Verwaltungsgericht München Urteil, 16. Dez. 2014 - M 4 K 13.3733

published on 16/12/2014 00:00
Verwaltungsgericht München Urteil, 16. Dez. 2014 - M 4 K 13.3733
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Gericht

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Tenor

I.

Die Beklagte wird verpflichtet, die Wirkungen der Verlustfeststellung auf fünf Jahre ab Ausreise zu befristen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

III.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der am ...81 geborene Kläger ist kroatischer Staatsangehöriger. Er wendet sich gegen die Feststellung, dass er das Recht auf Einreise und Aufenthalt verloren hat.

Der Kläger wurde in Deutschland geboren, lebte aber im Alter von 8 Monaten bis 5 Jahre im ehemaligen Jugoslawien bei seinen Großeltern. In Deutschland besuchte er die erste und zweite Klasse, die dritte Klasse im ehemaligen Jugoslawien. Von 1990 bis 1994 ging er wieder in Deutschland zur Schule (vierte bis sechste Klasse); seine restliche Schulausbildung (siebte und achte Klasse) durchlief der Kläger in Kroatien und machte dort auch seinen Hauptschulabschluss.

Am 27. Februar 1996 reiste der Kläger im Alter von 15 Jahren wieder nach Deutschland, wo ihm am 9. September 1996 eine Aufenthaltserlaubnis erteilt wurde, die zuletzt bis 6. September 2000 verlängert wurde.

Eine im Jahr 1996 in Deutschland angefangene Ausbildung zum Metzger brach er nach kurzer Zeit ab und war im Folgenden im Wesentlichen arbeitslos. Ab dem Jahr 1997 wurde der Kläger wiederholt im Bundesgebiet straffällig, u. a. wegen Sachbeschädigung, Diebstahl (mehrfach), gefährlicher Körperverletzung und Diebstahl mit Waffen. Ab November 1999 war der Kläger zeitweise unbekannten Aufenthalts und wurde im März 2000 und September 2000 mit Haftbefehl gesucht. Von 11. April 2000 bis 20. April 2000 und von 25. September 2000 bis 15. November 2000 befand sich der Kläger in Untersuchungshaft; seit 15. November 2000 verbüßte er seine Jugendstrafe.

Mit bestandskräftigem Bescheid vom ...i 2001 wurde der Kläger aus der Bundesrepublik Deutschland ausgewiesen und seine Wiedereinreise für dauernd untersagt. Die Abschiebung nach Kroatien erfolgte am 18. September 2001 nach Teilverbüßung der zuletzt verhängten Jungendstrafe.

Zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt Anfang 2002 reiste der Kläger, nachdem er seinen Wehrdienst in Kroatien abgeleistet hatte, unerlaubt wieder ins Bundesgebiet ein und wurde daraufhin wie folgt straffällig:

- Am ... November 2004 verurteilte das Landgericht ... den Kläger wegen schwerer räuberischer Erpressung, gefährlicher Körperverletzung und Bedrohung in jeweils zwei rechtlich zusammentreffenden Fällen in Tatmehrheit mit Diebstahl in drei Fällen zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten. Das Gericht ordnete die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nach § 64 Abs. 1 StGB an.

Dem Urteil liegen folgende Sachverhalte zugrunde:

Am ... Juni 2002 schlug der Kläger mit einem Stein drei Schaufensterscheiben eines Handy-Ladens ein und entwendete aus den Geschäftsräumen elf Handys im Wert von insgesamt 2415 €.

Am ... Oktober 2002 nahm der Kläger den Geldbeutel einer Kellnerin an sich, in dem sich die Tageseinnahmen von ca. 600 € sowie der Generalschlüssel des Cafés, in dem diese beschäftigt war, befanden.

Am ... Februar 2003 drang der Kläger in die Wohnung eines Bekannten ein und schlug diesem mit einem Baseballschläger auf den Rücken und auf den rechten Arm. Anschließend schlug er einem weiteren Anwesenden mit dem Baseballschläger auf das linke Knie, den Unterarm sowie auf die rechte Hand und brach diesem dabei den Mittelfinger. Der Kläger forderte von beiden Geschädigten Heroin oder die entsprechende Menge an Geld, woraufhin ihm diese insgesamt 65 € aushändigten. Außerdem nahm sich der Kläger das Mobiltelefon eines des Geschädigten „als Pfand“ (Wert ca. 100 €). Beim Verlassen der Wohnung drohte der Kläger den beiden Geschädigten, dass er ihnen beim nächsten Mal „die Köpfe einhauen“ werde.

Am ... Juni 2003 schlug der Kläger die Scheibe zur Werkstatt eines Optikergeschäft ein und entwendete dort 65 € sowie 47 Sonnenbrillen; hierdurch entstand ein Schaden in Höhe von 8.011,80 €.

- Am ... Juni 2009 wurde der Kläger wegen Beleidigung in Tateinheit mit Bedrohung vom Amtsgericht ... zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten verurteilt.

Bei einer Beschuldigtenvernehmung beleidigte der Kläger zwei Polizeibeamte mehrfach mit „Arschloch“ und sagte er zu einem der Polizeibeamten „He Arschloch, was willst du da? Hau ab, sonst du und der Richter aus München“ und zog dabei seine linke Hand quer zum Kopf von rechts nach links.

- Am ... Juni 2012 verurteilte das Landgericht ******** den Kläger wegen unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit versuchtem unerlaubtem Erwerb von Betäubungsmitteln in Tateinheit mit vorsätzlichem unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit vorsätzlichem unerlaubtem Erwerb von Betäubungsmitteln und in einem Fall in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und zehn Monaten.

Der Kläger veräußerte in der Haft u. a. eine Viertel Tablette Subutex, drei Gramm Amphetamin, drei Gramm Haschisch, sowie zwei Gramm Marihuana in Gewinnerzielungsabsicht an einen Mitgefangenen. Weiter sollte der Kläger eine Lieferung von 14,47 Gramm Heroin und drei Gramm Marihuana erhalten; diese Lieferung konnte vor der Übergabe sichergestellt werden.

Ein weiteres Strafverfahren wegen Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz sowie ein Verfahren wegen Anstiftung zur uneidlichen Falschaussage sind noch nicht rechtskräftig abgeschlossen. Seit 19. August 2003 befindet sich der Kläger ohne Unterbrechung in Haft.

