Verwaltungsgericht Regensburg Beschluss, 30. Apr. 2014 - 5 S 14.50067
Gericht
Tenor
I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
I.
Der Antragsteller, der die Staatsangehörigkeit von Mali besitzt, begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen eine Abschiebungsanordnung in einem Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt).
Nach den Angaben des Antragstellers reiste dieser am 2.9.2013 in die Bundesrepublik Deutschland ein, wo er am 18.9.2013 einen Asylantrag stellte. Bei seiner Befragung zur Vorbereitung der Anhörung vor dem Bundesamt am 29.11.2013 gab der Antragsteller an, bereits im September 2011 einen Asylantrag in Italien gestellt zu haben. In Italien habe er einen Aufenthalt für drei Jahre bekommen. Er habe deshalb keine Probleme gehabt, in Italien zu leben. Er brauche dort nur seine Aufenthaltsdokumente, die ihm von der deutschen Polizei abgenommen worden seien.
Da für das Bundesamt auch aufgrund eines Abgleichs der Fingerabdrücke Anhaltspunkte für die Zuständigkeit Italiens für die Durchführung des Asylverfahrens gemäß der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18.2.2003 (ABl. L50 vom 25.2.2003, S. 1 ff. - im Folgenden: Dublin-II-VO) vorlagen, richtete das Bundesamt am 6.12.2013 ein Übernahmeersuchen an Italien.
Mit Fax vom 19.3.2014 teilte das Bundesamt den italienischen Behörden mit, dass mangels Rückantwort auf das Übernahmeersuchen vom 6.12.2013 davon ausgegangen werde, dass Italien das Wiederaufnahmeersuchen akzeptiert habe.
Mit Bescheid vom 7.4.2014, dem Antragsteller zugestellt am 10.4.2014, entschied das Bundesamt, dass der Asylantrag unzulässig sei. Aufgrund des vom Antragsteller bereits in Italien gestellten Asylantrags sei dieses Land gemäß Art. 16 Abs. 1 Buchst. c) Dublin-II-VO für die Behandlung des Asylantrages zuständig. Außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Bundesrepublik Deutschland veranlassen könnten, ihr Selbsteintrittsrecht gemäß Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO auszuüben, seien nicht ersichtlich. In Ziffer 2 des Bescheides wurde die Abschiebung des Antragstellers nach Italien angeordnet.
Am 14.4.2014 ließ der Antragsteller Klage gegen den Bescheid erheben, die unter dem Az. RN 5 K 14.50068 geführt wird. Zugleich ließ er in Bezug auf die Abschiebungsanordnung vorläufigen Rechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO beantragen. Er habe einen Anspruch auf Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art. 3, 15 Dublin-II-VO aus humanitären Gründen. Die Situation von Flüchtlingen in Italien sei geprägt durch eine weitverbreitete Obdachlosigkeit. Die Wohnungssituation von Dublin-II-Rückkehrern stelle sich als besonders prekär dar. Auch bestehe nur ein sehr eingeschränkter Zugang zu medizinischer Versorgung. Auch die Versorgung von Traumatisierten und psychisch Kranken sei in Italien unzureichend. Die Situation in Italien für Flüchtlinge sei insgesamt als „dramatisch“ einzustufen, weshalb eine Verpflichtung zur Ausübung des Selbsteintrittsrechts durch die Bundesrepublik Deutschland bestehe.
Hinzu komme, dass der Antragsteller reiseunfähig sei. Aus Attesten der Drs. med. ... vom 30.1.2014 sowie von Dr. med. ... vom 18.2.2014 ergebe sich, dass der Antragsteller psychisch krank sei. Deshalb sei die Reisefähigkeit von Seiten des Bundesamtes abzuklären. Die Abschiebungsanordnung im streitgegenständlichen Bescheid dürfe daher nicht vollzogen werden.
Der Antragsteller beantragt sinngemäß,
die aufschiebende Wirkung seiner Klage gegen die Abschiebungsanordnung im Bescheid des Bundesamtes vom 7.4.2014 anzuordnen.
Die Antragsgegnerin beantragt unter Bezugnahme auf die Gründe des streitgegenständlichen Bescheides,
den Antrag abzulehnen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie auf das den Antragsteller betreffende Aktengeheft des Bundesamtes, das dem Gericht vorgelegen hat, Bezug genommen.
II.
Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO hat keinen Erfolg.
