Verwaltungsgericht Regensburg Urteil, 02. Okt. 2014 - 8 K 14.1338

published on 02/10/2014 00:00
Verwaltungsgericht Regensburg Urteil, 02. Okt. 2014 - 8 K 14.1338
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Tenor

I.

Der Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger hinsichtlich der mit Antrag vom 11.6.2013 eingereichten Rechnung vom 24.5.2013 weitere Beihilfe in Höhe von 3.270,35 € zu gewähren.

II.

Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III.

Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger erstrebt weitere Beihilfeleistungen unter dem Gesichtspunkt der unrichtigen Erstattung.

Der 1940 geborene Kläger ist beihilfeberechtigt mit einem Bemessungssatz von 70%. Er befand sich vom 2.5.2013 bis 13.5.2013 in stationärer Behandlung im Universitätsklinikum Regensburg. Hierzu erstellte das Universitätsklinikum Regensburg eine Rechnung vom 24.5.2013 über 70% der Kosten in Höhe von 10.901,17 €; die restlichen 30% in Höhe von 4.671,93 € erstattete die private Krankenversicherung des Klägers. Mit Antrag vom 11.6.2013 reichte der Kläger die Rechnung vom 24.5.2013 bei der Beihilfestelle ein. Mit Bescheid vom 19.6.2013 gewährte das Landesamt für Finanzen, Dienststelle L., Beihilfe in Höhe von 70% aus dem Rechnungsbetrag von 10.901,17 € (das sind 7.630,82 €). Mit Schreiben vom 27.8.2013 reklamierte der Kläger die Sachbehandlung. Erst durch die Abrechnung der privaten Krankenversicherung sei ihm aufgefallen, dass die Beihilfestelle aus dem bereits auf 70% bezogenen Rechnungsbetrag unzutreffender Weise noch einmal 70% herausgerechnet habe. Mit Widerspruchsbescheid vom 25.9.2013 lehnte das Landesamt für Finanzen, Dienststelle L., eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ab und wies den Widerspruch zurück. Auf die Bescheide wird Bezug genommen.

Mit Schreiben seiner Bevollmächtigten vom 16.6.2014 ließ der Kläger dann eine Korrektur des Bescheids vom 19.6.2013 in Höhe der Differenz von 3.270,35 € wegen offensichtlicher Unrichtigkeit beantragen. Mit Bescheid vom 8.7.2014 lehnte das Landesamt für Finanzen, Dienststelle L., eine Korrektur ab. Ein offensichtlicher Rechenfehler liege nicht vor, der Bescheid vom 19.6.2013 sei quasi mehrfach bestandskräftig.

Mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 7.8.2014 hat der Kläger vorliegende Klage erheben lassen. Der Bescheid vom 19.6.2013 sei offensichtlich unrichtig und um den Differenzbetrag von 3.270,35 € zu korrigieren.

Der Kläger beantragt,

den Beklagten zu verpflichten, dem Kläger hinsichtlich der mit Antrag vom 11.6.2013 eingereichten Rechnung vom 24.5.2013 weitere Beihilfe in Höhe von 3.270,35 € zu gewähren.

Der Beklagte beantragt unter Bezugnahme auf die streitgegenständlichen Bescheide,

die Klage abzuweisen.

Mit Beschluss vom 1.9.2014 hat die Kammer den Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichts- und beigezogenen Behördenakten sowie auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 15.9.2014 Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist zulässig und begründet.

Der Kläger hat Anspruch auf weitere Beihilfe in Höhe von 3.270,35 € hinsichtlich der Rechnung vom 24.5.2013.

