Verwaltungsgericht München Urteil, 19. Dez. 2017 - M 16 K 16.1781

published on 19/12/2017 00:00
Verwaltungsgericht München Urteil, 19. Dez. 2017 - M 16 K 16.1781
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Gericht

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Tenor

I. Der Bescheid des Beklagten vom 8. Januar 2016 wird aufgehoben.

II. Der Beklagte hat über den klagegegenständlichen Antrag der Klägerin auf Bestellung zur Leitenden Notärztin vom … Februar 2015 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.

III. Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

IV. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen eine nicht erfolgte Bestellung zur Leitenden Notärztin und möchte erreichen, dass der Beklagte erneut über ihren Antrag entscheidet.

Mit Schreiben vom … Mai 2011 bewarb sich der Beigeladene zu 5) als leitender Notarzt bei der Beklagten. Er sei langjährig als Notarzt an den Standorten … und … tätig und habe den Landkreis in den vergangenen Jahren sehr gut kennengelernt.

Mit Schreiben vom … Februar 2015 bewarb sich die Klägerin für die nächste freiwerdende Stelle als Leitende Notärztin bei dem Beklagten für den Bereich des Landkreises … Sie wies darauf hin, dass es sich bei der Tätigkeit des Leitenden Notarztes um die Ausübung eines öffentlichen Amts handle.

Mit E-Mail vom 26. Juni 2015 schrieb ein Mitglied der Gruppe der Leitenden Notärzte …, der Beigeladene zu 8), an den Beklagten, dass es sehr begrüßt werden würde, wenn bei nächster Gelegenheit der Beigeladene zu 5) ebenfalls als Leitender Notarzt bestellt werde.

Mit Schreiben vom 26. Juni 2015 bewarb sich der Beigeladene zu 5) erneut als leitender Notarzt. Dieses Schreiben trägt einen handschriftlichen Vermerk, der vom 7. Dezember 2015 datiert. Der Beigeladene könne nach Rücksprache mit dem Ärztlichen Leiter Rettungsdienst ab dem 1. Januar 2016 bestellt werden.

Der Beklagte schrieb Leitende Notärzte im Rettungsdienstbereich … mit Schreiben vom 7. Oktober 2015 an. Es wurde mitgeteilt, dass der fünfjährige Bestellungszeitraum für Leitende Notärzte ablaufe und eine neue Bestellung für den Zeitraum ab dem 1. Januar 2016 notwendig sei. Pro Mitgliedslandkreis könnten höchstens acht Leitende Notärzte bestellt werden. Sollten sich mehr geeignete Bewerber finden, werde voraussichtlich die nächste Verbandsversammlung über die Art und Weise der Bestellung zum Leitenden Notarzt entscheiden. Es wurde bis zum 30. Oktober 2015 um Mitteilung gebeten, ob an einer weiteren Bestellung zum Leitenden Notarzt Interesse bestehe.

Am … Oktober 2015 ging ein Schreiben der Klägerin bei der Beklagten ein, das mit „Antrag auf Bestellung zu Leitenden Notärztin“ überschrieben ist und sich auf die Bewerbung der Klägerin vom … Februar 2015 bezieht.

In einem Protokoll über einen Jour Fixe am 21. November 2015 des Ärztlichen Leiters Rettungsdienst in Bayern ZRF … ist unter dem Punkt Bestellung Leitender Notärzte vermerkt, dass im Landkreis … alle bisher Bestellten - mit Ausnahme eines Arztes, der kein Notarzt mehr wäre - weiter zu bestellen seien. Hinsichtlich der zwei Bewerber (der Beigeladene zu 5) und die Klägerin) für die frei gewordene Position eines Leitenden Notarztes sei der Beigeladene zu 5) auszuwählen, da dieser objektiv besser geeignet sei, dies ergebe sich aus seiner leitenden Tätigkeit und den positiven Erfahrungen bei größeren Einsätzen. Die Klägerin solle auf die Bewerberliste gesetzt werden.

Der Beklagte übersandte der kassenärztlichen Vereinigung Bayerns mit Schreiben vom 3. Dezember 2015 eine Liste der Bewerber für die Tätigkeit als Leitender Notarzt und bat um Mitteilung, ob Einverständnis mit der Bestellung der nachfolgend aufgeführten Personen bestünde. Unter den aufgeführten Personen fand sich auch die Klägerin, in der beigefügten Tabelle stand ihr Name in der neunten Zeile.

