Verwaltungsgericht München Urteil, 08. Nov. 2017 - M 7 K 16.4091

published on 08/11/2017 00:00
Verwaltungsgericht München Urteil, 08. Nov. 2017 - M 7 K 16.4091
Urteilsbesprechung zu {{shorttitle}}
Referenzen - Gesetze
Referenzen - Urteile

Gericht

There are no judges assigned to this case currently.
addJudgesHint

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Kläger haben die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Kläger begehren die Zulassung des von ihnen initiierten Bürgerbegehrens „Rettet den Helmut-Karl Platz in Garching bei München“.

Im Ortszentrum der Beklagten setzt der Bebauungsplan 138 „U-Bahn-Ausgang West (Schererhaus)“ für den jetzigen Helmut-Karl Platz die Zweckbestimmung eines Fußgängerbereichs mit eingeschränktem Lieferverkehr fest. Von der Telschow Straße kommend ist der Lieferverkehr bis 7,5 t in die Fußgängerzone zu bestimmten Zeiten freigegeben, die Zufahrt zum Helmut-Karl Platz von der Münchner Straße aber nur mit einzeln gewährten Ausnahmegenehmigungen erlaubt.

Infolge eines – derzeit ruhenden – verwaltungsgerichtlichen Streitverfahrens und eines Mediationsverfahrens befasste sich der Haupt- und Finanzausschuss der Beklagten in seiner Sitzung am 13. Oktober 2015 mit der Frage der Anliefersituation für die Anwesen Bürger Platz 6 und 8 im Ortszentrum der Beklagten. Um die Anliefersituation für diese Anwesen zu verbessern und zu ermöglichen, dass der Lieferverkehr von der B11 Münchner Straße kommend über den Helmut-Karl Platz einfahren und ohne Rangieren über den Bürger Platz Richtung Telschow Straße ausfahren kann, beschloss er die Errichtung elektrisch versenkbarer Poller am Bürger Platz (Nr. 1 des Beschlusses) sowie eine entsprechende Zufahrtsregelung des Helmut-Karl-Platzes (Nr. 6 des Beschlusses Alternative 1). Zudem wurde eine Änderung der Lieferzeiten für die gesamte Fußgängerzone von Montag bis Freitag 7-19 Uhr und Samstag 7-13 Uhr beschlossen (Nr. 2 des Beschlusses). Eine Beschlussfassung über die Freigabe des Lieferverkehrs bis 12 t gemäß Nr. 3 der Beschlussvorlage erfolgte ebenso wenig wie darüber, dass für eine Zufahrt des Helmut-Karl-Platzes von der Münchner Straße aus kommend das Hinweisschild „Lieferverkehr frei“ zu ergänzen wäre (Nr. 5 der Beschlussvorlage).

Die Kläger initiierten daraufhin das Bürgerbegehren „Rettet den Helmut-Karl Platz“ mit der Fragestellung „Sind Sie dafür, ein Änderungsverfahren für den Bebauungsplan ‚U-Bahn-Ausgang Schererhaus‘, Plan Nr. 138, mit dem Ziel einzuleiten, durch zusätzliche Festsetzungen, z.B. einer öffentlichen Grünfläche (Parkanlage mit der Anpflanzung von Sträuchern), die Durchfahrt für Lastkraftwagen mit einer Breite von mehr als 180 cm zwischen dem Hotel König Ludwig und dem ehemaligen Schlecker auszuschließen?“.

Zur Begründung wurde folgender Text angegeben:

„Der Haupt- und Finanzausschuss hat beschlossen, die Sperre zwischen dem Hotel König Ludwig und dem ehemaligen Schlecker-Laden aufzuheben und die Durchfahrt für den Lieferverkehr von der Münchner Straße über den Bürger Platz zur Telschow Straße für Lastwagen bis 12 Tonnen ganztägig freizugeben. Dies beeinträchtigt die planungsrechtliche Situation in der Ortsmitte nachhaltig. Nach den Festsetzungen im Bebauungsplan 138 „Schererhaus“ und im Bebauungsplan 77 „Ortsmitte“ sind sowohl der Helmut-Karl Platz als auch der Bürger Platz Fußgängerzonen. Die neuen Festsetzungen im Bebauungsplan sollen dieses Konzept ergänzen und die Fußgängerzonen vor einer schleichenden Entwertung durch Lastwagenverkehr schützen.

Dies ist nicht hinnehmbar:

1. Der Beschluss des Hauptausschusses missachtet die Festsetzungen der Fußgängerzonen in den Bebauungsplänen.

2. Das urbane Leben auf dem „Karls Platz“ wird durch Lastwägen massiv beeinträchtigt!

3. Die Überquerung des Platzes mit Lastwägen ist für Kinder, Erwachsene und Senioren gefährlich.

4. Die Regelung ist auch nicht notwendig. Die Belieferung des „Schlecker“ war über zehn Jahre lang auch ohne die Durchfahrt vom „Karls Platz“ zum Bürger Platz problemlos möglich!“

Nach einem eingeholten Gutachten einer Rechtsanwaltskanzlei vom 19. Juli 2016 und einer Stellungnahme des Landratsamts München vom 21. Juni 2016 sowie einer Email vom 20. Juli 2016 lehnte der Stadtrat der Beklagten in seiner Sitzung am 28. Juli 2016 unter Tagesordnungspunkt 13 den klägerischen Antrag auf Durchführung des Bürgerbegehrens „Rettet den Helmut-Karl Platz“ als unzulässig ab.