Der Kläger begann im Alter von 14 Jahren regelmäßig Kokain und später gelegentlich auch Cannabis zu konsumieren. Seit seiner Inhaftierung 2003 hat der Kläger von zwei Gelegenheiten abgesehen kein Kokain mehr genommen, konsumiert jedoch seit 2004 Heroin und gelegentlich Subutex-Tabletten. Der Maßregelvollzug im ...-Klinikum wurde am ... Oktober 2008 angesichts des „zögerlichen therapeutischen Verlaufs“ sowie der erneuten Straffälligkeit des Klägers beendet, vgl. § 67d Abs. 5 StGB.

Ein vorzeitiges Absehen von der Strafvollstreckung nach § 456a StPO wurde von der Staatsanwaltschaft... mehrfach abgelehnt; ohne Erfolg blieben auch die Eingabe des Klägers beim Bayerischen Landtag sowie eine Beschwerde beim Generalstaatsanwalt.

Nachdem Kroatien zum 1. Juli 2013 der Europäischen Union beigetreten ist, wurde der Kläger mit Schreiben vom 2. Juli 2013 zur geplanten Feststellung des Verlustes des Rechts auf Einreise und Aufenthalt angehört; eine Stellungnahme des Klägers erfolgte nicht.

Mit streitgegenständlichem Bescheid vom ... Juli 2013 stellte die Beklagte fest, dass der Kläger das Recht auf Einreise und Aufenthalt verloren hat (Ziff. 1) und untersagte die Einreise und den Aufenthalt im Bundesgebiet (Ziff. 2). Der Kläger wurde aufgefordert, das Bundesgebiet innerhalb eines Monats nach Bestandskraft des Bescheides zu verlassen; für den Fall der nicht fristgerechten Ausreise drohte die Beklagte die Abschiebung nach Kroatien oder einen anderen Staat an, in den der Kläger einreisen darf oder der zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist (Ziff. 3).

Die Beklagte führte aus, dass sich der Verlust des Rechtes auf Einreise und Aufenthalt eines EU-Bürgers aus § 6 Freizügigkeitsgesetz/EU -FreizügG/EU- ergebe. Durch seine Straffälligkeit nach der illegalen Wiederreinreise habe der Kläger die öffentliche Sicherheit und Ordnung der Bundesrepublik Deutschland schwerwiegend beeinträchtigt. Auch in der Justizvollzugsanstalt sei der Kläger wiederholt straffällig geworden. Eine Drogentherapie im Rahmen des Maßregelvollzugs habe abgebrochen werden müssen, da keine hinreichende Aussicht auf Behandlungserfolg bestanden habe. Angesichts dieser offensichtlichen kriminellen Energie und der nicht therapierten Drogensucht bestehe eine konkrete Wiederholungsgefahr. Es sei nicht zu erwarten, dass der Kläger seine bisherige Einstellung zur Rechtsordnung geändert habe. Der Kläger sei ledig und habe keine Kinder im Bundesgebiet; mit der in Deutschland lebenden Mutter bestehe schon seit 1999 kein gemeinsamer Wohnsitz mehr. Auch sei der erwachsene Kläger nicht auf die Fürsorge seiner Mutter angewiesen. Der Kläger sei teilweise im ehemaligen Jugoslawien bei seinen Großeltern aufgewachsen und habe dort die Schule besucht, so dass davon ausgegangen werden könne, dass er die Sprache seines Heimatlandes ausreichend beherrsche. Demnach stünden den gewichtigen öffentlichen Interessen keine gleich gewichtigen persönlichen Interessen des Klägers gegenüber.

Mit Schreiben vom 23. August 2013, bei Gericht am selben Tag eingegangen, erhob die ehemalige Bevollmächtigte des Klägers Klage und beantragte,

den Bescheid der Beklagten vom ... Juli 2013 aufzuheben.

Gleichzeitig beantragte sie, dem Kläger Prozesskostenhilfe unter ihrer Beiordnung zu gewähren und reichte mit Schreiben vom 16. September 2013 die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers nach.

Die ehemalige Klägerbevollmächtigte brachte zur Klagebegründung vor, dass der Kläger ein Daueraufenthaltsrecht nach § 4a FreizügG/EU habe. Er sei in Deutschland geboren und auch überwiegend im Bundesgebiet aufgewachsen. Der Kläger habe derzeit keine Beziehungen nach Kroatien und wäre dort ein Fremder; zu seiner in Deutschland lebenden Familie (Mutter und Tante) habe er eine sehr enge Beziehung. Zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit gemäß § 6 Abs. 4, Abs. 5 FreizügG/EU lägen nicht vor.

Mit Schreiben vom 13. September 2013 beantragte die Beklagte,

die Klage abzuweisen.

Mit Beschluss vom 5. November 2014 bewilligte die Kammer dem Kläger unter Beiordnung seiner Bevollmächtigten Prozesskostenhilfe, soweit die Beklagte keine Befristungsentscheidung getroffen hat; im Übrigen wurde der Antrag auf Prozesskostenhilfe abgelehnt. Mit Schreiben vom 24. November 2014 teilte die damalige Bevollmächtigte des Klägers mit, dass sie diesen nicht mehr vertrete.

In der mündlichen Verhandlung befristete der Beklagtenvertreter die Wirkungen der Verlustfeststellung auf acht Jahre ab Ausreise aus dem Bundesgebiet.

Wegen der Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage ist nur hinsichtlich der Höhe der Befristungsentscheidung (inzidenter Hilfsantrag) begründet; im Übrigen ist der streitgegenständliche Bescheid der Beklagte vom ... Juli 2013 rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung -VwGO-).

Das Gericht folgt hinsichtlich der Feststellung des Verlusts auf Einreise und Aufenthalt der Begründung des streitgegenständlichen Bescheids und sieht insofern von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 117 Abs. 5 VwGO).

Ergänzend ist auszuführen:

I.