Mit E-Mail vom 7. Dezember 2015 teilte eine Mitarbeiterin des Landratsamts … unter Bezugnahme auf das Schreiben vom 3. Dezember 2015 an die kassenärztlichen Vereinigung Bayerns dem Beklagten mit, dass Bedenken bestünden, ob die Klägerin als Leitende Notärztin geeignet sei. Nachdem pro Landkreis maximal acht Leitende Notärzte bestellt werden sollten, würde es der Landkreis … begrüßen, wenn lediglich die ersten acht Personen auf der Liste bestellt werden würden.

Mit Bescheid vom 8. Januar 2016 wurde der Klägerin mitgeteilt, dass ihre Bewerbung für eine Bestellung zur Leitenden Notärztin nicht berücksichtigt werden könne. Gemäß Art. 94 Abs. 2 der bayerischen Verfassung richteten sich die Grundsätze für eine Bestellung in ein öffentliches Amt nach Eignung, Leistung und Befähigung. Die Bewerbung der Klägerin habe als nachrangig beurteilt werden müssen. Eine Rechtsmittelbelehrungwar nicht beigefügt.

Am … April 2016 erhob die Klägerin Klage gegen den Bescheid vom 8. Januar 2016. Die Tätigkeit eines Leitenden Notarztes stelle ein öffentliches Amt dar. Eine Ausschreibung oder wenigstens eine Auflistung von Anforderungen an Leitende Notärzte des Beklagten existiere offenbar nicht. Im angegriffenen Bescheid finde sich kein Hinweis darauf, welche Tatsachen oder Kriterien der Beklagte in seine Entscheidung eingestellt habe. Öffentliche Ämter seien analog zu beamtenrechtlichen Personalmaßnahmen auszuschreiben, was seitens des Beklagten pflichtwidrig unterlassen worden sei. Der Beigeladene zu 5) sei der Trauzeuge des Beigeladenen zu 8). Vieles spreche dafür, dass im Rahmen des Bestellungsverfahrens regelrechter Druck auf den Beklagten dahingehend ausgeübt worden sei, dem Antrag der Klägerin nicht zu entsprechen. Die Interessen der Klägerin seien nicht nur gegen den Beigeladenen zu 5) abzuwägen, sondern gegen alle zum 1. Januar 2016 neu bestellten Bewerber. Die vorgenommene Teilung des Vergabeverfahrens sei erkennbar rechtsfehlerhaft. Es sei rechtswidrig, die Amtszeit bewährter Leitender Notärzte zu verlängern und nur vakant gewordene Stellen freihändig zu vergeben. Die Klägerin sei approbierte Ärztin und Fachärztin für … und … und seit dem Jahr 2015 Funktionsoberärztin. Sie sei seit nunmehr 21 Jahren im Rettungsdienst tätig, seit dem Jahr 2002 als Notärztin. Ferner sei sie in die Rettungsdienststrukturen ihres Dienstbereichs besser als jeder andere Mitbewerber involviert, da sie einige Jahre lang stellvertretende Kreisbereitschaftsleiterin des Bayerischen Roten Kreuzes … gewesen sei. Die Klägerin habe einen Lehrauftrag bei der Bayerischen Landesärztekammer im Rahmen der Ausbildung künftiger Leitender Notärzte. Durch ihre Mitgliedschaft in der … … … Group der NATO und OSZE sei sie mit den aktuellen Entwicklungen des internationalen Terrorismus bestens vertraut und verfüge über aktuellstes Wissen. Ergänzt werde dieses Profil der Klägerin durch ihre Fachexpertise als … und … Diese Fachgebiete nähmen in den letzten Jahren zunehmend Gewichtung bei der Bewältigung von Großschadenslagen ein, folglich jenen Einsatzlagen, für welche der Leitende Notarzt als öffentlicher Amtsträger im Einzelfall gerade vorgesehen sei. All diese vorgenannten Aspekte verdeutlichten, dass die Klägerin weit mehr als ihre Konkurrenten die grundsätzliche Anforderung für eine Bestellung zum Leitenden Notarzt erfülle. In Anbetracht der zunehmenden Bedeutung psychosozialer Betreuung bei einem Massenanfall an Verletzten und Kranken sei die Klägerin für eine Tätigkeit als Leitende Notärztin in Stadt und Landkreis … geradezu prädestiniert.