Dies wurde den Klägern mit Bescheid vom 8. August 2016 mitgeteilt. Zur Begründung stellte die Beklagte im Wesentlichen darauf ab, dass die Begründung des Bürgerbegehrens unrichtige Tatsachenbehauptungen zugrunde läge und bei den Unterzeichnenden dadurch möglicherweise falsche Vorstellungen über den Inhalt der tatsächlichen Beschlusslage und auch falsche Vorstellungen über den Inhalt des Bürgerbegehrens in seiner Erforderlichkeit geweckt worden seien. So werde in der Begründung des Bürgerbegehrens die Beschlusslage des Haupt- und Finanzausschusses zur Einrichtung elektrisch versenkbarer Poller verschwiegen. Auch werde der Lieferverkehr gerade nicht, wie in der Begründung des Bürgerbegehrens ausgeführt, vollkommen freigegeben, sondern gerade beschränkt. Eine Beschlussfassung über einen möglichen Lieferverkehr für LKW bzgl. 12 t sei gerade nicht gefasst worden. Es entspreche somit nicht den Tatsachen, dass Lieferfahrzeuge mit 12 t den Bürger Platz befahren dürften. Bereits jetzt sehe der Bebauungsplan einen eingeschränkten Lieferverkehr auf dem Helmut-Karl Platz als Fußgängerbereich mit zulässigem Anlieferbetrieb vor. Die Begründung im Bürgerbegehren sei daher insoweit fehlerhaft. Zudem ziele das Bürgerbegehren darauf ab, die Durchfahrt vom Helmut-Karl Platz zum Bürger Platz für LKW ab einer Breite von 1,80 m auszuschließen. Dies schließe faktisch auch PKW aus und ließe der Beklagten keinen, im bauplanungsrechtlichen Änderungsverfahren aber erforderlichen Planungsspielraum. Zudem sei das Bürgerbegehren auch auf ein rechtswidriges Ziel gerichtet, da mit der Fragestellung im Bürgerbegehren bereits ein bestimmter Inhalt für die Bebauungsplanänderung vorgegeben werde und somit kein Raum für das Abwägungsgebot in § 1 Abs. 7 BauGB mehr verbliebe.

Gegen den mittels Postzustellungsurkunde am 10. August 2016 zugestellten Bescheid der Beklagten erhoben die Kläger mit Schreiben vom 9. September 2016, eingegangen beim Verwaltungsgericht München am 10. September 2016, Klage. Zur Begründung wird mit Schriftsatz vom 27. Dezember 2016 im Wesentlichen ausgeführt, dass die Bürger durch die Begründung des Bürgerbegehrens nicht getäuscht würden. Die Begründung lege bereits nicht nahe, dass die Zufahrt auf den Helmut-Karl Platz vollkommen frei sei. Es sei nur von einer Freigabe für den Lieferverkehr die Rede. Dieser sei mittels Fernbedienung in der Lage, die angebrachten Poller durch Betätigung zu versenken und könne sich somit nach Belieben den Weg auf den Helmut-Karl Platz selbst freigeben. Der Haupt- und Finanzausschuss habe hinsichtlich des zulässigen Gesamtgewichts keinerlei Begrenzung ausgesprochen. Die Freigabe für den Lieferverkehr schließe somit auch LKW bis 12 t ein. Hinsichtlich des Abwägungsgebots nach § 1 Abs. 7 BauGB werde auf die Stellungnahmen des Landratsamts Bezug genommen.

Die Kläger beantragen,

die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheids vom 8. August 2016 zu verpflichten, das Bürgerbegehren „Rettet den Helmut-Karl Platz“ zuzulassen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie erwidert dazu unter dem 8. August 2017 mit einer komprimierten Darstellung und Wiederholung der Ablehnungsgründe im Stadtratsbeschluss und ablehnenden Bescheid.

In der mündlichen Verhandlung am 8. November 2017 informierte die Beklagte über die Sitzung des Stadtrats vom 27. Juli 2017, in der über ein Verkehrskonzept der Fußgängerzone beraten und beschlossen worden sei. Ausweislich der Sitzungsniederschrift wurde beschlossen, die Fußgängerzone von Montag bis Freitag von 7-15 Uhr und Samstag von 7-13 Uhr für Lieferverkehr bis 7,5 t freizugeben. Dabei sei sicherzustellen, dass der geplante elektronisch versenkbare Poller zwischen Helmut-Karl Platz und Bürger Platz ganztägig ausgefahren bleibe, in Notfällen aber abgesenkt werden könne.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die vorgelegten Behördenakten sowie die Gerichtsakte inkl. der Niederschrift über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Verpflichtungsklage auf Zulassung des Bürgerbegehrens „Rettet den Helmut-Karl Platz“ ist unbegründet. Durch die Ablehnung der Zulassung des Bürgerbegehrens durch die Beklagte werden die Kläger daher nicht in ihren Rechten verletzt, vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

Die Begründung des Bürgerbegehrens wird den Anforderungen, die an eine solche zu stellen sind, nicht gerecht. Dies gilt sowohl in Bezug auf den Beschluss des Haupt- und Finanzausschusses vom 13. Oktober 2015 als auch auf die veränderte Beschlusslage bei der Beklagten mit dem Stadtratsbeschluss vom 27. Juli 2017.