Die Feststellung, dass der Kläger sein Recht auf Einreise und Aufenthalt verloren hat, ist rechtmäßig, vgl. § 6 FreizügG/EU. Maßgeblicher Zeitpunkt der Sach- und Rechtslage ist dabei der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung bzw. der Entscheidung des Tatsachengerichts (vgl. BayVGH B.v. 10.10.2013 - 10 ZB 11.607 - juris; BVerwG U.v. 3.8.2004 - 1 C 30/02 - juris).

1. Der Kläger ist vorliegend schon nicht freizügigkeitsberechtigt, vgl. § 2 FreizügG/EU.

a) Unabhängig von den übrigen Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 FreizügG/EU, fallen vor dem 1. Januar 2005 bestandkräftig ausgewiesene Unionsbürger nicht in den Anwendungsbereich des FreizügG/EU. Die „Altausweisung“ ist durch den Beitritt Kroatiens zur EU nicht gegenstandslos geworden, sondern wirkt fort und lässt somit das Recht auf Einreise und Aufenthalt entfallen (vgl. Epe in GK-AufenthG, Stand Dezember 2012, IX- 2 § 1 FreizügG/EU Rn. 24 m. w. N.; VGH BW; U.v. 30.4.2014 - 11 S 244/14 - juris Rn. 56ff.;102f.). Aufgrund der bestandskräftigen Ausweisung aus dem Jahr 2001 ist der Kläger damit bereits nicht freizügigkeitsberechtigt i. S.v. § 2 Abs. 1, Abs. 2 FreizügG/EU.

b) Darüber hinaus würden auch die weiteren Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 FreizügG/EU nicht vorliegen.

(1) Der Kläger ist weder ein Unionsbürger, der sich als Arbeitnehmer, zur Arbeitssuche oder zur Berufsausbildung in Deutschland aufhalten will (§ 2 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 1a) FreizügG/EU), noch ein niedergelassener selbstständiger Erwerbstätiger (§ 2 Abs. 2 Nr. 2), denn er verbüßte bereits vor seiner Ausweisung und Abschiebung eine Freiheitsstrafe im Bundesgebiet und befindet sich wieder seit 19. August 2003 ohne Unterbrechung in Haft. Etwaige Arbeitstätigkeiten in der Haft können hierfür nicht berücksichtigt werden (vgl. EuGH U.v. 7.7.2005 - C - 383/03 - juris; Hamb.OVG B.v. 14.12.2005 - 3 Bs 79/05 - juris Rn. 15).

(2) Auch ist der Kläger nicht Erbringer oder Empfänger von Dienstleistungen i. S.v. § 2 Abs. 2 Nr. 3, Nr. 4, denn diese Regelung erfasst nur Personen, die sich aus dem Mitgliedstaat ihres gewöhnlichen Aufenthalts zu diesem Zweck in einen anderen Mitgliedstaat begeben (vgl. Hamb.OVG B.v. 14.12.2005 - 3 Bs 79/05 - juris Rn. 17; VG Augsburg U.v. 27.1.2010 - Au 6 K 09.1061 - juris).

(3) Die Voraussetzungen für einen nicht erwerbstätigen Freizügigkeitsberechtigten nach § 2 Abs. 2 Nr. 4 i. V. m. § 4 FreizügG/EU erfüllt der Kläger ebenfalls nicht, da er ausweislich seines Antrages auf Prozesskostenhilfe nicht über ausreichende Existenzmittel verfügt.

(4) Auch ist der Kläger nicht als Familienangehöriger nach § 2 Abs. 2 Nr. 6 i. V. m. §§ 3, 4 FreizügG/EU freizügigkeitsberechtigt, da er bereits 33 Jahre alt ist und keinen Unterhalt von seiner Mutter bzw. Eltern erhält.

(5) Der Kläger hat überdies kein die Freizügigkeit begründendes Daueraufenthaltsrecht erworben, vgl. § 2 Abs. 2 Nr. 7 FreizügG/EU i. V. m. § 4a FreizügG/EU.

Nach § 4a FreizügG/EU erhalten Unionsbürger, die sich seit fünf Jahren ständig rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten haben, unabhängig von den Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 FreizügG/EU das Recht auf Einreise und Aufenthalt (Daueraufenthaltsrecht). Dabei kann sich das Recht auf Daueraufenthalt auch aus Aufenthaltszeiten eines Drittstaatsangehörigen in dem Mitgliedstaat ergeben, bevor der Drittstaat (hier: Kroatien) der Europäischen Union beigetreten ist, sofern der Betroffene nachweisen kann, dass er diese Zeiten im Einklang mit den Voraussetzungen des Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38/EG vom 29. April 2004 - Unionsbürger-RL - zurückgelegt hat (EuGH, U.v. 21. 12. 2011 - Rs C-424/10, 425/10, juris; BVerwG U.v. 31.5.2012 - 10 C 8/12 - juris). Diese Vorwirkung der Richtlinie gilt bei der gebotenen unionskonformen Auslegung auch für die nationale Regelung in § 4a FreizügG/EU, die die unionsrechtlichen Vorgaben des Art. 16 Unionsbürger-RL umsetzt (vgl. BVerwG U.v. 31.5.2012 - 10 C 8/12 - Rn. 17). Diese Aufenthaltszeiten müssen auch nicht unmittelbar bis in die Gegenwart reichen, sondern es ist ausreichend, wenn der ununterbrochene Fünfjahreszeitraum in der Vergangenheit liegt, solange kein Verlust nach § 4a Abs. 7 FreizügG/EU bzw. Art. 16 Abs. 4 UnionsbürgerRL eingetreten ist (vgl. Epe in GK-AufenthG, Stand Juli 2013, IX- 2 § 4a FreizügG/EU Rn. 13 m. w. N.; BVerwG U.v. 31.5.2012 - 10 C 8/12 - juris Rn. 21). Zeiträume, in denen der Betroffene eine Freiheitsstrafe verbüßt, können jedoch nach dem Sinn und Zweck der UnionsbürgerRL nicht für den Erwerb des Daueraufenthaltsrechts berücksichtigt werden, da es hier an der erforderlichen „qualitativen Integration“ fehlt (vgl. EuGH U.v. 16.1.2014 (Onuerkwere) - C 378/12 - juris Rn. 22ff.). Denn eine dem Daueraufenthaltsrecht notwendig zugrundeliegende Integration im Aufnahmemitgliedstaat beruht nicht allein auf territorialen und zeitlichen Faktoren, sondern auch auf qualitativen Elementen. Mit der Verhängung einer Freiheitsstrafe ohne Bewährung wird jedoch deutlich, dass der Betroffene die von der Gesellschaft des Aufnahmemitgliedstaats zum Ausdruck gebrachte Werte nicht beachtete und sich somit nicht „qualitativ“ integriert hat (vgl. EuGH a. a. O. Rn. 25f.).