Die Bevollmächtigen der Klägerin beantragten zuletzt,

I. Der Bescheid des Beklagten vom 8. Januar 2016 wird aufgehoben.

II. Der Beklagte hat über den klagegegenständlichen Antrag der Klägerin auf Bestellung zur Leitenden Notärztin vom … Februar 2015 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.

Der Beklagte beantragte,

die Klage abzuweisen.

Für die ab dem 1. Januar 2016 auszusprechenden Bestellungen sei in einem ersten Schritt geprüft worden, welche bisher bestellten Leitenden Notärzte bereit wären, ihre Tätigkeit weiterhin auszuüben. Die Beigeladenen zu 1), 2), 3), 4), 6), 7) und 8) seien bereit gewesen, auch künftig ihre Tätigkeit auszuführen. Da sich alle bisher bestellten Leitenden Notärzte in ihrer Funktion bewährt hätten und somit neben den formalen Voraussetzungen auch über die entsprechende Einsatzerfahrung im Dienstbereich verfügten, hätten diese ohne weiteres für eine weitere Periode von fünf Jahren bestellt werden können. Da Herr Dr. L. ab dem 1. Januar 2016 nicht mehr für die Funktion des Leitenden Notarztes zur Verfügung gestanden habe, sollte die achte Stelle neu besetzt werden. Zu diesem Zeitpunkt hätten dem Beklagten zwei Interessenbekundungen von geeigneten Notärzten, dem Beigeladenen zu 5) und der Klägerin vorgelegen, daher hätte auf eine öffentliche Ausschreibung verzichtet werden können. Der Beigeladene zu 5) sei nach erfolgter Interessenabwägung besser für die Tätigkeit als Leitender Notarzt geeignet. Wesentliches Kriterium für die Tätigkeit als Leitender Notarzt sei die Fähigkeit, medizinische Weisungen zu erteilen. Bei Großschadensereignissen müsse der Leitende Notarzt die Schweregrade der Verletzungen von Personen beurteilen und zur strukturierten Versorgung der Patienten allen an der Einsatzstelle tätigen Ärzten innerhalb kürzester Zeit entsprechende Weisungen zur Versorgung dieser Verletzten geben. Bei dieser Betrachtungsweise sei der Beigeladene zu 5) aufgrund seiner Tätigkeit als Chefarzt als der geeignetere Interessent erschienen, da die Fähigkeit medizinische Weisungen erteilen zu können, bereits wesentliches Merkmal seiner hauptberuflichen Tätigkeit als Chefarzt sei. Bei der Tätigkeit des Leitenden Notarztes handle es sich um ein öffentliches Amt, das ehrenamtlich ausgeübt werde. Insofern könnten beamtenrechtliche Maßstäbe zumindest dem Umfang nach nur bedingt angewendet werden. Ein ausführliches Bewerbungsverfahren werde weder der Sache gerecht, noch wäre dies verhältnismäßig. Bewertungskriterien seien im Lauf des Bestellungsverfahrens festgelegt und auch aktenkundig gemacht worden. In einem vom Beklagten nachträglich zu den Akten gegebenen Protokoll eines Treffens der Ärztlichen Leiter Rettungsdienst in Bayern des ZRF … findet sich folgende wörtlich wiedergegeben Passage: „LNA. Bei fast Allen läuft zum 31.12.2015 Bestellung aus. -> Anschreiben aller noch bestellten LNA (ob noch weiter machen wollen). Dann Ernennungsverfahren nach ZRF weit einheitlichen Kriterien. Vorschlag Kriterien: Formale Anforderungen, Einsatzerfahrung (auch Notarzteinsätze mit LNA Übernahme vor dem Eintreffen, Einsatzprotokoll), Intensivmedizinische Erfahrung, Facharzt, Tag / Nachtverfügbarkeit“. Weiter ist in dem Protokoll des Jour Fixe vermerkt, dass im Landkreis … alle Stellen für Leitende Notärzte besetzt seien. Es werde eine Stelle frei. Dafür sei der Beigeladene zu 5) eingeplant, aber auch die Klägerin habe einen Antrag gestellt.

Für weitere Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte, die Sitzungsniederschrift und die vorgelegte Behördenakte verwiesen.

Gründe

Die zulässige Klage ist begründet.

Die Klage wurde fristgerecht erhoben. Der streitgegenständliche Bescheid, der vom 8. Januar 2016 datiert, enthält keine Rechtsmittelbelehrung. Deshalb betrug die Klagefrist ein Jahr, §§ 74 Abs. 1 Satz 2, 58 Abs. 2 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Die Erhebung der Klage am … April 2016 ist fristgerecht erfolgt.

