Verwaltungsgericht München Urteil, 16. Feb. 2018 - M 28 K 16.36048

published on 16/02/2018 00:00
Verwaltungsgericht München Urteil, 16. Feb. 2018 - M 28 K 16.36048
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Gericht

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Tenor

I. Die Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen. Der Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 7. Dezember 2016 wird in den Nrn. 1. und 3. bis 6 aufgehoben.

II. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der Kläger ist iranischer Staatsangehöriger. Er verließ sein Heimatland am 23. November 2015 und reiste u.a. über die Türkei, Griechenland, Mazedonien, Serbien Kroatien, Slowenien und Österreich auf dem Landweg kommend am 7. Dezember 2015 in die Bundesrepublik Deutschland ein (jeweils eigene Angaben). Am 11. April 2016 stellte er einen Asylantrag.

Bei der Anhörung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) am 26. Oktober 2016 gab der Kläger zur Begründung seines Asylantrags im Wesentlichen Folgendes an: Er sei iranischer Araber und gehöre der Religion Ahl-e Haqq an. Er sei auch bei Erfan-e Halgeh. 1390 (2011) sei er deshalb für zwei Tage festgenommen worden. Er habe eine Einverständniserklärung abgeben müssen, dass er diese Aktivitäten einstelle. Sie hätten aber über moderne Telekommunikation ihre Nachrichten weiter verbreitet. Am 27.08.1394 (18. November 2015), während er in K. gewesen sei, seien die Sepah zu ihnen nach Hause gekommen, hätten nach ihm gefragt, das Haus der Familie durchsucht und u.a. seinen Laptop und zwei Bücher mitgenommen. Später hätte er zu Gericht kommen sollen. Ein paar Tage später seien sie nochmal gekommen, da sei er aber bei seiner Tante gewesen. Fünf Tage später habe er versucht auszureisen. Er sei vom Islam zu Ahl-e Haqq konvertiert gewesen. Auf den Fotos, die bei der Durchsuchung mitgenommen worden seien, hätte man das erkennen können. Er sei durch Seyed Khalil Alinejad zu Ahl-e Haqq gekommen. Er habe das gleiche Musikinstrument gespielt wie er. Der formale Übertritt habe noch nicht stattgefunden. Die Sepah hätten das Haus wegen Erfan-e Halgeh durchsucht und so herausgefunden, dass er zu Ahl-e Haqq gehöre. Zivilleute hätten durch Geheimarbeit herausgefunden, dass er zu Erfan-e Halgeh gehört habe. Erfan-e Halgeh habe er dadurch kennengelernt, dass er von einem Freund zu einem Meister eingeladen worden sei. Er sei mithilfe eines Schlepper, der in U. gewohnt habe, zu Fuß über die Berge geflohen. Zur Vorlage kamen u.a. ein „Abschlussbrief“ von Erfan-e Halgeh (Bl. 41 BA, Übersetzung Bl. 95 BA) sowie eine Vorladung (Bl. 42 BA, Übersetzung Bl. 98 BA) Wegen der weiteren Einzelheiten der Anhörung wird auf die Niederschrift (Bl. 1 ff. der Akte des Bundesamts - BA) verwiesen (§ 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO).

Mit Schreiben vom 2. November 2016 ließ der Kläger durch einen bevollmächtigten Asylhelfer u.a. vortragen, bei der Anhörung am 26. Oktober 2016 seien nicht alle vorgelegten Unterlagen zur Akte genommen worden. Zur Vorlage kam eine ergänzende Darstellung der klägerischen Fluchtgründe nebst diversen Unterlagen in Kopie, u.a. zwei „Abschlussbriefe“ von Erfan-e Halgeh (Bl. 57 BA, Übersetzung Bl. 95 BA; Bl. 58 BA, Übersetzung Bl. 96 BA), Fotos von einem Buch, in dem Unterlagen versteckt aus dem Iran nach Deutschland versandt worden sein sollen (Bl. 60 ff. BA, Übersetzung Bl. 97 ff. BA), ein Foto des Klägers, das Tattoos auf seinem Oberkörper zeigt (Bl. 63 BA) sowie die Vorladung (Bl. 64 BA, Übersetzung Bl. 98 BA).

Mit Bescheid vom 7. Dezember 2016, zugestellt am 9. Dezember 2016, entschied das Bundesamt, dass die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt werde (Ziffer 1.), der Antrag auf Asylanerkennung abgelehnt werde (Ziffer 2.), der subsidiäre Schutzstatus nicht zuerkannt werde (Ziffer 3.), Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorlägen (Ziffer 4.), forderte den Kläger auf, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe dieser Entscheidung bzw. im Falle einer Klageerhebung innerhalb von 30 Tagen nach dem unanfechtbaren Abschluss des Asylverfahrens zu verlassen, andernfalls werde er abgeschoben (Ziffer 5.) und befristete das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung (Ziffer 6.). Zur Begründung wurde u.a. ausgeführt: Die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und die Anerkennung als Asylberechtigter lägen nicht vor. Die Angaben des Klägers zu den fluchtauslösenden Ereignissen seien arm an Details, vage und oberflächlich geblieben. Die Angaben des Antragstellers, der Religionsgemeinschaft Ahl-e Haqq und der Bewegung Erfan-e Halgeh anzugehören, seien unglaubwürdig. Die engeren Voraussetzungen für eine Anerkennung als Asylberechtigter lägen somit ebenfalls nicht vor. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus lägen nicht vor. Auf die Ausführungen zum Flüchtlingsschutz werde verwiesen. Abschiebungsverbote lägen ebenfalls nicht vor. Die Abschiebungsandrohung sei gemäß § 34 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG zu erlassen. Die Ausreisefrist ergebe sich aus § 38 Abs. 1 AsylG. Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG werde nach § 11 Abs. 2 AufenthG auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet. Wegen der weiteren Einzelheiten der Bescheidsbegründung wird auf den Bescheid (Bl. 70 ff. BA) verwiesen (§ 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO).

Gegen diesen Bescheid ließ der Kläger durch seine Bevollmächtigten am 23. Dezember 2016 Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München erheben.

Zur Begründung der Klage ließ der Kläger mit Schriftsatz vom 9. Januar 2017 u.a. wie folgt vortragen: Er habe sich ab dem Alter von ca. 15 Jahren für die Religionsgemeinschaft der Ahl-e Haqq, auch Yaresan genannt, interessiert. Die Anhänger der Ahl-e Haqq würden im Iran staatlicherseits verfolgt. Zur Vorlage kamen u.a. eine Anfragebeantwortung zum Iran von Accord zu Yaresan/Ahl-e Haqq vom 3. August 2012 sowie ein Gutachten zu Ahl-e Haqq des Dr. T., Erlanger Zentrum für Islam und Recht in Europa, vom 9. August 2013, das in einem Verfahren des Verwaltungsgerichts Hannover erstattet worden war. Daneben sei der Kläger auch noch ein Anhänger und Lehrer der Erfan-e Halgeh-Lehre. Zur Vorlage kamen (erneut) Kopien der beiden „Abschlussbriefe“. Der Kläger habe am 18. November 2015 an der alljährlichen Demonstration von Mitgliedern der Ahl-e Haqq zu Ehren des 2011 in Schweden getöteten großen Meisters Seyed Khalil Alinejad in K. teilgenommen. Zur Vorlage kam der Ausdruck zweier Bilder, die den Kläger auf der Demonstration am 18. November 2015 zeigen sollen. Während der Kläger in K. gewesen sei, hätten Mitglieder der Sepah sein Wohnhaus in A. durchsucht, um ihn zu vernehmen. Der Kläger sei bereits ca. fünf Jahre vor diesem Vorfall von der Polizei festgenommen und gefoltert worden. Zur Vorlage kam ferner das Schreiben des Asylhelfers vom 2. November 2016 nebst Anlagen, davon neu eine Kopie des Mitgliedsausweises von Erfan-e Halgeh. Wegen der Einzelheiten der Klagebegründung wird auf den Schriftsatz vom 9. Januar 2017 verwiesen (§ 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO).