Nach Art. 18a Abs. 4 Satz 1 Bayerische Gemeindeordnung (GO) muss ein Bürgerbegehren eine (auf allen Unterschriftslisten gleichlautende) Begründung enthalten. Damit soll sichergestellt werden, dass die Gemeindebürger, wenn sie zur Unterschriftsleistung aufgefordert werden, schon in dieser ersten Phase des direktdemokratischen Verfahrens die Bedeutung und Tragweite der mit Ja oder Nein zu entscheidenden Fragestellung erkennen können (vgl. zum Volksgesetzgebungsverfahren VerfGH, E.v. 13.4.2000 – Vf. 4-IX-00 – VGH n.F. 53, 81/105). Dabei stellt die Regelung in Art. 18a GO an die Begründung eines Bürgerbegehrens zwar an sich keine besonderen Anforderungen (VG München, U.v. 2.12.1997 – M 7 K 97.853 – juris Rn. 42) und können komplexe oder rechtliche Sachverhalte durchaus vereinfacht und pointiert dargestellt werden. Da aber bereits mit der Unterzeichnung eines Bürgerbegehrens das Recht auf Teilhabe an der Staatsgewalt in Gestalt der Abstimmungsfreiheit (Art. 7 Abs. 2, Art. 12 Abs. 3 Bayerische Verfassung (BV)) ausgeübt wird, ergeben sich aus der Bayerischen Verfassung auch Mindestanforderungen an die Richtigkeit der Begründung (BayVGH, U.v. 17.5.2017 – 4 B 16.1856 – juris Rn. 33 m.w.N.). Die Bürger können nur dann sachgerecht über die Unterstützung eines Bürgerbegehrens entscheiden und von ihrem Eintragungsrecht Gebrauch machen, wenn sie nicht durch den vorgelegten Begründungstext in wesentlichen Punkten in die Irre geführt werden. Es ist daher mit dem Sinn und Zweck eines Plebiszits auch auf kommunaler Ebene nicht vereinbar, wenn in der Begründung des Bürgerbegehrens in einer entscheidungsrelevanten Weise unzutreffende Tatsachen behauptet werden oder wenn die maßgebende Rechtslage unzutreffend bzw. unvollständig erläutert wird (BayVGH, U.v. 17.5.2017 – 4 B 16.1856 – juris Rn. 33; BayVGH, B.v. 9.12.2010 – 4 CE 10.2943 – juris Rn. 2; B.v. 20.1.2012 – 4 CE 11.2771 – juris Rn. 31; B.v. 25.6.2012 – 4 CE 12.1224 – BayVBl 2013, 19 Rn. 31; B.v. 14.10.2014 – 4 ZB 14.707 – juris Rn. 3 ff.; U.v. 4.7.2016 – 4 BV 16.105 – BayVBl 2017, 92 Rn. 27; anders noch B.v. 14.3.2001 – 4 ZE 00.3658 – BayVBl 2002, 184). Die einem Bürgerbegehren beigefügte Begründung muss hingegen noch keinen (vorläufigen) Überblick über die Ausgangssituation und den kommunalpolitischen Streitstand vermitteln (BayVGH, U.v. 17.5.2017 – 4 B 16.1856 – juris Rn. 35). Die Betreiber des Bürgerbegehrens nehmen am öffentlichen Meinungskampf teil und sind nicht zu einer objektiv ausgewogenen Erläuterung ihres Anliegens verpflichtet. Die um ihre Unterschrift gebetenen Gemeindebürger müssen sich vielmehr selbständig ein Urteil darüber bilden, ob sie die – in der Regel einseitig zugunsten des Bürgerbegehrens – vorgebrachten Gründe für stichhaltig halten oder ob sie sich zusätzlich aus weiteren Quellen informieren wollen. Zu beanstanden ist die Begründung eines Bürgerbegehrens daher nur, wenn sie über eine bloß tendenziöse Wiedergabe hinaus einen entscheidungsrelevanten Umstand nachweislich falsch oder in objektiv irreführender Weise darstellt (BayVGH, U.v. 17.5.2017 – 4 B 16.1856 – juris Rn. 35).

Dies ist vorliegend der Fall.

1. Die Begründung des streitgegenständlichen Bürgerbegehrens enthält insofern offenkundig erhebliche unrichtige Aspekte, als sie dem Haupt- und Finanzausschuss zur Last legt, den Lieferverkehr für LKW bis 12 t von der Münchner Straße über den Bürger Platz zur Telschow Straße ganztägig freigegeben zu haben.