Die Klage ist begründet. Die Klägerin hat gegen den Beklagten einen Rechtsanspruch auf Neuverbescheidung ihres Antrags auf Bestellung zur Leitenden Notärztin vom … Februar 2015, § 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 2 VwGO.

Das durchgeführte Verfahren zur Besetzung der Stellen der Leitenden Notärzte muss den Erfordernissen der Rechtsprechung an die Besetzung von Beamtenstellen genügen, die sich aus Art. 33 Abs. 2 Grundgesetz (GG) und Art. 94 Abs. 2 der Bayerischen Verfassung ergeben. Dies ist nicht der Fall.

Nach der Rechtsprechung handelt es sich bei dem Leitenden Notarzt in Bayern um ein öffentliches Amt (vgl. BGH, U.v. 9.1.2003 - III ZR 217/01 - juris Rn. 5). Davon geht auch der Beklagte aus, er ordnet die Tätigkeit des Leitenden Notarztes ebenfalls als Ehrenamt ein. Bestätigt wird diese Einschätzung zumindest indirekt auch durch § 33a Abs. 1 und Abs. 2 Bayerisches Rettungsdienstgesetz (BayRDG).

Die Beteiligten gehen ferner übereinstimmend davon aus, dass der Maßstab des Art. 33 Abs. 2 Grundgesetz (GG) und des Art. 94 Abs. 2 der Bayerischen Verfassung für die Besetzung der Stellen des Leitenden Notarztes anzuwenden sei. Insbesondere im Ablehnungsbescheid vom 8. Januar 2016 und in der Klageerwiderung vom 15. Juni 2016 verdeutlicht dies der Beklagte selbst nochmals.

Aus Art. 33 Abs. 2 GG i.V.m. Art. 19 Abs. 4 GG ergibt sich die Pflicht des Dienstherrn, also des Beklagten, die wesentlichen Auswahlerwägungen schriftlich niederzulegen und so die Auswahlentscheidung transparent zu machen (VG Würzburg, B.v. 2.8.2010 - W 1 S 10.559 - juris Rn. 26). Nur in Kenntnis der Entscheidungsgrundlagen kann der unterlegene Bewerber entscheiden, ob er eine Auswahlentscheidung hinnehmen oder gerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch nehmen will. Ferner gibt erst die Dokumentation der maßgeblichen Erwägungen auch dem Gericht die Möglichkeit, die angegriffene Entscheidung eigenständig nachzuvollziehen. Maßgeblich ist dabei der Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung, also die Entscheidung über die Stellenbesetzung durch den zuständigen Amtsträger. Es müssen die maßgeblichen Auswahlerwägungen vor Abschluss des Verwaltungsverfahrens schriftlich niedergelegt werden (BayVGH, B.v. 28.4.2016 - 3 CE 16.583 - juris Rn. 26).

Der Beklagte stellte zuletzt - abweichend vom Ablehnungsbescheid vom 8. Januar 2016 und der Klageerwiderung vom 15. Juni 2016 - ohne nähere Begründung und ohne Verweis auf Rechtsprechung oder Literatur darauf ab, dass der soeben aufgezeigte verfassungsrechtliche strenge Maßstab für die Besetzung der Stellen des Leitenden Notarztes nicht anzuwenden ist, weil es sich um ein Ehrenamt handle. Dieser Rechtsauffassung kann nicht gefolgt werden. Die einschlägigen rechtlichen Grundlagen, das Bayerisches Rettungsdienstgesetz und die Verordnung zur Ausführung des Bayerischen Rettungsdienstgesetzes, sehen an keiner Stelle eine freihändige Vergabe der Stellen des Leitenden Notarztes vor. Vielmehr sieht § 15 Abs. 2 AVBayRDG selbst zwingende Auswahlkriterien vor und fordert zudem vom Beklagten die Ausübung von Ermessen bei der Besetzung der Stellen der Leitenden Notärzte. Damit die Auswahlentscheidung der Leitenden Notärzte nicht an einem Ermessenfehler leidet, muss bei Beurteilung der Frage, welche Anforderungen die Stelle eines Leitenden Notarztes an die Eignung, Befähigung und Leistung eines Bewerbers stellt, denklogisch zwingend auf den beamtenrechtlichen Grundsatz der Verschriftlichung der Auswahlentscheidung zurückgegriffen werden. Andere Maßstäbe wären ermessensfehlerhaft, zumal es sich um ein öffentliches (Ehren-)Amt handelt. Im Anschluss daran folgt aus Art. 33 Abs. 2 GG i.V. mit Art. 19 Abs. 4 GG die Verpflichtung, die wesentlichen Auswahlerwägungen in den Akten des Auswahlverfahrens und nicht erstmals im verwaltungsgerichtlichen Verfahren niederzulegen. Nur durch die schriftliche Fixierung der wesentlichen Auswahlerwägungen in den Akten wird zum einen der Mitbewerber in die Lage versetzt, sachgerecht darüber befinden zu können, ob Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen den Anspruch auf faire und chancengleiche Behandlung seiner Bewerbung bestehen. Zum anderen eröffnet erst die Dokumentation der maßgeblichen Erwägungen auch dem Gericht die Möglichkeit, die angegriffene Entscheidung eigenständig nachzuvollziehen und etwaige Fehler bei der Ermessensausübung über die Vergabe der Stellen der Leitenden Notärzte zu überprüfen.

