Verwaltungsgericht München Urteil, 07. Jan. 2019 - M 22 K 15.50586

published on 07/01/2019 00:00
Verwaltungsgericht München Urteil, 07. Jan. 2019 - M 22 K 15.50586
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Gericht

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Tenor

I. Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 8. Juni 2015 wird aufgehoben.

II. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Tatbestand

Die Kläger, irakische Staatsangehörige kurdischer Volks- und yezidischer Religionszugehörigkeit, reisten im November 2014 in das Bundesgebiet ein und stellten am 9. Dezember 2014 Asylanträge, die sie auf die Zuerkennung internationalen Schutzes beschränkten.

Nachdem Eurodac-Abfragen hinsichtlich der Kläger zu 1) und zu 2) ergeben hatten, dass diese in Rumänien bereits Asylanträge gestellt hatten, wandte sich das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden Bundesamt) mit Wiederaufnahmegesuch vom 30. Januar 2015 an die rumänische Dublin-Unit. Diese teilte dem Bundesamt mit Schreiben vom 6. Februar 2015 mit, dem Gesuch werde stattgegeben.

Mit Bescheid vom 8. Juni 2015, den seinerzeitigen Bevollmächtigten der Kläger zugestellt am 18. Juni 2015, lehnte das Bundesamt unter Hinweis auf die nach den Dublin-Regelungen bestehende Zuständigkeit Rumäniens für die Prüfung die Asylanträge als unzulässig ab und ordnete die Abschiebung der Kläger nach Rumänien an.

Am 25. Juni 2015 ließen die Kläger Klage erheben. Sie haben zuletzt beantragt,

den Bescheid vom 8. Juni 2015 aufzuheben.

Zur Klagebegründung wurde vorgetragen, in Rumänien bestünden systemische Mängel des Asylsystems, weshalb eine Abschiebung nach dorthin nicht zulässig sei. Die Beklagte wäre darüber hinaus gehalten gewesen, aus humanitären Gründen den Selbsteintritt zu erklären, weil die Familie der Klägerin zu 2) in Deutschland lebe. Im Laufe des Verfahrens wurden diverse ärztliche Atteste zum Gesundheitszustand der Kläger vorgelegt (zuletzt mit Schriftsatz vom 10.11.2017 bezüglich des Klägers zu 2).

Die Beklagte hat sich im Verfahren nicht geäußert.

In dem von den Klägern weiter angestrengten Eilverfahren (M 22 S 15.50587) ordnete das Gericht mit Beschluss vom 15. März 2017 die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsanordnung an.

Mit Beschluss vom 11. September 2017 wurde der Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne (weitere) mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird ergänzend auf die Gerichtsakte und die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg, da der angefochtene Bescheid rechtswidrig ist und die Kläger in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Entgegen der Auffassung der Beklagten ist Rumänien für die Prüfung des Antrags der Kläger auf internationalen Schutz nicht zuständig. Dahinstehen kann weiter, ob die Zuständigkeit eines anderen Dublin-Mitgliedstaates im Raum gestanden hat, da mittlerweile davon auszugehen ist, dass die Bundesrepublik Deutschland für die Prüfung des Asylantrags nach den Vorgaben der Dublin III-VO zuständig (geworden) ist. Die Kläger können daher eine sachliche Prüfung ihres Asylbegehrens durch das Bundesamt verlangen. Angesichts dessen fehlt es an einer Rechtsgrundlage für die Unzulässigkeitsentscheidung wie auch die Abschiebungsanordnung. Der angefochtene Bescheid war daher antragsgemäß aufzuheben.

1. Maßgeblich für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist, wenn eine mündliche Verhandlung nicht stattfindet, der Zeitpunkt der Entscheidungsfällung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 AsylG). Hinsichtlich der Ablehnung des Antrags als unzulässig ist danach auf § 29 Abs. 1 Nr. 1a AsylG in der seit dem 6. August 2016 gültigen Fassung (vgl. BGBl. I 2016, 1939, 1946) abzustellen. Nach dieser Bestimmung ist ein Asylantrag u.a. dann unzulässig, wenn ein anderer Staat nach Maßgabe der Dublin III-VO für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist.

