Verwaltungsgericht Regensburg Urteil, 17. Dez. 2014 - RN 3 K 14.1351

published on 17/12/2014 00:00
Verwaltungsgericht Regensburg Urteil, 17. Dez. 2014 - RN 3 K 14.1351
Urteilsbesprechung zu {{shorttitle}}
Referenzen - Gesetze
Referenzen - Urteile

Gericht

There are no judges assigned to this case currently.
addJudgesHint

Principles

no content added to this principle

no content added to this principle

no content added to this principle

no content added to this principle

Tenor

I.

Der Beklagte wird verurteilt, die Sitze im Kreisausschuss so zu verteilen, dass die Klägerin zwei Sitze und die Beigeladene sechs Sitze erhält. Der Beschluss des Kreistags der Beklagten vom 12. Mai 2014 wird aufgehoben, soweit er dem entgegensteht.

II.

Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

III.

Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung der Kosten durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

Die Fraktion der Freien Wähler im Kreistag des Landkreises ... (FW) möchte erreichen, dass sie im Kreisausschuss des Kreistags, der (neben dem Landrat) mit zwölf Mitgliedern besetzt ist, zulasten der beigeladenen CSU-Kreistagsfraktion zwei Sitze und damit einen Sitz mehr erhält als bisher und die CSU-Fraktion nur mehr sechs Sitze (anstatt bisher sieben Sitze). Sie ist der Ansicht, dass die Ausschussbesetzung dem Grundsatz der Spiegelbildlichkeit widerspricht.

Der Landkreiswahlausschuss des Beklagten stellte in seiner Sitzung am 28. März 2014 das Ergebnis der Wahl zum Kreistag vom 16. März 2014 und die Sitzverteilung im Kreistag wie folgt fest:

WV-Nr.

Wahlvorschlag

Stimmen

Prozent

Sitze im Kreistag

01

Christlich-Soziale Union (CSU)

1.236.522

46,88%

28

02

Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

324.256

12,29%

7

04

Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

203.743

7,72%

5

05

Unabhängige Wähler (UWG)

218.595

8,29%

5

06

Freie Wähler (FW)

342.485

12,98%

8

07

Ökologisch Demokratische Partei/Parteifreie Bürger (ÖDP/Parteifreie Bürger)

312.150

11,83%

7

In der konstituierenden Sitzung des Kreistags am 12. Mai 2014 beschloss er unter TOP 4 die Geschäftsordnung für den Kreistag, Kreisausschuss und die weiteren Ausschüsse rückwirkend zum 1. Mai 2014. Sie trifft für den Kreisausschuss u. a. folgende Regelungen:

„§ 33 Bestellung des Kreisausschusses

(1) Dem Kreisausschuss gehören der Landrat und 12 Kreisräte an (Art. 27 LKrO).

(2) Die Mitglieder des Kreisausschusses werden vom Kreistag aufgrund der Vorschläge der Parteien und Wählergruppen nach dem d’Hondtschen Verfahren ermittelt. Ergibt die Ermittlung nach dem d’Hondtschen Verfahren eine Überpräsentation einer Partei oder Wählergruppe zulasten einer anderen und kann eine solche Überpräsentation durch alternative Verfahren vermieden werden, ohne dass dies zu einer Unterpräsentation einer anderen Partei oder Wählergruppe führt, sind die Sitze nach dem Verfahren Saint Lague/Schepers zu verteilen.

Bei gleicher Teilungszahl entscheidet die größere Zahl der bei der Wahl auf die betreffenden Parteien oder Wählergruppen abgegebenen Stimmen.“

Ferner beschloss der Kreistag in dieser Sitzung in TOP 9, dass dem Kreisausschuss sieben Mitglieder der CSU und jeweils ein Mitglied der SPD, der Grünen, der UWG, der FW und der ÖDP angehören.

Mit Schreiben vom 26. Mai 2014 reichten die Fraktionen der FW, der Grünen und der ÖDP eine Aufsichtsbeschwerde bei der Regierung von Niederbayern ein. Diese verneinte mit Schreiben vom 24. Juni 2014 das Vorliegen einer unzulässigen Überaufrundung bei der Besetzung des Kreisausschusses. Es komme bei der Berechnung nach dem d’Hondtschen Höchstzahlverfahren bezüglich des letzten Sitzes zu einer Pattsituation. Eine unzulässige „Überaufrundung“ liege aber nicht vor, wenn sich eine solche erst im Wege der Auflösung einer Pattsituation durch einen Losentscheid oder einen Rückgriff auf die Zahl der bei der Wahl abgegebenen Stimmen ergebe. Bei der Frage, ob eine sog. „Überaufrundung“ vorliege, sei allein auf das Resultat des der Berechnung zugrunde gelegten mathematischen Berechnungsverfahrens abzustellen. Der in Art. 27 Abs. 2 Satz 3 der Landkreisordnung (LKrO) zugelassene Rückgriff auf die Wählerstimmen erfolge nicht im Rahmen des d’Hondtschen Verfahrens, sondern in einem von diesem losgelösten, gesetzlich vorgeschriebenen Verfahren zur Auflösung einer Pattsituation, die im Übrigen auch bei einem anderen Berechnungsverfahren auftreten könne.

Mit Schriftsatz vom 11. August 2014, eingegangen beim Verwaltungsgericht Regensburg am selben Tag, ließ die Fraktion der FW Klage erheben und sie im Wesentlichen wie folgt begründen:

Der Beschluss des Beklagten, für die CSU-Fraktion im Kreisausschuss sieben Mitglieder zu bestellen, sei rechtswidrig und verletze die organschaftlichen Rechte der Klägerin. Gemäß Art. 27 Abs. 2 Satz 2 LKrO habe der Kreistag bei der Bestellung der Ausschussmitglieder dem Stärkeverhältnis der in ihm vertretenen Parteien und Wählergruppen Rechnung zu tragen. Der Grundsatz der Spiegelbildlichkeit besage, dass ihnen in den Ausschüssen möglichst genau der Einfluss zustehen solle, der ihrem Wahlergebnis entspreche. Die Ausschüsse müssten ein verkleinertes Abbild des Kreistagsplenums in seinem durch die Fraktionen geprägten und auf die Volkswahl zurückgehenden politischen Stärkeverhältnis darstellen. Mit der Bestellung von sieben Mitgliedern der CSU-Fraktion in einem Ausschuss von zwölf Mitgliedern finde eine deutliche Verzerrung des durch die Kommunalwahl vorgegebenen Stärkeverhältnisses statt. Die Tatsache, dass bei einem Wahlergebnis für die CSU von 46,88%, das zu 28 Kreistagssitzen (46,7% der Sitze im Kreistagsplenum) geführt habe, diese Fraktion im mit Abstand wichtigsten Kreisausschuss für sich eine absolute Mehrheit von 58,33% beanspruchen könne, sei eine ins Gewicht fallende Abweichung vom Wählerwillen und eine eindeutige Verletzung des Spiegelbildgebots. Dies wiege umso schwerer, als der Kreisausschuss wichtige, ihm in der Geschäftsordnung übertragene Aufgaben an Stelle des Kreistags allein und abschließend entscheide und seine Beschlüsse nur unter denselben Voraussetzungen aufgehoben werden könnten, wie Kreistagsbeschlüsse selbst. Für die CSU-Fraktion ergebe sich mit der absoluten Mehrheit im Kreisausschuss eine qualitative Veränderung ihrer Wirkungsmöglichkeiten, die ihr aufgrund des Wahlergebnisses und der Repräsentanz im Kreistagsplenum nicht zukomme. Diese Verletzung des Spiegelbildgebots stelle gleichzeitig einen Verstoß gegen das Demokratieprinzip dar. Die Abstimmungen in den Ausschüssen dürften grundsätzlich nicht zu anderen Ergebnissen führen als im Plenum. Die Aufgabe des Mehrheitsprinzips bestehe darin zu verhindern, dass einer Fraktion, die im Plenum nicht über die Mehrheit verfüge, im Ausschuss eine solche Mehrheit zukomme. Im Plenum könne sich die CSU-Fraktion ohne Unterstützung der Mitglieder anderer Gruppierungen nicht durchsetzen.

Der Kreistag sei gehalten, bei jedem Ausschuss die zwei „Stellschrauben“, mit denen das Spiegelbild hergestellt werden könne, nämlich Ausschussgröße und Berechnungsverfahren, so festzulegen, dass die genannten Grundsätze nicht verletzt würden. Erforderlichenfalls seien entweder die Ausschussgröße oder das zu wählende Zuteilungsverfahren zu variieren. Bei dem Kreisausschuss sei die Größe von zwölf Mitgliedern verbindlich vorgegeben, so dass die Einhaltung des Spiegelbilds über eine Vergrößerung oder Verkleinerung des Kreisausschusses nicht gewährleistet werden könne. Vielmehr könne das Stärkeverhältnis ausschließlich über das vom Kreistag auszuwählende Zählsystem erreicht werden.

Der Kreistag hätte, was er in § 33 Abs. 2 Satz 2 der Geschäftsordnung auch geregelt habe, das für diesen Fall präferierte Zählverfahren nach Sainte-Laguë/Schepers zugrunde legen müssen. Dem stünden weder Art. 27 Abs. 2 Satz 2 noch Art. 27 Abs. 2 Satz 3 LKrO entgegen. Mit dem Wort „dabei“ in Art. 27 Abs. 2 Satz 3 LKrO normiere der Gesetzgeber einen Vorrang des Satzes 2 dergestalt, dass „dem Stärkeverhältnis Rechnung zu tragen sei“. Damit sei festgelegt, dass ein etwaiger Rückgriff bzw. Losentscheid nur nachrangig unter der Voraussetzung möglich sei, dass eine vorher durchgeführte Berechnung das möglichst proporzgenaue Stärkeverhältnis ermittelt habe. Eine nach Satz 2 gebotene „möglichst proporzgenaue“ Berechnung könne vorliegend nur in der Anwendung des Verfahrens Sainte-Laguë/Schepers erfolgen. Die Klägerin könne verlangen, dass an Stelle des d’Hondtschen Verfahrens ein anderes mit der Verfassung und Art. 27 Abs. 2 Satz 2 LKrO vereinbares Berechnungsverfahren gewählt werde.

Das d’Hondtsche Verfahren führe in Verbindung mit der Rückgriffsregelung zu einer Überrepräsentation der CSU im Kreisausschuss. Die Verfahren gemäß § 33 Abs. 2 Satz 1 und Satz 3 der Geschäftsordnung seien keine eigenständigen und voneinander unabhängigen Verfahren, die auch dann kombiniert werden dürften, wenn diese Kombination zu einer Überrepräsentation führe. Die Bestimmungen der Geschäftsordnung müssten mit den Demokratiegrundsätzen der Bayerischen Verfassung und des Grundgesetzes in Einklang stehen. Verfassungskonform könne Art. 27 Abs. 2 LKrO nur so gelesen werden, dass auch die Kombination des gewählten Zählverfahrens mit dem Rückgriff zu einem verkleinerten Abbild des Plenums führen müsse. Um dies zu gewährleisten, sei der Beklagte bei der Wahl des Zählverfahrens in seinem organisatorischen Gestaltungsermessen beschränkt. Er müsse dasjenige Verfahren wählen, das dem Spiegelbildgebot am Präzisesten entspreche. Die Anwendung des Zählverfahrens nach Sainte-Laguë/Schepers führe zu einer dem Stärkeverhältnis entsprechenden Ausschussbesetzung. Die Sitzzuteilung nach d’Hondt führe dagegen zu einer Überaufrundung von 1,40. Es sei vorliegend als Verteilungsverfahren nicht geeignet. Bei der Anwendung des Verfahrens nach Sainte-Laguë/Schepers komme es zu einer 100%-igen Sitzverteilung, ohne dass ein Rückgriff auf die Stimmenzahl erforderlich werde. Auch bei seiner Anwendung entfielen auf die CSU immer noch sechs Sitze, was zu einem Stimmenanteil von 50% im Kreisausschuss und damit zu einer sog. „Blockademehrheit“ führe. Der Bayerische Verfassungsgerichtshof habe bei einer vergleichbaren Konstellation für die Ausschüsse des Bayerischen Landtags entschieden, dass dann, wenn eine Fraktion im Plenum des Landtags weniger als die Hälfte der Sitze innehabe, in den Ausschüssen aber über exakt die Hälfte der Sitze verfüge und damit aus eigener Kraft zwar über keine Gestaltungs-, wohl aber über Blockademöglichkeiten verfüge, der Grundsatz der Spiegelbildlichkeit tangiert sei. Vorliegend komme es für die CSU-Fraktion im Kreisausschuss aber sogar zur absoluten Mehrheit von über 58%. Bei der Anwendung des Verfahrens nach Sainte-Laguë/Schepers erhalte die Fraktion der FW einen weiteren Sitz im Kreisausschuss. Die CSU-Fraktion müsse auf diesen einen Sitz verzichten.