Unter dieser Maßgabe hat der Kläger demnach kein Daueraufenthaltsrecht i. S.v. § 4a FreizügG/EU erworben, denn er hat im Bundesgebiet keine fünf Jahre im Einklang mit den Voraussetzungen des Art. 7 Abs. 1 der Unionsbürger-RL zurückgelegt.

In der Zeit von seiner Geburt bis zum Alter von 15 Jahren lebte der Kläger zwar zeitweise in Deutschland, jedoch nie die erforderlichen zusammenhängenden fünf Jahre (vgl. zu unbeachtlichen Unterbrechungen Art. 16 Abs. 3 UnionsbürgerRL /§ 4a Abs. 6 FreizügG/EU). Erst von 27. Februar 1996 bis zu seiner Abschiebung nach Kroatien am 18. September 2001 hielt sich der Kläger durchgehend fünf Jahre im Bundesgebiet auf. Da der Kläger jedoch ab 15. November 2000 eine Freiheitsstrafe verbüßte, können diese Zeiten wie oben ausgeführt für den Daueraufenthalt nicht angerechnet werden, so dass der erforderliche Aufenthaltszeitraum von fünf Jahren nicht erreicht wird. Aus demselben Grund folgt aus dem illegalen Aufenthalt im Bundesgebiet ab 2002 kein Daueraufenthaltsrecht, da sich der Kläger seit 2003 durchgehend in Haft befindet.

Somit ist der Kläger auch nicht nach § 2 Abs. 2 Nr. 7 i. V. m. § 4a FreizügG/EU freizügigkeitsberechtigt.

c) Der Beklagte stand es frei aufgrund der erneuten Straffälligkeit des Klägers im Bundesgebiet eine Verlustfeststellung auszusprechen, denn § 6 FreizügG/EU findet auch auf Unionsbürger Anwendung, die keine Freizügigkeit genießen, aber aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit das Bundesgebiet verlassen sollen (vgl. Dienelt in Renner/Bergmann/Dienelt, AusländerR, 10. Auflage 2013, § 6 FreizügG/EU, § 6 Rn. 8; VG München U.v. 19.5.2000 - M 25 K 09.673 - juris m. w. N.).

2. Nach § 6 Abs. 1 FreizügG/EU kann der Verlust des Rechts auf Einreise und Aufenthalt unbeschadet des § 2 Abs. 7 FreizügG/EU und des § 5 Abs. 4 FreizügG/EU nur aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit festgestellt werden; die Tatsache einer strafrechtlichen Verurteilung genügt für sich allein dafür nicht, vgl. § 6 Abs. 2 FreizügG/EU. Es dürfen nur im Bundeszentralregister noch nicht getilgte strafrechtliche Verurteilungen und diese nur insoweit berücksichtigt werden, als die ihnen zugrunde liegenden Umstände ein persönliches Verhalten erkennen lassen, das eine gegenwärtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung darstellt, vgl. § 6 Abs. 2 Satz 2 FreizügG/EU. Nach § 6 Abs. 2 Satz 3 FreizügG/EU muss eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung vorliegen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Das Erfordernis einer gegenwärtigen Gefährdung der öffentlichen Ordnung verlangt eine hinreichende Wahrscheinlichkeit, dass der Ausländer künftig die öffentliche Ordnung beeinträchtigen wird (vgl. BayVGH B.v. 10.10.2013 - 10 ZB 11.607 - juris; VG Bayreuth U.v. 11.12.2012 - B 1 K 11.401 - juris Rn. 38ff.)

a) Auf den höheren Schutz nach § 6 Abs. 4 bzw. Abs. 5 FreizügG/EU kann sich Kläger nicht berufen.

(1) Entgegen dem klägerischen Vorbringen hat dieser - wie bereits ausführlich erläutert - kein Daueraufenthaltsrecht i. S.v. § 4a FreizügG/EU erlangt, da er sich aufgrund seiner Haftzeiten nicht fünf Jahre im Einklang mit den Voraussetzungen des Art. 7 Abs. 1 Unionsbürger-RL im Bundesgebiet aufgehalten hat.

(2) Auch den gesteigerten Schutz vor aufenthaltsbeendenden Maßnahmen § 6 Abs. 5 FreizügG/EU kann der Kläger nicht für sich beanspruchen, denn § 6 FreizügG/EU beinhaltet ein dreistufiges, aufeinander aufbauendes System von Schutzstufen. Demnach erwirbt der Unionsbürger die höchste Schutzstufe (§ 6 Abs. 5 FreizügG/EU) nur, wenn er zuvor das in § 4a FreizügG/EU vorgesehene Recht auf Daueraufenthalt erlangt hat; ein rein tatsächlicher Aufenthalt im Bundesgebiet von zehn Jahren reicht hingegen nicht aus (vgl. Dienelt in Renner/Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 10. Auflage 2013, § 6 FreizügG/EU Rn. 55f. m. w. N.; BayVGH U.v. 21.12.2011 - 10 B 11.182 - juris). Wie bereits ausgeführt, hat der Kläger aber schon kein Daueraufenthaltsrecht i. S. v. § 4a FreizügG/EU erworben. Darüber hinaus fehlt es zudem aufgrund der langjährigen Strafhaft an der auch für § 6 Abs. 5 FreizügG/EU erforderlichen qualitativen Integration. Der Kläger kann sich somit nicht auf den besonderen Schutz nach § 6 Abs. 5 FreizügG/EU berufen (vgl. Dienelt in Renner/Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 10. Auflage 2013, § 6 FreizügG/EU Rn. 64 m.w.N).

b) Die Feststellung des Verlustes des Rechts auf Einreise und Aufenthalt erweist sich vorliegend als rechtmäßig, denn es liegt eine tatsächliche, gegenwärtige und hinreichend schwere Gefährdung vor, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt, vgl. § 6 Abs. 1, Abs. 2 FreizügG/EU. Nach zutreffender Einschätzung der Beklagten überwiegt damit das öffentliche Interesse an der Aufenthaltsbeendigung das private Interesse des Klägers am Verbleib im Bundesgebiet deutlich.