2. Auf der Grundlage der im Verwaltungsverfahren getroffenen Feststellungen wäre an sich von einer Zuständigkeit Rumäniens nach Art. 13 Abs. 1 bzw. Art. 3 Abs. 2 Unterabsatz 1 Dublin III-VO auszugehen gewesen und Rumänien hat dem Wiederaufnahmeersuchen auch zugestimmt. Eine Überstellung der Kläger nach Rumänien stellt sich aber wegen der dort bestehenden systemischen Schwachstellen hinsichtlich der Aufnahmebedingungen für anerkannte Schutzberechtigte - jedenfalls soweit es wie hier um Familien mit Kindern geht - und der für die Kläger daraus folgenden Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 der EU-Grundrechtecharta als nicht zulässig dar.

2.1 Wie der EuGH im Urteil vom 21.12.2011 - C 411/10 u.a. - (NVwZ 2012, 417) noch zur Dublin II-VO ausgeführt hat, ist Art. 4 EU-Grundrechtecharta dahingehend auszulegen, dass es den Mitgliedstaaten einschließlich den nationalen Gerichten obliegt, einen Asylbewerber nicht an den nach den Dublin-Regelungen zuständigen Mitgliedstaat zu überstellen, wenn ihnen nicht unbekannt sein kann, dass systemische Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Antragssteller tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne dieser Bestimmung ausgesetzt zu werden (siehe hierzu auch EGMR, U.v. 21.01.2011 - Az. 30696/09 - NVwZ 2011, 413, zu Art. 3 EMRK).

Der Unionsgesetzgeber hat mit der Regelung des Art. 3 Abs. 2 Unterabsatz 2 Dublin III-VO diese Rechtsprechung aufgenommen und dazu klargestellt, dass für einen solchen Fall, wenn sich die Überstellung in den an sich zuständigen Mitgliedstaat als unmöglich darstellt, der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat die Prüfung ggf. fortsetzt, um festzustellen, ob ein anderer Mitgliedstaat als zuständig bestimmt werden kann.

2.2 Das Urteil des EuGH wie auch die Regelung in Art. 3 Abs. 2 Unterabsatz 2 Dublin III-VO beziehen sich nur auf Fallgestaltungen, bei denen systemische Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingen für Antragsteller vorliegen und nicht auch auf die Aufnahmebedingungen für anerkannte Schutzberechtigte (zu den gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben hierzu siehe Kapitel VII der Richtlinie 2011/95/EU). Das erkennende Gericht ist aber der Auffassung, dass die im Urteil des EuGH entwickelten Grundsätze im Rahmen der Zuständigkeitsprüfung nach der Dublin III-VO auch mit Blick auf die im betreffenden Mitgliedstaat bestehenden Aufnahmebedingungen für anerkannte Schutzberechtigte dann Anwendung finden müssen, wenn die Lebensumstände, mit denen sich Schutzberechtigte konfrontiert sähen, mangels gebotener staatlicher Unterstützungs- bzw. Integrationsleistungen sich als mit den Anforderungen des Art. 4 EU-Grundrechtecharta nicht vereinbar darstellen würden oder hierin eine Verletzung des Grundsatzes der Nichtzurückweisung (Refoulementverbot; vgl. Art. 33 Abs. 1 GFK und Art. 21 Abs. 1 Richtlinie 2011/95/EU) vor allem mit Blick auf eine faktisch erzwungene Rückkehr des Betroffenen in den Herkunftsstaat zu sehen wäre (siehe hierzu auch das Vorabentscheidungsersuchen des VGH BW v. 15.3.2017 - 2151/16 - juris Rn. 25 ff.; zu den in der Sache inhaltsgleichen Voraussetzungen für die Annahme eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK zugunsten eines international Schutzberechtigten in Bezug auf den Zufluchtsstaat vgl. BVerwG, B.v. 8.8.2018 - 1 B 25/18 - juris; dazu, dass bei relevanten Gefahrenlagen, die ihre Ursachen nicht in systemischen Mängeln haben, gleichfalls Abschiebungsschutz zu gewähren wäre, EuGH, U.v. 16.2.2017 - C-578/16 PPI (C.K., H.F. und A.S. ./. Slowenien) - NVwZ 2017, 691).