Am 27. Januar 2017 legte das Bundesamt seine Akten vor.

Mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 25. August 2017 ließ der Kläger ergänzend vortragen, von seinem Bruder habe er zwischenzeitlich telefonisch erfahren, dass die Sepah am 29. Juni 2017 in das Anwesen der Eltern eingedrungen seien und Auskunft über den Verbleib des Klägers gefordert hätten. Mit weiterem Schriftsatz vom 5. September 2017 wurde darauf hingewiesen, dass der Gründer von Erfan-e Halgeh am 27. August 2017 zum Tode verurteilt worden sei. Wegen der Einzelheiten wird auf die entsprechenden Schriftsätze verwiesen (§ 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO).

Mit Beschluss vom 24. November 2017 wurde der Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen.

Mit Schriftsatz vom 7. Dezember 2017 äußerte sich die Klagepartei ergänzend. Wegen der Einzelheiten wird auf diesen Schriftsatz verwiesen (§ 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO).

Mit gerichtlichen Schreiben vom 14. Februar 2018 wurden Stellungnahmen des Auswärtigen Amts vom 11. Dezember 2013 sowie vom 18. März 2015 zu Erfan-e Halgheh zum Gegenstand des Verfahrens gemacht.

Am 16. Februar 2018 fand die mündliche Verhandlung statt. Der Kläger wurde informatorisch gehört. Er äußerte sich insbesondere zu seiner Vorverfolgung im Iran wegen einer Zugehörigkeit zu Erfan-e Halgeh bzw. Ahl-e Haqq, v.a. Festnahme im Jahr 1390 (2011), versuchte Festnahme und Durchsuchung am 27.8.1394 (18. November 2015) während seines Aufenthalts bei der Gedenkveranstaltung in K., Vorladung vom 25.12.1394 (15. März 2016). Ferner beantworte er Fragen u.a. zu seiner Hinwendung zu Erfan-e Halgeh, seiner dortigen Ausbildung und Tätigkeit sowie seinem Wissen über Erfan-e Halgeh. Außerdem äußerte er sich zu seiner Hinwendung zu Ahl-e Haqq, seinem Übertritt zu und seinen Betätigungen für diese Religion, zu seinem Wissen über den Glauben der Ahl-e Haqq sowie zu seiner Betätigung dieses Glaubens in Deutschland. Der Kläger übergab dem Gericht jeweils die Originale seines Mitgliedsausweises von Erfan-e Halgeh, der „Abschlussbriefe“ von Erfan-e Halgeh, der Vorladung sowie diverser Fotos, die den Kläger auf Demonstrationen für Ahl-e Haqq sowie im Kreise von Anhängern von Ahle-e Haqq zeigen sollen, die jeweils in Augenschein genommen und erörtert wurden. Der Kläger ließ durch seinen Bevollmächtigten eine Schnellrecherche der Schweizerischen Flüchtlingshilfe-Länderanalyse vom 12. Dezember 2016 zu Iran, Verfolgung von Mitgliedern der Gruppe Erfan-e Halgeh (Interuniversalismus), sowie den Amnesty Report, Iran 2017, vom 17. Februar 2017 vorlegen. Das Gericht machte als weiteres Erkenntnismittel die Ausarbeitung des Ministry of Immigration and Integration, The Danish Immigration Service, Iran: The Yaresan, vom 6. April 2017, zum Gegenstand des Verfahrens. Der Kläger ließ zuletzt sinngemäß beantragen,

den Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 7. Dezember 2016 aufzuheben,

die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, hilfsweise dem Kläger subsidiären Schutz zu gewähren, weiter hilfsweise festzustellen, dass Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 AufenthG vorliegen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Niederschrift zur mündlichen Verhandlung verwiesen (§ 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO).

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Behördenakte verwiesen.

Gründe

Die zulässige Klage ist im Hauptantrag begründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß §§ 3 ff. AsylG. Der Bescheid vom 7. Dezember 2016 war deshalb in Ziffern 1. und 3. bis 6. aufzuheben (hinsichtlich der Ablehnung des Antrags auf Anerkennung als Asylberechtigter nach Art. 16 a GG in Ziffer 2. des Bescheids vom 7. Dezember 2016 ist dieser mangels Verpflichtungsantrag bestandskräftig geworden; ohnehin wäre eine Klage insoweit allein deshalb ohne Erfolg geblieben, weil der Kläger nach eigenem Vortrag u.a. Griechenland, Kroatien, Slowenien und Österreich und damit über sichere Drittstaaten nach Deutschland gelangt ist, Art. 16 a Abs. 2 GG i.V.m. § 26 a Abs. 1 und 2 AsylG). Da die Klage bereits im Hauptantrag Erfolg hatte, war über die Hilfsanträge nicht mehr zu entscheiden.

Der Kläger hat Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (§§ 3 ff. AsylG), weil er sich zur Überzeugung des Gerichts aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Religion Ahl-e Happ (auch Yaresan genannt) außerhalb seines Heimatlandes Iran befindet und ihm im Iran auch kein interner Schutz zur Verfügung steht. Gemessen an den vorliegenden Erkenntnismitteln kann im Iran im konkreten Einzelfall muslimischen Konvertiten zur Religion Ahl-e Haqq, die ihren neuen Glauben aktiv und öffentlich leben, landesweit staatlicherseits asylerhebliche Verfolgung drohen (sogleich 1.). Im Fall des Klägers ist auch davon auszugehen, dass dieser tatsächlich und aufgrund einer identitätsprägenden inneren Glaubensüberzeugung zur Religion Ahl-e Haqq konvertiert ist und seinen neuen Glauben im Iran aktiv und offen leben will, mithin in seinem Einzelfall eine begründete Furcht vor einer Verfolgung besteht (sogleich 2.). Unbeschadet dieses Ergebnisses kommt noch hinzu, dass der Kläger vorverfolgt aus dem Iran ausgereist war, was die beachtliche Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung im Falle einer Rückkehr in den Iran überobligatorisch weiter erhöht (sogleich 3.). Inwieweit dem Kläger auch allein wegen seiner Tätigkeit für die Bewegung Erfan-e Halgeh im Iran eine asylerhebliche Verfolgung drohte, kann bei diesem Ergebnis dahingestellt bleiben.

1. Gemessen an den ins Verfahren eingeführten Erkenntnismitteln (Berichte des Auswärtigen Amts über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran vom 9. Dezember 2015, S. 15 f., sowie vom 8. Dezember 2016, S. 10; Ministry of Immigration and Integration, The Danish Immigration Service, Iran: The Yaresan, vom 6. April 2017; Gutachten zu Ahl-e Haqq des Dr. Thielemann, Erlanger Zentrum für Islam und Recht in Europa, vom 9. August 2013; Accord, Anfragebeantwortung zum Iran: 1) Diskriminierung und Übergriffe gegen die religiöse Minderheit der Yaresan oder Ahl-e Haq; 2) Konzepte der Seelenwanderung und Epochenlehre der Yaresan, vom 3. August 2012) kann im Iran im konkreten Einzelfall muslimischen Konvertiten zur Religion Ahl-e Haqq (auch Yaresan genannt), die ihren neuen Glauben aktiv und öffentlich leben, landesweit staatlicherseits asylerhebliche Verfolgung (§§ 3 ff. AsylG) drohen.