Zum einen ist mit dem zugrundeliegenden Beschluss des Haupt- und Finanzausschusses vom 13. Oktober 2015 schon keine Freigabe des Lieferverkehrs erfolgt. Sowohl nach dem Beschluss des Haupt- und Finanzausschusses vom 13. Oktober 2015 als auch des Stadtrats vom 27. Juli 2017 ist nur beabsichtigt, auf der Grundlage von Ausnahmegenehmigungen des Ordnungsamtes und mit der Erforderlichkeit einer entsprechenden Fernbedienung dem Lieferverkehr – wohl auch nur für die Anwesen Bürger Platz 6 und 8 – die Durchfahrt vom Helmut-Karl Platz zur Telschow Straße mittels elektronisch versenkbarer Poller zu ermöglichen. Eine Beschilderung „Lieferverkehr frei“ (vgl. Nr. 5 der Beschlussvorlage) hat der Haupt- und Finanzausschuss gerade nicht beschlossen. Während die Beklagte beabsichtigt, den anfallenden Anlieferverkehr für die benannten Anwesen zu regeln, impliziert die Begründung die Absicht bei der Beklagten, die Durchfahrt für Lieferverkehr ohne weiteres freizugeben. Damit wird eine derart verzerrtes Bild gezeichnet, so dass dieses geeignet ist, Unterzeichner in die Irre zu führen.

Unrichtig ist die Begründung auch, soweit sie der Beklagten eine Freigabe für Lastwagen bis 12 Tonnen zur Last legt. Dies ist mit dem Beschluss vom 13. Oktober 2015 nicht geschehen. Schließlich hat der Haupt- und Finanzausschuss in seiner Sitzung nicht über diesen unter Nr. 3 der Beschlussvorlage enthaltenen Aspekt beschlossen. Eine Aussage zu LKW über 7,5 t könnte dem Beschluss allenfalls insoweit entnommen werden, als mit der Nichtzustimmung zur Beschlussvorlage in Nr. 3 gerade ein entgegenstehender Wille im Sinne einer Ablehnung zu einer entsprechenden Regelung getätigt wurde. Wie sich im Übrigen aus dem Protokollauszug über die Sitzung des Stadtrats vom 28. Juli 2016 (TOP 13) ergibt, wurde der Mediationsvorschlag des Haupt- und Finanzausschusses auch deshalb nicht unterzeichnet, weil die Ermächtigung „12 Tonnen“ fehlte. Dahinstehen kann daher, ob die Durchfahrtsmöglichkeit des Lieferverkehrs von der Beklagten auch nicht ganztägig, sondern nur von 7-19 Uhr von Montag bis Freitag und am Samstag von 7-13 Uhr, nach dem Beschluss des Stadtrats vom 27. Juli 2017 sogar nur bis 15 Uhr wochentags eröffnet wurde. Gerade die verkürzte Samstagsregelung könnte für Bürger ein nicht unwesentlicher Aspekt in Bezug auf den Besuch von Eisdielen, Straßencafés und Restaurants sein.

Unrichtig und irreführend ist die Begründung zum Bürgerbegehren zudem insoweit, als der Beklagten vorgeworfen wird, dass der Beschluss des Haupt- und Finanzausschusses die Festsetzung der Fußgängerzonen in den Bebauungsplänen missachten würde. Schließlich ist im maßgeblichen Bebauungsplan bislang bereits ausdrücklich ein Fußgängerbereich mit zulässigem Anlieferverkehr vorgesehen. Die entsprechenden Beschlüsse der Beklagten missachten somit die bisherige bauplanungsrechtliche Festsetzung gerade nicht, sondern versuchen, den anfallenden Anlieferverkehr zu regeln.

Von Relevanz und Gewicht ist zudem die Diskrepanz zwischen Fragestellung und Begründung des Bürgerbegehrens. Die Begründung zielt deutlich darauf ab, das Befahren des Helmut-Karl-Platzes durch LKW zu verhindern, da der Helmut-Karl Platz durch LKW massiv beeinträchtigt werde und die Überquerung des Platzes gefährlich sei. Mit der Bejahung der Fragestellung kann ein Befahren des Platzes mit LKW jedoch nicht verhindert werden, sondern nur die Durchfahrt von der Münchner Straße aus kommend über den Helmut-Karl Platz und den Bürger Platz zur Telschow Straße. Dem Unterzeichner des Bürgerbegehrens wird so irreführend durch die deutliche Formulierung in der Begründung eine Zielsetzung vermittelt, welche ihn zur Unterzeichnung motivieren kann, die jedoch rein objektiv durch die Fragestellung nicht erreichbar ist.