Das Gemeinsame Europäische Asylsystem (GEAS) stützt sich auf die uneingeschränkte und umfassende Anwendung der Genfer Flüchtlingskonvention und die Versicherung, dass niemand dorthin zurückgeschickt wird, wo er Verfolgung ausgesetzt ist (vgl. EuGH, U.v. 21.12.2011 a.a.O. Rn. 75 m.w.N.- zum Schutz nach der GFK) oder ihm ein ernsthafter Schaden nach Maßgabe der Regelungen über den subsidiären Schutz drohen würde (vgl. Kapitel V der Richtlinie 2011/95/EU). Dies ist aber nur gewährleistet, wenn der Schutzberechtigte in dem zuständigen Mitgliedstaat Aufnahmebedingungen vorfindet, die einen Verbleib dort zumutbar erscheinen lassen, also davon ausgegangen werden kann, dass dieser dort eine Existenzgrundlage zu finden vermag. Ist dies nicht der Fall, ist die sich daraus ergebende Zwangslage für den Betroffenen in ihren Wirkungen einem Refoulement (Weiterschiebung ohne vorangehende Prüfung des Asylbegehrens) vergleichbar, denn fehlt es im Zufluchtsstaat an einer materiellen Lebensgrundlage, wird der Betroffene, um nicht zugrunde zu gehen, sich veranlasst sehen, ggf. in sein Heimatland zurückzukehren, da sich ein anderer Staat, der ihn aufzunehmen bereit ist, kaum finden wird (zur Berücksichtigung einer solchen Situation als eigene Fallgruppe, die eine Ausnahme von den Vorgaben des Konzepts der normativen Vergewisserung bei Anwendung der Drittstaatenregelung des Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG rechtfertigen würde, vgl. Moll/Pohl, ZAR 2012, 102, 105 f).

Der Umstand, dass bei Anwendung der Dublin-Regelungen regelmäßig noch nicht feststeht, ob der Antragsteller als international Schutzberechtigter anzuerkennen ist, kann dabei nach Auffassung des Gerichts nicht dazu führen, dass die Gefahr eines mittelbaren Refoulement wegen defizitärer Aufnahmebedingen für Schutzberechtigte bei der Zuständigkeitsprüfung außer Betracht zu bleiben hätte. Eine solche Rechtsauffassung erscheint schwerlich vertretbar, weil damit dem Schutzsuchenden das Risiko einer faktischen Rechtschutzverweigerung bedingt durch Mängel des GEAS aufgebürdet würde, da Antragsteller, die tatsächlich schutzberechtigt sind, dann bei einer Überstellung in den betreffenden Mitgliedstaat (im Grunde sehenden Auges) in die vorbeschriebene Lage verbracht würden. Eine Feststellung dazu aber, dass eine Schutzberechtigung nicht besteht, kann im Zuständigkeitsbestimmungsverfahren nicht getroffen werden, so dass im Ergebnis auch Antragsteller, denen ein Schutzanspruch in der Sache nicht zusteht, begünstigt werden, was aber im Hinblick auf das Gebot, tatsächlich Schutzberechtigten eine effektive Durchsetzung ihrer Rechte zu gewährleisten, hingenommen werden muss.

2.3 Zur Streitsache ist vor diesem Hintergrund Folgendes festzustellen:

Dahinstehen kann, ob bezüglich des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in Rumänien systemische Mängel vorliegen, was in der neueren Rechtsprechung ganz überwiegend verneint wird (vgl. etwa VG Bayreuth, B.v. 14.11.2017 - B 6 S 17.50926 - BeckRS 2017, 142246; VG Karlsruhe, B.v. 12.09.2017 - A 1 K 10625/17 - juris Rn. 5 - 11; VG Göttingen, B.v. 4.10.2017 - 2 B 683/17 - juris Rn. 12 - 19), denn ungeachtet der Entscheidung zu dieser Frage ist auf der Grundlage der vorstehend dargelegten Rechtsauffassung davon auszugehen, dass eine Abschiebung der Kläger wegen der in Bezug auf ihre spezifische Situation zu bejahenden Mängel hinsichtlich der Aufnahmebedingungen für anerkannte Schutzberechtigte nicht zulässig wäre.

Zu den sozioökonomischen Verhältnissen in Rumänien ist anzumerken, dass das Land zu den ärmsten Mitgliedsstaaten der EU zählt (beim BIP pro Kopf liegt es an vorletzter Stelle). Die Anzahl der von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedrohten Menschen ist nach wie vor außerordentlich hoch. 2015 waren das etwa 37% der Bevölkerung. Der Anteil der unter „erheblicher materieller Deprivation“ leidenden Menschen, deren Lebensbedingungen aufgrund fehlender Mittel erheblich eingeschränkt waren, belief sich 2015 auf 22,7% der Bevölkerung (eurostat Pressemitteilung vom 17.10.2016).