1. Der Bescheid vom 19.6.2013 enthält zwar keine offenbare Unrichtigkeit im Sinne von Art. 42 BayVwVfG.

Eine Unrichtigkeit im Sinne von Art. 42 BayVwVfG liegt (nur) vor, wenn in der Formulierung des Verwaltungsakts etwas anderes ausgesagt wird, als die Behörde gewollt hat, nicht dagegen, wenn der Behörde bei ihrer Willensbildung ein Fehler unterlaufen ist (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, Rn. 5 zu § 42). Bei der Festsetzung der Beihilfe auf 70% aus dem Rechnungsbetrag mit Bescheid vom 19.6.2013 handelt es sich nicht um einen Schreib- oder Rechenfehler oder eine vergleichbaren Fehler im Sinne der Vorschrift. Vielmehr hat die Sachbearbeiterin schlicht übersehen, dass die Rechnung vom 24.5.2013 bereits auf den beihilfefähigen Betrag bezogen war (Fehler in der Tatsachenfeststellung). Folglich hat sie bewusst eine Erstattung von 70% aus dem Rechnungsbetrag vorgenommen (Rechtsfolgefehler).

2. Ein Anspruch des Klägers auf Beihilfe ergibt sich jedoch aus Art. 96 BayBG i. V. m. der BayBhV.

a) Der Kläger ist danach mit einem Bemessungssatz von 70% beihilfeberechtigt. Unstreitig sind folglich aus der Rechnung vom 24.5.2013 10.901,17 € beihilfefähig, wie sich auch aus dem Bescheid vom 19.6.2013 ergibt. Weiter unstreitig hat der Beklagte bisher lediglich 70% hieraus (7.630,82 €) erstattet. Noch offen ist die Differenz von 3.270,35 €. Die einschlägige Rechnung vom 24.5.2013 liegt der Beihilfestelle vor. Der Antrag vom 11.6.2013 ist rechtzeitig gestellt (§ 48 Abs. 1 und 7 BayBhV).

b) Dem Anspruch steht nicht die Bestandskraft des Bescheids vom 19.6.2013 entgegen. Mit Bescheid vom 19.6.2013 hat die Beihilfestelle - soweit hier einschlägig - einen ausschließlich begünstigenden Verwaltungsakt getroffen. Nachdem irrtümlich aus dem bereits auf 70% bezogenen Rechnungsbetrag lediglich 70% als Beihilfe festgesetzt worden sind, hat die Behörde hinsichtlich des streitgegenständlichen Rests nicht bewusst eine versagende Entscheidung getroffen. Dies hat zur Folge, dass der Antrag des Klägers insoweit noch offen ist, der Kläger also noch eine Entscheidung der Behörde fordern kann.

c) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Bestandskraft des Widerspruchsbescheids vom 25.9.2013. Eine Entscheidung in der Sache enthält dieser nämlich nicht. Vielmehr wird lediglich eine Wiedereinsetzung in der vorigen Stand, wie vom Kläger mit Schreiben vom 27.8.2013 beantragt, abgelehnt. Einer solchen bedurfte es aber nicht, weil - wie eben ausgeführt - ein Vorgehen gegen eine versagende Entscheidung nicht veranlasst war.

d) Mit Bescheid vom 8.7.2014 hat die Behörde lediglich eine Korrektur des Bescheids vom 19.6.2013 wegen offenbarer Unrichtigkeit nach Art. 42 BayVwVfG abgelehnt, nicht aber über den immer noch offenen Antrag vom 11.6.2013 hinsichtlich des streitgegenständlichen Restbetrags entschieden.

3. Soweit man dieser Auffassung nicht folgen wollte, ergäbe sich ein Anspruch des Klägers auf weitere Beihilfe in Höhe von 3.270,35 € daraus, dass er Anspruch auf ein Wiederaufgreifen des Verfahrens im weiteren Sinne hätte, und in dem neuen Verfahren entsprechende Beihilfe zu gewähren wäre.

a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann die Behörde - auch wenn die in § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG normierten Voraussetzungen nicht vorliegen - ein abgeschlossenes Verwaltungsverfahren nach pflichtgemäßem Ermessen wiederaufgreifen und eine neue - der gerichtlichen Überprüfung zugängliche - Sachentscheidung treffen (sog. Wiederaufgreifen im weiteren Sinne). Diese Möglichkeit findet ihre Rechtsgrundlage in § 51 Abs. 5 i. V. m. §§ 48 und 49 VwVfG (vgl. etwa BVerwG vom 2.4.2014 Az. 2 B 9/12 m. w. N.). Die dort verankerte Ermächtigung der Behörden zum Erlass eines Zweitbescheids, der an die Stelle des ersten Bescheides tritt oder diesen inhaltlich ergänzt, ermöglicht die nachträgliche Korrektur inhaltlich unrichtiger Entscheidungen (BVerfG vom 27.9.2007 Az. 2 BvR 1613/07; BVerwG vom 28.4.2009 Az. 2 A 8.08; BVerwGE 101, 64/69 ff.). Die Aufhebung eines Verwaltungsakts, kann also unter den Voraussetzungen der vorgenannten Rechtsnormen - grundsätzlich im weiten Ermessen der Behörde - auch dann erfolgen, wenn dieser bestandskräftig geworden ist.