Der Kläger ist im Bundesgebiet mehrfach erheblich straffällig geworden. Bei der verübten schweren räuberischen Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung handelt es sich um eine schwerwiegende Gewalttat, bei der der Kläger eine hohe kriminelle Energie gezeigt hat. Er hat beide Opfer ohne Ankündigung mehrfach mit einem Baseballschläger geschlagen und hat gedroht, dass er ihnen das nächste Mal „die Köpfe einhauen werde“. Zudem rechnete der Kläger, wie sich aus den Feststellungen des Strafurteils ergibt, zumindest damit, dass die Geschädigten gar nicht seine Schuldner waren und er keinen „Anspruch“ auf die erpressten Gegenstände hatte. Dies war ihm aber gleichgültig, denn es ging ihm nur um seinen eigenen finanziellen Ausgleich.

Auch soweit der Kläger u. a. wegen illegalem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln verurteilt wurde, ist darin eine schwerwiegende Gefahr i. S. des § 6 Abs. 2 FreizügG/EU zu sehen. Die Gefahren, die vom illegalen Handel mit Betäubungsmitteln ausgehen, stellen nach höchstrichterlicher Rechtsprechung ein großes Übel für den Einzelnen und eine soziale und wirtschaftliche Gefahr für die Menschheit dar (vgl. BVerwG v. 13.12.2012 -1 C 20.11 - juris, m. w. N.).

Die Gefahren sind auch gegenwärtig, denn es besteht Wiederholungsgefahr. Der Kläger wurde seit 1997 mehrfach straffällig, wobei sich die Schwere der Delikte kontinuierlich steigerte. Weder die zwischenzeitliche Ausweisung noch der Strafvollzug haben den Kläger davon abgehalten, weitere Straftaten im Bundesgebiet zu begehen. Bereits wenige Monate nach seiner illegalen Einreise in die Bundesrepublik Deutschland wurde der Kläger erneut mehrfach straffällig und selbst in der Haft hat der Kläger wiederholt Straftaten begangen. Es ist daher mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass der Kläger nach Beendigung des Strafvollzuges erneut straffällig wird. Dafür spricht neben der bisherigen hohen Rückfallgeschwindigkeit auch die untherapierte Drogensucht des Klägers. Die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt wurde aufgrund des „zögerlichen therapeutischen Verlaufs“ beendet; eine weiterer Maßregelvollzug nach § 64 StGB wurde gutachterlich abgelehnt, da bereits eine Langzeittherapie wegen Aussichtslosigkeit abgebrochen wurde. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Urteil vom ... Juli 2012, da hier nur der Hang, Betäubungsmittel im Übermaß zu konsumieren abgelehnt wurde. Das forensisch-psychiatrische Gutachten vom ... November 2011 beschreibt ausführlich, dass beim Kläger eine Polytoxikomanie vorliegt.

Daher ist ernsthaft damit zu rechnen, dass der Kläger erneut im Bundesgebiet straffällig wird, insbesondere um nach der Haftentlassung seinen Drogenkonsum und seinen Lebensunterhalt zu finanzieren.

c) Rein hilfsweise weist das Gericht darauf hin, dass auch die Voraussetzungen des § 6 Abs. 4 FreizügG/EU („schwerwiegende Gründe“) vorliegen würden, wenn man entgegen der Ansicht der Kammer ein Daueraufenthaltsrecht nach § 4a FreizügG/EU bejahen würde.

Nach Ziff. 6.4.1 VV-FreizügG/EU liegen schwerwiegende Gründe insbesondere bei drohender Wiederholung von Verbrechen und besonders schweren Vergehen vor, wenn der Betroffene wegen eines einzelnen Delikts rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden und die Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt ist. Zu berücksichtigen ist dabei auch die Schwere der drohenden Beeinträchtigung für ein Grundinteresse der Gesellschaft, das über den sogenannten „Normalfall“ hinausgehen muss (vgl. Kurzidem in Beck’scher OK, Ausländerrecht, Stand 1.9.2014, § 6 FreizügG/EU Rn. 18 m. w. N.).

Vorliegend ist der Kläger (mehrfach) rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von über drei Jahren verurteilt worden. Die schwere räuberische Erpressung stellt dabei ein Verbrechen nach § 12 Abs. 1 StGB dar und die verschiedenen Betäubungsmitteldelikte sind als schwere Vergehen einzuordnen, da die Bekämpfung des Drogenhandels und der davon ausgehenden Gefahren ein wichtiges Interesse der Gesellschaft betrifft. Das Grundinteresse der Gesellschaft ist vorliegend auch besonders betroffen, da die Besonderheiten des Einzelfalls hier insbesondere anhand der bisherigen hohen Rückfallgeschwindigkeit, der gezeigten kriminellen Energie sowie der untherapierten Drogensucht des Klägers eine hohe Wiederholungsgefahr hinsichtlich hochrangiger Rechtsgüter zeigen.

Damit lägen auch schwerwiegende Gründe im Sinne von § 6 Abs. 4 FreizügG/EU vor.

d) Die Beklagte hat die persönlichen Interessen des Klägers ausreichend berücksichtigt und zutreffend gewichtet. Das Gericht kann die Ermessensentscheidung gemäß § 114 Satz 1 VwGO lediglich daraufhin überprüfen, ob der Verwaltungsakt rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist. Gemessen an diesen Vorgaben ist die Entscheidung der Beklagten nicht zu beanstanden.