Im Jahr 2016 betrug die Beschäftigungsquote bezogen auf das Arbeitskräftepotential (Bevölkerung im Alter von 15 bis 64 Jahren) einschließlich der im informellen Sektor Tätigen 61,6%, die Arbeitslosenquote belief sich auf 5,9%, bei den jungen Erwachsenen auf 20,6% (Presseveröffentlichung des National Institute of Statistics, Romania, vom 18.04.2017). Der informelle Sektor (Schwarzarbeit, nicht angemeldete selbständige Tätigkeit, Subsistenzlandwirtschaft u.a.) ist außerordentlich groß. Es gibt Schätzungen, wonach bis zu 31,5% der wirtschaftlich aktiven Bevölkerung ganz oder teilweise im diesem Bereich tätig ist (eurofound, Trade union study on the informal economy, Romania, 02.06.2013; niedrigere Zahlen - um die 10% der erwerbstätigen Bevölkerung - sind der EU/OECD-Studie „Kurzdossier zum informellen Unternehmertum“, 2015, zu entnehmen).

Die Gehälter, die in Rumänien gezahlt werden, wie auch die Lebenshaltungskosten sind deutlich niedriger als in Westeuropa. Der Durchschnittslohn belief sich im Juli 2017 netto auf 2391 Lei (ca. 531 Euro; Pressemitteilung des National Institute of Statistics vom 07.09.2017). Der Mindestlohn wurde zum 1. Januar 2018 auf brutto 1900 Lei (ca. 422 Euro) bei Vollzeittätigkeit erhöht (netto ca. 1140 Lei bzw. 253 Euro).

Das Preisniveau lag 2014 um 46,9% unter dem EU-Durchschnitt (Statistisches Bundesamt, Kaufkraftparitäten und vergleichende Preisniveaus 2014 in Europa, Juni 2016).

Die große Mehrzahl der Rumänen lebt in Wohneigentum und nicht zur Miete. Hinsichtlich der Mieten für eine kleine Wohnung kann in ländlichen Gebieten von einem mittleren Wert von ca. 950 Lei (ca. 211 Euro) ausgegangen werden (bei einer Spanne zwischen 500 und 1300 Lei). In innerstädtischen Bereichen liegt der Mittelwert bei ca. 1310 Lei bzw. 291 Euro (vgl. die Webseite Numbeo, Cost of Living in Romania, Stand: Februar 2018). Zur Zahl der Obdachlosen liegen keine belastbaren statistischen Daten vor. Die Zahl liegt aber sicherlich bei deutlich über 10.000. Der zusätzliche Bedarf an Sozialwohnungen wird auf ca. 60.000 Einheiten geschätzt. Zur Verfügung stehen etwa 29.000 Wohnungen (vgl. Feantsa Country Fiche Romania, Januar 2017).

Die medizinische Versorgung ist von Notfällen abgesehen nicht kostenfrei. Die Inanspruchnahme von Leistungen der Krankenversicherung setzt voraus, dass in den vergangenen 12 Kalendermonaten mindestens sechs Monatsbeiträge gezahlt wurden (10% des Lohnes bei Beschäftigen, ansonsten 5,5% des Mindestlohnes; vgl. Europäische Kommission, Ihre Rechte der sozialen Sicherheit in Rumänien 2017, S. 17 ff.; Ro Connect, Löhne und Gehälter, Sozialabgaben Rumänien, Stand: 23.11.2017).

Um Leistungen der Arbeitslosenversicherung zu beziehen, müssen in den letzten 24 Monaten vor der Inanspruchnahme mindestens 12 Monate Beiträge bezahlt worden sein (Europäische Kommission a.a.O. S. 39).

Die Sozialhilfe beläuft sich für eine Person auf höchstens 142 Lei im Monat (ca. 32 Euro; vgl. Europäische Kommission a.a.O. S. 33 ff.; siehe dort auch zum Kindergeld und zu Familienbeihilfen für Bedürftige S. 8 ff. und 11 ff.).

