Verwaltungsgericht Regensburg Urteil, 14. Juli 2015 - RN 6 K 13.1841

published on 14/07/2015 00:00
Verwaltungsgericht Regensburg Urteil, 14. Juli 2015 - RN 6 K 13.1841
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Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Kläger haben die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner zu tragen.

III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Kläger, Eigentümer des Grundstücks Fl.Nr. 286 der Gemarkung ... (Anwesen Z...gasse ...), wenden sich gegen die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung für die Sanierung und Erweiterung des Rückgebäudes des Anwesens ...Platz ... auf dem nördlich angrenzenden Grundstück Fl.Nr. 281. Die bauliche Anlage liegt innerhalb des denkmalgeschützten Ensembles Altstadt Straubing sowie im Geltungsbereich des seit 2.12.1993 rechtsverbindlichen einfachen Bebauungsplans „St... MK“.

Mit am 27.3.2013 bei der Beklagten eingegangenen Formblättern vom 15.3.2013 beantragte die Beigeladene die Erteilung der Baugenehmigung (BVV-2013-50). Ein ehemaliger Stadel soll unter Beibehaltung der Gebäudehülle einschließlich des Dachwerks zu einem Wohngebäude (...Platz ...) umgebaut werden. Geplant sind über einer erdgeschossigen Garage je eine Wohnung im 1. Obergeschoss sowie im 1. und 2. Dachgeschoss. Die südliche Giebelwand des Stadels grenzt unmittelbar an den rückwärtigen Teil des klägerischen Grundstücks, auf dem sich im Nordwesten ein Wohngebäude, im Nordosten ein Nebengebäude und nach dem Rückbau mehrerer Garagen ein Garten sowie ein Innenhof befinden. Den südlichen Abschluss des Baubestandes auf dem klägerischen Grundstück bildet das Hauptwohnhaus entlang der ...gasse.

Die Beklagte erteilte mit Bescheid vom 24.9.2013, jeweils als Übergabeeinschreiben an die Kläger zur Post gegeben am 7.10.2013, die Baugenehmigung. Von der Einhaltung der erforderlichen Abstandsflächen nach Art. 6 BayBO werden Abweichungen erteilt; diese betreffen jedoch nicht die gemeinsame Grundstücksgrenze zwischen den Klägern und der Beigeladenen. Bezüglich des Brandschutzes wird u.a. die Abweichung von Art. 28 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 und Abs. 8 BayBO gestattet: „Die bestehenden Fensteröffnungen in den beiden Giebelwänden des historischen Stadels mit einer Größe von jeweils unter 0,5 m² müssen nicht in Bauart einer Brandwand verschlossen werden. Der Einbau einer Brandschutzverglasung der Feuerwiderstandsklasse F60 ist ausreichend.“ In den Gründen wird ausgeführt, dass sich vorliegend eine geschlossene Bauweise entwickelt habe und daher gemäß Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO keine Abstandsflächen erforderlich seien vor Außenwänden, die an den Grundstücksgrenzen errichtet würden. Auch ergäben sich einheitlich abweichende Abstandsflächen aus der umgebenden Bebauung im Sinn des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB. Bei dem historischen Stadel seien in den beiden Giebelwänden Fensteröffnungen vorhanden, was typisch für die im denkmalgeschützten Ensemble vorherrschende Bauweise sei. Durch die Anordnung von Brandschutzverglasung F60 werde die gleiche Feuerwiderstandfähigkeit wie beim Wandbaustoff erreicht. Aufgrund der bestehenden Öffnungsgrößen (jeweils unter 0,5 m²) wird die Wand in statischer Hinsicht nicht derart geschwächt, dass ein Versagen infolge mechanischer Beanspruchung eintreten könne. Nach den genehmigten Plänen befinden sich in der (südlichen) Giebelwand zu den Klägern im 1. und 2. DG jeweils zwei Fenster F60, dahinter über die ganze Front ein 5,31 m bzw. 5,28 m tiefer Luftraum ohne Decke zwischen 1. und 2. DG. Dieser weist zu den angrenzenden Zimmern im 1. DG Fenster und im 2. DG einen Balkon auf. Im Anschluss an die südliche Giebelwand entstehen an der Westseite im 1. OG zwei Loggien, an beiden Seiten im 1. und 2. DG über dem Luftraum je ein Dachfenster und nach Norden anschließend im 1. und 2. DG Dachgauben.