b) Ein entsprechender Anspruch des Klägers auf Aufhebung des bestandskräftigen Bescheids vom 19.6.2013 und des bestandskräftigen Widerspruchsbescheids vom 25.9.2013 gemäß Art. 48 BayVwVfG ergäbe sich hier daraus, dass das Rücknahmeermessen der Beihilfestelle auf Null reduziert wäre. Die hier vorliegenden Umstände des Einzelfalls ließen nämlich eine Aufrechterhaltung der bestandskräftigen Bescheide mit Blick auf das Gebot der materiellen Gerechtigkeit als schlechthin unerträglich bzw. als Verstoß gegen die guten Sitten oder Treu und Glauben erscheinen (vgl. BVerwGE 95, 86 ff.; 122, 103 ff.; BayVGH vom 29.11.2011 Az. 19 BV 11.1915; VG München vom 28.2.2014 Az. M 21 K 12.2290).

Der Bescheid vom 19.6.2013 setzt unstreitig eine zu geringe Beihilfe fest. Die Reduzierung des Betrags aus der Rechnung vom 24.5.2013 auf 70% war fehlerhaft, der Fehler stammt ausschließlich aus der Sphäre des Beklagten. Zu Unrecht hat die Behörde mit Widerspruchsbescheid vom 25.9.2013 auch eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach Art. 32 Abs. 1 BayVwVfG abgelehnt. Zur Überzeugung des Gerichts war der Kläger nämlich ohne Verschulden gehindert, die Widerspruchs- bzw. Klagefrist von einem Monat einzuhalten. Die Beihilfestelle hat nämlich durch ihren eigenen Fehler vereitelt, dass der Kläger die Fehlerhaftigkeit des Bescheids erkennen konnte. In nicht hinnehmbarer Weise stellt die Behörde jetzt an den über 70-jährigen Kläger höhere Anforderungen hinsichtlich der Nachprüfung des Beihilfebescheids als sie selbst an ihre Mitarbeiter stellt. Bei sorgfältiger Sachbehandlung hätte aber vorrangig die zuständige Sachbearbeiterin der Beihilfestelle erkennen können und müssen, dass die Rechnung vom 24.5.2013 bereits den auf die Beihilfe bezogenen Betrag enthält. Der Bescheid war nicht, wie bei einer Versagung oder Kürzung der Beihilfe üblich, mit einem entsprechenden Hinweis versehen, dass bzw. warum die geltend gemachten Aufwendungen nicht in vollem Umfang als beihilfefähig anerkannt werden. Der Kläger konnte daher davon ausgehen, dass - wie auch von der Sachbearbeiterin gewollt und so auch geschehen - eine Kürzung nicht vorgenommen worden ist. Die Sachbearbeiterin hätte hingegen bei gehöriger Aufmerksamkeit sofort erkennen können und müssen, dass die Rechnung vom 24.5.2013 bereits auf 70% reduziert war, nachdem dort in einer eigenen Spalte hinter jeder abgerechneten Einzelposition in Fettdruck 70% angegeben ist. Die Anmahnung von Nachprüfungspflichten beim Kläger, der damals auch gesundheitlich angeschlagen war, kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass in erster Linie die vom Beklagten zu vertretende oberflächliche Sachbearbeitung durch die Beihilfestelle zur Fehlerhaftigkeit des Bescheids geführt hat. Insoweit treten eventuelle Versäumnisse des Klägers in den Hintergrund. Aus Sicht eines billig und gerecht Denkenden hätte es sich der Beihilfestelle nach dem Schreiben des Klägers vom 27.8.2013 aufdrängen müssen, eigene Fehler zu korrigieren und hinsichtlich des noch ausstehenden Restbetrags Beihilfe zu gewähren, weil auch im umgekehrten Fall einer Überzahlung von der Möglichkeit nach Art. 48 BayVwVfG gebraucht gemacht worden wäre. Stattdessen hat die Beihilfestelle mit den nicht haltbaren formalen Gründen im Widerspruchsbescheid vom 25.9.2013 weiter versucht, eigene Defizite in der Sachbearbeitung zu verschleiern. Das Gericht verkennt dabei nicht, dass der Kläger - aus objektiv nicht nachvollziehbaren Gründen - trotz ordnungsgemäßer Rechtsbehelfsbelehrung gegen den Widerspruchsbescheid vom 25.9.2013 nicht rechtzeitig vorgegangen ist und erstmals wieder mit Anwaltsschreiben vom 16.6.2014, also fast neun Monate später, sein Korrekturbestreben weiterverfolgen lässt. Auf die versäumte Anfechtung des Widerspruchsbescheids kommt es zwar, wie oben ausgeführt, ohnehin nicht an. Der Beklagte muss sich insoweit aber jedenfalls entgegen halten lassen, dass - wie bei der Bescheidsrücknahme im Fall einer Überzahlung - dem Kläger die Jahresfrist nach Art. 48 Abs. 4 BayVwVfG zugute kommen muss. Schließlich spricht auch die nicht unerhebliche Summe des streitgegenständlichen Betrags für den Kläger, während gegen den Beklagten spricht, dass er bei ordnungsgemäßer Sachbearbeitung ohnehin Beihilfe in dieser Höhe hätte erbringen müssen.