Bei den Ahl-e Haqq handelt es sich um eine religiöse Minderheit, die im Iran vor allem in der Provinz K. beheimatet ist. Diese Minderheit, deren Größe auf zwischen einer und vier Millionen Menschen geschätzt wird, wird vom iranischen Staat insoweit allgemein diskriminiert, als jedenfalls die traditionalistischen Ahl-e Haqq staatlicherseits zu einer Anpassung an den Islam gedrängt werden und diese zur Vermeidung einer Diskriminierung ihre religiöse Identität und ihren Glauben oftmals für sich behalten und sich in der Öffentlichkeit wie Muslime verhalten müssen. Im Einzelfall werden vor allem öffentlich aktive und profilierte Angehörige der Ahl-e Haqq staatlicherseits unter Druck gesetzt, verhört oder festgenommen (zum Ganzen: Ministry of Immigration and Integration, The Danish Immigration Service, Iran: The Yaresan, vom 6. April 2017, S. 4 - 9).

Wie in Bezug auf andere Religionen (wie z.B. das Christentum oder die Bahai) auch ist es Muslimen im Iran strikt verboten, zum Glauben der Ahl-e Haqq überzutreten und diesen aktiv und offen zu praktizieren. Eine solche aktiv und offen gelebte Konversion von Muslimen zu einer anderen Religion wird bei deren Bekanntwerden als Abfall vom islamischen Glauben aufgefasst und kann deshalb zu gravierenden Verfolgungsmaßnahmen bis hin zu einer Anklage wegen Apostasie oder eines Sicherheitsdelikts und Sanktionen bis hin zur Todesstrafe führen (Berichte des Auswärtigen Amts über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran vom 9. Dezember 2015, S. 15 f., sowie vom 8. Dezember 2016, S. 10; Ministry of Immigration and Integration, The Danish Immigration Service, Iran: The Yaresan, vom 6. April 2017, S. 10, wobei zu letzterem Erkenntnismittel anzumerken ist, dass die von Ahl-e Haqq auf Wunsch des muslimischen Apostaten grundsätzlich akzeptierte Konversion wegen der deshalb drohenden gravierenden Konsequenzen eine Ausnahme sein mag, jedoch - wie der vorliegende Fall zeigt - keineswegs ausgeschlossen ist).

Bei den mithin aktiv und offen zu Ahl-e Haqq konvertierten Muslimen drohenden staatlichen Strafverfolgungsmaßnahmen handelt es sich zweifellos um eine Verfolgung in Gestalt asylerhebliche Verfolgungshandlungen (§ 3a AsylG), die an den Verfolgungsgrund „Religion“ (§ 3b Abs. 1 Nr. 2 AsylG) anknüpfen, vom Staat als Akteur (§ 3c Nr. 1 AsylG) ausgehen und hinsichtlich der angesichts der landesweit drohenden staatlichen Verfolgung kein interner Schutz (§ 3e AsylG) zur Verfügung steht.

2. Im konkreten Einzelfall des Klägers ist zur Überzeugung des Gerichts bei einer Gesamtwürdigung aller Umstände davon auszugehen, dass dieser tatsächlich vom Islam zur Religion Ahl-e Haqq konvertiert ist und seinen neuen Glauben im Iran auch aktiv und offen leben will, mithin in seinem Einzelfall eine begründete Furcht vor einer Verfolgung besteht. Der Übertritt des Klägers zu Ahl-e Haqq und seine Betätigung dieses Glaubens beruht zur Überzeugung des Gerichts auf dessen ernsthafter und dauerhafter identitätsprägender innerer Glaubensüberzeugung.

Vergleichbar zu der von iranischen Asylbewerbern häufig vorgetragen Konversion zum Christentum (siehe dazu: BVerwG, B. v. 25.8.2015 - 1 B 40.15 - juris Rn. 9 ff. m.w.N.; BayVGH, B. v. 7.11.2016 - 14 ZB 16.30380 - juris Rn. 7 ff., 12, B. v. 16.11.2015 - 14 ZB 13.30207 - juris Rn. 5 ff. m.w.N.; OVG Nordrhein-Westfalen, B. v. 10.2.2017 - 13 A 2648/16.A - juris Rn. 11 f., B. v. 27.4.2015 - 13 A 440/15.A - juris Rn. 10 ff. m.w.N., B. v. 24.5.2013 - 5 A 1062/12.A - juris Rn. 8 ff. m.w.N.; U. v. 7.11.2012 - 13 A 1999/07.A - juris Rn. 37 ff. m.w.N; OVG Lüneburg, B. v. 16.9.2014 - 13 LA 93/14 - juris Rn. 4 ff. m.w.N.; VGH BW, B. v. 23.4.2014 - A 3 S 269/14 - juris Rn. 6 m.w.N.) setzt die Annahme einer Verfolgungsgefährdung wegen der Konversion eines Muslimen zu Ahl-e Haqq voraus, dass die vorgetragene Hinwendung des Asylsuchenden zu der angenommenen Religion zur vollen Überzeugung des Gerichts auf einer inneren Glaubensüberzeugung beruht, mithin eine ernsthafte, dauerhafte und nicht lediglich auf Opportunitätserwägungen oder asyltaktischen Gründen beruhende Hinwendung zu Ahl-e Haqq vorliegt und der neue Glaube die religiöse Identität des Schutzsuchenden prägt. Hierzu gehört auch, aber nicht nur, dass dem Konvertiten die wesentlichen Grundelemente seiner neuen Religion vertraut sind, wobei seine Persönlichkeit und seine intellektuellen Fähigkeiten zu berücksichtigten sind. Wie bei der christlichen Taufe auch genügt allein der formale Übertritt zu Ahl-e Haqq nicht. Eine beachtliche Verfolgungsgefährdung lässt sich ferner auch nicht allein daraus ableiten, dass sich der Asylsuchende in Deutschland religiös betätigt hat, selbst wenn dies öffentlich (z.B. im Internet) bekannt geworden ist. Das Gericht muss vielmehr die volle Überzeugung gewinnen, dass der Asylsuchende die religiöse Betätigung seines Glaubens für sich selbst als verpflichtend zur Wahrung seiner religiösen Identität empfindet. Es muss davon ausgehen können, dass der Asylsuchende seinen neuen Glauben in einer Weise verinnerlicht hat, dass es ihm ein tief empfundenes Bedürfnis ist, diesen Glauben auch im Fall der Rückkehr in das Herkunftsland ungehindert leben zu können. Hingegen ist nicht zu erwarten, dass ein Asylsuchender nach der Rückkehr in sein Herkunftsland eine Religion aktiv lebt, die er nur vorgeblich, oberflächlich oder aus asyltaktischen Gründen angenommen hat.