Am 7.11.2013 haben die Kläger Klage zum Verwaltungsgericht Regensburg gegen die Stadt Straubing erhoben.

Zur Begründung der Klage wird im Wesentlichen vorgetragen: Die Baugenehmigung enthalte Abweichungen von den Abstandsflächen- und Brandschutzvorschriften. Eine umfangreiche Ermessensprüfung und Abwägung sei vorgeschrieben. Dies verbiete es von vornherein, lediglich eine auf bestimmte Punkte isolierte Prüfung vorzunehmen. Im Hinblick auf das Abstandsflächenrecht sei aus Sicht der Kläger die Südseite des Vorhabens problematisch. Dort befänden sich vier zu öffnende und nicht blickdichte Fenster. Die Bestandshöhe solle um 1 m angehoben werden. Für eine entsprechende Dämmung fielen jedoch allenfalls 20 cm an. Wie die Ost- und Westansicht zeigten, seien außerdem Dachgauben und weitere Fenster geplant, die Abstandsflächenrelevanz besäßen. Das Grundstück der Kläger sei bislang keiner Einsichtnahme unterworfen. Es handle sich um einen Hof mit Garten, der vor Blickbeziehungen weitestgehend geschützt gewesen sei. Nun werde er aus unmittelbarer Nähe zahlreichen Einsichtnahmemöglichkeiten unterworfen, was rücksichtslos erscheine. Bei dem Luftraum, dessen Nutzung unklar sei, handle es sich um einen abstandsflächenrechtlich relevanten Aufenthaltsraum. Durch späteres Anbringen von Heizkörpern wäre ohne Weiteres eine ganzjährige Nutzung möglich. Aus der Loggia und den Dachgauben sei eine problemlose Einsichtnahme möglich. Wenn in dem Objekt sich früher ein Gewerbebetrieb befunden haben solle, liege dies mehr als 5 (wohl mindestens 10) Jahre zurück. Der Stadel habe sei 2006 leer gestanden.