Das Demokratieprinzip und der aus ihm folgende Mehrheitsgrundsatz würden es gebieten, dass die Mehrheitsverhältnisse des Plenums im Ausschuss abgebildet werden. Die hierzu ergangene verfassungsgerichtliche Rechtsprechung sei auch auf die Besetzung der kommunalen Ausschüsse anwendbar. Beim Mehrheitsprinzip handle es sich um einen Grundpfeiler des Demokratieprinzips, das in Art. 45 Abs. 1 Satz 1 LKrO verbindlich normiert sei. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts gelte der Grundsatz, wonach jeder Ausschuss ein verkleinertes Bild des Plenums sei und in seiner Zusammensetzung die Zusammensetzung des Plenums widerspiegeln müsse, auch für kommunale Ausschüsse. Nicht nur die streitgegenständliche Ausschussbesetzung, sondern auch die für die Sitzverteilung maßgeblichen Bestimmungen der Geschäftsordnung seien am Maßstab dieser verfassungsrechtlichen Grundsätze zu messen. Es bestehe ein Rechtsanspruch darauf, dass den Fraktionen im Ausschuss so viele Sitze zugeteilt würden, als es ihrem Stärkeverhältnis im Plenum entspreche. Das Stärkeverhältnis im Plenum sei grundsätzlich streng proporzgerecht auf die Ausschüsse zu übertragen. Das Proporzverhältnis zwischen der Fraktion der FW und der CSU betrage 1,60 zu 5,60. Bei Aufrunden der Stellen würde dies zu einer Verteilung von zwei zu sechs Sitzen im Kreisausschuss führen. Dies entspreche dem Stärkeverhältnis der Fraktionen und spiegle die Repräsentanz der beiden Gruppierungen im Kreistag zutreffend wider. Diesen Grundsatz der strengen Proportionalität setze der Beklagte mit dem d’Hondtschen Verfahren außer Kraft. Zwar habe der Landesgesetzgeber kein bestimmtes Verfahren vorgeschrieben. Berechnungsverfahren seien aber kein Selbstzweck und führten nicht aus sich heraus zu rechtmäßigen Ergebnissen. Das Resultat der Berechnung sei im Hinblick auf den hinter dem Berechnungsverfahren stehenden Zweck, der Spiegelbildlichkeit möglichst nahe zu kommen, einer rechtlichen Überprüfung zugänglich. Der Sprung von 46,7% der Sitzverteilung im Plenum auf 58,33% im Kreisausschuss sei qualitativ ein „Quantensprung“ von der relativen zur absoluten Mehrheit.

Die Klägerin lässt beantragen,

den Beklagten unter Aufhebung des Beschlusses zu TOP 9 der Kreistagssitzung vom 12. Mai 2014 zu verurteilen, dass die Klägerin zwei Sitze und die Beigeladene sechs Sitze im Kreisausschuss erhält.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Nach seiner Ansicht ist der Beschluss des Beklagten vom 12. Mai 2014 rechtmäßig. Es bestehe kein Anspruch auf eine Neubesetzung des Kreisausschusses. Rechtsgrundlage für die Besetzung sei Art. 27 Abs. 2 Satz 2 LKrO. Danach habe der Kreistag dem Stärkeverhältnis der in ihm vertretenen Parteien und Wählergruppen Rechnung zu tragen. Gemäß § 33 Abs. 2 Satz 1 der Geschäftsordnung würden die Mitglieder des Kreisausschusses nach dem d’Hondtschen Verfahren ermittelt. Lediglich für den Fall einer Überrepräsentation seien die Sitze nach dem Verfahren Sainte-Laguë/Schepers zu verteilen, § 33 Abs. 2 Satz 2 der Geschäftsordnung. Komme es - unabhängig vom Berechnungsverfahren - zu einer Pattsituation, entscheide gemäß § 33 Abs. 2 Satz 3 der Geschäftsordnung die größere Zahl der bei der Wahl abgegebenen Stimmen. Bei Anwendung dieses Maßstabs seien auf die CSU zunächst sechs Ausschussmitglieder und auf die anderen Gruppierungen jeweils ein Ausschussmitglied entfallen. Zur Auflösung der Pattsituation sei der zwölfte und letzte Sitz unter Rückgriff auf das Wahlergebnis an die CSU gefallen.

Dieses Ergebnis sei nicht aus kommunal- oder verfassungsrechtlichen Erwägungen zu korrigieren. Der Kreistag sei nicht gehindert, für die Besetzung des Kreisausschusses grundsätzlich das Verfahren d’Hondt anzuwenden. Er habe die freie Wahl unter verschiedenen, den verfassungsrechtlichen Anforderungen des Prinzips der repräsentativen Demokratie und des Gebots der Wahlgleichheit gerecht werdenden Berechnungsverfahren. Die Anwendung des Verfahrens nach d’Hondt sei mit dem Gebot der Spiegelbildlichkeit lediglich dann nicht (mehr) vereinbar, wenn es zugunsten einer Gruppe eine sog. Überaufrundung bewirke, also eine Aufrundung über den nächsten Sitz hinaus. Eine Überaufrundung gebe es vorliegend bei der Besetzung des Kreisausschusses nicht. Nach dem gewählten Berechnungsverfahren ergäben sich aus 5,6 errechneten Sitzen sechs von 12 Sitzen für die Beigeladene. Von einer Überaufrundung könne nicht die Rede sein. Der Fall einer rechtswidrigen „Überaufrundung“ liege dann nicht vor, wenn sich eine solche erst aufgrund einer Verteilung des letzten Ausschusssitzes im Fall einer Pattsituation ergebe. Art. 27 Abs. 2 Satz 3 LKrO lasse eine Abweichung vom Grundsatz der Spiegelbildlichkeit für den Fall zu, dass nach Durchführung des gewählten Berechnungsverfahrens mehrere Gruppen gleichen Anspruch auf einen Sitz hätten. Zulässig sei dann ein Losentscheid oder der Rückgriff auf die Zahl der bei der Wahl abgegebenen Stimmen. Der Umstand, dass dann aufgrund dieser Regelung zur Auflösung der Pattsituation der letzte Sitz durch einen Rückgriff auf das Wahlergebnis verteilt werde, mache das zunächst zulässig gewählte Berechnungsverfahren nicht „rückwirkend“ unzulässig, wenn hierdurch dann die zum Zuge kommende Gruppierung „überrepräsentiert“ werde.