1. Das Verwaltungsgericht kann nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO die aufschiebende Wirkung der Klage anordnen, wenn der Sofortvollzug eines Verwaltungsaktes durch Gesetz angeordnet ist, wie dies hier der Fall ist (vgl. §§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO, 75 Satz 1 AsylVfG). Betrifft das Verfahren eine nach § 34a Abs. 1 AsylVfG angeordnete Abschiebung, so ist der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO gemäß § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylVfG innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe der Abschiebungsanordnung zu stellen, was vorliegend geschehen ist.
Bei seiner Entscheidung hat das Gericht eine Interessenabwägung durchzuführen, im Rahmen derer das Interesse des Antragstellers an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage und das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Abschiebungsanordnung gegeneinander abzuwägen sind. Im Rahmen dieser Abwägung spielen die Erfolgsaussichten der Hauptsacheklage eine wesentliche Rolle. Lassen sich diese nach der im Eilrechtsschutzverfahren gebotenen aber auch ausreichenden summarischen Überprüfung der Sach- und Rechtslage nicht hinreichend sicher abschätzen, so führt dies zu einer von den Erfolgsaussichten der Klage unabhängigen Interessenabwägung (vgl. Kopp/Schenke, 19. Aufl. 2013, § 80 Rn. 146 ff., insb. Rn. 152).
Ein Abweichen von diesen allgemeinen Grundsätzen der Entscheidungsfindung im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO ist vorliegend nicht geboten. Insbesondere ist die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage nicht erst bei ernstlichen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides des Bundesamtes geboten, wie dies in den Fällen der Ablehnung eines Asylantrages als unbeachtlich oder offensichtlich unbegründet gemäß der gesetzlichen Anordnung in § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylVfG der Fall ist. Diese Modifizierung des Prüfungsmaßstabes im Eilrechtsschutzverfahren hat der Gesetzgeber nicht auf Rechtsschutzverfahren gegen nach § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG erlassene Abschiebungsanordnungen ausgedehnt, so dass es hier bei den allgemeinen Grundsätzen verbleibt (VG Regensburg
2. Gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG stellt das Gericht auf die zum Entscheidungszeitpunkt geltende Sach- und Rechtslage ab. Gleichwohl sind im vorliegenden Fall allein die Bestimmungen der Dublin-II-VO maßgeblich, obwohl diese Verordnung bereits durch die sog. Dublin-III-VO (Verordnung (EU) Nr. 604/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.6.2013 - ABl. L 180 vom 29.6.2013, S. 31 ff.) abgelöst worden ist. Nach Art. 49 Abs. 2 Dublin-III-VO sind nämlich auf Asylanträge, die vor dem 1.1.2014 gestellt worden sind, weiterhin die Zuständigkeitskriterien der Dublin-II-VO anwendbar.
3. Das Bundesamt hat die Anordnung der Abschiebung nach Italien auf § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG gestützt. Danach ordnet das Bundesamt die Abschiebung in einen sicheren Drittstaat (§ 26a AsylVfG) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 27a AsylVfG) an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann.
Hier hat das Bundesamt die Abschiebung nach Italien angeordnet, weil die italienischen Behörden auf das Wiederaufnahmegesuch der Bundesrepublik Deutschland vom 6.12.2013 weder fristgemäß (vgl. Art. 20 Abs. 1 Buchst. c) Dublin-II-VO) noch überhaupt geantwortet haben. Dies hat gemäß Art. 20 Abs. 1 Buchst. c) Dublin-II-VO zur Folge, dass davon auszugehen ist, dass Italien die Wiederaufnahme des Antragstellers akzeptiert hat.