Die Kläger beantragen,

den Bescheid der Stadt Straubing vom 24.9.2013 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Vorhaben sei nicht rücksichtslos. Die vorhandenen Fensteröffnungen in der südlichen Giebelwand seien die letzten Jahre mit Brettern abgedeckt gewesen. Zusätzliche Einblicksmöglichkeiten schaffe das Vorhaben der Beigeladenen jedoch nicht. Das auf Lichtbildern unmittelbar oberhalb der Garagen noch zu sehende doppelflügelige Fenster sei nun nicht mehr vorhanden. Von den übrigen vier kleineren Fensteröffnungen dienten die im 2. DG („Luftraum“) allein der Belichtung. Die beiden Fenster im 1. DG eigneten sich ob ihrer geringen Größe (unter 0,5m²), ihrer Höhe (Unterkante knapp 1 m über Fußboden) und der mit ca. 50 cm relativ dicken Mauer nur bedingt zur Einsichtnahme in das klägerische Grundstück. Die Abweichungen von der Einhaltung der erforderlichen Abstandsflächen beträfen ausschließlich den nördlich Fl.Nr. 282 gelegenen Gebäudeteil. Das an das klägerische Grundstück unmittelbar angrenzende Rückgebäude hingegen brauche wegen der vorhandenen geschlossenen Bauweise keine Abstandsflächen einzuhalten. Aus diesem Grunde sei auch kein Ermessensfehler zu Lasten der Kläger gegeben. Der Antrag auf Zulassung der genannten Abweichungen begründe keine Pflicht der Behörde zu prüfen, ob das Bauvorhaben in seiner Gänze den Anforderungen des Art. 6 BayBO entspreche. Die Verwendung einer Brandschutzverglasung der Feuerwiderstandsklasse F60 in Form von geprüften Bauelementen mit allgemeiner bauaufsichtlicher Zulassung sei aus der Sicht der Beklagten aufgrund der Öffnungsgrößen (jeweils unter 0,5 m²) genügend, um das Schutzziel der Brandwände zu erreichen, als raumabschließende Bauteile ausreichend lang die Brandausbreitung auf andere Gebäude zu verhindern. Da es sich bei dem geplanten „Luftraum“ nicht um einen Aufenthaltsraum im Sinne des Art. 45 Abs. 2, Art. 2 Abs. 5 BayBO handle, habe es der Beigeladenen unter Brandschutzgesichtspunkten freigestellt werden können, ob die Fenster als Festverglasung oder als bewegliche, im Brandfall automatisch schließende Brandschutzverglasung ausgeführt werden. Insofern sei eine Auflage, wie sie von den Klägern gefordert werde, nicht notwendig. Der Luftraum im 2. DG diene allein der Belichtung und Belüftung der in diesem Geschoss vorgesehenen Wohnräume. Der Balkon diene nur als Absturzsicherung für die Öffnungsflügel des Wohnraums. Der temperierte Luftraum im 1. DG diene im Wesentlichen der Belichtung und Belüftung der Wohn- und Schlafräume dieses Geschosses. Er könne über den Schlafraum betreten werden. Entsprechend dem Heizkonzept werde dieser Raum lediglich frostsicher ausgebildet, jedoch nicht geheizt. Diese Zwischenzone sei nach Aussage der Beigeladenen geplant worden, um die im nördlichen Gebäudeteil gelegenen Räume über die beiden Oberlichter in den Dachflächen zu belichten und belüften, weil die südliche Giebelwand – im Wesentlichen aus Gründen des Brand- und des Denkmalschutzes – für zusätzliche Fenster nicht weiter geöffnet werden habe können. Die Dachgauben befänden sich jeweils im Abstand von mindestens 8,5 m von der gemeinsamen (südlichen) Grundstücksgrenze in westlicher bzw. östlicher Blickrichtung im Dach des Bauvorhabens. Die Beklagte könne sich beim besten Willen nicht vorstellen, wie hier eine Einsichtnahme in das Grundstück der Kläger erfolgen solle. Man müsste sich schon aus dem Dachfenster beugen und mit dem Oberkörper nach Süden wenden – und selbst dann dürfte angesichts des Abstands der Sichtbereich relativ eingeschränkt sein. Die Anhebung der Dachkonstruktion resultiere aus der Aufbringung einer Dachdämmung und der Ausbildung der Brandwände zur Sicherstellung des Brandschutzes nach der BayBO.

Der Beigeladene stellt keinen Antrag und trägt vor: In der zu einer Wohnung veränderten Halle habe sich früher ein Gewerbebetrieb befunden, in dem viele Mitarbeiter speziell in der Zeit der Apfelernte auch nachts gearbeitet und durch das Fenster geschaut hätten. Vom Lärm eines Betriebes im Gegensatz zu einer Wohnnutzung sei gar nicht zu sprechen. Der Luftraum sei nötig, um die Räume im 1. und 2. DG mit ausreichend Licht und Luft zu versorgen, damit die Grenzwand nicht mit mehr und größeren Öffnungen versehen werden müsse. Eine Sichtverbindung von der Loggia in 3 m Höhe zum Grundstück der Kläger sei völlig ausgeschlossen, da sich dort ein 10 m hohes Gebäude der Kläger befinde. Die Dachgauben seien in größerer Entfernung zum Grundstück der Kläger und ließen wenn überhaupt nur einen Blick in einem derart flachen Winkel auf die Dachfläche des o.g. klägerischen Gebäudes zu. Die Anhebung des Daches erfolge ausschließlich zur Dämmung und sei außerhalb der Giebelbereiche auf die technisch nötige Höhe von ca. 45 cm beschränkt. Im Bereich des Giebels müsse zum Nachbarschutz die Brandwand 30 cm über diese Dachfläche erhöht werden. Dies erhöhe nicht nur die Brandsicherheit für die Nachbarn, sondern verbessere zusätzlich die von den Klägern begehrte Nichteinsehbarkeit des Grundstücks.