Gemessen an diesen Grundsätzen ist im Fall des Klägers bei einer Gesamtwürdigung aller Umstände, insbesondere seiner Einlassung in der mündlichen Verhandlung, zur Überzeugung des Gerichts davonauszugehen, dass dieser tatsächlich schon im Iran zu Ahl-e Haqq konvertiert wr, diese Konversion auf einer identitätsprägenden inneren Glaubensüberzeugung beruhte und er seinen neuen Glauben im Iran tatsächlich aktiv und offen leben will. Im Einzelnen:

Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung gegenüber dem Gericht nachvollziehbar und glaubwürdig erläutern können, wie es dazu gekommen war, dass er sich bereits im Iran der Religion Ahl-e Haqq zugewandt hatte: Danach hat sich der erste Kontakt über das bei den Ahl-e Haqq verbreitete Musikinstrument Tambur ergeben (SP S. 20). In Übereinstimmung dazu hatte der Kläger bereits beim Bundesamt vorgetragen, er sei dadurch zu Ahl-e Haqq gekommen, dass er das gleiche Musikinstrument wie der Gelehrte Seyed Khalil Alinejad gespielt habe (Bl. 3 BA). Vor allem hat der Kläger dann auch zumindest im Ansatz deutlich machen können, aufgrund welcher Beweggründe er bei Ahl-e Haqq geblieben ist, nämlich nicht nur, weil er sich dort wie bei seiner „wirklichen Familie und „zu Hause“ gefühlt hatte, sondern auch weil ihn beeindruckt hatte, dass die Ahl-e Haqq ihren Überzeugungen folgen und er selbst genauso freidenkend über seinen Weg entscheiden wollte (SP S. 20 f., vgl. a. SP S. 9).

Dem Kläger kann auch geglaubt werden, dass er tatsächlich bereits im Iran Mitglied der Ahl-e Haqq geworden war. Ein derartiger Übertritt zu den Ahl-e Haqq ist gemessen an den Erkenntnismitteln (Ministry of Immigration and Integration, The Danish Immigration Service, Iran: The Yaresan, vom 6. April 2017, S. 10) selbst bei den traditionellen Gruppen, wenn auch nur ausnahmsweise, so aber doch auf Wunsch des Betroffenen grundsätzlich möglich. Der Kläger hat hierzu plausibel und lebensnah vorgetragen, dass er zunächst einige religiöse Lehren, einige Instrumente und Gebete erlernen musste. Danach musste er einen Meister finden, der den Übertritt zu Ahl-e Haqq akzeptiert. Erst 1384/1385 (2007/2008) sei er als Mitglied der Ahl-e Haqq akzeptiert worden (SP S. 21). Im weiteren Verlauf hat der Kläger dann auch den Ablauf und die Bedeutung der Feierlichkeit, wenn jemand Mitglied wird, substantiiert darlegen können (SP S. 22). Auf Vorhalt konnte der Kläger den scheinbaren Widerspruch zu seiner Angabe beim Bundesamt, der formale Übertritt habe noch nicht stattgefunden (Bl. 3 BA), schließlich dahingehend auflösen, dass damit gemeint gewesen sei, dass er selbst zwar Mitglied, aber noch kein Meister geworden sei (SP S. 21), was wiederum mit seinen weiteren Angaben zu seinem Meister in Deutschland (vgl. SP S. 24 f.) im Einklang steht.

Der Kläger konnte auch substantiiert darlegen, dass und wie er seinen neuen Glauben bereits im Iran ausgeübt hatte: So erwähnte er etwa seine Teilnahme an dem dreitägigen Fasten im Monat Aban (SP S. 21). Die Existenz dieses Festes ergibt sich auch aus den Erkenntnismitteln (Gutachten zu Ahl-e Haqq des Dr. Thielemann, a.a.O., S. 2, Bl. 126 BA). Ebenso in Übereinstimmung mit den Erkenntnismitteln (Gutachten zu Ahl-e Haqq des Dr. T., a.a.O., S. 2, Bl. 126) berichtete der Kläger darüber hinaus von seiner Teilnahme an Zusammenkünften u.a. mit Musikbegleitung im Umfang von bis zu zehn Mal pro Jahr sowie von dem sog. Hahnenopfer (SP S. 21 f.). Nachweisen konnte der Kläger durch die zunächst als Kopie und in der mündlichen Verhandlung dann im Original vorgelegten Fotos, dass er mindestens zweimal an der Gedenkfeier in K. für den getöteten Gelehrten der Ahl-e Haqq Seyed Khalil Alinejad am 27. Aban (18. November) teilgenommen hatte. Diese Fotos zeigen unzweifelhaft, dass der Kläger an diesen Veranstaltungen, die genauso unzweifelhaft mit Seyed Khalil Alinijad in Zusammenhang standen, teilgenommen hatte. Der Kläger konnte auf Vorhalt auch plausibel erklären, wie er in Besitz dieser Fotos gelangt war. Ferner konnte er auf weiteren Vorhalt überzeugend darlegen, dass seine unterschiedliche Bekleidung auf diesen Fotos damit erklärt werden kann, dass diese - entgegen der wohl irrtümlichen Darstellung des Asylhelfers in den mit Schreiben vom 2. November 2016 vorgelegten Unterlagen - aus verschiedenen Jahren stammen (zum Ganzen SP S. 9 f.). Auch diverse weitere, vom Kläger erstmals in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Fotos, welche den Kläger im Kreis von anderen Gläubigen der Ahl-e Haqq-Religion zeigen, streiten für eine Teilnahme des Klägers an Veranstaltungen der Ahl-e Haqq. Schließlich konnte der Kläger auch stimmig darlegen, dass und wie er in Deutschland seinen Ahl-e Haqq-Glauben in seinem privaten Leben betätigt (SP S. 24 f.). Für die Glaubwürdigkeit seiner Angaben spricht, dass er von sich aus eingeräumt hat, in Deutschland nicht mehr an offiziellen Veranstaltungen der Ahl-e Haqq teilgenommen zu haben (SP S. 22). Er hat auf Vorhalt auch überzeugend darlegen können, dass dies nicht etwa aus mangelndem Interesse geschehen ist, sondern mit einer zu geringen Zahl von Ahl-e Haqq-Anhängern in Süddeutschland bzw. zu hohen Fahrtkosten zu seinem Meister in Kiel zusammenhängt (SP S. 23 f.). Substantiiert und glaubwürdig konnte er auch angeben, dass und wie er mit seinem Meister in Deutschland in Kontakt steht (SP S. 24 f.), und wo in Deutschland es Gebetsstätten der Ahl-e Haqq gibt (SP S. 23 f.), was sein fortbestehendes Interesse für seinen neuen Glauben zusätzlich belegt.

Auf eine identitätsprägende innere Glaubensüberzeugung weist auch das Wissen des Klägers über den Glauben der Ahl-e Haqq hin: So nannte er etwa korrekt die auch in den Erkenntnismitteln (Accord, a.a.O., S. 3, Bl. 123 BA) erwähnten vier wichtigen Prinzipien der Ahl-e Haqq (SP S. 22). Verständig erläutern konnte der Kläger ferner das gemäß den Erkenntnismitteln (Accord, a.a.O., S. 3, Bl. 123 BA; Gutachten zu Ahl-e Haqq des Dr. T., a.a.O., S. 2, Bl. 126) bestehende Konzept der Seelenwanderung (SP S. 22 f.). Auskunft geben konnte er außerdem zur Art und Weise des Betens der Ahl-e Haqq und zu Sultan Sohak (SP S. 23; vgl. zur Person des Sultan Sohak und seiner Bedeutung für die Ahl-e Haqq das Gutachten des Dr. T., a.a.O., S. 2, Bl. 126).