Eine Besetzung des Kreisausschusses nach den Vorstellungen der Klägerin wäre mit Art. 27 Abs. 2 Sätze 2, 3 LKrO i. V. m. der Geschäftsordnung nicht vereinbar. Art. 27 Abs. 2 Satz 3 LKrO regele abschließend, dass der Anspruch auf einen Ausschusssitz durch Losentscheid oder durch Rückgriff auf die abgegebene Stimmenzahl zu ermitteln sei, wenn mehrere Gruppierungen einen gleichrangigen Anspruch auf den Sitz hätten. Dieses Verfahren sei erst dann zulässig, wenn feststehe, dass mehrere Gruppierungen gleichen Anspruch auf einen Ausschusssitz hätten. Ein anderes Verfahren sei unzulässig. Dies setze wiederum voraus, dass zunächst die Sitze, die auf eine Gruppierung entfielen, ermittelt worden seien, um überhaupt zum Ergebnis zu kommen, dass mehrere Parteien oder Wählergruppen einen gleichen Anspruch hätten. Sei die Verteilung des letzten Sitzes per Losentscheid oder Rückgriff auf die Stimmenzahl durchgeführt, sei die Sitzverteilung abgeschlossen. Der Lösungsansatz der Klägerin sei mit diesen Vorgaben unvereinbar. Er liefe darauf hinaus, dass die Sitzverteilung nach Verteilung des letzten Sitzes gemäß Art. 27 Abs. 2 Satz 3 LKrO unter Anwendung eines neuen Zählverfahrens erneut begonnen werde. Hinzu komme, dass nach einer Entscheidung für ein Berechnungsverfahren dieses bis zur Verteilung aller Sitze des jeweiligen Ausschusses konsequent bis zur Beendigung des Berechnungsverfahrens anzuwenden sei und nicht im Lauf des Berechnungsverfahrens auf ein anderes Berechnungsverfahren übergewechselt werden dürfe. Die von der Klägerin gewählte Methode laufe auf Billigkeitserwägungen hinaus, mit denen die bei der jeweiligen Methode auftretenden Fehler minimiert werden sollten, was unzulässig sei.

Art. 27 Abs. 2 Satz 3 LKrO sei weder verfassungswidrig noch so zu lesen, dass auch die Kombination des Zählverfahrens und des Rückgriffs auf das Wahlergebnis zu einem verkleinerten Abbild des Kreistagsplenums führen müssten. Die Vorschrift lasse durch den Rückgriff gerade eine Abweichung von dem Grundsatz zu, dass ein Ausschuss ein verkleinertes Abbild darstellen müsse. Einer solchen Entscheidung seien „Verzerrungen des Abbildes“ immanent. Die Verteilung des letzten Sitzes durch Los oder unter Anknüpfung auf die Zahl der abgegebenen Stimmen sei bisher weder vom Verwaltungsgerichtshof noch vom Bayerischen Verfassungsgerichtshof in Frage gestellt worden.

Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.

Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze, die vorgelegten Behördenunterlagen und die Sitzungsniederschrift über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.

Gründe

1. Die Klage ist zulässig.

Klagegegenstand ist die Verurteilung des Beklagten dahingehend, dass die Klägerin zwei Sitze und die Beigeladene sechs Sitze im Kreisausschuss erhält.

Bei Streitigkeiten über die Rechtmäßigkeit der Besetzung der Ausschüsse eines Kreistags ist der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) eröffnet, da es sich bei einem solchen Streit zwischen einer Kreistagsfraktion und dem Landkreis um eine kommunalverfassungsrechtliche Streitigkeit handelt. Es geht um kommunalverfassungsrechtliche Innenrechtsbeziehungen des Landkreises.

Statthafte Klageart ist die allgemeine Leistungsklage mit kassatorischer Wirkung, die auch die Aufhebung des der Sitzverteilung zugrundeliegenden Kreistagsbeschlusses vom 12. Mai 2014 (TOP 9 der Kreistagssitzung) zum Gegenstand haben kann. Eine Anfechtungsklage scheidet aus, da die Besetzung eines Ausschusses nicht durch einen Verwaltungsakt im Sinne des Art. 35 Satz 1 BayVwVfG erfolgt (vgl. BayVGH vom 31.7.1976 Az. 2 IV 72, BayVBl. 1976, 753/754).

Die Klägerin ist zur Klage befugt, § 42 Abs. 2 VwGO analog. Sie kann die (mögliche) Verletzung ihres Rechts auf angemessene Vertretung in dem Kreisausschuss entsprechend dem Gebot der Spiegelbildlichkeit der Ausschüsse geltend machen. Ihr steht möglicherweise ein Recht aus Art. 27 Abs. 2 Satz 2 LKrO zu, die Ausschussbesetzung zu verändern. Sie hat grundsätzlich einen gerichtlich einklagbaren Anspruch darauf, dass ihr in den Ausschüssen als verkleinertes Abbild des Kreistages so viele Sitze zugeteilt werden, als es dem Stärkeverhältnis der in ihm vertretenen Parteien und Wählergruppen untereinander entspricht (vgl. BayVGH vom 17.3.2004 Az. 4 BV 03.117, vom 2.8.1962 Az. 105 IV 61, VGH n. F. 15, 82/88)

2. Die Klage ist auch begründet, da die Besetzung des Kreisausschusses des Beklagten und der dieser Besetzung zugrundeliegende Kreistagsbeschluss vom 12. Mai 2014 (TOP 9) rechtswidrig sind. Die Ausschussbesetzung widerspricht dem Prinzip der Spiegelbildlichkeit, das in Art. 27 Abs. 2 Satz 2 LKrO einfachgesetzlich verankert ist. Die Anwendung des d’Hondtschen Höchstzahlverfahrens führt in Kombination mit dem Rückgriff auf die Zahl der bei der Kreistagswahl für die Wahlvorschläge abgegebenen Stimmen zu einer unzulässigen Überrepräsentation der beigeladenen CSU-Fraktion, da diese im wichtigsten Ausschuss des Kreistags mit einer absoluten Mehrheit von sieben von insgesamt zwölf Sitzen vertreten ist, obwohl sie im Kreistagsplenum nur 28 von 60 Sitzen hat.