Zur Ergänzung des Tatbestands im Übrigen wird Bezug genommen auf den Inhalt der vorgelegten Behördenakten, der gewechselten Schriftsätze und der Niederschrift über die mündliche Verhandlung am 14.7.2015.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Der Bescheid der Stadt Straubing vom 24.9.2013 verletzt die Kläger nicht in eigenen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Wer als Nachbar eine Baugenehmigung anficht, kann damit nur Erfolg haben, wenn die Baugenehmigung gegen die zu prüfenden nachbarschützenden Vorschriften verstößt. Nachbar ist dabei nur derjenige, der ein eigenes dingliches Recht an einem Grundstück hat, das von dem Vorhaben tatsächlich und rechtlich betroffen sein kann, also insbesondere der Eigentümer des angrenzenden Grundstücks. Zu den nachbarschützenden Vorschriften gehört auch das partiell nachbarschützende Gebot der Rücksichtnahme.

Für den Anspruch eines Nachbarn ist es dagegen nicht maßgeblich, ob die Baugenehmigung in vollem Umfang und in allen Teilen rechtmäßig ist, insbesondere ob die Vorschriften über das Baugenehmigungsverfahren eingehalten wurden.

Die streitgegenständliche Baugenehmigung verletzt weder nachbarschützende Vorschriften des Bauplanungsrechts einschließlich des im Einzelfall drittschützenden Gebots der Rücksichtnahme noch nachbarschützende Vorschriften des Bauordnungsrechts.

Das Vorhaben ist bauplanungsrechtlich zulässig. Nachdem der maßgebende rechtsverbindliche Bebauungsplan „St... MK“ lediglich Festsetzungen zur Art der baulichen Nutzung enthält (§ 30 Abs. 3 BauGB) und insoweit auch Wohnnutzung zulässt, richtet sich die Zulässigkeit von Vorhaben im Übrigen, weil Innenbereich, nach § 34 BauGB. Danach ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach dem Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist (§ 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB). Nachdem im Hinblick auf die Art der beabsichtigten Nutzung (Wohnnutzung) vorliegend keine Bedenken bestehen, wird der Gebietswahrungsanspruch nicht betroffen. Dem Maß der baulichen Nutzung und der überbauten Grundstücksfläche kommt jedoch im Grundsatz kein Drittschutz zu (vgl. BVerwG, B. v. 19.10.1995 – 4 B 215/95; BayVGH, B. v. 22.6.2011 – 15 CS 11.1101).

Aber auch das Rücksichtnahmegebot, dessen Betroffenheit damit allenfalls bauplanungsrechtlich noch geltend gemacht werden kann, wird in keinem Fall verletzt.

Ergänzend zu den planerischen Zulässigkeitsvoraussetzungen der Art. 30 und 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB ist vorliegend die Vorschrift des § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO heranzuziehen. Er ist eine Ausprägung des baurechtlichen Gebots der Rücksichtnahme und erklärt Anlagen für unzulässig, wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind.

Welche Anforderungen das Gebot der Rücksichtnahme begründet, hängt nach der Rechtsprechung wesentlich von den jeweiligen Umständen ab (vgl. BVerwG, U. v. 28.10.1993 – 4 C 5/93). Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung desjenigen ist, dem die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zugutekommt, umso mehr kann er an Rücksichtnahme verlangen. Je verständlicher und unabweisbarer die mit dem Vorhaben verfolgten Interessen sind, umso weniger braucht derjenige, welcher das Vorhaben verwirklichen will, Rücksicht zu nehmen. Bei diesem Ansatz kommt es für die sachgerechte Beurteilung des Einzelfalles wesentlich auf die Abwägung zwischen dem an, was einerseits dem Rücksichtnahmebegünstigten und andererseits dem Rücksichtnahmeverpflichteten nach Lage der Dinge zuzumuten ist (vgl. BayVGH, B. v. 25.10.2010 – 2 CS 10.2137).

Das Vorhaben der Beigeladenen kann der Klägerseite gegenüber nicht als abwehrfähig rücksichtslos bzw. unzumutbar angesehen werden.

Eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots ist in aller Regel bereits ausgeschlossen, wenn die erforderlichen Abstandsflächen eingehalten werden. Bei Einhaltung der landesrechtlichen Vorschriften über Abstandsflächen ist grundsätzlich kein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme bezüglich Belichtung, Belüftung und Besonnung anzunehmen (vgl. BVerwG, B. v. 11.1.1999 – 4 B 128/98; U. v. 23.5.1986 – 4 C 34/85; B. v. 22.11.1984 – 4 B 244/84; BayVGH, B. v. 22.6.2011 – 15 CS 11.1101; B. v. 15.3.2011 – 15 CS 11.9; B. v. 31.3.2010 – 2 CS 10.307). Bezüglich der gemeinsamen Grundstücksgrenze zwischen den Klägern (Fl.Nr. 286) und der Beigeladenen (Fl.Nr. 281) gilt Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO. Danach ist eine Abstandsfläche nicht erforderlich vor Außenwänden, die an Grundstücksgrenzen errichtet werden, wenn nach planungsrechtlichen Vorschriften an die Grenze gebaut werden muss oder gebaut werden darf. Vorliegend darf nach planungsrechtlichen Vorschriften an die Grenze gebaut werden, da in der näheren Umgebung sich eine geschlossene Bauweise entwickelt hat. Soweit mit der Baugenehmigung Abweichungen von den erforderlichen Abstandsflächen erteilt worden sind, betreffen diese nicht die streitgegenständliche Grundstücksgrenze, so dass auch kein Ermessensfehler zu Lasten der Kläger vorliegt. Die von den Klägern gerügte Erhöhung des Daches und der Giebelwand erfordert wegen der Anwendung des Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO keine abstandsflächenrechtliche Neubeurteilung bzw. Beantragung einer Abweichung (vgl. BayVGH, B. v. 20.11.2014 – 9 CS 14.1794). Nach Art. 28 Abs. 5 BayBO sind Brandwände 0,30 m über die Bedachung zu führen.