Nach § 6 Abs. 3 FreizügG/EU sind bei der Verlustfeststellung insbesondere Dauer des Aufenthalts des Betroffenen in Deutschland, sein Alter, sein Gesundheitszustand, seine familiäre und wirtschaftliche Lage, seine soziale und kulturelle Integration in Deutschland und das Ausmaß seiner Bindungen zum Herkunftsstaat zu berücksichtigen. Daneben spielen die Höhe der verhängten Strafe, die Schwere der konkreten Straftat, die Umstände ihrer Begehung, das Gewicht des bedrohten Rechtsguts, sowie die Entwicklung und die Lebensumstände des Klägers eine wichtige Rolle (vgl. BayVGH B.v. 23.11.2010 - 19 ZB 10.584 - juris). In dem streitgegenständlichen Bescheid hat die Beklagte alle für den Kläger maßgeblichen Umstände berücksichtigt und sich auch mit den Schutzgütern des Art. 8 EMRK und des Art. 6 GG auseinandergesetzt.

Einen Verstoß gegen Art. 8 EMRK hat die Beklagte zu Recht verneint. Nach Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens. Der Eingriff einer Behörde in die Ausübung dieses Rechts ist nur statthaft, soweit er gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist, vgl. Art. 8 Abs. 2 EMRK. Ein Eingriff in die Schutzgüter des Art. 8 EMRK kommt dann in Betracht, wenn der Betroffene im Aufenthaltsstaat über intensive persönliche und familiäre Bindungen verfügt, insbesondere bei Ausländern, die aufgrund ihrer gesamten Entwicklung faktisch zu Inländern geworden sind und denen wegen der Besonderheiten des Einzelfalles ein Leben im Staat ihrer Staatsangehörigkeit, zu dem sie keinen Bezug haben, nicht zuzumuten ist (vgl. BVerwG U.v. 29.9.1998 - 1 C 8/96- juris). Zu diesem Personenkreis zählen vor allem im Bundesgebiet geborene Ausländer der zweiten Generation (vgl. BayVGH B.v. 11.7.2007 - 24 ZB 07. 743 - juris).

Unter dieser Maßgabe ist Art. 8 EMRK vorliegend nicht verletzt.

Der Kläger ist zwar in Deutschland geboren und teilweise aufgewachsen. Er hat darüber hinaus aber auch viel Zeit bei seinen Großeltern in Kroatien verbracht, hat dort mehrere Schulklassen absolviert und sogar den Hauptschulabschluss gemacht. In Deutschland war der Kläger hingegen ab dem Jahre 2000 überwiegend in Haft, hat eine Berufsausbildung abgebrochen und arbeitete in der Folgezeit lediglich sporadisch in der Firma seines Stiefvaters. Der Kläger ist im Bundesgebiet wiederholt in erheblichem Maße straffällig geworden und befindet sich seit nunmehr circa elf Jahren durchgehend in Haft. Die Tatsache, dass er selbst in der Haft erneut straffällig wurde, zeigt, dass er die Rechtsordnung der Bundesrepublik nach wie vor nicht respektiert. Zudem musste der Kläger in der Justizvollzugsanstalt mehrfach disziplinarisch geahndet werden und zeigte auch in der mündlichen Verhandlung keinerlei Einsicht oder Reue. Eine wirtschaftliche und/oder soziale Integration ist daher in keiner Weise erkennbar.

Zudem ist der Kläger volljährig und besitzt in Deutschland keine eigene „Kernfamilie“ (Ehefrau, Kinder). Er ist weder auf den Beistand seiner im Bundesgebiet lebenden Mutter und/oder Tante angewiesen, noch ist dies umgekehrt der Fall. Es ist dem Kläger zuzumuten, mit seinen in Deutschland lebenden Verwandten telefonisch oder brieflich Kontakt zu halten. Da der Kläger in Kroatien zeitweise die Schule besuchte, dort seinen Hauptschulabschluss gemacht und nach seiner Ausweisung den Wehrdienst abgeleistet hat, ist auch davon auszugehen, dass er die kroatische Sprache in ausreichender Weise beherrscht und sich in seinem Heimatland wieder zurechtfinden wird, unabhängig davon, ob der Kläger noch Verwandte in Kroatien hat. Ein Verstoß gegen Art. 8 EMRK liegt daher nicht vor.

Gleiches gilt für Art. 6 GG. Danach hat die Ausländerbehörde bei der Entscheidung über aufenthaltsbeendende Maßnahmen die familiären Bindungen des Ausländers an Personen, die sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, pflichtgemäß zu berücksichtigen (vgl. BVerfG B.v. 9.1.2009 - 2 BvR 1064/08 - juris). Wie bereits ausgeführt ist es dem volljährigen Kläger jedoch aufgrund seiner erheblichen Straffälligkeit und der konkreten Wiederholungsgefahr zuzumuten, zu seinen in Deutschland lebenden Verwandten (Mutter, Tante, etc.) von seinem Heimatland aus Kontakt zu halten.

Die Abwägungsentscheidung der Beklagten, dem Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung unter Berücksichtigung der von dem Kläger ausgehenden gesteigerten Wiederholungsgefahr den Vorrang vor dem Interesse des Klägers am Verbleib im Bundesgebiet zukommen zu lassen, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Dies gilt vor allem unter Berücksichtigung des dringenden Bedürfnisses der Bekämpfung des illegalen Drogenhandels und der davon ausgehenden Gefahren, sowie der Gewaltbereitschaft, der hohen kriminellen Energie des Klägers und der konkreten Wiederholungsgefahr. Besondere schutzwürdige Interessen des Klägers, die das öffentliche Interesse an dem Verlassen des Bundesgebietes überwiegen würden, liegen hingegen nicht vor.

II.

Der im Klageantrag enthaltene Hilfsantrag zur Befristung hat teilweise Erfolg (vgl. entsprechend bei Anfechtung der Ausweisung BVerwG U.v. 13.12.2012 - 1 C 20/11 - juris Rn. 38); das Gericht hält eine Frist von fünf Jahren für angemessen.

Die Kammer geht davon aus, dass die Befristungsentscheidung nach § 7 Abs. 2 FreizügG/EU entsprechend der Rechtsprechung zur Befristung nach § 11 Abs. 1 AufenthG keine Ermessensentscheidung der Ausländerbehörde darstellt, sondern gerichtlich voll überprüfbar ist (vgl. VGH BW U.v. 30.4.2014 - 11 S 244/14 - juris Rn. 66; VG München U.v. 19.2.2014 - M 9 K 13.969).