Die Behördenakte lässt jegliche Auswahlerwägung des Beklagten zur Besetzung der Stellen der Leitenden Notärzte vor Erlass des streitgegenständlichen Ablehnungsbescheids vermissen. Deshalb ist das Besetzungsverfahren offensichtlich rechtswidrig. Das Protokoll des Jour Fixe der Ärztlichen Leiter Rettungsdienst in Bayern des ZRF …, das vom Beklagten noch zur Akte gegeben wurde, enthält ebenfalls keine verschriftliche Auswahlentscheidung, sondern lediglich Vorschläge für Auswahlkriterien. Zudem muss der Beklagte die maßgeblichen Auswahlkriterien und die Auswahlentscheidung selbst verschriftlichen. Ein Protokoll eines Jour Fixes der Ärztlichen Leiter Rettungsdienst reicht hierfür nicht. Wie sich zumindest aus dem Umkehrschluss Art. 15 Abs. 4 AVBayRDG und auch aus dem streitgegenständlichen Bescheid ergibt, ist der Beklagte für die Bestellung von Leitenden Notärzten selbst zuständig und nicht der Ärztliche Leiter Rettungsdienst.

Aus den vorgelegten Protokollen der Treffen der Ärztlichen Leiter Rettungsdienst geht ferner hervor, dass im Rettungsdienstbereich des Beklagten offenbar allgemein davon ausgegangen wird, dass im Landkreis … zum 1. Januar 2016 freigewordene Stellen für Leitende Notärzte zunächst nur nach dem Kriterium „bekannt und bewährt“ zu besetzen sind. Lediglich eine freie Stelle ist dann nach diesen Protokollen noch zu vergeben und zwar entweder an den Beigeladenen zu 5) oder die Klägerin. Im Anschluss daran nimmt der Beklagte in seiner Klageerwiderung mit Verweis auf die Aufgaben eines Leitenden Notarztes vor allem einen Vergleich zwischen dem Beigeladenen zu 5) und der Klägerin vor. Auch dieses Vorgehen ist rechtsfehlerhaft. Für die Stellen der Leitenden Notärzte, die zum 1. Januar 2016 frei wurden, gab es mehrere Bewerber. Im entsprechenden Stellenbesetzungsverfahren hätten alle Bewerber miteinander verglichen werden müssen. Es reicht keinesfalls aus, nur auf die Kriterien „bekannt und bewährt“ sowie eine „entsprechende Einsatzerfahrung“ abzustellen. Solche Kriterien dürfen zwar ergänzend neben weiteren Kriterien herangezogen werden, wobei es aber eines Vergleichs aller Bewerber gegeneinander bedarf. Andernfalls wäre es neuen Bewerbern um die Stelle eines Leitenden Notarztes praktisch unmöglich zum Zuge zu kommen, da das Kriterium „bekannt und bewährt“ von diesen neuen Bewerbern nicht erfüllt werden kann. Zudem ist es beispielsweise denkbar, dass einer der „bekannten und bewährten“ Bewerber möglicherweise aus beruflichen Gründen für eine Rettungsdienstalarmierung nicht mehr erreichbar ist und deshalb ein anderer Bewerber zu bevorzugen ist.