a) Keine Rolle spielt es insoweit, ob Italien tatsächlich der nach dem Dublin-Regime zuständige Staat für die Durchführung des Asylverfahrens ist. Bei den europarechtlichen Zuständigkeitsvorschriften handelt es sich um reine zwischenstaatliche Regelungen, die grundsätzlich keine subjektiven Rechten von Asylbewerbern begründen, wonach das Asylverfahren in einem bestimmten Mitgliedstaat durchgeführt werden muss. Die Rechtsstellung des Einzelnen wird durch das europäische Zuständigkeitssystem lediglich insoweit geschützt, als jedenfalls ein zuständiger Vertragsstaat für die Prüfung des Asylbegehrens eines Drittstaatsangehörigen gewährleistet sein muss. Demgemäß sind die in der Dublin-II-VO niedergelegten Zuständigkeitsregeln an die Mitgliedstaaten adressiert und sehen Rechte und Pflichten für die EU-Mitgliedstaaten vor. Damit wird in erster Linie die Beschleunigung der Bearbeitung von Asylanträgen im Interesse sowohl der Asylbewerber als auch der am gemeinsamen europäischen Asylsystem teilnehmenden Staaten bezweckt. Hat ein Mitgliedstaat daher gegenüber einem anderen Staat seine Zuständigkeit nach der Dublin-II-VO erklärt, kann der hiervon betroffene Asylbewerber insoweit nicht geltend machen, dass dieser Staat für die Durchführung des Asylverfahrens an sich unzuständig sei. Ein subjektives vor den Gerichten durchsetzbares Recht auf Durchführung des Asylverfahrens im nach der Dublin-II-VO zuständigen Mitgliedstaat besteht somit grundsätzlich nicht (EuGH vom 10.12.2013, Rs. C-394/12
Der Regelung des § 34a AsylVfG, wonach die Abschiebung ohne materielle Prüfung des in der Bundesrepublik Deutschland gestellten Asylantrags erfolgen soll, liegt das sogenannte Konzept der normativen Vergewisserung zugrunde. Grundlage und Rechtfertigung des gemeinsamen europäischen Asylsystems ist die Vermutung, dass das Asylverfahren und die Aufnahme der Asylbewerber in jedem Mitgliedsstaat in Einklang steht mit den Anforderungen der Charta der Grundrechte der EU, der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention. Deshalb ist davon auszugehen, dass dem Asylsuchenden im Zielstaat der Abschiebung keine politische Verfolgung droht (vgl. EuGH vom 10.12.2013, Rs. C-394/12
Die Rechtsprechung lässt jedoch in eng begrenzten Ausnahmefällen Abweichungen von diesem Konzept zu. Das Konzept der normativen Vergewisserung wird danach insbesondere dann durchbrochen, wenn - wie dies der Europäische Gerichtshof formuliert - ernsthaft zu befürchten ist, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im Zielstaat der Abschiebung systemische Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung des Asylbewerbers im Sinne von Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GR-Charta) implizieren (vgl. EuGH vom 21.12.2011, verb. Rs. C-411/10
Für das durch den Untersuchungsgrundsatz geprägte verwaltungsgerichtliche Verfahren hat das Kriterium der systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union nach einem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 19.3.2014 (Az. 10 B 6.14
„Der Tatrichter muss sich zur Widerlegung der auf dem Prinzip gegenseitigen Vertrauens unter den Mitgliedstaaten gründenden Vermutung, die Behandlung der Asylbewerber stehe in jedem Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Grundrechte-Charta sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK, die Überzeugungsgewissheit (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) verschaffen, dass der Asylbewerber wegen systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen in dem eigentlich zuständigen Mitgliedstaat mit beachtlicher, d. h. überwiegender Wahrscheinlichkeit (vgl. Urteil vom 27. April 2010 - BVerwG
Zu prüfen ist demnach, ob in Italien die Mindeststandards bei der Behandlung von Asylbewerbern im Allgemeinen eingehalten werden. Fehlleistungen im Einzelfall stellen das Konzept der normativen Vergewisserung nicht in Frage. Erst wenn der Asylbewerber nach der Überzeugung des Gerichts wegen größerer Funktionsstörungen des italienischen Asylverfahrens mit überwiegender Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung zu erwarten hat, muss eine Abschiebung dorthin unterbleiben, mit der Folge, dass der Antrag nach § 80 Abs. 5 erfolgreich ist. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union bedeutet dies dann allerdings noch nicht, dass der Asylbewerber gegen die Bundesrepublik Deutschland einen Anspruch auf Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO hat (vgl. dazu unten 3. b)). Die Bundesrepublik ist in einem derartigen Fall lediglich verpflichtet, die Prüfung der Kriterien des Kapitels III der Dublin-II-VO fortzuführen, um festzustellen, ob ein anderer Mitgliedsstaat nach einem dieser Kriterien oder andernfalls nach Art. 13 Dublin-II-VO als zuständig bestimmt werden kann (EuGH vom 14.11.2013, Rs. C-4/11
In Bezug auf Italien ist der zur Entscheidung berufene Einzelrichter nach aktuellem Kenntnisstand davon überzeugt, dass Asylbewerbern im Falle ihrer Rücküberstellung in dieses Land keine menschenunwürdige Behandlung im eben beschriebenen Sinn droht. Nach der im Eilrechtsschutzverfahren allein möglichen summarischen Prüfung ist nicht davon auszugehen, dass die Mindeststandards bei der Behandlung von Asylbewerbern in Italien schon im Allgemeinen nicht eingehalten werden.