Entspricht es gesicherter Auffassung, dass der Zweck des bauordnungsrechtlichen Abstandsflächenrechts darin besteht, eine ausreichende Belichtung und Belüftung des Gebäudes zu gewährleisten, ist darüber hinaus auch der sogenannte Wohnfrieden (Sozialabstand) als Zweck des Abstandsflächenrechts anzuerkennen. Hierzu gehört der Schutz der Privatsphäre vor unerwünschten Einblickmöglichkeiten und vor dem unerwünschten Mithören sozialer Lebensäußerungen in der Nachbarschaft (vgl. BayVGH, U. v. 3.12.2014 – 1 B 14.819). Die Aufenthaltsräume in Richtung der gemeinsamen Grundstücksgrenze zwischen den Klägern und der Beigeladenen wahren jedoch diesen Sozialabstand. Hierzu dient der Luftraum im ersten und zweiten Dachgeschoss. Der Abstand der daran anschließenden Zimmer in beiden Geschossen beträgt mehr als 5 m. Aus der Loggia an der Westseite des 1. Obergeschosses ist ein Einblick in den Innenhof der Kläger nicht möglich. Die zu den Klägern nächstgelegene Dachgaube an der Ostseite ist mehr als 6 m, die an der Westseite mehr als 8 m von der Grundstücksgrenze entfernt. Die von der Klägerseite gezogene Parallele zu dem vom Verwaltungsgericht Köln (B. v. 25.3.2013 – 23 L 287/13) entschiedenen Fall ist vorliegend nicht möglich. Dort ging es um einen „heranrückenden Neubau“, während hier ein bestehendes Gebäude eine Nutzungsänderung erfährt. Der Neubau von zwei Mehrfamilienhäusern mit beherrschender Wirkung und 37 Wohneinheiten mit Einsichtmöglichkeiten aus insgesamt 17 Wohnungen auf das Grundstück der dortigen Antragsteller, davon von insgesamt 13 Terrassen/Balkonen/Dachterrassen, also von Bereichen, in denen sich typischerweise mehrere Personen auch über längere Zeiträume aufhalten, mag die Rücksichtslosigkeit begründen. Diese Situation stellt jedoch – so das VG Köln – eine vom „Normalfall“ deutlich abweichende Fallgestaltung dar, die für diesen besonderen Einzelfall zu einer abweichenden Bewertung führte. Der hier zu entscheidende Fall kann jedoch nicht damit verglichen werden. In den beiden Dachgeschossen wird sich in Richtung der Kläger jeweils je nur eine Wohnung befinden. Zusätzliche Einblickmöglichkeiten aus der Giebelwand werden nicht geschaffen, das auf den Lichtbildern unmittelbar oberhalb der Garagen noch zu sehende doppelflügelige Fenster ist nach dem neuen Lichtbild bereits zugemauert und für das Bauvorhaben auch nicht mehr eingeplant, von den übrigen vier kleineren Fensteröffnungen dienen die im 2. DG („Luftraum“) allein der Belichtung. Die beiden Fenster im 1. DG eignen sich ob ihrer geringen Größe, ihrer Höhe und der relativ dicken Mauer nur bedingt zur Einsichtnahme in das klägerische Grundstück. Die von den Klägern in der mündlichen Verhandlung übergebenen Lichtbilder veranlassen das Verwaltungsgericht zu keiner anderen Bewertung. Dem Bauvorhaben kommt keine „erdrückende“ Wirkung zu (vgl. dazu BVerwG, U. v. 13.3.1981 – 4 C 1/78; BayVGH, B. v. 20.4.2010 – 2 ZB 07.3200; B. v. 8.2.2010 – 2 AS 09.2907; B. v. 23.8.2011 – 2 CS 11.1218; B. v. 11.5.2010 – 2 CS 10.454). Die Wirkung des Vorhabens der Beigeladenen auf das klägerische Anwesen unterscheidet sich nicht vom Normalfall. Das Fehlen von Anlagen, von denen aus das Grundstück eingesehen werden kann, stellt eine durch die Baugenehmigung vermittelte Chance dar, deren Vereitelung nicht dem Entzug einer Rechtsposition gleicht (vgl. BVerwG, U. v. 28.10.1993 – 4 C 5/93). Hinzunehmen ist die mit einer zulässigerweise errichteten Bebauung und Nutzung einhergehende Einsicht. Nachbarn sind grundsätzlich rechtlich nicht gegen Einblickmöglichkeiten von den angrenzenden Grundstücken aus geschützt (vgl. BayVGH, B. v. 30.11.2006 – 14 CS 06.3015; B. v. 5.9.2012 – 15 CS 12.23; B. v. 23.12.2013 – 15 CS 13.1445; zum Schutz vor Einblicken als ausnahmsweise rechtlich geschütztes Nachbarinteresse vgl. BayVGH, B. v. 18.2.2008 – 1 CS 07.2192; B. v. 8.5.2008 – 14 B 06.2813; B. v. 10.5.2012 – 2 CS 12.795). Vorliegend wird nicht erstmals eine Einblickmöglichkeit in den rückwärtigen Bereich des klägerischen Anwesens geschaffen und entsteht auch nicht eine neue Qualität von Einsichtnahmemöglichkeiten (vgl. BayVGH, B. v. 27.10.1999 – 2 CS 99.2387). In bebauten innerörtlichen Bereichen gehört die Möglichkeit der Einsichtnahme auf ein Grundstück zur Normalität.

Auch hinsichtlich der von den Klägern geltend gemachten Lärmemissionen kann nicht von einer unzumutbaren Beeinträchtigung für die Nachbarschaft und damit einer Verletzung des Rücksichtnahmegebots gesprochen werden. Bei den vom Bauvorhaben zu erwartenden Geräuschemissionen, wie z.B. Gespräche, Zurufe, Abspielen von Tonträgern und Kochvorgänge bei offenen Fenstern, handelt es sich um grundsätzlich hinzunehmende Wohngeräusche, d.h. im Regelfall normale Lebensäußerungen. Von unzumutbaren Störungen oder Belästigungen i.S.d. § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO kann nicht ausgegangen werden. Es greift vorliegend die Wertung der Baunutzungsverordnung mit ihrer typisierenden Betrachtungsweise zu den verschiedenen Nutzungsarten (vgl. BayVGH, B. v. 6.8.2010 – 15 CS 09.3006).

Nachbarschützend sind die Vorschriften über den Brandschutz von Dächern. Die Dachgauben und Dachfenster halten den nach Art. 30 Abs. 5 Satz 2 Nr. 2 BayBO erforderlichen Mindestabstand von 1,25 m ein, die Giebelwand erfüllt die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 5 Satz 1 BayBO (0,30 m über Bedachung). Die mit der Baugenehmigung bezüglich des Brandschutzes u.a. gestattete Abweichung von Art. 28 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 und Abs. 8 BayBO bezüglich der Fensteröffnungen in der Giebelwand begegnen keinen rechtlichen Bedenken, sie sind ausreichend begründet.