Gemäß Art. 27 Abs. 2 Satz 2 LKrO hat der Kreistag bei der Zusammensetzung der Ausschüsse dem Stärkeverhältnis der in ihm vertretenen Parteien und Wählergruppen Rechnung zu tragen. Haben dabei mehrere Parteien und Wählergruppen gleichen Anspruch auf einen Sitz, so ist statt eines Losentscheids auch der Rückgriff auf die Zahl der bei der Wahl auf diese abgegebenen Stimmen zulässig, Art. 27 Abs. 2 Satz 3 LKrO. Den gesetzlichen Vorgaben des Art. 27 Abs. 2 Satz 2 LKrO genügt § 33 Abs. 2 der Geschäftsordnung für den Kreistag im konkreten Fall nicht, da der Rückgriff auf die Zahl der für die Wahlvorschläge abgegebenen Stimmen bei der CSU-Fraktion im wichtigsten Ausschuss des Kreistags zu einer unzulässigen Überaufrundung führt, die durch die Wahl eines anderen zulässigen Verteilungsverfahrens vermieden werden kann. Eine solche Überaufrundung liegt auch dann vor, wenn sie sich - wie hier - aus der Kombination des Verteilungsverfahrens mit dem Rückgriff auf die Zahl der für die jeweilige Partei oder Wählergruppe abgegebenen Stimmen ergibt.

Das Spiegelbildlichkeitsgebot folgt aus den verfassungsrechtlichen Grundsätzen der repräsentativen Demokratie und der Wahlrechtsgleichheit. Auch wenn der Kreistag kein Parlament, sondern ein Verwaltungsorgan einer Selbstverwaltungskörperschaft ist, repräsentiert er die Bürger des Landkreises. Diese Repräsentation vollzieht sich nicht nur im Kreistagsplenum, sondern auch in den Ausschüssen (vgl. hierzu BVerwG vom 10.3.2003 Az. 8 C 18/03 m.w.N). Die Ausschüsse einer kommunalen Gebietskörperschaft müssen grundsätzlich als verkleinerte Abbilder des Plenums dessen Zusammensetzung und das darin wirksame politische Meinungs- und Kräftespektrum widerspiegeln (vgl. BVerwG vom 27.3.1992 Az. 7 C 20.91). Ein Ausschuss muss soweit als möglich ein verkleinertes Abbild des Plenums sein (vgl. BayVGH vom 17.3.2004 Az. 4 BV 03.117 und 4 BV 03.1159).

Die Fraktionen haben bei der Ausschussbesetzung Anspruch auf Berücksichtigung nach Maßgabe ihrer jeweiligen Mitgliederzahl (vgl. BVerwG vom 7.12.1992 Az. 7 B 49.92). Hat eine Fraktion einen Anspruch auf mehrere Sitze in einem Ausschuss, kann sie diese auch beanspruchen. Der Grundsatz der Spiegelbildlichkeit der Zusammensetzung von Ausschüssen gewinnt bei den beschließenden Ausschüssen erhöhte Bedeutung, weil sie in ihrem Aufgabenbereich die Repräsentationstätigkeit der Gesamtheit der vom Volk gewählten Ratsmitglieder nicht nur im Weg von Beschlussvorschlägen teilweise vorwegnehmen, sondern durch die verbindliche Entscheidung der ihnen zur Erledigung zugewiesenen Aufgaben ersetzen (vgl. BVerwG vom 27.3.1992 a. a. O.).

Maßgeblich für die Zusammensetzung der Ausschüsse ist das Zahlenverhältnis der auf die verschiedenen Wahlvorschläge hin gewählten Kreisräte, also die Zahl ihrer Sitze im Plenum, nicht die von den Parteien und Wählergruppen erreichte Stimmenzahl (vgl. BayVGH vom 1.3.2000 Az. 4 B 99.1172). Die in einem Ausschuss zu vergebenden Sitze sind nach dem Verhältnis zuzuteilen, in welchem die auf sie entfallenden Kreistagssitze zueinander stehen (vgl. BayVGH vom 17.3.2004 Az. 4 BV 03.117). Geschäftsordnungen, die dem Spiegelbildlichkeitsprinzip widersprechen, sind insoweit nichtig und für die Verwaltungsgerichte unbeachtlich (vgl. VG Regensburg vom 8.3.2006 Az. RO 3 K 05.02175). Die Autonomie des Kreistags bei der Bestimmung der Mitgliederzahl von Ausschüssen sowie der Wahl des Besetzungsverfahrens ist insoweit gebunden, als dem Stärkeverhältnis der im Kreistag vertretenen Fraktionen und Gruppen Rechnung zu tragen ist (vgl. BayVGH vom 17.3.2004 a. a. O.). Da der Kreisausschuss gemäß Art. 26 Abs. 1 Satz 1 LKrO ein verpflichtender ständiger Ausschuss mit einer gesetzlich strikt vorgegebenen Anzahl von Mitgliedern (Art. 27 Abs. 1 Satz 2 LKrO) ist, kann dem Stärkeverhältnis nur mit der Wahl eines rechtmäßigen Berechnungsverfahrens Rechnung getragen werden.

Dabei hat der Landesgesetzgeber den kommunalen Gremien - anders als z. B. in Art. 35 Abs. 2 des Gemeinde- und Landkreiswahlgesetzes (GLKrWG) - kein bestimmtes Berechnungsverfahren vorgegeben. Sie haben grundsätzlich die Wahlmöglichkeit unter verschiedenen, den verfassungsrechtlichen Anforderungen des Prinzips der repräsentativen Demokratie und des Gebots der Wahlgleichheit gerecht werdenden Berechnungsverfahren. Dabei entsprechen die gängigen Verfahren - nämlich das Höchstzahlverfahren nach d’Hondt, das Verfahren nach Sainte-Laguë/Schepers und das Restverteilungsverfahren nach Hare-Niemeyer - grundsätzlich dem Gebot der Wahlgleichheit nach Maßgabe des verbesserten Verhältniswahlrechts (vgl. zum Verfahren nach d’Hondt BayVerfGH vom 26.10.2009 Vf. 16-VII-08).