Bei den genannten irreführenden Inhalten in der Begründung des Bürgerbegehrens handelt es sich um tragende Begründungselemente, die nach allgemeiner Lebenserfahrung durchaus als so gewichtig anzusehen sind, dass ohne sie möglicherweise weniger Unterzeichner das Bürgerbegehren unterstützt hätten (vgl. BayVGH, U.v. 4.7.2016 – 4 BV 16.105 – juris Rn. 35 m.w.N.). Für viele Unterzeichner dürfte von wesentlichem Gewicht sein, dass auf dem Helmut-Karl Platz bereits jetzt bauplanungsrechtlich Anliegerverkehr zulässig ist, dieser auch nach dem Bestreben der Beklagten weiterhin eine Ausnahmegenehmigung vom Ordnungsamt benötigt und für eine Durchfahrt einer Fernbedienung zum Versenken der Poller bedarf, bei einer Sperre der Durchfahrt aber ggf. ein Wenden der LKW auf dem Platz erfolgen könnte.

2. Das Bürgerbegehren ist zudem insoweit unzulässig und daher rechtmäßiger Weise von der Beklagten abgelehnt worden, als es auf ein rechtswidriges Ziel gerichtet ist.

Die Beantwortung der Frage im Bürgerbegehren lässt der Beklagten keinen hinreichend substanziellen Spielraum mehr für das in einem bebauungsplanrechtlichen Verfahren erforderliche Abwägungsgebot nach § 1 Abs. 7 BauGB. Die Beklagte setzt sich diesbezüglich in der Bescheidsbegründung bereits zutreffend mit der bisher hierzu ergangenen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs auseinander. Die entgegenstehenden Ausführungen des Landratsamtes, auf die sich auch die Kläger beziehen, überzeugen insofern nicht. Gibt ein Bürgerbegehren einen bestimmten Inhalt eines Bebauungsplans vor, ist dieses unzulässig, wenn nicht ein Planungsspielraum von substanziellem Gewicht mit genügend Alternativen zur Abwägung der konkreten Belange offen gelassen wird (BayVGH, B.v. 16.4.2012 - 4 CE 12.517 - juris Rn 28 f. m.w.N.). Die vorliegend begehrte Durchfahrtsbreite von 1,80 m belässt keinen solchen Planungsspielraum zur Lösung der Anliefersituation mehr, weil damit faktisch eine Durchfahrt mittels LKW – und weitgehend auch PKW – ausgeschlossen wäre. Dass die Fragestellung (nur) die Einleitung eines bauplanungsrechtlichen Verfahrens zum Gegenstand hat und damit formal noch nicht das Ergebnis vorwegnimmt, verschafft der Beklagten keinen verbleibenden einen Planungsspielraum, da ihr im Ergebnis nur ein „Ja“ oder „Nein“ beim vorgegebenen Ziel verbliebe. Soweit sich die Kläger auf eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts München vom 13. Juni 2012 beziehen, ist die dortige Konstellation nicht vergleichbar. Das dortige Bürgerbegehren zielte auf die Aufstellung eines Bebauungsplans für ein gemeindeübergreifendes Logistikzentrum eines großen Einzelhandelsunternehmens. Dies beließ gerade eine hinreichenden Spielraum bei der bauplanungsrechtlichen Umsetzung (vgl. VG München, U.v. 13.6.2012 – M 7 K 11.4737 – juris).

Es kommt somit nicht mehr darauf an, dass bereits fraglich ist, ob für eine entsprechende bauplanungsrechtliche Änderung – wie vom Bürgerbegehren beabsichtigt – überhaupt eine Erforderlichkeit i.S.v. § 1 Abs. 3 BauGB besteht (vgl. VG Würzburg, U.v. 11.11.2015 – W 2 K 14.1124 – juris Rn. 42). Voraussetzung für den Erlass eines Planaufstellungsbeschlusses zur Änderung oder Aufstellung eines Bebauungsplanes ist das Bestehen einer (planungsrechtlichen) Erforderlichkeit im Sinn des § 1 Abs. 3 BauGB (vgl. BayVGH, B.v. 11.8.2011 – 4 CE 11.1619 – juris Rn. 5 m.w.N.). Danach haben die Gemeinden Bauleitpläne aufzustellen, sobald und soweit es für die städtebauliche Ordnung erforderlich ist. Eine Bauleitplanung ist immer nur dann erforderlich, wenn sie vernünftigerweise geboten ist, wobei es für diese Beurteilung maßgebend auf die planerische Konzeption der Gemeinde ankommt (vgl. BayVGH, B.v. 13.12.2010 – 4 CE 10.2839 – juris Rn. 29). Dabei muss nicht nur der Bebauungsplan selbst, sondern jede einzelne Darstellung und Festsetzung erforderlich sein. Die bauplanungsrechtliche Erforderlichkeit erfüllt dabei dieselbe Funktion wie die Planrechtfertigung im Planfeststellungsrecht (vgl. u.a. BVerwG, U.v. 27.3.2013 – 4 CN 6/11 – juris). Dies erscheint vorliegend zweifelhaft, nachdem der Beklagten auch die Möglichkeit für straßenverkehrsrechtliche Regelungen (wie bisher erfolgt) offensteht.

Das Bürgerbegehren ist daher sowohl zum Zeitpunkt der Entscheidung der Beklagten als auch zum Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts unzulässig. Die Verpflichtungsklage auf Zulassung des Bügerbegehrens ist damit unbegründet und daher mit der Kostenfolge des § 154 VwGO abzuweisen. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.

