrundrecht berufen und er wird nicht als Asylberechtigter anerkannt. In diesen Fällen enthält das Asylverfahrensgesetz keine Regelung darüber, dass das Bundesamt hinsichtlich der Anerkennung als Asylberechtigter eine Entscheidung zu treffen hat. Der Gesetzgeber toleriert in diesen Fällen die Nichtentscheidung des Bundesamtes. Nur für den Fall, dass Deutschland z. B. nach der Dublin-III-VO für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist, gestattet § 26 a Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 AsylVfG dem Ausländer eine Berufung auf das Asylgrundrecht. Trotz der Möglichkeit sich darauf zu berufen, verbietet § 26 a Abs. 1 Satz 2 AsylVfG aber gleichwohl, ihn als Asylberechtigten anzuerkennen. Für die Entscheidung des Bundesamtes gilt dann § 31 AsylVfG (vgl. VG Regensburg
Der Asylantrag der Klägerin vom
e)
Weitere Gründe gegen eine Abschiebung wurden nicht vorgetragen und sind auch nicht ersichtlich. Dies hat zur Folge, dass Slowenien aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft der für die Durchführung des Asylverfahrens der Klägerin zuständige Staat im Sinne des § 27 a AsylVfG ist.
f)
Slowenien hat der Wiederaufnahme der Klägerin zugestimmt. Deshalb kann die Abschiebung nach Slowenien stattfinden. Das Bundesamt durfte somit nach § 34 a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG die Abschiebung der Klägerin nach Slowenien anordnen.
3.
Die Feststellungsklage stellt sich als unzulässig dar (vgl. § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO), denn sie hat gegenüber der Anfechtungsklage keine eigenständige Bedeutung. Bei Aufhebung des gegenständlichen Bescheids aus dem Grund, dass Slowenien nicht der zuständige Staat für die inhaltliche Prüfung ist, hat die Beklagte kraft ihres gesetzlichen Auftrags durch das Bundesamt (vgl. § 5 Abs. 1 AsylVfG) über Asylanträge zu entscheiden.
Anzumerken ist, dass, sofern über den gegenständlichen Bescheid hinaus die Feststellung gewünscht wird, die Beklagte wäre für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig, von der Klagepartei vorgetragen und nachgewiesen werden müsste, dass neben Slowenien auch kein anderer Mitgliedstaat zuständig wäre.
4.
Kosten: §§ 154 Abs. 1 VwGO, 83 b AsylVfG.
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Annotations
(1) Durch Klage kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungsklage).
(2) Die Feststellung kann nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt wird.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.