Personen, die als international schutzberechtigt anerkannt wurden, haben Zugang zum Arbeitsmarkt und zu den sozialen Sicherungssystemen zu denselben Bedingungen wie Rumänen. Darüber hinaus können sie an einem Integrationsprogramm teilnehmen (das Sprachkurse und diverse Beratungsmaßnahmen enthält). Für diesen Fall erhalten sie bei Hilfsbedürftigkeit bis zu maximal einem Jahr eine staatliche Unterstützung in Höhe von 540 Lei (ca. 120 Euro) pro Monat (Stellungnahe des Auswärtigen Amtes vom 05.12.2017 an das VG Ansbach). Bis zu einem Jahr nach der Anerkennung können Schutzberechtigte auch weiter in einer staatlichen Flüchtlingsunterkunft wohnen bleiben, müssen hierfür allerdings Miete in Höhe von ca. 170 Lei (ca. 36 Euro) im Sommer und ca. 200 Lei (ca. 42 Euro) im Winter bezahlen (vgl. AIDA, Country Report Rumänien, 02/2018, S. 115). Unter Umständen kann, wenn der Schutzberechtigte nach Beendigung der Integrationsmaßnahme eine Wohnung gefunden hat, auch befristet (bis zu einem Jahr) ein Zuschuss zu den Kosten gezahlt werden (vgl. hierzu die Informationen auf der Webseite des General Inspectorate for Immigration, abgerufen am 25.02.2018; AIDA a.a.O. S. 115). Bei der in der Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 5. Dezember 2017 erwähnten Möglichkeit der Zuweisung einer staatlichen Wohnung dürfte es sich um einen Verweis auf die Regelungen für die Bezugsberechtigung von Sozialwohnungen handeln. Insoweit ist aber davon auszugehen, dass wegen der großen Nachfrage die Aussichten, an eine solche Wohnung zu gelangen, äußerst gering sein dürften (zur Situation etwa in Timisoara vgl. AIDA a.a.O. S. 116).

Informationen dazu, in welchem Umfang es Schutzberechtigten gelungen ist, sich in Rumänien eine Lebensgrundlage aufzubauen, liegen nicht vor. Dass sehr viele anerkannte Schutzberechtigte augenscheinlich nicht auf Dauer in Rumänien bleiben, dürfte wesentlich durch die schwierige wirtschaftliche Situation bedingt sein, denen sich die Betroffenen ausgesetzt sehen. Insbesondere ist es für Schutzberechtigte nach wie vor schwierig, legale Arbeit zu finden. Der Mangel an Arbeitsangeboten, ungenügende Sprachkenntnisse sowie das Fehlen der nötigen Qualifikationen haben häufig zur Folge, dass Schutzberechtigte keine Arbeit finden oder sich genötigt sehen, auf dem Schwarzmarkt nach Arbeit zu suchen (vgl. US Department of State, Country Report on Human Rights Practices 2016 - Romania, S. 11; amnesty international; Jahresbericht 2016). Wenn ein Schutzberechtigter doch eine legale Arbeit findet, dürfte es sich zumeist so verhalten, dass die Entlohnung, wenn es sich nicht um eine Tätigkeit, die spezielle Qualifikationen erfordert, handelt, nicht oder nur geringfügig über dem Mindestlohn liegen wird, der aber zur Bestreitung der Lebenshaltungskosten (insbesondere wegen der Aufwendungen für Unterkunft) in der Regel nicht ausreichen wird. Bei einem Ausweichen in den informellen Sektor dürfte die Entlohnung noch niedriger sein. Insoweit wäre auch zu berücksichtigen, dass damit der Zugang zur Gesundheitsversorgung entfiele.