Urteilsbesprechung zu {{shorttitle}}
{{count_recursive}} Urteilsbesprechungen zu {{shorttitle}}

moreResultsText


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au
{{title}} zitiert {{count_recursive}} §§.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au
4 Referenzen - Urteile
{{Doctitle}} zitiert oder wird zitiert von {{count_recursive}} Urteil(en).

published on 14/10/2014 00:00

Tenor I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt. II. Die Klägerinnen tragen die Kosten des Antragsverfahrens als Gesamtschuldner. III. Der Streitwert wird für das Antragsverfahren auf 15.000,- Euro fes
published on 17/05/2017 00:00

Tenor I. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 4. März 2016 wird aufgehoben. II. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids vom 27. April 2015 verpflichtet, das Bürgerbegehren „A.er Stadtwerke in A. Bürgerha
published on 04/07/2016 00:00

Tenor I. Die Berufung wird zurückgewiesen. II. Die Kläger tragen als Gesamtschuldner die Kosten des Berufungsverfahrens. III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckun
published on 27/03/2013 00:00

Tatbestand 1 Die Antragstellerin wendet sich gegen einen Bebauungsplan der Antragsgegnerin. Sie ist Eigentümerin eines im überwiegend bebauten und gewerblich genutzten P
{{Doctitle}} zitiert {{count_recursive}} Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Annotations

(1) Aufgabe der Bauleitplanung ist es, die bauliche und sonstige Nutzung der Grundstücke in der Gemeinde nach Maßgabe dieses Gesetzbuchs vorzubereiten und zu leiten.

(2) Bauleitpläne sind der Flächennutzungsplan (vorbereitender Bauleitplan) und der Bebauungsplan (verbindlicher Bauleitplan).

(3) Die Gemeinden haben die Bauleitpläne aufzustellen, sobald und soweit es für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich ist; die Aufstellung kann insbesondere bei der Ausweisung von Flächen für den Wohnungsbau in Betracht kommen. Auf die Aufstellung von Bauleitplänen und städtebaulichen Satzungen besteht kein Anspruch; ein Anspruch kann auch nicht durch Vertrag begründet werden.

(4) Die Bauleitpläne sind den Zielen der Raumordnung anzupassen.

(5) Die Bauleitpläne sollen eine nachhaltige städtebauliche Entwicklung, die die sozialen, wirtschaftlichen und umweltschützenden Anforderungen auch in Verantwortung gegenüber künftigen Generationen miteinander in Einklang bringt, und eine dem Wohl der Allgemeinheit dienende sozialgerechte Bodennutzung unter Berücksichtigung der Wohnbedürfnisse der Bevölkerung gewährleisten. Sie sollen dazu beitragen, eine menschenwürdige Umwelt zu sichern, die natürlichen Lebensgrundlagen zu schützen und zu entwickeln sowie den Klimaschutz und die Klimaanpassung, insbesondere auch in der Stadtentwicklung, zu fördern, sowie die städtebauliche Gestalt und das Orts- und Landschaftsbild baukulturell zu erhalten und zu entwickeln. Hierzu soll die städtebauliche Entwicklung vorrangig durch Maßnahmen der Innenentwicklung erfolgen.

(6) Bei der Aufstellung der Bauleitpläne sind insbesondere zu berücksichtigen:

1.
die allgemeinen Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse und die Sicherheit der Wohn- und Arbeitsbevölkerung,
2.
die Wohnbedürfnisse der Bevölkerung, insbesondere auch von Familien mit mehreren Kindern, die Schaffung und Erhaltung sozial stabiler Bewohnerstrukturen, die Eigentumsbildung weiter Kreise der Bevölkerung und die Anforderungen kostensparenden Bauens sowie die Bevölkerungsentwicklung,
3.
die sozialen und kulturellen Bedürfnisse der Bevölkerung, insbesondere die Bedürfnisse der Familien, der jungen, alten und behinderten Menschen, unterschiedliche Auswirkungen auf Frauen und Männer sowie die Belange des Bildungswesens und von Sport, Freizeit und Erholung,
4.
die Erhaltung, Erneuerung, Fortentwicklung, Anpassung und der Umbau vorhandener Ortsteile sowie die Erhaltung und Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche,
5.
die Belange der Baukultur, des Denkmalschutzes und der Denkmalpflege, die erhaltenswerten Ortsteile, Straßen und Plätze von geschichtlicher, künstlerischer oder städtebaulicher Bedeutung und die Gestaltung des Orts- und Landschaftsbildes,
6.
die von den Kirchen und Religionsgesellschaften des öffentlichen Rechts festgestellten Erfordernisse für Gottesdienst und Seelsorge,
7.
die Belange des Umweltschutzes, einschließlich des Naturschutzes und der Landschaftspflege, insbesondere
a)
die Auswirkungen auf Tiere, Pflanzen, Fläche, Boden, Wasser, Luft, Klima und das Wirkungsgefüge zwischen ihnen sowie die Landschaft und die biologische Vielfalt,
b)
die Erhaltungsziele und der Schutzzweck der Natura 2000-Gebiete im Sinne des Bundesnaturschutzgesetzes,
c)
umweltbezogene Auswirkungen auf den Menschen und seine Gesundheit sowie die Bevölkerung insgesamt,
d)
umweltbezogene Auswirkungen auf Kulturgüter und sonstige Sachgüter,
e)
die Vermeidung von Emissionen sowie der sachgerechte Umgang mit Abfällen und Abwässern,
f)
die Nutzung erneuerbarer Energien sowie die sparsame und effiziente Nutzung von Energie,
g)
die Darstellungen von Landschaftsplänen sowie von sonstigen Plänen, insbesondere des Wasser-, Abfall- und Immissionsschutzrechts,
h)
die Erhaltung der bestmöglichen Luftqualität in Gebieten, in denen die durch Rechtsverordnung zur Erfüllung von Rechtsakten der Europäischen Union festgelegten Immissionsgrenzwerte nicht überschritten werden,
i)
die Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Belangen des Umweltschutzes nach den Buchstaben a bis d,
j)
unbeschadet des § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes, die Auswirkungen, die aufgrund der Anfälligkeit der nach dem Bebauungsplan zulässigen Vorhaben für schwere Unfälle oder Katastrophen zu erwarten sind, auf die Belange nach den Buchstaben a bis d und i,
8.
die Belange
a)
der Wirtschaft, auch ihrer mittelständischen Struktur im Interesse einer verbrauchernahen Versorgung der Bevölkerung,
b)
der Land- und Forstwirtschaft,
c)
der Erhaltung, Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen,
d)
des Post- und Telekommunikationswesens, insbesondere des Mobilfunkausbaus,
e)
der Versorgung, insbesondere mit Energie und Wasser, einschließlich der Versorgungssicherheit,
f)
der Sicherung von Rohstoffvorkommen,
9.
die Belange des Personen- und Güterverkehrs und der Mobilität der Bevölkerung, auch im Hinblick auf die Entwicklungen beim Betrieb von Kraftfahrzeugen, etwa der Elektromobilität, einschließlich des öffentlichen Personennahverkehrs und des nicht motorisierten Verkehrs, unter besonderer Berücksichtigung einer auf Vermeidung und Verringerung von Verkehr ausgerichteten städtebaulichen Entwicklung,
10.
die Belange der Verteidigung und des Zivilschutzes sowie der zivilen Anschlussnutzung von Militärliegenschaften,
11.
die Ergebnisse eines von der Gemeinde beschlossenen städtebaulichen Entwicklungskonzeptes oder einer von ihr beschlossenen sonstigen städtebaulichen Planung,
12.
die Belange des Küsten- oder Hochwasserschutzes und der Hochwasservorsorge, insbesondere die Vermeidung und Verringerung von Hochwasserschäden,
13.
die Belange von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden und ihrer Unterbringung,
14.
die ausreichende Versorgung mit Grün- und Freiflächen.

(7) Bei der Aufstellung der Bauleitpläne sind die öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen.

(8) Die Vorschriften dieses Gesetzbuchs über die Aufstellung von Bauleitplänen gelten auch für ihre Änderung, Ergänzung und Aufhebung.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Aufgabe der Bauleitplanung ist es, die bauliche und sonstige Nutzung der Grundstücke in der Gemeinde nach Maßgabe dieses Gesetzbuchs vorzubereiten und zu leiten.

(2) Bauleitpläne sind der Flächennutzungsplan (vorbereitender Bauleitplan) und der Bebauungsplan (verbindlicher Bauleitplan).

(3) Die Gemeinden haben die Bauleitpläne aufzustellen, sobald und soweit es für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich ist; die Aufstellung kann insbesondere bei der Ausweisung von Flächen für den Wohnungsbau in Betracht kommen. Auf die Aufstellung von Bauleitplänen und städtebaulichen Satzungen besteht kein Anspruch; ein Anspruch kann auch nicht durch Vertrag begründet werden.

(4) Die Bauleitpläne sind den Zielen der Raumordnung anzupassen.

(5) Die Bauleitpläne sollen eine nachhaltige städtebauliche Entwicklung, die die sozialen, wirtschaftlichen und umweltschützenden Anforderungen auch in Verantwortung gegenüber künftigen Generationen miteinander in Einklang bringt, und eine dem Wohl der Allgemeinheit dienende sozialgerechte Bodennutzung unter Berücksichtigung der Wohnbedürfnisse der Bevölkerung gewährleisten. Sie sollen dazu beitragen, eine menschenwürdige Umwelt zu sichern, die natürlichen Lebensgrundlagen zu schützen und zu entwickeln sowie den Klimaschutz und die Klimaanpassung, insbesondere auch in der Stadtentwicklung, zu fördern, sowie die städtebauliche Gestalt und das Orts- und Landschaftsbild baukulturell zu erhalten und zu entwickeln. Hierzu soll die städtebauliche Entwicklung vorrangig durch Maßnahmen der Innenentwicklung erfolgen.