Die Situation von Migranten in Italien wird im Bericht von Maria Bethke und Dominik Bender „Zur Situation von Flüchtlingen in Italien“, Februar 2011, veröffentlicht von Pro-Asyl und im gemeinsamen Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe und von Juss-Buss (Norwegen) „Asylverfahren und Aufnahmebedingungen in Italien“, Mai 2011 (veröffentlicht von der Schweizerischen Flüchtlingshilfe) als äußerst dramatisch geschildert. Insbesondere aufgrund dieser Berichte haben verschiedene Gerichte in der Vergangenheit eine Überstellung von Flüchtlingen nach Italien als unzulässig angesehen und Abschiebungen nach Italien im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes ausgesetzt (vgl. nur: VG Meiningen
Aus Sicht des entscheidenden Einzelrichters ist jedoch die sich aus den oben zitierten Berichten ergebende Einschätzung, dass die Situation in Italien im Hinblick auf die Versorgung von Asylbewerbern mit Unterkunft, Verpflegung und mit medizinischen Leistungen dem europäischen Mindeststandard nicht entspricht, aufgrund neuerer Berichte des Auswärtigen Amtes (AA) und insbesondere des UNHCR überholt. Grundaussagen der beiden oben zitierten Berichte war, dass den italienischen Behörden aufgrund der großen Anzahl von Asylbewerbern die Situation „über den Kopf gewachsen“ war und sie nicht in der Lage waren, Asylbewerbern in ausreichendem Maße die notwendige Versorgung mit Unterkunft etc. zukommen zu lassen. Zentraler systemischer Mangel war danach die unzureichende Kapazität an Unterkünften. Unterkünfte waren und sind die Basis für die Abdeckung der Grundbedürfnisse der Asylbewerber wie Nahrung oder persönliche Hygiene. Sie sind auch für den Zugang zur medizinischen Versorgung von großer Bedeutung. Die Berichte beruhen allerdings auf Erhebungen im Zeitraum September bis Dezember 2010. Die dort dargestellte Situation ist nunmehr jedoch überholt. Nach aktuellen dem Gericht vorliegenden Auskünften des Auswärtigen Amtes und des UNHCR hat sich die Situation in Italien wie folgt entwickelt:
Durch die sehr hohen Immigrationszahlen und Asylanträge (10.860) in der ersten Jahreshälfte 2011 („Notstand Nord-Afrika“) ist das Asylsystem Italiens vorübergehend unter Druck geraten (doppelte Antragsquote gegenüber Vorjahreszeitraum). Deshalb konnte die Verfahrensdauer vielfach nicht eingehalten werden und die Aufnahmezentren waren überbelegt. Mittlerweile hat sich die Situation jedoch mit nachlassendem Zustrom und der verbesserten Koordinierung der Unterbringung durch das Innenministerium und den Zivilschutz wieder reguliert (AA vom 9.12.2011 an VG Braunschweig; AA vom 29.11.2011 an VG Darmstadt). Das Aufnahmesystem in Italien wurde in den letzten Jahren verbessert und erst kürzlich um einen Notfallaufnahmeplan (verwaltet von der Abteilung für Zivilschutz) ergänzt, der eingeführt wurde, um auf die Migrationsbewegungen aus Nord-Afrika seit Januar 2011 zu reagieren (UNHCR vom 24.4.2012 an VG Braunschweig). Das Aufnahmesystem umfasst derzeit Aufnahmezentren für Asylsuchende (CARA), Aufnahmezentren für Migranten (CDA), lokale Projekte im Rahmen des Schutzsystems für Asylsuchende und Flüchtlinge (SPRAR) und Zentren in sogenannten „großstädtischen Gebieten“ (UNHCR vom 24.42012 an VG Braunschweig). Asylbewerber werden derzeit praktisch vollständig untergebracht und versorgt, da die Aufnahmekapazitäten vorhanden sind. Während des Asylverfahrens haben die Asylbewerber Anspruch auf Unterbringung, Verpflegung, medizinische Versorgung, psychologische Hilfe und Dolmetscher. Finanzielle Hilfe ist allerdings nur für den Fall vorgesehen, dass alle Plätze in den Aufnahmezentren belegt sind. Diese Möglichkeit wurde bisher nicht umgesetzt. Nach Italien zurückgeführten Personen wird eine Unterkunft zugeteilt, sofern ein Asylantrag gestellt wird bzw. das Asylverfahren noch weiter geführt wird. Allerdings stellen viele Rückkehrer, da sie nicht in Italien bleiben wollen, keinen Asyl- oder Schutzantrag, weshalb ihnen die staatlichen Aufnahmezentren und andere Leistungen nicht offen stehen (AA vom 29.11.2011 an VG Darmstadt; AA vom 9.12.2011 an VG Braunschweig; AA vom 11.7.2012 an VG Freiburg). Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass aufgrund der dem Gericht vorliegenden Berichte davon auszugehen ist, dass Italien Asylbewerbern in ausreichendem Maß Unterkünfte zur Verfügung stellen und damit einhergehend auch deren Grundbedürfnisse nach Nahrung etc. decken kann. Dies gilt jedenfalls dann, wenn ein formeller Asylantrag gestellt worden ist. Wird dagegen kein Asylantrag gestellt, so ist die sich daraus ergebende Situation für den Ausländer nicht durch die Verfahrensregelungen des italienischen Asylverfahrens verursacht. Es ist vielmehr allein dem Drittstaatsangehörigen anzulasten, wenn er sich bewusst außerhalb des geltenden Asylsystems in Italien aufhält.