4. Kosten: § 154 Abs. 1 VwGO.

5. Vorläufige Vollstreckbarkeit: § 167 VwGO i. V. m. § 709 ZPO.

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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

Andere Urteile sind gegen eine der Höhe nach zu bestimmende Sicherheit für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Soweit wegen einer Geldforderung zu vollstrecken ist, genügt es, wenn die Höhe der Sicherheitsleistung in einem bestimmten Verhältnis zur
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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

Andere Urteile sind gegen eine der Höhe nach zu bestimmende Sicherheit für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Soweit wegen einer Geldforderung zu vollstrecken ist, genügt es, wenn die Höhe der Sicherheitsleistung in einem bestimmten Verhältnis zur
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published on 02/04/2014 00:00

Tenor Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 1. November 2011, berichtigt durch Beschluss vom gleichen Tag,
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Annotations

(1) Die Behörde hat auf Antrag des Betroffenen über die Aufhebung oder Änderung eines unanfechtbaren Verwaltungsaktes zu entscheiden, wenn

1.
sich die dem Verwaltungsakt zugrunde liegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des Betroffenen geändert hat;
2.
neue Beweismittel vorliegen, die eine dem Betroffenen günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden;
3.
Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung gegeben sind.

(2) Der Antrag ist nur zulässig, wenn der Betroffene ohne grobes Verschulden außerstande war, den Grund für das Wiederaufgreifen in dem früheren Verfahren, insbesondere durch Rechtsbehelf, geltend zu machen.

(3) Der Antrag muss binnen drei Monaten gestellt werden. Die Frist beginnt mit dem Tage, an dem der Betroffene von dem Grund für das Wiederaufgreifen Kenntnis erhalten hat.

(4) Über den Antrag entscheidet die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der Verwaltungsakt, dessen Aufhebung oder Änderung begehrt wird, von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(5) Die Vorschriften des § 48 Abs. 1 Satz 1 und des § 49 Abs. 1 bleiben unberührt.

(1) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), darf nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 zurückgenommen werden.

(2) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistung gewährt oder hierfür Voraussetzung ist, darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte gewährte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, wenn er

1.
den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat;
2.
den Verwaltungsakt durch Angaben erwirkt hat, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig waren;
3.
die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte.
In den Fällen des Satzes 3 wird der Verwaltungsakt in der Regel mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen.