(6) Bei der Aufstellung der Bauleitpläne sind insbesondere zu berücksichtigen:

1.
die allgemeinen Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse und die Sicherheit der Wohn- und Arbeitsbevölkerung,
2.
die Wohnbedürfnisse der Bevölkerung, insbesondere auch von Familien mit mehreren Kindern, die Schaffung und Erhaltung sozial stabiler Bewohnerstrukturen, die Eigentumsbildung weiter Kreise der Bevölkerung und die Anforderungen kostensparenden Bauens sowie die Bevölkerungsentwicklung,
3.
die sozialen und kulturellen Bedürfnisse der Bevölkerung, insbesondere die Bedürfnisse der Familien, der jungen, alten und behinderten Menschen, unterschiedliche Auswirkungen auf Frauen und Männer sowie die Belange des Bildungswesens und von Sport, Freizeit und Erholung,
4.
die Erhaltung, Erneuerung, Fortentwicklung, Anpassung und der Umbau vorhandener Ortsteile sowie die Erhaltung und Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche,
5.
die Belange der Baukultur, des Denkmalschutzes und der Denkmalpflege, die erhaltenswerten Ortsteile, Straßen und Plätze von geschichtlicher, künstlerischer oder städtebaulicher Bedeutung und die Gestaltung des Orts- und Landschaftsbildes,
6.
die von den Kirchen und Religionsgesellschaften des öffentlichen Rechts festgestellten Erfordernisse für Gottesdienst und Seelsorge,
7.
die Belange des Umweltschutzes, einschließlich des Naturschutzes und der Landschaftspflege, insbesondere
a)
die Auswirkungen auf Tiere, Pflanzen, Fläche, Boden, Wasser, Luft, Klima und das Wirkungsgefüge zwischen ihnen sowie die Landschaft und die biologische Vielfalt,
b)
die Erhaltungsziele und der Schutzzweck der Natura 2000-Gebiete im Sinne des Bundesnaturschutzgesetzes,
c)
umweltbezogene Auswirkungen auf den Menschen und seine Gesundheit sowie die Bevölkerung insgesamt,
d)
umweltbezogene Auswirkungen auf Kulturgüter und sonstige Sachgüter,
e)
die Vermeidung von Emissionen sowie der sachgerechte Umgang mit Abfällen und Abwässern,
f)
die Nutzung erneuerbarer Energien sowie die sparsame und effiziente Nutzung von Energie,
g)
die Darstellungen von Landschaftsplänen sowie von sonstigen Plänen, insbesondere des Wasser-, Abfall- und Immissionsschutzrechts,
h)
die Erhaltung der bestmöglichen Luftqualität in Gebieten, in denen die durch Rechtsverordnung zur Erfüllung von Rechtsakten der Europäischen Union festgelegten Immissionsgrenzwerte nicht überschritten werden,
i)
die Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Belangen des Umweltschutzes nach den Buchstaben a bis d,
j)
unbeschadet des § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes, die Auswirkungen, die aufgrund der Anfälligkeit der nach dem Bebauungsplan zulässigen Vorhaben für schwere Unfälle oder Katastrophen zu erwarten sind, auf die Belange nach den Buchstaben a bis d und i,
8.
die Belange
a)
der Wirtschaft, auch ihrer mittelständischen Struktur im Interesse einer verbrauchernahen Versorgung der Bevölkerung,
b)
der Land- und Forstwirtschaft,
c)
der Erhaltung, Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen,
d)
des Post- und Telekommunikationswesens, insbesondere des Mobilfunkausbaus,
e)
der Versorgung, insbesondere mit Energie und Wasser, einschließlich der Versorgungssicherheit,
f)
der Sicherung von Rohstoffvorkommen,
9.
die Belange des Personen- und Güterverkehrs und der Mobilität der Bevölkerung, auch im Hinblick auf die Entwicklungen beim Betrieb von Kraftfahrzeugen, etwa der Elektromobilität, einschließlich des öffentlichen Personennahverkehrs und des nicht motorisierten Verkehrs, unter besonderer Berücksichtigung einer auf Vermeidung und Verringerung von Verkehr ausgerichteten städtebaulichen Entwicklung,
10.
die Belange der Verteidigung und des Zivilschutzes sowie der zivilen Anschlussnutzung von Militärliegenschaften,
11.
die Ergebnisse eines von der Gemeinde beschlossenen städtebaulichen Entwicklungskonzeptes oder einer von ihr beschlossenen sonstigen städtebaulichen Planung,
12.
die Belange des Küsten- oder Hochwasserschutzes und der Hochwasservorsorge, insbesondere die Vermeidung und Verringerung von Hochwasserschäden,
13.
die Belange von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden und ihrer Unterbringung,
14.
die ausreichende Versorgung mit Grün- und Freiflächen.

(7) Bei der Aufstellung der Bauleitpläne sind die öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen.

(8) Die Vorschriften dieses Gesetzbuchs über die Aufstellung von Bauleitplänen gelten auch für ihre Änderung, Ergänzung und Aufhebung.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.