Der Annahme einer identitätsprägenden inneren Glaubensüberzeugung hinsichtlich Ahl-e Haqq steht nicht entgegen, dass der Kläger sich zudem auch der Bewegung Erfan-e Halgeh zugehörig fühlt. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung überzeugend dargelegt, dass es für ihn bei Erfan-e Halgeh um Mystik gehe, die keinen Konflikt mit irgendeiner Religion habe, an den Kursen im Iran hätten deshalb auch z.B. Bahais oder Atheisten teilgenommen (SP S. 2 f.). Diese klägerische Einlassung steht im Einklang mit den ins Verfahren einbezogenen Erkenntnismitteln, wonach Erfan-e Halgheh die mystischen Konzepte in Bezug auf alle Menschen untersuche, daher könne jede und jeder unabhängig von Rasse, Nationalität, Religion und persönlichem Glauben die Theorien von Erfan-e Halgeh empfangen, die Anhänger sähen Erfan-e Halgheh nicht als Widerspruch zu traditionellen Glaubensrichtungen (Schnellrecherche der Schweizerische Flüchtlingshilfe-Länderanalyse vom 12. Dezember 2016 zu Iran, Verfolgung von Mitgliedern der Gruppe Erfan-e Halgeh (Interuniversalismus), S. 2).

Das Gericht glaubt dem Kläger schließlich auch, dass er seinen Ahl-e Haqq-Glauben im Falle einer Rückkehr in den Iran (erneut) aktiv und offen leben wollte: Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung bekundet, dass er versuchen würde, an allen Veranstaltungen teilzunehmen und sein Leben danach zu gestalten, sowie dass er nicht bereit wäre, seinen Ahl-e Haqq-Glauben im Iran nur heimlich zu leben. Dies ist auch glaubwürdig: Zum einen ist das Gericht aufgrund der o.g. Gesichtspunkte davon überzeugt, dass sich der Kläger tatsächlich aufgrund einer dauerhaften und ernsthaften inneren Überzeugung zur Religion Ahl-e Haqq bekennt. Zum anderen hat der Kläger nicht nur behauptet, sondern insbesondere durch die Vorlage von Fotos auch nachgewiesen, dass er seinen Ahl-e Haqq-Glauben im Iran vor seiner Ausreise bereits aktiv und offen gelebt hatte. Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass und warum dies im Falle einer etwaigen Rückkehr des Klägers nach Iran nunmehr anders sein sollte.

Mithin ist bei einer Gesamtwürdigung aller Umstände zur Überzeugung des Gerichts davon auszugehen, dass die Konversion des Klägers zu Ahl-e Haqq auf einer ernsthaften und dauerhaften, inneren Glaubensüberzeugung beruht, welche die religiöse Identität des Klägers prägt. Der Kläger hat zur Überzeugung des Gerichts seinen Ahl-e Haqq-Glauben in einer Weise verinnerlicht, dass es ihm ein tief empfundenes Bedürfnis ist, diesen Glauben auch im Fall der Rückkehr in das Herkunftsland Iran aktiv und offen leben zu können. Schon allein deshalb ist dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft (§§ 3 ff. AsylG) zuzuerkennen.

3. Unbeschadet dieses Ergebnisses - Flüchtlingseigenschaft ist allein wegen der Konversion zu Ahl-e Haqq zuzuerkennen - kommt noch hinzu, dass der Kläger zur Überzeugung des Gerichts vorverfolgt aus dem Iran ausgereist war, was die beachtliche Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung im Falle einer Rückkehr in den Iran überobligatorisch weiter erhöht. Hierbei ist entscheidend zu berücksichtigten, dass dem vorverfolgten Kläger die Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2011/95/EU (Qualifikationsrichtlinie) zu Gute kommt. Danach ist u.a. die Tatsache, dass ein Antragsteller - wie hier der Kläger - bereits verfolgt wurde bzw. von solcher Verfolgung unmittelbar bedroht war, ein ernsthafter Hinweis darauf, dass die Furcht des Antragstellers vor Verfolgung begründet ist. Stichhaltige Gründe, die dagegen sprächen, dass der Kläger im Falle einer Rückkehr in den Iran erneut von solcher Verfolgung bedroht wäre, sind nicht ersichtlich. Zu dieser Vorverfolgung ist im Einzelnen noch auszuführen:

Das Gericht glaubt dem Kläger nach jeweils ausführlicher Befragung in der mündlichen Verhandlung, dass er sich tatsächlich auch der mystischen Bewegung Erfan-e Halgeh zugewandt hatte, die iranischen Sicherheitsbehörden ihn deshalb am 27. Aban 1394 (18. November 2015), als er auf der Gedenkveranstaltung für Seyed Khalil Alinejad in K. weilte, zu Hause aufsuchen wollten, das Haus durchsuchten und diverse Unterlagen beschlagnahmten, die Sicherheitsbehörden spätestens dadurch auch von der Konversion des Klägers zu Ahl-e Haqq und dem damit verbundenen Abfall vom Islam erfahren hatten und u.a. deshalb Strafverfolgungsmaßnahmen gegen den Kläger ergriffen, ihn insbesondere ihn für den 25. Esfand 1394 (15. März 2016) vorluden: Die Hinwendung des Klägers zur Bewegung Erfan-e Halgeh ist nachgewiesen durch Vorlage der zwei Abschlussbriefe sowie des Mitgliedsausweises. Diese lagen in der mündlichen Verhandlung im Original vor, wurden von der Dolmetscherin teilweise übersetzt und vom Kläger plausibel erläutert (SP S. 16 ff.). Inhalt und Gestaltung der Abschlussbriefe stimmen überein mit der Beschreibung derartiger Dokumente in der Stellungnahme des Auswärtigen Amts vom 18. März 2015, S. 3, welches mit gerichtlichem Schreiben vom 14. Februar 2018 zum Gegenstand des Verfahrens gemacht worden war. Der Kläger konnte auch nachvollziehbar darlegen, warum er sich der mystischen Bewegung Erfan-e Halgeh zugewandt hatte (SP S. 16). Ferner verfügte er auch über Wissen über die Lehre Erfan-e Halgeh (SP S. 19). Unter 2. näher ausgeführt wurde bereits, dass und warum die Konversion zu Ahl-e Haqq nicht im Gegensatz zu einer Hinwendung zu Erfan-e Halgeh steht. Es ist gemessen an den in das Verfahren einbezogene Erkenntnismittel (v.a. Schnellrecherche der Schweizerische Flüchtlingshilfe-Länderanalyse vom 12. Dezember 2016, a.a.O., S. 4 ff.) auch plausibel, dass der Kläger als Anhänger von Erfan-e Halgeh in das Visier der staatlichen Sicherheitsorgane geraten war. Ob der Kläger dabei tatsächlich als Lehrer/Dozent eine so herausgehobene Stellung bei Erfan-e Halgeh hatte, dass mit einer asylerheblichen Verfolgung gerechnet werden musste (vgl. dazu VG Würzburg, U. v. 13.11.2017 - W 8 K 17.31790 - juris Rn. 21 ff.), kann in diesem Zusammenhang dahingestellt bleiben, da es ja gemessen an der glaubwürdigen Einlassung des Klägers Ende 2015 tatsächlich zu Verfolgungsmaßnahmen gegen ihn gekommen war. Insbesondere glaubt das Gericht dem Kläger, dass die iranischen Sicherheitsbehörden ihn am 27. Aban 1394 (18. November 2015), als er auf der Gedenkveranstaltung für Seyed Khalil Alinejad in K. weilte, zu Hause aufsuchen wollten, das Haus durchsuchten und diverse Unterlagen beschlagnahmten. Die diesbezügliche Einlassung des Klägers ist schlüssig (SP S. 4, S. 6, Bl. 3 BA), dies betrifft auch die Frage des Anlasses für diese Maßnahme der Sicherheitsorgane (SP S. 6 f., S. 12). Der Kläger konnte auch plausibel erklären, wieso er trotz der von ihm vorgetragenen Beschlagnahme von Unterlagen im späteren behördlichen und gerichtlichen Asylverfahren in Deutschland diverse Unterlagen vorlegen konnte (SP S. 9 - Fotos; SP S. 12 f., Bl. 60 ff., 97 ff. BA - Unterlagen über Erfan-e Halgeh). Auch die Einlassung des Klägers, wie er sich verhalten hatte, nachdem er von dieser Maßnahme der Sicherheitsbehörden erfahren hatte (SP S. 10 f., S. 14 f.) ist lebensnah und plausibel. Schließlich glaubt das Gericht dem Kläger auch, dass er von den iranischen Sicherheitsbehörden mit Schreiben vom 25. Esfand 1394 (15. März 2016) vorgeladen worden war. Der Kläger konnte das Original dieser Vorladung in der mündlichen Verhandlung vorlegen und hat auch plausibel erklärt, wie er an diese gelangt war (SP S. 13). Nachvollziehbar hat der Kläger auf Vorhalt auch dargelegt, dass die unplausible Darstellung im Schreiben des Asylhelfers vom 2. November 2016 und in der Klagebegründung, die Vorladung sei bereits bei der Durchsuchung ausgehändigt worden, auf einem Irrtum beruhen dürfte (SP S. 14). Da der Kläger weder bei der Durchsuchung noch bei der Aushändigung der Vorladung selbst zugegen war, ihm die Vorladung vielmehr von seiner Familie erst nach Deutschland geschickt werden musste, ist ein solcher Irrtum auch plausibel.