Nachdem auch sonstige Verstöße gegen zu prüfende nachbarschützende Vorschriften des Bauordnungsrechts nicht gegeben sind, musste die Klage mit der gesetzlichen Kostenfolge aus §§ 154 Abs. 1, 159 Satz 2 VwGO abgewiesen werden. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig, da sie keinen eigenen Antrag gestellt und sich damit keinem Prozesskostenrisko ausgesetzt hat (§§ 154 Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO).

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils im Kostenpunkt beruht auf § 167 VwGO i.V.m §§ 708 ff. ZPO.

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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl
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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

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published on 20/11/2014 00:00

Tenor I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen. II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen. III. Der Streitwert wird für das Beschwe
published on 03/12/2014 00:00

Tenor I. Das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 27. September 2012 und der Bescheid des Landratsamts D. vom 22. November 2011 werden aufgehoben. II. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.
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Annotations

(1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben; das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden.

(2) Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der auf Grund des § 9a erlassenen Verordnung bezeichnet sind, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre; auf die nach der Verordnung ausnahmsweise zulässigen Vorhaben ist § 31 Absatz 1, im Übrigen ist § 31 Absatz 2 entsprechend anzuwenden.

(3) Von Vorhaben nach Absatz 1 oder 2 dürfen keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein.

(3a) Vom Erfordernis des Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung nach Absatz 1 Satz 1 kann im Einzelfall abgewichen werden, wenn die Abweichung

1.
einem der nachfolgend genannten Vorhaben dient:
a)
der Erweiterung, Änderung, Nutzungsänderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten Gewerbe- oder Handwerksbetriebs,
b)
der Erweiterung, Änderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten, Wohnzwecken dienenden Gebäudes oder
c)
der Nutzungsänderung einer zulässigerweise errichteten baulichen Anlage zu Wohnzwecken, einschließlich einer erforderlichen Änderung oder Erneuerung,
2.
städtebaulich vertretbar ist und
3.
auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
Satz 1 findet keine Anwendung auf Einzelhandelsbetriebe, die die verbrauchernahe Versorgung der Bevölkerung beeinträchtigen oder schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden haben können. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 1 Buchstabe b und c kann darüber hinaus vom Erfordernis des Einfügens im Einzelfall im Sinne des Satzes 1 in mehreren vergleichbaren Fällen abgewichen werden, wenn die übrigen Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und die Aufstellung eines Bebauungsplans nicht erforderlich ist.

(4) Die Gemeinde kann durch Satzung

1.
die Grenzen für im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen,
2.
bebaute Bereiche im Außenbereich als im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, wenn die Flächen im Flächennutzungsplan als Baufläche dargestellt sind,
3.
einzelne Außenbereichsflächen in die im Zusammenhang bebauten Ortsteile einbeziehen, wenn die einbezogenen Flächen durch die bauliche Nutzung des angrenzenden Bereichs entsprechend geprägt sind.
Die Satzungen können miteinander verbunden werden.

(5) Voraussetzung für die Aufstellung von Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 ist, dass

1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar sind,
2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und
3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
In den Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 können einzelne Festsetzungen nach § 9 Absatz 1 und 3 Satz 1 sowie Absatz 4 getroffen werden. § 9 Absatz 6 und § 31 sind entsprechend anzuwenden. Auf die Satzung nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 3 sind ergänzend § 1a Absatz 2 und 3 und § 9 Absatz 1a entsprechend anzuwenden; ihr ist eine Begründung mit den Angaben entsprechend § 2a Satz 2 Nummer 1 beizufügen.

(6) Bei der Aufstellung der Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 sind die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 sowie Satz 2 entsprechend anzuwenden. Auf die Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 bis 3 ist § 10 Absatz 3 entsprechend anzuwenden.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Im Geltungsbereich eines Bebauungsplans, der allein oder gemeinsam mit sonstigen baurechtlichen Vorschriften mindestens Festsetzungen über die Art und das Maß der baulichen Nutzung, die überbaubaren Grundstücksflächen und die örtlichen Verkehrsflächen enthält, ist ein Vorhaben zulässig, wenn es diesen Festsetzungen nicht widerspricht und die Erschließung gesichert ist.