Die den Kreistagen im Rahmen des Art. 27 Abs. 2 Satz 2 LKrO eingeräumte Wahlmöglichkeit beruht auf der Erkenntnis, dass allen Berechnungsverfahren spezifische Fehler immanent sind. Hinzu kommt, dass weder die Ausschussmitglieder noch die Ausschusssitze teilbar sind. In einer derartigen Situation wechselseitig begünstigender und belastender Rundungsfehler stoßen der strikte Normbefehl des Art. 27 Abs. 2 Satz 2 LKrO und damit die richterliche Kontrolle an ihre Grenzen. Daraus ergeben sich aber zugleich die Grenzen der Wahlmöglichkeiten, die das Gesetz den Kreistagen eröffnet. Denn jeder Ausschuss muss soweit wie möglich ein verkleinertes Abbild des Plenums sein und die Mehrheitsverhältnisse im Plenum widerspiegeln. Die Anwendung des Verfahrens nach d’Hondt ist dann nicht mehr mit dem Gebot der Spiegelbildlichkeit vereinbar, wenn es zugunsten einer Gruppe eine sogenannte Überaufrundung bewirkt (vgl. BayVGH vom 17.3.2004 Az. 4 BV 03.1159 und 4 BV 03.117). In einem solchen Fall ist auf ein alternatives Berechnungsverfahren zurückzugreifen, das zu keiner Überrepräsentierung führt, aber auch zu keiner Unterrepräsentation einer anderen Gruppe führen darf. Die Berechnungsverfahren sind kein Selbstzweck und führen nicht aus sich heraus zu rechtmäßigen Ergebnissen (vgl. BayVGH vom 17.3.2004 Az. 4 BV 03.117). Sie bieten nur mathematische Techniken, um mit den in der Praxis regelmäßig auftretenden Bruchzahlen umgehen zu können. Das Resultat ist daher einer rechtlichen Überprüfung im Hinblick auf dem hinter den Berechnungsverfahren stehenden Zweck, nämlich der Spiegelbildlichkeit möglichst nahe zu kommen, fähig und bedürftig.

Der Beklagte hat für den Fall einer Überaufrundung bestimmt, dass die Sitze im Kreisausschuss nach dem Verfahren Saint-Laguë/Schepers zu verteilen sind, wenn die Ermittlung nach dem d’Hondtschen Verfahren eine Überrepräsentation einer Partei oder Wählergruppe zulasten einer anderen ergibt und eine solche Überrepräsentation durch alternative Verfahren vermieden werden kann, ohne dass dies zu einer Unterrepräsentation einer anderen Partei oder Wählergruppe führt, § 33 Abs. 2 Satz 2 der Geschäftsordnung. Den Fall einer Überrepräsentierung aufgrund der Kombination von d’Hondt und einem Losentscheid bzw. dem Rückgriff auf die Zahl der abgegebenen Stimmen hat er dagegen in der Geschäftsordnung nicht geregelt.

Um eine Überaufrundung festzustellen, muss zunächst eine mathematische Proportionalberechnung durchgeführt werden. Dazu ist die Anzahl der Kreisräte der jeweiligen Fraktion mit der Anzahl der zu vergebenden Ausschusssitze zu multiplizieren und durch die Anzahl aller Gemeinderatssitze zu teilen:

Fraktionen

Sitze im Kreistag

Proportionalberechnung bei 60 Kreisräten und 12 Ausschussmitgliedern

CSU

28

5,60

SPD

7

1,4

Grüne

5

1

UWG

5

1

FW

8

1,6

ÖDP

7

1,4

Die Verteilung der Ausschusssitze nach dem d’Hondtschen Verfahren zeigt folgende Übersicht:

Teiler

CSU

SPD

Grüne

UWG

FW

ÖDP

1

28

7

5

5

8

7

2

14

4

3

9,33

4

7

5

5,66

6

4,66

7

4

Danach können nach dem d’Hondtschen Verfahren elf Sitze im Kreisausschuss ohne Schwierigkeiten verteilt werden. Davon stehen der CSU-Fraktion sechs Ausschusssitze und den anderen Fraktionen jeweils ein Ausschusssitz zu. Eine Überrepräsentation der CSU-Fraktion im Sinne des § 33 Abs. 2 Satz 2 der Geschäftsordnung ergibt sich aus der Anwendung dieses Verfahrens nicht, da sie sechs Sitze erhält und ihr rechnerisch 5,6 Sitze zustehen. Eine Überaufrundung im Sinne der Geschäftsordnung kommt nämlich nur in Betracht, wenn die Beigeladene einen ganzen Sitz mehr erhalten hätte, als ihr rechnerisch zusteht (vgl. BayVGH vom 17.3.2004 Az. 4 BV 03.117). Durch die Vergabe des zwölften Ausschusssitzes gemäß § 33 Abs. 2 Satz 3 der Geschäftsordnung an die CSU-Fraktion erhält diese aber sieben Ausschusssitze. Eine solche Verteilung entspricht zwar den Vorgaben der Geschäftsordnung, sie ist aber mit dem Gebot der Spiegelbildlichkeit des Art. 27 Abs. 2 Satz 2 LKrO nicht mehr vereinbar, da die Beigeladene infolge der Kombination beider Verfahren eine Überaufrundung erreicht. Dies ist nach der Rechtsüberzeugung des Gerichts nicht anders zu behandeln als eine Überrepräsentation, die nur auf dem gewählten Berechnungsverfahren beruht.