Nach alldem war über die Klage wie tenoriert zu entscheiden, insbesondere dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft (§§ 3 ff. AsylG) zuzuerkennen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83 b AsylG nicht erhoben.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl
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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl
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published on 04/11/2016 00:00

Tenor I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt. II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens. III. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt. Gründ
published on 16/11/2015 00:00

Tenor I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt. II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens. Gründe Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die ausdrü
published on 13/11/2017 00:00

Tenor I. Die Klage wird abgewiesen. II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben. Tatbestand Der Kläger, ein iranischer Staatsangehöriger, reiste nach eigenen
published on 27/04/2015 00:00

Tenor Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 22. Januar 2015 wird zurückgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden. 1Der A
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(1) Das Urteil ergeht "Im Namen des Volkes". Es ist schriftlich abzufassen und von den Richtern, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben, zu unterzeichnen. Ist ein Richter verhindert, seine Unterschrift beizufügen, so wird dies mit dem Hinderungsgrund vom Vorsitzenden oder, wenn er verhindert ist, vom dienstältesten beisitzenden Richter unter dem Urteil vermerkt. Der Unterschrift der ehrenamtlichen Richter bedarf es nicht.

(2) Das Urteil enthält

1.
die Bezeichnung der Beteiligten, ihrer gesetzlichen Vertreter und der Bevollmächtigten nach Namen, Beruf, Wohnort und ihrer Stellung im Verfahren,
2.
die Bezeichnung des Gerichts und die Namen der Mitglieder, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben,
3.
die Urteilsformel,
4.
den Tatbestand,
5.
die Entscheidungsgründe,
6.
die Rechtsmittelbelehrung.

(3) Im Tatbestand ist der Sach- und Streitstand unter Hervorhebung der gestellten Anträge seinem wesentlichen Inhalt nach gedrängt darzustellen. Wegen der Einzelheiten soll auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen verwiesen werden, soweit sich aus ihnen der Sach- und Streitstand ausreichend ergibt.

(4) Ein Urteil, das bei der Verkündung noch nicht vollständig abgefaßt war, ist vor Ablauf von zwei Wochen, vom Tag der Verkündung an gerechnet, vollständig abgefaßt der Geschäftsstelle zu übermitteln. Kann dies ausnahmsweise nicht geschehen, so ist innerhalb dieser zwei Wochen das von den Richtern unterschriebene Urteil ohne Tatbestand, Entscheidungsgründe und Rechtsmittelbelehrung der Geschäftsstelle zu übermitteln; Tatbestand, Entscheidungsgründe und Rechtsmittelbelehrung sind alsbald nachträglich niederzulegen, von den Richtern besonders zu unterschreiben und der Geschäftsstelle zu übermitteln.

(5) Das Gericht kann von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es der Begründung des Verwaltungsakts oder des Widerspruchsbescheids folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt.

(6) Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat auf dem Urteil den Tag der Zustellung und im Falle des § 116 Abs. 1 Satz 1 den Tag der Verkündung zu vermerken und diesen Vermerk zu unterschreiben. Werden die Akten elektronisch geführt, hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle den Vermerk in einem gesonderten Dokument festzuhalten. Das Dokument ist mit dem Urteil untrennbar zu verbinden.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Das Bundesamt erlässt nach den §§ 59 und 60 Absatz 10 des Aufenthaltsgesetzes eine schriftliche Abschiebungsandrohung, wenn

1.
der Ausländer nicht als Asylberechtigter anerkannt wird,
2.
dem Ausländer nicht die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wird,
2a.
dem Ausländer kein subsidiärer Schutz gewährt wird,
3.
die Voraussetzungen des § 60 Absatz 5 und 7 des Aufenthaltsgesetzes nicht vorliegen oder die Abschiebung ungeachtet des Vorliegens der Voraussetzungen des § 60 Absatz 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes ausnahmsweise zulässig ist und
4.
der Ausländer keinen Aufenthaltstitel besitzt.
Eine Anhörung des Ausländers vor Erlass der Abschiebungsandrohung ist nicht erforderlich. Im Übrigen bleibt die Ausländerbehörde für Entscheidungen nach § 59 Absatz 1 Satz 4 und Absatz 6 des Aufenthaltsgesetzes zuständig.

(2) Die Abschiebungsandrohung soll mit der Entscheidung über den Asylantrag verbunden werden. Wurde kein Bevollmächtigter für das Verfahren bestellt, sind die Entscheidungsformel der Abschiebungsandrohung und die Rechtsbehelfsbelehrung dem Ausländer in eine Sprache zu übersetzen, deren Kenntnis vernünftigerweise vorausgesetzt werden kann.

(1) Die Abschiebung ist unter Bestimmung einer angemessenen Frist zwischen sieben und 30 Tagen für die freiwillige Ausreise anzudrohen. Ausnahmsweise kann eine kürzere Frist gesetzt oder von einer Fristsetzung abgesehen werden, wenn dies im Einzelfall zur Wahrung überwiegender öffentlicher Belange zwingend erforderlich ist, insbesondere wenn

1.
der begründete Verdacht besteht, dass der Ausländer sich der Abschiebung entziehen will, oder
2.
von dem Ausländer eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht.
Unter den in Satz 2 genannten Voraussetzungen kann darüber hinaus auch von einer Abschiebungsandrohung abgesehen werden, wenn
1.
der Aufenthaltstitel nach § 51 Absatz 1 Nummer 3 bis 5 erloschen ist oder
2.
der Ausländer bereits unter Wahrung der Erfordernisse des § 77 auf das Bestehen seiner Ausreisepflicht hingewiesen worden ist.
Die Ausreisefrist kann unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls angemessen verlängert oder für einen längeren Zeitraum festgesetzt werden. § 60a Absatz 2 bleibt unberührt. Wenn die Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht oder der Abschiebungsandrohung entfällt, wird die Ausreisefrist unterbrochen und beginnt nach Wiedereintritt der Vollziehbarkeit erneut zu laufen. Einer erneuten Fristsetzung bedarf es nicht. Nach Ablauf der Frist zur freiwilligen Ausreise darf der Termin der Abschiebung dem Ausländer nicht angekündigt werden.