Weiterhin ist wegen der Natur des öffentlichen Amtes des Leitenden Notarztes - wie bei allen anderen vergleichbaren Stellenbesetzungen - bereits der Anschein der Bevorteilung einzelner Bewerber zu vermeiden.

Es war nicht notwendig, dass die Klägerin im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes gegen die Besetzung der Stellen des Leitenden Notarztes vorgeht. Dies ergibt sich aus Art. 15 Abs. 4 AVBayRDG, wonach ein Widerruf einer Bestellung zum Leitenden Notarzt aus wichtigem Grund jederzeit möglich ist. Der wichtige Grund ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, ein fehlerhaftes Auswahlverfahren ist ein wichtiger Grund für einen Widerruf, da die verfassungsrechtlichen Grundsätze zur Besetzung von Beamtenstellen dann nicht eingehalten worden sind.

Soweit bemängelt wird, dass im Landkreis … statt der üblichen sechs vorliegend acht Leitende Notärzte bestellt wurden, ist dies nicht problematisch. Die erhöhte Anzahl an Stellen kommt der Klägerin sogar zu Gute, da es dann mehr Leitende Notärzte gibt und ihre Bewerbung möglicherweise eher zum Zug kommt.

Anders als die Klägerin meint, müssen die Stellen für Leitende Notärzte nicht ausgeschrieben werden, eine allgemeine beamtenrechtliche Pflicht besteht insofern nicht, vgl. Art. 20 Abs. 1 Satz 1 Bayerisches Beamtengesetz. Ein besonderes dienstliches Interesse an einer Ausschreibung der Stellen für Leitenden Notärzte ist nicht zu erkennen. Spezialgesetzlich ist im Bayerischen Rettungsdienstgesetz und in der Verordnung zur Ausführung des Bayerischen Rettungsdienstgesetzes keine von diesem Grundsatz abweichende Regelung zu finden. Zudem ist eine Bewerbung als Leitender Notarzt jederzeit möglich, so dass es keiner Ausschreibung bedarf. Berücksichtigt werden muss und kann diese Bewerbung dann, sobald eine Stelle für einen Leitenden Notarzt frei wird - sei es durch Aufgabe der Ehrenamts oder durch Ablauf des Bestellungszeitraums.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. Zivilprozessordnung (ZPO).

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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au
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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au
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published on 09/01/2003 00:00

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL III ZR 217/01 Verkündet am: 9. Januar 2003 F r e i t a g Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: ja BGHR: ja BGB § 839 Fc; SGB
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Annotations

(1) Die Anfechtungsklage muß innerhalb eines Monats nach Zustellung des Widerspruchsbescheids erhoben werden. Ist nach § 68 ein Widerspruchsbescheid nicht erforderlich, so muß die Klage innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts erhoben werden.

(2) Für die Verpflichtungsklage gilt Absatz 1 entsprechend, wenn der Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts abgelehnt worden ist.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Jeder Deutsche hat in jedem Lande die gleichen staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten.

(2) Jeder Deutsche hat nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amte.

(3) Der Genuß bürgerlicher und staatsbürgerlicher Rechte, die Zulassung zu öffentlichen Ämtern sowie die im öffentlichen Dienste erworbenen Rechte sind unabhängig von dem religiösen Bekenntnis. Niemandem darf aus seiner Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit zu einem Bekenntnisse oder einer Weltanschauung ein Nachteil erwachsen.

(4) Die Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse ist als ständige Aufgabe in der Regel Angehörigen des öffentlichen Dienstes zu übertragen, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis stehen.

(5) Das Recht des öffentlichen Dienstes ist unter Berücksichtigung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums zu regeln und fortzuentwickeln.

(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.

(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.

(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.

(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(1) Jeder Deutsche hat in jedem Lande die gleichen staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten.

(2) Jeder Deutsche hat nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amte.

(3) Der Genuß bürgerlicher und staatsbürgerlicher Rechte, die Zulassung zu öffentlichen Ämtern sowie die im öffentlichen Dienste erworbenen Rechte sind unabhängig von dem religiösen Bekenntnis. Niemandem darf aus seiner Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit zu einem Bekenntnisse oder einer Weltanschauung ein Nachteil erwachsen.

(4) Die Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse ist als ständige Aufgabe in der Regel Angehörigen des öffentlichen Dienstes zu übertragen, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis stehen.

(5) Das Recht des öffentlichen Dienstes ist unter Berücksichtigung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums zu regeln und fortzuentwickeln.

(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.

(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.

(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.

(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.