Zwar ist die Anwendung des Berechnungsverfahrens nach d’Hondt grundsätzlich zulässig. Eine Verteilung nach einem alternativen Berechnungsverfahren wäre gemäß der autonomen Rechtssetzungsmöglichkeit des Kreistags ebenfalls möglich. Wenn sich der Kreistag für ein bestimmtes Verfahren entschieden hat, muss er dieses auch konsequent bis zur Verteilung aller Sitze im jeweiligen Ausschuss anwenden und darf grundsätzlich nicht auf ein anders aufgebautes Verfahren überwechseln (vgl. BayVGH vom 17.3.2004 a. a. O. m.w.N). Wie der Beklagte zu Recht ausführt, sind Billigkeitserwägungen im Sinne einer Minimierung des bei der jeweiligen Methode auftretenden Gesamtfehlers unzulässig (vgl. BayVGH vom 17.3.2004 a. a. O. m.w.N). Der Kreistag ist aber verpflichtet ein Verfahren zu wählen, das die Mehrheitsverhältnisse so abbildet, dass eine Überrepräsentation auch bei einer Kombination mit dem Rückgriff auf die Zahl der für die Wahlvorschläge abgegebenen Stimmen vermieden wird. Es gibt verfassungsrechtlich zulässige Berechnungsverfahren, die die Überaufrundung vermeiden, ohne gleichzeitig bei einer anderen Fraktion zu einer Unterrepräsentierung zu führen. So ergibt die Verteilung der Sitze im Kreisausschuss nach dem Verfahren Sainte-Laguë/Schepers, dass der Klägerin zwei und der Beigeladenen sechs Sitze zustehen und eine Pattsituation vermieden wird:

Teiler

CSU

SPD

Grüne

UWG

FW

ÖDP

1

28

7

5

5

8

7

3

9,33

2,33

1,67

1,67

2,67

2,33

5

5,6

7

4

9

3,11

11

2,55

Prozentual:

50%

8,33%

8,33%

8,33%

16,67%

8,33%

Auch das Verfahren Hare-Niemeyer führt zu einer solchen Verteilung der Ausschusssitze:

Fraktionen

Sitze im Kreistag

Zahl der Sitze der Fraktion im Kreistag X Ausschusssitze /Gesamtzahl der Kreistagsmitglieder

CSU

28

5,6 = 5 + 1

SPD

7

1,4 = 1

Grüne

5

1= 1

UWG

5

1 = 1

FW

8

1,6 = 1 + 1

ÖDP

7

1,4 = 1

Zu berücksichtigen ist dabei, dass der Kreisausschuss als verpflichtender Ausschuss gemäß Art. 27 LKrO der wichtigste Ausschuss des Landkreises ist. Er bereitet gemäß § 30 Abs. 1 der Geschäftsordnung nicht nur die Verhandlungen des Kreistags vor. Ihm sind in eigener Verantwortung Verwaltungsaufgaben übertragen, die nicht dem Kreistag, weiteren beschließenden Ausschüssen oder dem Landrat vorbehalten sind, § 31 Satz 1 der Geschäftsordnung. Er erledigt an Stelle des Kreistags die ihm übertragenen Angelegenheiten, Art. 26 Satz 2 LKrO. Der Kreissauschuss beschließt im Rahmen seiner Zuständigkeit endgültig, § 31 Satz 2 der Geschäftsordnung. Ein wesentlicher Teil der Beschlussfassungen erfolgt nicht im Plenum, sondern in den Ausschüssen, und hier insbesondere im Kreisausschuss. Da der Kreistag relativ selten zusammentritt, ist die Stellung des Kreisausschusses wesentlich gewichtiger als die eines Gemeindesenats (vgl. Hölzl/Hien/Huber, Gemeindeordnung, Art. 27 LKrO, Nr. 2). Beim Kreisausschuss kommt deshalb dem Grundsatz der Spiegelbildlichkeit besondere Bedeutung zu. Während die CSU-Fraktion im Kreistagsplenum mit 28 Sitzen nur auf einen Anteil von 46,67% kommt, nimmt sie nach der gegenwärtigen Verteilung im Kreisausschuss mit 58,33% dort die absolute Mehrheit ein. Sie hat damit im wichtigsten Ausschuss des Landkreises eine Gestaltungsmehrheit, die ihr nach der Sitzverteilung im Plenum nicht zukommt.

Zwar wird in der Literatur die Auffassung vertreten, dass eine solche Überaufrundung rechtlich nicht bedenklich sei, weil der Losentscheid und der Rückgriff auf die Zahl der Wählerstimmen in einem von dem d’Hondtschen Verfahren losgelösten gesetzlich vorgeschriebenen Verfahren zur Auflösung einer Pattsituation geschieht, die im Übrigen auch bei einem anderen Berechnungsverfahren auftreten könne (vgl. z. B. Gaß, KommP BY 2009, S. 42, 45; Prandl/Zimmermann/Büchner/Pahlke, Art. 33 GO, Nr. 4.2). Auch das Bayerische Staatsministerium des Innern sieht einen Losentscheid bei einer Pattsituation nicht als einen Fall der Überaufrundung im Sinne der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs an (vgl. IMS vom 13.7.2004 Az. IB1-1413.1-28). Jedenfalls wenn bei der Zusammensetzung des Kreisausschusses die Gestaltungsmehrheit verändert wird, vermag sich die Kammer dem nicht anzuschließen.

Die gegenständliche Besetzung des Kreisausschusses begegnet auch in verfassungsrechtlicher Hinsicht Bedenken (vgl. hierzu BVerfG vom 8.12.2004 Az. 2 BvE 3/02 und BayVerfGH vom 26.11.2009 Vf. 32-IVa-09). Zwar ist ein Kreisausschuss kein parlamentarisches Gremium, sondern ein Verwaltungsorgan des Landkreises. Allerdings kommt auch hier zum Tragen, dass auch beim Kreissauschuss alle Fraktionen ein grundsätzlich gleiches Recht auf Zugang haben müssen (vgl. BayVerfGH vom 26.11.2009 a. a. O.) Der Bayerische Verfassungsgerichtshof hat eine Repräsentation der CSU-Fraktion im Landtag bereits mit der Hälfte der Sitze, also mit 50%, in den mit 16, 20 und 22 Mitgliedern besetzten Ausschüssen als bedenklich angesehen, weil sie im Plenum nur 49,2% der Sitze innehatte. Verfassungsrechtlich umso bedenklicher ist ein „Sprung“ von 46,67% auf 58,33%, der nicht nur wie damals im Landtag eine „Blockademehrheit“, sondern sogar eine „Gestaltungsmehrheit“ eröffnet, welche die CSU-Fraktion im Kreistagsplenum nicht hat. Zu bedenken ist auch, dass der Gesetzgeber für die Landkreise, anders als für den Land- oder Bundestag, die Spiegelbildlichkeit bei der Ausschussbesetzung vorgegeben hat. Zudem, dass die Parlamentsausschüsse in wesentlich geringerem Umfang anstelle des Plenums ein Letztentscheidungsrecht haben als ein Kreisausschuss. Schließlich auch, dass zu den Mitgliedern des Kreisausschusses noch der Landrat als Ausschussvorsitzender hinzutritt, der tendenziell eher mit „seiner“ Mehrheitsfraktion stimmen dürfte. Auch nach den oben dargestellten alternativen Berechnungsverfahren erhält die Beigeladene sechs Sitze im Kreisausschuss, obwohl ihr Anteil im Kreistagsplenum geringer ist als bei der CSU-Landtagsfraktion in der Entscheidung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs. Das Bundesverfassungsgericht hat den Grundsatz der Spiegelbildlichkeit für die Ausschüsse des Bundestags bekräftigt, aber auch festgestellt, dass dieser Grundsatz mit dem Prinzip stabiler parlamentarischer Mehrheitsbildung in Einklang zu bringen ist (vgl. BVerfG vom 8.12.2004 a. a. O.). Im vorliegenden Fall kommt dem Gesichtspunkt der „Regierungsunfähigkeit“ nicht diese Bedeutung zu, da der Kreistag kein Parlament ist und die CSU-Fraktion - rechnet man den Landrat dazu - auch weiterhin eine Gestaltungsmehrheit hat.