Auf der Grundlage dieser Informationen liegt auf der Hand, dass ein (mittelloser) Schutzberechtigter, dem es nicht gelingt, eine entsprechend entlohnte Arbeit zu finden, mangels ausreichender staatlicher oder sonstiger Unterstützungsleistungen in eine extrem prekäre Situation geraten wird. Ob angesichts dieses Befundes angenommen werden kann, dass bestimmten Gruppen von Schutzberechtigten - etwa „alleinstehenden, jungen, gesunden Erwachsenen“ - trotz der bestehenden Schwierigkeiten, sich eine Existenzgrundlage zu sichern, gleichwohl eine Rückkehr nach Rumänien zumutbar ist, kann hier dahinstehen. Jedenfalls für die Gruppe schutzberechtigter Familien mit schulpflichtigen Kindern wäre eine solche Wertung zur Überzeugung des Gerichts aber nicht mehr vertretbar. Hinsichtlich dieser Personengruppe wäre mit einiger Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass neben den Schwierigkeiten beim Finden einer geeigneten (ausreichend großen und finanzierbaren) Wohnung regelmäßig die Gefahr bestehen dürfte, dass diese nicht erhalten werden kann und damit Obdachlosigkeit drohen würde, selbst wenn ein Familienmitglied eine Vollzeitarbeitsstelle finden sollte, da bei einer Entlohnung entsprechend dem Mindestlohn dieser kaum für die Bestreitung allein der Mietkosten ausreichen würde und etwaige staatliche Hilfen (nach Auslaufen der spezifischen Förderung für international Schutzberechtigte) für die Deckung des weiteren Bedarfs offenkundig nicht ausreichend wären. Für den Fall einer längerfristigen Arbeitslosigkeit, gleichfalls ein durchaus realistisches Szenario, wäre ohnehin evident, dass die Betroffenen dann ihren existenziellen Lebensunterhalt nicht mehr sichern könnten. Anzumerken ist in diesem Zusammenhang schließlich noch, dass international Schutzberechtige anders als rumänische Arme (deren Zahl wie oben dargestellt außerordentlich groß ist), die zumeist auf verwandtschaftliche Unterstützung bauen können, auf ein solches soziales Netzwerk, durch das die aus Arbeitslosigkeit oder Unterbeschäftigung folgenden Härten abgemildert werden könnten, in der Regel nicht zurückgreifen können. Es ist auch nicht ersichtlich, dass durch im Bereich der Flüchtlingshilfe tätige Hilfsorganisationen in solchen Fällen relevante Hilfe, was die materiellen Bedürfnisse angeht, geleistet werden könnte.

Besondere Umstände, die im Falle der Kläger eine andere - positivere - Beurteilung rechtfertigen könnten, sind für das Gericht nicht ersichtlich. Tendenziell ist sogar von besonders ungünstigen Voraussetzungen auszugehen, da der Kläger zu 1) über keine besonderen beruflichen Qualifikationen verfügt (er war in der Heimat als Hilfsarbeiter tätig) und bei ihm gesundheitliche Einschränkungen vorliegen (siehe dazu die vorgelegten ärztlichen Atteste). Soweit ersichtlich verfügt auch die Klägerin zu 2) über keine besonderen beruflichen Qualifikationen.

Nach alledem ist (prognostisch) davon auszugehen, dass es den Klägern, sollten sie als Schutzberechtigte anerkannt werden, mit einiger Wahrscheinlichkeit nicht gelingen dürfte, sich in Rumänien eine Existenz aufzubauen und beachtlich wahrscheinlich damit zu rechnen wäre, dass die sie dort erwartenden Lebensverhältnisse sich als Verstoß gegen die Vorgaben des Art. 4 der EU-Grundrechtecharta (sowie das Refoulementverbot) darstellen würden und daher eine Abschiebung der Kläger nach Rumänien nicht zulässig ist. Die Gefahr einer Verletzung der entsprechenden Rechte ist wie bereits ausgeführt im Zuständigkeitsbestimmungsverfahren bereits dann zu berücksichtigen, wenn eine Schutzberechtigung möglich erscheint, was vorliegend zweifellos der Fall ist.

Da eine Rückführung der Kläger im Vollzug der Dublin-Regelungen nach Rumänien nicht zulässig war (und ist), hätte es im Verfahren einer Prüfung bedurft, ob die Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaates in Betracht kommt. Insoweit steht aber außer Frage, dass die Fristen für die Stellung eines Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuchs längst abgelaufen wären, so dass im Ergebnis von einem Zuständigkeitsübergang auf die Bundesrepublik Deutschland gemäß Art. 3 Abs. 2 Unterabsatz 3 Dublin III-VO auszugehen ist.

3. Den Klägern steht folglich ein Anspruch auf sachliche Prüfung ihrer Asylanträge durch das Bundesamt zu. Der angefochtene Bescheid kann daher keinen Bestand haben und war antragsgemäß aufzuheben.

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hinsichtlich der Kosten beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.