Nach alledem vermag das Gericht keine durchgreifenden Anhaltspunkte für systemische Mängel bezüglich des Asylverfahrens und/oder der Aufnahmebedingungen in Italien zu erkennen. Insbesondere lassen sich systemische Mängel auch nicht durch das von J. G. (Flüchtlingsorganisation borderline-europe) erstellte Gutachten vom Dezember 2012 „Zur Lage von Asylsuchenden und Dublin-Rückkehrern“ (abgedruckt in: Asylmagazin 2013, 26), welches im Auftrag des Verwaltungsgerichts Braunschweig erstellt worden ist, herleiten. Das Gutachten beschäftigt sich in erster Linie mit den Aufnahmebedingungen, der Sicherung des Lebensunterhaltes und der Gesundheitsfürsorge der Asylsuchenden in Italien. Mit dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (Beschluss vom 6.2.2013, Az. 17 L 150/13.A
Bestätigt wird dies durch eine neuere Auskunft des Auswärtigen Amtes an das Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt vom 21.1.2013 (Gz. 508-9-516.80/47560). Darin ist ausgeführt, dass nach Erkenntnissen der Botschaft derzeit alle Asylbewerber/Flüchtlinge in öffentlichen Zentren untergebracht werden können. Gegebenenfalls gebe es lokale/regionale Überbelegungen, italienweit seien aber genügend Plätze vorhanden. Es sei nicht davon auszugehen, dass jene Personen, die in den staatlichen Aufnahmeeinrichtungen und staatlichen Unterkünften keinen Platz finden, regelmäßig oder überwiegend obdachlos „auf der Straße“ oder in „Elendsquartieren“ leben müssten. Auch könne in der Praxis nicht davon ausgegangen werden, dass Asylbewerber und Flüchtlinge ihren Lebensunterhalt regelmäßig durch Betteln und Prostitution sichern müssten. Auch seien die Verhältnisse in den staatlichen Aufnahmezentren und Unterkünften nicht dergestalt, dass die Bewohner in ständiger Angst leben müssten, „angegriffen, ausgeraubt oder gar vergewaltigt“ zu werden. Im Regelfall oder gar überwiegend sei nicht davon auszugehen, dass Asylbewerber und Flüchtlinge in Italien bzw. Rückkehrer nach der Dublin-II-VO nach Italien dort unter Verhältnissen leben müssten, welche man gemeinhin als „Dahinvegetieren am Rande des Existenzminimums“ (Betteln, Leben auf der Straße etc.) bezeichnen könne. Hierbei handele es sich um Einzelfälle.
Ferner vermag auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte keine systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen in Italien zu erkennen. Nach dessen Rechtsprechung steht Art. 3 EMRK der Überstellung von Asylbewerbern nach Italien im Rahmen des Dublin-Systems regelmäßig nicht entgegen. Dies gelte unter Berücksichtigung der zahlreichen Berichte von Nichtregierungsorganisationen auch für besonders schutzbedürftige Personengruppen, wie etwa Alleinerziehende mit Kleinkindern oder traumatisierte Personen (EGMR vom 2.4.2013, ZAR 2013, 336) sowie auch für Asylbewerber mit einer posttraumatischen Belastungsstörung und einer somatoformen Schmerzstörung (EGMR vom 18.6.2013, ZAR 2013, 338). In der erstgenannten Entscheidung hat der Gerichtshof ferner ausgeführt, allein die Tatsache, dass die wirtschaftlichen und sozialen Lebensverhältnisse der Beschwerdeführerin im dortigen Verfahren durch eine Rückführung nach Italien bedeutend geschmälert würden, sei nicht ausreichend, um einen Verstoß gegen Art. 3 EMRK zu begründen.