Nach § 7 Abs. 2 Satz 1 FreizügG/EU dürfen Unionsbürger, die ihr Freizügigkeitsrecht nach § 6 Abs. 1 FreizügG/EU verloren haben, nicht erneut in das Bundesgebiet einreisen und sich darin aufhalten. Dieses Verbot ist von Amts wegen zu befristen; die Frist ist nach Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls festzusetzen und darf fünf Jahre nur in den Fällen des § 6 Abs. 1 FreizügG/EU überschreiten, vgl. § 7 Abs. 2 Satz 5 und 6 FreizügG/EU.

Damit wäre vorliegend zwar eine Befristung auf über fünf Jahren nach § 7 Abs. 2 FreizügG/EU grundsätzlich möglich, doch erscheint hier nach Würdigung aller Umstände eine Befristung auf fünf Jahre angemessen und ausreichend.

Bei der Bestimmung der Länge der Frist sind insbesondere das Gewicht des Grundes für die Verlustfeststellung, die mit der Maßnahme verfolgte spezialpräventive Zweck, sowie die schutzwürdigen Belange des Ausländers zu berücksichtigen (vgl. Dienelt in Renner/Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 10. Auflage 2013, § 7 FreizügG/EU Rn. 37ff.).

Gegen den Kläger spricht seine erhebliche und andauernde Straffälligkeit, insbesondere im Bereich der Gewalt- und Betäubungsmitteldelikte. Weder die Ausweisung aus dem Bundesgebiet im Jahr 2001 noch die Strafhaft haben den Kläger davon abgehalten erneut Straftaten - sogar in der Haft - zu begehen. Er lässt damit ein hohes Maß an krimineller Energie und eine hohe Wiederholungsgefahr erkennen; Reue, Einsicht oder Änderungsbereitschaft zeigte der Kläger in der mündlichen Verhandlung nicht. Vielmehr gibt er an, dass er straffällig werden musste, weil er nach seiner Ausweisung nur illegal wieder nach Deutschland einreisen konnte. Eine Drogentherapie wurde abgebrochen, weil eine hinreichend konkrete Aussicht auf einen Behandlungserfolg nicht mehr bestanden hat. Zudem wurde der Kläger in der Justizvollzugsanstalt mehrfach disziplinarisch geahndet. Die familiären Bindungen des 33-jährigen Klägers im Bundesgebiet sind im Wesentlichen nur seine Mutter und seine Tante, die ihn regelmäßig in der Haft besuchen.

Zu berücksichtigen ist jedoch zugunsten des Klägers, dass die Straftaten zum Teil schon über zehn Jahre zurückliegen und nach der Feststellung im Strafurteil vom ... Juni 2012 der Kläger zwar in der Haft gelegentlich Betäubungsmittel nimmt, aber jedenfalls kein Hang vorliegt, diese im Übermaß zu konsumieren. Auch hat Kläger immerhin einen großen Teil seiner Kindheit und Jugend in Deutschland verbracht.

Unter Abwägung dieser genannten Umstände hält es die Kammer daher eine Befristung auf fünf Jahre ab Ausreise für erforderlich, aber auch ausreichend, so dass die Behörde insoweit zur Abänderung zu verpflichten war (vgl. BVerwG U.v. 14.2.2012 - 1 C 7 /11 - juris Rn. 34).

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Das Unterliegen der Beklagten wiegt dabei so gering, dass eine Kostenteilung nicht veranlasst war, vgl. § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.

Gründe für die Zulassung der Berufung nach §§ 124a Abs. 1 Satz 1, 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 VwGO liegen nicht vor.

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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au
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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au
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published on 30/04/2014 00:00

Tenor Auf die Berufungen des Klägers werden die Urteile des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 07.01.2014 - 6 K 4400/13 - und - 6 K 3244/13 - geändert. Die Abschiebungsandrohung des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 29.07.2013 in der Fassung vom 30.
published on 13/12/2012 00:00

Tatbestand 1 Der im Jahr 1981 in Deutschland geborene Kläger, ein türkischer Staatsangehöriger, wendet sich gegen seine unbefristete Ausweisung.
published on 31/05/2012 00:00

Tatbestand 1 Der Kläger, ein polnischer Staatsangehöriger, begehrt die Ausstellung einer Bescheinigung über das Bestehen eines Daueraufenthaltsrechts nach § 5 Abs. 6 Sat
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Annotations

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

(1) Die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt darf zwei Jahre nicht übersteigen. Die Frist läuft vom Beginn der Unterbringung an. Wird vor einer Freiheitsstrafe eine daneben angeordnete freiheitsentziehende Maßregel vollzogen, so verlängert sich die Höchstfrist um die Dauer der Freiheitsstrafe, soweit die Zeit des Vollzugs der Maßregel auf die Strafe angerechnet wird.

(2) Ist keine Höchstfrist vorgesehen oder ist die Frist noch nicht abgelaufen, so setzt das Gericht die weitere Vollstreckung der Unterbringung zur Bewährung aus, wenn zu erwarten ist, daß der Untergebrachte außerhalb des Maßregelvollzugs keine erheblichen rechtswidrigen Taten mehr begehen wird. Gleiches gilt, wenn das Gericht nach Beginn der Vollstreckung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung feststellt, dass die weitere Vollstreckung unverhältnismäßig wäre, weil dem Untergebrachten nicht spätestens bis zum Ablauf einer vom Gericht bestimmten Frist von höchstens sechs Monaten ausreichende Betreuung im Sinne des § 66c Absatz 1 Nummer 1 angeboten worden ist; eine solche Frist hat das Gericht, wenn keine ausreichende Betreuung angeboten wird, unter Angabe der anzubietenden Maßnahmen bei der Prüfung der Aussetzung der Vollstreckung festzusetzen. Mit der Aussetzung nach Satz 1 oder 2 tritt Führungsaufsicht ein.

(3) Sind zehn Jahre der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung vollzogen worden, so erklärt das Gericht die Maßregel für erledigt, wenn nicht die Gefahr besteht, daß der Untergebrachte erhebliche Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein.

(4) Ist die Höchstfrist abgelaufen, so wird der Untergebrachte entlassen. Die Maßregel ist damit erledigt. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein.

(5) Das Gericht erklärt die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt für erledigt, wenn die Voraussetzungen des § 64 Satz 2 nicht mehr vorliegen. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein.