(2) Im Geltungsbereich eines vorhabenbezogenen Bebauungsplans nach § 12 ist ein Vorhaben zulässig, wenn es dem Bebauungsplan nicht widerspricht und die Erschließung gesichert ist.

(3) Im Geltungsbereich eines Bebauungsplans, der die Voraussetzungen des Absatzes 1 nicht erfüllt (einfacher Bebauungsplan), richtet sich die Zulässigkeit von Vorhaben im Übrigen nach § 34 oder § 35.

(1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben; das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden.

(2) Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der auf Grund des § 9a erlassenen Verordnung bezeichnet sind, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre; auf die nach der Verordnung ausnahmsweise zulässigen Vorhaben ist § 31 Absatz 1, im Übrigen ist § 31 Absatz 2 entsprechend anzuwenden.

(3) Von Vorhaben nach Absatz 1 oder 2 dürfen keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein.

(3a) Vom Erfordernis des Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung nach Absatz 1 Satz 1 kann im Einzelfall abgewichen werden, wenn die Abweichung

1.
einem der nachfolgend genannten Vorhaben dient:
a)
der Erweiterung, Änderung, Nutzungsänderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten Gewerbe- oder Handwerksbetriebs,
b)
der Erweiterung, Änderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten, Wohnzwecken dienenden Gebäudes oder
c)
der Nutzungsänderung einer zulässigerweise errichteten baulichen Anlage zu Wohnzwecken, einschließlich einer erforderlichen Änderung oder Erneuerung,
2.
städtebaulich vertretbar ist und
3.
auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
Satz 1 findet keine Anwendung auf Einzelhandelsbetriebe, die die verbrauchernahe Versorgung der Bevölkerung beeinträchtigen oder schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden haben können. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 1 Buchstabe b und c kann darüber hinaus vom Erfordernis des Einfügens im Einzelfall im Sinne des Satzes 1 in mehreren vergleichbaren Fällen abgewichen werden, wenn die übrigen Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und die Aufstellung eines Bebauungsplans nicht erforderlich ist.

(4) Die Gemeinde kann durch Satzung

1.
die Grenzen für im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen,
2.
bebaute Bereiche im Außenbereich als im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, wenn die Flächen im Flächennutzungsplan als Baufläche dargestellt sind,
3.
einzelne Außenbereichsflächen in die im Zusammenhang bebauten Ortsteile einbeziehen, wenn die einbezogenen Flächen durch die bauliche Nutzung des angrenzenden Bereichs entsprechend geprägt sind.
Die Satzungen können miteinander verbunden werden.

(5) Voraussetzung für die Aufstellung von Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 ist, dass

1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar sind,
2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und
3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
In den Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 können einzelne Festsetzungen nach § 9 Absatz 1 und 3 Satz 1 sowie Absatz 4 getroffen werden. § 9 Absatz 6 und § 31 sind entsprechend anzuwenden. Auf die Satzung nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 3 sind ergänzend § 1a Absatz 2 und 3 und § 9 Absatz 1a entsprechend anzuwenden; ihr ist eine Begründung mit den Angaben entsprechend § 2a Satz 2 Nummer 1 beizufügen.

(6) Bei der Aufstellung der Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 sind die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 sowie Satz 2 entsprechend anzuwenden. Auf die Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 bis 3 ist § 10 Absatz 3 entsprechend anzuwenden.

(1) Die in den §§ 2 bis 14 aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen sind im Einzelfall unzulässig, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen. Sie sind auch unzulässig, wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind, oder wenn sie solchen Belästigungen oder Störungen ausgesetzt werden.

(2) Die Anwendung des Absatzes 1 hat nach den städtebaulichen Zielen und Grundsätzen des § 1 Absatz 5 des Baugesetzbuchs zu erfolgen.

(3) Die Zulässigkeit der Anlagen in den Baugebieten ist nicht allein nach den verfahrensrechtlichen Einordnungen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes und der auf seiner Grundlage erlassenen Verordnungen zu beurteilen.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.