Nach alledem kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Situation in Italien dergestalt ist, dass ausnahmsweise ein Abweichen von der Regelung des § 34a Abs. 2 AsylVfG geboten wäre (vgl. auch die Beschlüsse der entscheidenden Kammer vom 6.3.2014, RN 5 S 14.30209
Im konkreten Fall kommt hinzu, dass der Antragsteller gegenüber der Polizei angegeben hat, er sei auf dem Rückweg nach Italien gewesen, als er im Zug von München nach Bologna von der Polizei aufgegriffen worden sei. Ein Freund habe ihm telefonisch aufgefordert, nach Italien zurück zu kommen, weil er für den Antragsteller eventuell eine Arbeit habe. Deshalb sei der Antragsteller in Richtung Italien unterwegs gewesen (Bl. 31 der Bundesamtsakte). Dies lässt nur den Schluss zu, dass auch der Antragsteller selbst keine erniedrigende oder unmenschliche Behandlung in Italien befürchtet. Anders ist seine ursprüngliche Absicht, nach Italien zurück zu kehren nämlich nicht zu erklären.
b) Der Antragsteller kann auch keinen Anspruch auf die Ausübung des Selbsteintrittsrechts gemäß Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO geltend machen. Nach dieser Vorschrift kann jeder Mitgliedsstaat einen Asylantrag prüfen, auch wenn er nach den in der Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist. Die Bestimmungen der Dublin-II-VO begründen - auch hinsichtlich der Selbsteintrittskompetenz - grundsätzlich keine subjektiven Rechte des Asylbewerbers. Sie dienen - wie bereits oben ausgeführt - alleine der internen Verteilung der Lasten und Verantwortung unter den EU-Mitgliedstaaten (vgl. VG Berlin
Da es sich bei dem Selbsteintritt um einen Ausnahmefall handelt, müssen außergewöhnliche Gründe vorliegen, die Deutschland verpflichten könnten, das Selbsteintrittsrecht gemäß Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO auszuüben. Solche sind dann gegeben, wenn außergewöhnliche humanitäre, familiäre oder krankheitsbedingte Gründe vorliegen, die nach der Werteordnung der Grundrechte einen Selbsteintritt erfordern (vgl. VG Bremen
Nach dem ärztlichen Attest der Drs. med. ... vom 30.1.2014 besteht beim Antragsteller ein Verdacht auf Pityriasis versicolor, eine posttraumatische Störung sowie eine Schlafstörung. Im Attest von Dr. med. ... wird eine Anpassungsstörung mit ängstlich depressiver Symptomatik diagnostiziert.
Unabhängig davon, ob die beim Kläger diagnostizierten Erkrankungen tatsächlich vorliegen und welchen Schweregrad sie aufweisen, ist jedenfalls davon auszugehen, dass Erkrankungen der diagnostizierten Art auch in Italien behandelt werden können und der Kläger Zugang zum italienischen Gesundheitssystem hat. In Italien können sich alle Ausländer beim Servizio Sanitario Nazionale melden und registrieren lassen. Dafür benötigen sie ihren Aufenthaltstitel, ihre Steuernummer, die sie bei der Agenzia delle Entrate erhalten, sowie eine feste Adresse. Selbst wenn kein fester Wohnsitz besteht, kann über Sammeladressen bei der Caritas eine entsprechende Anmeldung erreicht werden. Mit der Registrierung haben alle Zugang zu einem Allgemeinarzt und kostenloser Behandlung. Überweisungen an Spezialisten bzw. Fachärzte werden kostenlos übernommen. Eine ärztliche Versorgung ist im Allgemeinen auch gewährleistet, soweit es um die Behandlung von psychischen bzw. traumatischen Erkrankungen geht. Eine kostenfreie medizinische Versorgung steht auch Personen zu, die nicht in einer staatlichen Unterkunft untergebracht sind. Die Notambulanz ist für alle Personen in Italien kostenfrei (vgl. dazu: AA an das OVG Sachsen-Anhalt vom 21.1.2013).