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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Lastenausgleichsgesetz - LAG

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au
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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Lastenausgleichsgesetz - LAG

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au
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published on 14/11/2017 00:00

Tenor 1. Den Antragstellern wird Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwältin W., Bamberg, beigeordnet. 2. Die aufschiebende Wirkung der Klage vom 11.08.2017 (Az. B 6 K 17.50927) gegen Ziffer 3 des Bescheides der Antragsgegner
published on 08/08/2018 00:00

Gründe I 1 Die Kläger zu 1 und 2 und deren minderjähriger Sohn, der Kläger zu 3, sind nach eige
{{Doctitle}} zitiert {{count_recursive}} Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Annotations

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Ein Asylantrag ist unzulässig, wenn

1.
ein anderer Staat
a)
nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 oder
b)
auf Grund von anderen Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages
für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist,
2.
ein anderer Mitgliedstaat der Europäischen Union dem Ausländer bereits internationalen Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 gewährt hat,
3.
ein Staat, der bereit ist, den Ausländer wieder aufzunehmen, als für den Ausländer sicherer Drittstaat gemäß § 26a betrachtet wird,
4.
ein Staat, der kein Mitgliedstaat der Europäischen Union und bereit ist, den Ausländer wieder aufzunehmen, als sonstiger Drittstaat gemäß § 27 betrachtet wird oder
5.
im Falle eines Folgeantrags nach § 71 oder eines Zweitantrags nach § 71a ein weiteres Asylverfahren nicht durchzuführen ist.

(2) Das Bundesamt hört den Ausländer zu den Gründen nach Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe b bis Nummer 4 persönlich an, bevor es über die Zulässigkeit eines Asylantrags entscheidet. Zu den Gründen nach Absatz 1 Nummer 5 gibt es dem Ausländer Gelegenheit zur Stellungnahme nach § 71 Absatz 3.

(3) Erscheint der Ausländer nicht zur Anhörung über die Zulässigkeit, entscheidet das Bundesamt nach Aktenlage. Dies gilt nicht, wenn der Ausländer unverzüglich nachweist, dass das in Satz 1 genannte Versäumnis auf Umstände zurückzuführen war, auf die er keinen Einfluss hatte. Führt der Ausländer diesen Nachweis, ist das Verfahren fortzuführen.

(4) Die Anhörung zur Zulässigkeit des Asylantrags kann gemäß § 24 Absatz 1a dafür geschulten Bediensteten anderer Behörden übertragen werden.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Politisch Verfolgte genießen Asylrecht.

(2) Auf Absatz 1 kann sich nicht berufen, wer aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften oder aus einem anderen Drittstaat einreist, in dem die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt ist. Die Staaten außerhalb der Europäischen Gemeinschaften, auf die die Voraussetzungen des Satzes 1 zutreffen, werden durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, bestimmt. In den Fällen des Satzes 1 können aufenthaltsbeendende Maßnahmen unabhängig von einem hiergegen eingelegten Rechtsbehelf vollzogen werden.

(3) Durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, können Staaten bestimmt werden, bei denen auf Grund der Rechtslage, der Rechtsanwendung und der allgemeinen politischen Verhältnisse gewährleistet erscheint, daß dort weder politische Verfolgung noch unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung stattfindet. Es wird vermutet, daß ein Ausländer aus einem solchen Staat nicht verfolgt wird, solange er nicht Tatsachen vorträgt, die die Annahme begründen, daß er entgegen dieser Vermutung politisch verfolgt wird.

(4) Die Vollziehung aufenthaltsbeendender Maßnahmen wird in den Fällen des Absatzes 3 und in anderen Fällen, die offensichtlich unbegründet sind oder als offensichtlich unbegründet gelten, durch das Gericht nur ausgesetzt, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Maßnahme bestehen; der Prüfungsumfang kann eingeschränkt werden und verspätetes Vorbringen unberücksichtigt bleiben. Das Nähere ist durch Gesetz zu bestimmen.

(5) Die Absätze 1 bis 4 stehen völkerrechtlichen Verträgen von Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften untereinander und mit dritten Staaten nicht entgegen, die unter Beachtung der Verpflichtungen aus dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, deren Anwendung in den Vertragsstaaten sichergestellt sein muß, Zuständigkeitsregelungen für die Prüfung von Asylbegehren einschließlich der gegenseitigen Anerkennung von Asylentscheidungen treffen.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.