(2) In der Androhung soll der Staat bezeichnet werden, in den der Ausländer abgeschoben werden soll, und der Ausländer darauf hingewiesen werden, dass er auch in einen anderen Staat abgeschoben werden kann, in den er einreisen darf oder der zu seiner Übernahme verpflichtet ist. Gebietskörperschaften im Sinne der Anhänge I und II der Verordnung (EU) 2018/1806 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. November 2018 zur Aufstellung der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige beim Überschreiten der Außengrenzen im Besitz eines Visums sein müssen, sowie der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige von dieser Visumpflicht befreit sind (ABl. L 303 vom 28.11.2018, S. 39), sind Staaten gleichgestellt.

(3) Dem Erlass der Androhung steht das Vorliegen von Abschiebungsverboten und Gründen für die vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nicht entgegen. In der Androhung ist der Staat zu bezeichnen, in den der Ausländer nicht abgeschoben werden darf. Stellt das Verwaltungsgericht das Vorliegen eines Abschiebungsverbots fest, so bleibt die Rechtmäßigkeit der Androhung im Übrigen unberührt.

(4) Nach dem Eintritt der Unanfechtbarkeit der Abschiebungsandrohung bleiben für weitere Entscheidungen der Ausländerbehörde über die Abschiebung oder die Aussetzung der Abschiebung Umstände unberücksichtigt, die einer Abschiebung in den in der Abschiebungsandrohung bezeichneten Staat entgegenstehen und die vor dem Eintritt der Unanfechtbarkeit der Abschiebungsandrohung eingetreten sind; sonstige von dem Ausländer geltend gemachte Umstände, die der Abschiebung oder der Abschiebung in diesen Staat entgegenstehen, können unberücksichtigt bleiben. Die Vorschriften, nach denen der Ausländer die im Satz 1 bezeichneten Umstände gerichtlich im Wege der Klage oder im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach der Verwaltungsgerichtsordnung geltend machen kann, bleiben unberührt.

(5) In den Fällen des § 58 Abs. 3 Nr. 1 bedarf es keiner Fristsetzung; der Ausländer wird aus der Haft oder dem öffentlichen Gewahrsam abgeschoben. Die Abschiebung soll mindestens eine Woche vorher angekündigt werden.

(6) Über die Fristgewährung nach Absatz 1 wird dem Ausländer eine Bescheinigung ausgestellt.

(7) Liegen der Ausländerbehörde konkrete Anhaltspunkte dafür vor, dass der Ausländer Opfer einer in § 25 Absatz 4a Satz 1 oder in § 25 Absatz 4b Satz 1 genannten Straftat wurde, setzt sie abweichend von Absatz 1 Satz 1 eine Ausreisefrist, die so zu bemessen ist, dass er eine Entscheidung über seine Aussagebereitschaft nach § 25 Absatz 4a Satz 2 Nummer 3 oder nach § 25 Absatz 4b Satz 2 Nummer 2 treffen kann. Die Ausreisefrist beträgt mindestens drei Monate. Die Ausländerbehörde kann von der Festsetzung einer Ausreisefrist nach Satz 1 absehen, diese aufheben oder verkürzen, wenn

1.
der Aufenthalt des Ausländers die öffentliche Sicherheit und Ordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt oder
2.
der Ausländer freiwillig nach der Unterrichtung nach Satz 4 wieder Verbindung zu den Personen nach § 25 Absatz 4a Satz 2 Nummer 2 aufgenommen hat.
Die Ausländerbehörde oder eine durch sie beauftragte Stelle unterrichtet den Ausländer über die geltenden Regelungen, Programme und Maßnahmen für Opfer von in § 25 Absatz 4a Satz 1 genannten Straftaten.

(8) Ausländer, die ohne die nach § 4a Absatz 5 erforderliche Berechtigung zur Erwerbstätigkeit beschäftigt waren, sind vor der Abschiebung über die Rechte nach Artikel 6 Absatz 2 und Artikel 13 der Richtlinie 2009/52/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Juni 2009 über Mindeststandards für Sanktionen und Maßnahmen gegen Arbeitgeber, die Drittstaatsangehörige ohne rechtmäßigen Aufenthalt beschäftigen (ABl. L 168 vom 30.6.2009, S. 24), zu unterrichten.

(1) In den sonstigen Fällen, in denen das Bundesamt den Ausländer nicht als Asylberechtigten anerkennt, beträgt die dem Ausländer zu setzende Ausreisefrist 30 Tage. Im Falle der Klageerhebung endet die Ausreisefrist 30 Tage nach dem unanfechtbaren Abschluss des Asylverfahrens.

(2) Im Falle der Rücknahme des Asylantrags vor der Entscheidung des Bundesamtes oder der Einstellung des Verfahrens beträgt die dem Ausländer zu setzende Ausreisefrist eine Woche.

(3) Im Falle der Rücknahme des Asylantrags oder der Klage oder des Verzichts auf die Durchführung des Asylverfahrens nach § 14a Absatz 3 kann dem Ausländer eine Ausreisefrist bis zu drei Monaten eingeräumt werden, wenn er sich zur freiwilligen Ausreise bereit erklärt.

(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.

(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.

(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.

(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.

(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.

(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.

(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.

(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.

(7) Gegen einen Ausländer,

1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder
2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Einreise- und Aufenthaltsverbot anordnen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wird mit Bestandskraft der Entscheidung über den Asylantrag wirksam. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Über die Aufhebung, Verlängerung oder Verkürzung entscheidet die zuständige Ausländerbehörde.

(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.

(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.

(1) Das Urteil ergeht "Im Namen des Volkes". Es ist schriftlich abzufassen und von den Richtern, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben, zu unterzeichnen. Ist ein Richter verhindert, seine Unterschrift beizufügen, so wird dies mit dem Hinderungsgrund vom Vorsitzenden oder, wenn er verhindert ist, vom dienstältesten beisitzenden Richter unter dem Urteil vermerkt. Der Unterschrift der ehrenamtlichen Richter bedarf es nicht.

(2) Das Urteil enthält

1.
die Bezeichnung der Beteiligten, ihrer gesetzlichen Vertreter und der Bevollmächtigten nach Namen, Beruf, Wohnort und ihrer Stellung im Verfahren,
2.
die Bezeichnung des Gerichts und die Namen der Mitglieder, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben,
3.
die Urteilsformel,
4.
den Tatbestand,
5.
die Entscheidungsgründe,
6.
die Rechtsmittelbelehrung.

(3) Im Tatbestand ist der Sach- und Streitstand unter Hervorhebung der gestellten Anträge seinem wesentlichen Inhalt nach gedrängt darzustellen. Wegen der Einzelheiten soll auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen verwiesen werden, soweit sich aus ihnen der Sach- und Streitstand ausreichend ergibt.

(4) Ein Urteil, das bei der Verkündung noch nicht vollständig abgefaßt war, ist vor Ablauf von zwei Wochen, vom Tag der Verkündung an gerechnet, vollständig abgefaßt der Geschäftsstelle zu übermitteln. Kann dies ausnahmsweise nicht geschehen, so ist innerhalb dieser zwei Wochen das von den Richtern unterschriebene Urteil ohne Tatbestand, Entscheidungsgründe und Rechtsmittelbelehrung der Geschäftsstelle zu übermitteln; Tatbestand, Entscheidungsgründe und Rechtsmittelbelehrung sind alsbald nachträglich niederzulegen, von den Richtern besonders zu unterschreiben und der Geschäftsstelle zu übermitteln.

(5) Das Gericht kann von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es der Begründung des Verwaltungsakts oder des Widerspruchsbescheids folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt.