c) Nach dem Wortlaut des § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG darf eine Abschiebungsanordnung erst dann erfolgen, wenn feststeht, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann. Deshalb muss die Abschiebung nicht nur rechtlich möglich sein, sondern sie muss auch tatsächlich durchführbar sein. Während bei der Abschiebungsandrohung die Prüfung inlandsbezogener Vollstreckungshindernisse regelmäßig durch die Ausländerbehörde zu erfolgen hat, ist dies bei der Abschiebungsanordnung anders. Eine Abschiebung darf nur dann erfolgen, wenn diese rechtlich und tatsächlich möglich ist. Andernfalls ist die Abschiebung auszusetzen (Duldung). Liegen somit Duldungsgründe im Sinne des § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG vor, so ist die Abschiebung unmöglich und kann auch im Sinne des § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG nicht durchgeführt werden. Abweichend von der üblichen Aufgabenverteilung zwischen Bundesamt und Ausländerbehörde hat das Bundesamt bei der Abschiebungsanordnung auch die Verantwortung dafür zu übernehmen, dass keine inlandsbezogenen Vollstreckungshindernisse vorliegen (vgl. BayVGH vom 12.3.2014, Az. 10 CE 14.427
Ein Anspruch auf Aussetzung der Abschiebung nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG ist unter anderem gegeben, wenn die konkrete Gefahr besteht, dass sich der Gesundheitszustand des Ausländers durch die Abschiebung wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtert und wenn diese Gefahr nicht durch bestimmte Vorkehrungen ausgeschlossen oder gemindert werden kann. Diese Voraussetzungen können nicht nur erfüllt sein, wenn und solange der Ausländer ohne Gefährdung seiner Gesundheit nicht transportfähig ist (Reiseunfähigkeit im engeren Sinne), sondern auch, wenn die Abschiebung als solche außerhalb des Transportvorgangs eine erhebliche konkrete Gesundheitsgefahr für den Ausländer bewirkt (Reiseunfähigkeit im weiteren Sinne; vgl. BayVGH vom 18.10.2013, Az. 10 CE 13.1890 und 10 CE 13.1891
Dass der Antragsteller diese Voraussetzungen erfüllt, ergibt sich aus den vorgelegten ärztlichen Attesten nicht. Nur ein Attest, das die Folgen nachvollziehbar darlegt, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, ist nämlich zur Glaubhaftmachung eines Abschiebungshindernisses geeignet. Erforderlich ist somit eine konkrete Äußerung zur Frage der Transportunfähigkeit bzw. dazu, ob sich der Gesundheitszustand durch eine Ausreise oder Abschiebung als unmittelbare Folge davon wesentlich verschlechtern wird oder ob sich daraus gegebenenfalls eine Suizidgefahr ergibt (BayVGH vom 8.2.2013, Az. 10 CE 12.2396
Beide vom Antragsteller vorgelegten ärztlichen Atteste enthalten keinerlei Aussagen darüber, dass aufgrund der bestehenden Erkrankungen des Antragstellers eine Transportunfähigkeit besteht. Darüber hinaus enthalten sie keinerlei Aussagen dahingehend, dass eine Reiseunfähigkeit im weiteren Sinn besteht. In beiden Attesten wird lediglich die Fortführung der bereits begonnen Behandlung des Antragstellers empfohlen, die nach dem oben Gesagten (vgl. Punkt 3. b) ohne Weiteres auch in Italien erfolgen kann.
Nach alledem konnte der Antrag keinen Erfolg haben.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben, § 83b AsylVfG.
5. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 RVG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 80 AsylVfG.
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Annotations
(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).
(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur
- 1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten, - 2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten, - 3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen, - 3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen, - 4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.
(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.
(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn
- 1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder - 2.
eine Vollstreckung droht.
(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.
(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.
(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.
(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten.
(1) Die oberste Landesbehörde kann aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen allgemein oder in bestimmte Staaten für längstens drei Monate ausgesetzt wird. Für einen Zeitraum von länger als sechs Monaten gilt § 23 Abs. 1.
(2) Die Abschiebung eines Ausländers ist auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Die Abschiebung eines Ausländers ist auch auszusetzen, wenn seine vorübergehende Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen eines Verbrechens von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre. Einem Ausländer kann eine Duldung erteilt werden, wenn dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Soweit die Beurkundung der Anerkennung einer Vaterschaft oder der Zustimmung der Mutter für die Durchführung eines Verfahrens nach § 85a ausgesetzt wird, wird die Abschiebung des ausländischen Anerkennenden, der ausländischen Mutter oder des ausländischen Kindes ausgesetzt, solange das Verfahren nach § 85a nicht durch vollziehbare Entscheidung abgeschlossen ist.
(2a) Die Abschiebung eines Ausländers wird für eine Woche ausgesetzt, wenn seine Zurückschiebung oder Abschiebung gescheitert ist, Abschiebungshaft nicht angeordnet wird und die Bundesrepublik Deutschland auf Grund einer Rechtsvorschrift, insbesondere des Artikels 6 Abs. 1 der Richtlinie 2003/110/EG des Rates vom 25. November 2003 über die Unterstützung bei der Durchbeförderung im Rahmen von Rückführungsmaßnahmen auf dem Luftweg (ABl. EU Nr. L 321 S. 26), zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist. Die Aussetzung darf nicht nach Satz 1 verlängert werden. Die Einreise des Ausländers ist zuzulassen.