Die Sache ist auch spruchreif. Die Heranziehung des d’Hondtschen Verfahrens in Kombination mit der Zahl der für die CSU bei der Kreistagswahl abgegebenen Stimmen ist wegen Verstoßes gegen das Spiegelbildlichkeitsprinzip ausgeschlossen. Die anderen in Betracht kommenden anerkannten Berechnungsverfahren nach Sainte-Laguë/Schepers, das nach der Geschäftsordnung des Beklagten für den Fall einer Überrepräsentation nach d’Hondt Anwendung findet, und nach Hare-Niemeyer führen zu den gleichen Resultaten. Nach diesen Berechnungsverfahren stehen der Klägerin zwei und der Beigeladenen sechs Sitze im Kreisausschuss zu.

Aus diesen Gründen hatte die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO Erfolg. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst, vgl. § 162 Abs. 3 VwGO, weil sie keine Anträge gestellt hat und damit auch kein Kostenrisiko eingegangen ist. Die Kostenentscheidung war gemäß § 167 Abs. 1 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO für vorläufig vollstreckbar zu erklären.

Die Berufung war gemäß § 124a Abs. 1 Satz 1, § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen. Die Urteile des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 17. März 2004 (Az. 4 BV 03.117 und 4 BV 03.1159) beziehen sich nach Ansicht der Kammer nur auf eine Überrepräsentation, die sich allein aus dem gewählten Verteilungsverfahren ergibt. Nicht entschieden ist vom Verwaltungsgerichtshof bislang, ob sich eine unzulässige Überaufrundung auch - wovon die Kammer überzeugt ist - aus der Kombination des Verteilungsverfahrens mit dem Rückgriff auf die Zahl der für die Wahlvorschläge abgegebenen Stimmen oder einen Losentscheid ergeben kann.

Urteilsbesprechung zu {{shorttitle}}
{{count_recursive}} Urteilsbesprechungen zu {{shorttitle}}

moreResultsText


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl
{{title}} zitiert {{count_recursive}} §§.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl
1 Referenzen - Urteile
{{Doctitle}} zitiert oder wird zitiert von {{count_recursive}} Urteil(en).

published on 14/01/2015 00:00

Tenor I. Die Klage wird abgewiesen. II. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens. III. Das Urteil ist in Ziffer II. vorläufig vollstreckbar. Tatbestand Die Fraktion der Freien Wähler (
{{count_recursive}} Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren {{Doctitle}}.

Annotations

(1) Der Verwaltungsrechtsweg ist in allen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art gegeben, soweit die Streitigkeiten nicht durch Bundesgesetz einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen sind. Öffentlich-rechtliche Streitigkeiten auf dem Gebiet des Landesrechts können einem anderen Gericht auch durch Landesgesetz zugewiesen werden.

(2) Für vermögensrechtliche Ansprüche aus Aufopferung für das gemeine Wohl und aus öffentlich-rechtlicher Verwahrung sowie für Schadensersatzansprüche aus der Verletzung öffentlich-rechtlicher Pflichten, die nicht auf einem öffentlich-rechtlichen Vertrag beruhen, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben; dies gilt nicht für Streitigkeiten über das Bestehen und die Höhe eines Ausgleichsanspruchs im Rahmen des Artikels 14 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes. Die besonderen Vorschriften des Beamtenrechts sowie über den Rechtsweg bei Ausgleich von Vermögensnachteilen wegen Rücknahme rechtswidriger Verwaltungsakte bleiben unberührt.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden.

(2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Kosten sind die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens.

(2) Die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts oder eines Rechtsbeistands, in den in § 67 Absatz 2 Satz 2 Nummer 3 und 3a genannten Angelegenheiten auch einer der dort genannten Personen, sind stets erstattungsfähig. Soweit ein Vorverfahren geschwebt hat, sind Gebühren und Auslagen erstattungsfähig, wenn das Gericht die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig erklärt. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können an Stelle ihrer tatsächlichen notwendigen Aufwendungen für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen den in Nummer 7002 der Anlage 1 zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz bestimmten Höchstsatz der Pauschale fordern.

(3) Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nur erstattungsfähig, wenn sie das Gericht aus Billigkeit der unterliegenden Partei oder der Staatskasse auferlegt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

In den Fällen des § 708 Nr. 4 bis 11 hat das Gericht auszusprechen, dass der Schuldner die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden darf, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet. § 709 Satz 2 gilt entsprechend, für den Schuldner jedoch mit der Maßgabe, dass Sicherheit in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages zu leisten ist. Für den Gläubiger gilt § 710 entsprechend.

(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nicht befugt.

(2) Die Berufung ist, wenn sie von dem Verwaltungsgericht zugelassen worden ist, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht einzulegen. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.

(3) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 2 innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.

(4) Wird die Berufung nicht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, so ist die Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss. Die Berufung ist zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 dargelegt ist und vorliegt. Der Beschluss soll kurz begründet werden. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.

(6) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 5 innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Absatz 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.

(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.