(6) Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat auf dem Urteil den Tag der Zustellung und im Falle des § 116 Abs. 1 Satz 1 den Tag der Verkündung zu vermerken und diesen Vermerk zu unterschreiben. Werden die Akten elektronisch geführt, hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle den Vermerk in einem gesonderten Dokument festzuhalten. Das Dokument ist mit dem Urteil untrennbar zu verbinden.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Das Urteil ergeht "Im Namen des Volkes". Es ist schriftlich abzufassen und von den Richtern, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben, zu unterzeichnen. Ist ein Richter verhindert, seine Unterschrift beizufügen, so wird dies mit dem Hinderungsgrund vom Vorsitzenden oder, wenn er verhindert ist, vom dienstältesten beisitzenden Richter unter dem Urteil vermerkt. Der Unterschrift der ehrenamtlichen Richter bedarf es nicht.

(2) Das Urteil enthält

1.
die Bezeichnung der Beteiligten, ihrer gesetzlichen Vertreter und der Bevollmächtigten nach Namen, Beruf, Wohnort und ihrer Stellung im Verfahren,
2.
die Bezeichnung des Gerichts und die Namen der Mitglieder, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben,
3.
die Urteilsformel,
4.
den Tatbestand,
5.
die Entscheidungsgründe,
6.
die Rechtsmittelbelehrung.

(3) Im Tatbestand ist der Sach- und Streitstand unter Hervorhebung der gestellten Anträge seinem wesentlichen Inhalt nach gedrängt darzustellen. Wegen der Einzelheiten soll auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen verwiesen werden, soweit sich aus ihnen der Sach- und Streitstand ausreichend ergibt.

(4) Ein Urteil, das bei der Verkündung noch nicht vollständig abgefaßt war, ist vor Ablauf von zwei Wochen, vom Tag der Verkündung an gerechnet, vollständig abgefaßt der Geschäftsstelle zu übermitteln. Kann dies ausnahmsweise nicht geschehen, so ist innerhalb dieser zwei Wochen das von den Richtern unterschriebene Urteil ohne Tatbestand, Entscheidungsgründe und Rechtsmittelbelehrung der Geschäftsstelle zu übermitteln; Tatbestand, Entscheidungsgründe und Rechtsmittelbelehrung sind alsbald nachträglich niederzulegen, von den Richtern besonders zu unterschreiben und der Geschäftsstelle zu übermitteln.

(5) Das Gericht kann von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es der Begründung des Verwaltungsakts oder des Widerspruchsbescheids folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt.

(6) Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat auf dem Urteil den Tag der Zustellung und im Falle des § 116 Abs. 1 Satz 1 den Tag der Verkündung zu vermerken und diesen Vermerk zu unterschreiben. Werden die Akten elektronisch geführt, hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle den Vermerk in einem gesonderten Dokument festzuhalten. Das Dokument ist mit dem Urteil untrennbar zu verbinden.

(1) Als Verfolgung im Sinne des § 3 Absatz 1 gelten Handlungen, die

1.
auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Artikel 15 Absatz 2 der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685, 953) keine Abweichung zulässig ist, oder
2.
in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nummer 1 beschriebenen Weise betroffen ist.

(2) Als Verfolgung im Sinne des Absatzes 1 können unter anderem die folgenden Handlungen gelten:

1.
die Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt,
2.
gesetzliche, administrative, polizeiliche oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder in diskriminierender Weise angewandt werden,
3.
unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung,
4.
Verweigerung gerichtlichen Rechtsschutzes mit dem Ergebnis einer unverhältnismäßigen oder diskriminierenden Bestrafung,
5.
Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter die Ausschlussklauseln des § 3 Absatz 2 fallen,
6.
Handlungen, die an die Geschlechtszugehörigkeit anknüpfen oder gegen Kinder gerichtet sind.

(3) Zwischen den in § 3 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit den in § 3b genannten Verfolgungsgründen und den in den Absätzen 1 und 2 als Verfolgung eingestuften Handlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen muss eine Verknüpfung bestehen.

(1) Bei der Prüfung der Verfolgungsgründe nach § 3 Absatz 1 Nummer 1 ist Folgendes zu berücksichtigen:

1.
der Begriff der Rasse umfasst insbesondere die Aspekte Hautfarbe, Herkunft und Zugehörigkeit zu einer bestimmten ethnischen Gruppe;
2.
der Begriff der Religion umfasst insbesondere theistische, nichttheistische und atheistische Glaubensüberzeugungen, die Teilnahme oder Nichtteilnahme an religiösen Riten im privaten oder öffentlichen Bereich, allein oder in Gemeinschaft mit anderen, sonstige religiöse Betätigungen oder Meinungsäußerungen und Verhaltensweisen Einzelner oder einer Gemeinschaft, die sich auf eine religiöse Überzeugung stützen oder nach dieser vorgeschrieben sind;
3.
der Begriff der Nationalität beschränkt sich nicht auf die Staatsangehörigkeit oder das Fehlen einer solchen, sondern bezeichnet insbesondere auch die Zugehörigkeit zu einer Gruppe, die durch ihre kulturelle, ethnische oder sprachliche Identität, gemeinsame geografische oder politische Herkunft oder ihre Verwandtschaft mit der Bevölkerung eines anderen Staates bestimmt wird;
4.
eine Gruppe gilt insbesondere als eine bestimmte soziale Gruppe, wenn
a)
die Mitglieder dieser Gruppe angeborene Merkmale oder einen gemeinsamen Hintergrund, der nicht verändert werden kann, gemein haben oder Merkmale oder eine Glaubensüberzeugung teilen, die so bedeutsam für die Identität oder das Gewissen sind, dass der Betreffende nicht gezwungen werden sollte, auf sie zu verzichten, und
b)
die Gruppe in dem betreffenden Land eine deutlich abgegrenzte Identität hat, da sie von der sie umgebenden Gesellschaft als andersartig betrachtet wird;
als eine bestimmte soziale Gruppe kann auch eine Gruppe gelten, die sich auf das gemeinsame Merkmal der sexuellen Orientierung gründet; Handlungen, die nach deutschem Recht als strafbar gelten, fallen nicht darunter; eine Verfolgung wegen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe kann auch vorliegen, wenn sie allein an das Geschlecht oder die geschlechtliche Identität anknüpft;
5.
unter dem Begriff der politischen Überzeugung ist insbesondere zu verstehen, dass der Ausländer in einer Angelegenheit, die die in § 3c genannten potenziellen Verfolger sowie deren Politiken oder Verfahren betrifft, eine Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung vertritt, wobei es unerheblich ist, ob er auf Grund dieser Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung tätig geworden ist.

(2) Bei der Bewertung der Frage, ob die Furcht eines Ausländers vor Verfolgung begründet ist, ist es unerheblich, ob er tatsächlich die Merkmale der Rasse oder die religiösen, nationalen, sozialen oder politischen Merkmale aufweist, die zur Verfolgung führen, sofern ihm diese Merkmale von seinem Verfolger zugeschrieben werden.

Die Verfolgung kann ausgehen von

1.
dem Staat,
2.
Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen, oder
3.
nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in den Nummern 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht.

(1) Dem Ausländer wird die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er

1.
in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d hat und
2.
sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt.

(2) Bei der Prüfung der Frage, ob ein Teil des Herkunftslandes die Voraussetzungen nach Absatz 1 erfüllt, sind die dortigen allgemeinen Gegebenheiten und die persönlichen Umstände des Ausländers gemäß Artikel 4 der Richtlinie 2011/95/EU zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag zu berücksichtigen. Zu diesem Zweck sind genaue und aktuelle Informationen aus relevanten Quellen, wie etwa Informationen des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge oder des Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen, einzuholen.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.