(2b) Solange ein Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Absatz 1 besitzt, minderjährig ist, soll die Abschiebung seiner Eltern oder eines allein personensorgeberechtigten Elternteils sowie der minderjährigen Kinder, die mit den Eltern oder dem allein personensorgeberechtigten Elternteil in familiärer Lebensgemeinschaft leben, ausgesetzt werden.
(2c) Es wird vermutet, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen. Der Ausländer muss eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen. Diese ärztliche Bescheinigung soll insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung, den lateinischen Namen oder die Klassifizierung der Erkrankung nach ICD 10 sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, enthalten. Zur Behandlung der Erkrankung erforderliche Medikamente müssen mit der Angabe ihrer Wirkstoffe und diese mit ihrer international gebräuchlichen Bezeichnung aufgeführt sein.
(2d) Der Ausländer ist verpflichtet, der zuständigen Behörde die ärztliche Bescheinigung nach Absatz 2c unverzüglich vorzulegen. Verletzt der Ausländer die Pflicht zur unverzüglichen Vorlage einer solchen ärztlichen Bescheinigung, darf die zuständige Behörde das Vorbringen des Ausländers zu seiner Erkrankung nicht berücksichtigen, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Einholung einer solchen Bescheinigung gehindert oder es liegen anderweitig tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankung, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde, vor. Legt der Ausländer eine Bescheinigung vor und ordnet die Behörde daraufhin eine ärztliche Untersuchung an, ist die Behörde berechtigt, die vorgetragene Erkrankung nicht zu berücksichtigen, wenn der Ausländer der Anordnung ohne zureichenden Grund nicht Folge leistet. Der Ausländer ist auf die Verpflichtungen und auf die Rechtsfolgen einer Verletzung dieser Verpflichtungen nach diesem Absatz hinzuweisen.
(3) Die Ausreisepflicht eines Ausländers, dessen Abschiebung ausgesetzt ist, bleibt unberührt.
(4) Über die Aussetzung der Abschiebung ist dem Ausländer eine Bescheinigung auszustellen.
(5) Die Aussetzung der Abschiebung erlischt mit der Ausreise des Ausländers. Sie wird widerrufen, wenn die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe entfallen. Der Ausländer wird unverzüglich nach dem Erlöschen ohne erneute Androhung und Fristsetzung abgeschoben, es sei denn, die Aussetzung wird erneuert. Ist die Abschiebung länger als ein Jahr ausgesetzt, ist die durch Widerruf vorgesehene Abschiebung mindestens einen Monat vorher anzukündigen; die Ankündigung ist zu wiederholen, wenn die Aussetzung für mehr als ein Jahr erneuert wurde. Satz 4 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe durch vorsätzlich falsche Angaben oder durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit selbst herbeiführt oder zumutbare Anforderungen an die Mitwirkung bei der Beseitigung von Ausreisehindernissen nicht erfüllt.
(6) Einem Ausländer, der eine Duldung besitzt, darf die Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht erlaubt werden, wenn
- 1.
er sich in das Inland begeben hat, um Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu erlangen, - 2.
aufenthaltsbeendende Maßnahmen bei ihm aus Gründen, die er selbst zu vertreten hat, nicht vollzogen werden können oder - 3.
er Staatsangehöriger eines sicheren Herkunftsstaates nach § 29a des Asylgesetzes ist und sein nach dem 31. August 2015 gestellter Asylantrag abgelehnt oder zurückgenommen wurde, es sei denn, die Rücknahme erfolgte auf Grund einer Beratung nach § 24 Absatz 1 des Asylgesetzes beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, oder ein Asylantrag nicht gestellt wurde.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) In Klageverfahren nach dem Asylgesetz beträgt der Gegenstandswert 5 000 Euro, in den Fällen des § 77 Absatz 4 Satz 1 des Asylgesetzes 10 000 Euro, in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes 2 500 Euro. Sind mehrere natürliche Personen an demselben Verfahren beteiligt, erhöht sich der Wert für jede weitere Person in Klageverfahren um 1 000 Euro und in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes um 500 Euro.
(2) Ist der nach Absatz 1 bestimmte Wert nach den besonderen Umständen des Einzelfalls unbillig, kann das Gericht einen höheren oder einen niedrigeren Wert festsetzen.