(6) Stellt das Gericht nach Beginn der Vollstreckung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus fest, dass die Voraussetzungen der Maßregel nicht mehr vorliegen oder die weitere Vollstreckung der Maßregel unverhältnismäßig wäre, so erklärt es sie für erledigt. Dauert die Unterbringung sechs Jahre, ist ihre Fortdauer in der Regel nicht mehr verhältnismäßig, wenn nicht die Gefahr besteht, dass der Untergebrachte infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden oder in die Gefahr einer schweren körperlichen oder seelischen Schädigung gebracht werden. Sind zehn Jahre der Unterbringung vollzogen, gilt Absatz 3 Satz 1 entsprechend. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein. Das Gericht ordnet den Nichteintritt der Führungsaufsicht an, wenn zu erwarten ist, dass der Betroffene auch ohne sie keine Straftaten mehr begehen wird.

(1) Die Vollstreckungsbehörde kann von der Vollstreckung einer Freiheitsstrafe, einer Ersatzfreiheitsstrafe oder einer Maßregel der Besserung und Sicherung absehen, wenn der Verurteilte wegen einer anderen Tat einer ausländischen Regierung ausgeliefert, an einen internationalen Strafgerichtshof überstellt oder wenn er aus dem Geltungsbereich dieses Bundesgesetzes abgeschoben, zurückgeschoben oder zurückgewiesen wird.

(2) Kehrt der Verurteilte zurück, so kann die Vollstreckung nachgeholt werden. Für die Nachholung einer Maßregel der Besserung und Sicherung gilt § 67c Abs. 2 des Strafgesetzbuches entsprechend. Die Vollstreckungsbehörde kann zugleich mit dem Absehen von der Vollstreckung die Nachholung für den Fall anordnen, dass der Verurteilte zurückkehrt, und hierzu einen Haftbefehl oder einen Unterbringungsbefehl erlassen sowie die erforderlichen Fahndungsmaßnahmen, insbesondere die Ausschreibung zur Festnahme, veranlassen; § 131 Abs. 4 sowie § 131a Abs. 3 gelten entsprechend. Der Verurteilte ist zu belehren.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Das Urteil ergeht "Im Namen des Volkes". Es ist schriftlich abzufassen und von den Richtern, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben, zu unterzeichnen. Ist ein Richter verhindert, seine Unterschrift beizufügen, so wird dies mit dem Hinderungsgrund vom Vorsitzenden oder, wenn er verhindert ist, vom dienstältesten beisitzenden Richter unter dem Urteil vermerkt. Der Unterschrift der ehrenamtlichen Richter bedarf es nicht.

(2) Das Urteil enthält

1.
die Bezeichnung der Beteiligten, ihrer gesetzlichen Vertreter und der Bevollmächtigten nach Namen, Beruf, Wohnort und ihrer Stellung im Verfahren,
2.
die Bezeichnung des Gerichts und die Namen der Mitglieder, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben,
3.
die Urteilsformel,
4.
den Tatbestand,
5.
die Entscheidungsgründe,
6.
die Rechtsmittelbelehrung.

(3) Im Tatbestand ist der Sach- und Streitstand unter Hervorhebung der gestellten Anträge seinem wesentlichen Inhalt nach gedrängt darzustellen. Wegen der Einzelheiten soll auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen verwiesen werden, soweit sich aus ihnen der Sach- und Streitstand ausreichend ergibt.

(4) Ein Urteil, das bei der Verkündung noch nicht vollständig abgefaßt war, ist vor Ablauf von zwei Wochen, vom Tag der Verkündung an gerechnet, vollständig abgefaßt der Geschäftsstelle zu übermitteln. Kann dies ausnahmsweise nicht geschehen, so ist innerhalb dieser zwei Wochen das von den Richtern unterschriebene Urteil ohne Tatbestand, Entscheidungsgründe und Rechtsmittelbelehrung der Geschäftsstelle zu übermitteln; Tatbestand, Entscheidungsgründe und Rechtsmittelbelehrung sind alsbald nachträglich niederzulegen, von den Richtern besonders zu unterschreiben und der Geschäftsstelle zu übermitteln.

(5) Das Gericht kann von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es der Begründung des Verwaltungsakts oder des Widerspruchsbescheids folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt.

(6) Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat auf dem Urteil den Tag der Zustellung und im Falle des § 116 Abs. 1 Satz 1 den Tag der Verkündung zu vermerken und diesen Vermerk zu unterschreiben. Werden die Akten elektronisch geführt, hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle den Vermerk in einem gesonderten Dokument festzuhalten. Das Dokument ist mit dem Urteil untrennbar zu verbinden.

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

(1) Verbrechen sind rechtswidrige Taten, die im Mindestmaß mit Freiheitsstrafe von einem Jahr oder darüber bedroht sind.

(2) Vergehen sind rechtswidrige Taten, die im Mindestmaß mit einer geringeren Freiheitsstrafe oder die mit Geldstrafe bedroht sind.

(3) Schärfungen oder Milderungen, die nach den Vorschriften des Allgemeinen Teils oder für besonders schwere oder minder schwere Fälle vorgesehen sind, bleiben für die Einteilung außer Betracht.

Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Verwaltungsbehörde kann ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen.

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.

(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.

(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.

(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.

(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.

(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.

(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.

(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.

(7) Gegen einen Ausländer,

1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder
2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Einreise- und Aufenthaltsverbot anordnen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wird mit Bestandskraft der Entscheidung über den Asylantrag wirksam. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Über die Aufhebung, Verlängerung oder Verkürzung entscheidet die zuständige Ausländerbehörde.

(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.

(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteiligten können die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.

(2) Wer einen Antrag, eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf zurücknimmt, hat die Kosten zu tragen.

(3) Kosten, die durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entstehen, fallen dem Antragsteller zur Last.

(4) Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, können diesem auferlegt werden.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nicht befugt.

(2) Die Berufung ist, wenn sie von dem Verwaltungsgericht zugelassen worden ist, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht einzulegen. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.

(3) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 2 innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.

(4) Wird die Berufung nicht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, so ist die Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss. Die Berufung ist zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 dargelegt ist und vorliegt. Der Beschluss soll kurz begründet werden. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.

(6) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 5 innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Absatz 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.