(3) Wird ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der nicht unter Absatz 2 fällt, zurückgenommen, so hat die Behörde dem Betroffenen auf Antrag den Vermögensnachteil auszugleichen, den dieser dadurch erleidet, dass er auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat, soweit sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse schutzwürdig ist. Absatz 2 Satz 3 ist anzuwenden. Der Vermögensnachteil ist jedoch nicht über den Betrag des Interesses hinaus zu ersetzen, das der Betroffene an dem Bestand des Verwaltungsaktes hat. Der auszugleichende Vermögensnachteil wird durch die Behörde festgesetzt. Der Anspruch kann nur innerhalb eines Jahres geltend gemacht werden; die Frist beginnt, sobald die Behörde den Betroffenen auf sie hingewiesen hat.

(4) Erhält die Behörde von Tatsachen Kenntnis, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes rechtfertigen, so ist die Rücknahme nur innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme zulässig. Dies gilt nicht im Falle des Absatzes 2 Satz 3 Nr. 1.

(5) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(1) Ein rechtmäßiger nicht begünstigender Verwaltungsakt kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden, außer wenn ein Verwaltungsakt gleichen Inhalts erneut erlassen werden müsste oder aus anderen Gründen ein Widerruf unzulässig ist.

(2) Ein rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakt darf, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft nur widerrufen werden,

1.
wenn der Widerruf durch Rechtsvorschrift zugelassen oder im Verwaltungsakt vorbehalten ist;
2.
wenn mit dem Verwaltungsakt eine Auflage verbunden ist und der Begünstigte diese nicht oder nicht innerhalb einer ihm gesetzten Frist erfüllt hat;
3.
wenn die Behörde auf Grund nachträglich eingetretener Tatsachen berechtigt wäre, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen, und wenn ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet würde;
4.
wenn die Behörde auf Grund einer geänderten Rechtsvorschrift berechtigt wäre, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen, soweit der Begünstigte von der Vergünstigung noch keinen Gebrauch gemacht oder auf Grund des Verwaltungsaktes noch keine Leistungen empfangen hat, und wenn ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet würde;
5.
um schwere Nachteile für das Gemeinwohl zu verhüten oder zu beseitigen.
§ 48 Abs. 4 gilt entsprechend.

(3) Ein rechtmäßiger Verwaltungsakt, der eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistung zur Erfüllung eines bestimmten Zwecks gewährt oder hierfür Voraussetzung ist, kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise auch mit Wirkung für die Vergangenheit widerrufen werden,

1.
wenn die Leistung nicht, nicht alsbald nach der Erbringung oder nicht mehr für den in dem Verwaltungsakt bestimmten Zweck verwendet wird;
2.
wenn mit dem Verwaltungsakt eine Auflage verbunden ist und der Begünstigte diese nicht oder nicht innerhalb einer ihm gesetzten Frist erfüllt hat.
§ 48 Abs. 4 gilt entsprechend.

(4) Der widerrufene Verwaltungsakt wird mit dem Wirksamwerden des Widerrufs unwirksam, wenn die Behörde keinen anderen Zeitpunkt bestimmt.

(5) Über den Widerruf entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zu widerrufende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(6) Wird ein begünstigender Verwaltungsakt in den Fällen des Absatzes 2 Nr. 3 bis 5 widerrufen, so hat die Behörde den Betroffenen auf Antrag für den Vermögensnachteil zu entschädigen, den dieser dadurch erleidet, dass er auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat, soweit sein Vertrauen schutzwürdig ist. § 48 Abs. 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend. Für Streitigkeiten über die Entschädigung ist der ordentliche Rechtsweg gegeben.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Andere Urteile sind gegen eine der Höhe nach zu bestimmende Sicherheit für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Soweit wegen einer Geldforderung zu vollstrecken ist, genügt es, wenn die Höhe der Sicherheitsleistung in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages angegeben wird. Handelt es sich um ein Urteil, das ein Versäumnisurteil aufrechterhält, so ist auszusprechen, dass die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil nur gegen Leistung der Sicherheit fortgesetzt werden darf.